BT-Drucksache 14/5382

Entwicklung der Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in den letzten 10 Jahren

Vom 19. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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5382

14. Wahlperiode

19. 02. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Entwicklung der Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
in den letzten zehn Jahren

Die Bundesregierung hat den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von
Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ (Bundesrats-
drucksache 54/01 vom 26. Januar 2001) vorgelegt. Das Gesetz sieht eine wei-
tere erhebliche Ausweitung der Möglichkeiten zu Eingriffen in das Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis vor. Die bereits mit dem „Verbrechensbekämp-
fungsgesetz“ von 1994 breitflächig eingeführte Zusammenarbeit von Polizei
und Geheimdiensten würde mit diesem neuen Gesetz in Zukunft zur normalen
Praxis, das seit 1945 bestehende Trennungsgebot zwischen Polizei und Ge-
heimdiensten damit in einem bisher nicht erlebten Ausmaß durchbrochen.

Eine Vielzahl neuer Verdachtsgründe, die nach diesem Gesetzentwurf in Zu-
kunft Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis erlauben sollen,
wird die Zahl dieser Eingriffe, die in den letzten Jahren ohnehin sehr stark zu-
genommen haben, noch weiter in die Höhe treiben. Der Anteil des maximal ab-
gehörten Telefonverkehrs soll nach diesem Gesetzentwurf von 10 auf 20 Pro-
zent verdoppelt werden.

Gleichzeitig wächst in der Öffentlichkeit die Besorgnis über diese Eingriffe in
Grundrechte. Bereits Ende letzten Jahres hatte der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz erneut von einem „dramatischen Anstieg“ der Telefonüberwa-
chungen im Jahr 1999 gesprochen (Süddeutsche Zeitung, 18. Dezember 2000).
Ähnliche Besorgnisse bestehen bei der seit 1998 möglichen akustischen Wohn-
raumüberwachung, durch die das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Woh-
nung eingeschränkt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Maßnahmen der akustischen und optischen Wohnraumüberwa-
chung wurden seit Schaffung dieser Möglichkeit bzw. in den letzten zehn
Jahren

– im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren durch den Generalbundes-
anwalt,

– im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren durch andere Staatsanwalt-
schaften

durchgeführt?

Wie viele Wohnungen von wie vielen Beschuldigten und deren Kontaktper-
sonen wurden durch diese Maßnahmen akustisch bzw. optisch überwacht
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
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2. Wie viele dieser Maßnahmen erfolgten in den letzten zehn Jahren

– im Zusammenhang mit der Verfolgung von schwerer Kriminalität,

– im Zusammenhang mit der Verfolgung von mittlerer Kriminalität,

– im Zusammenhang mit der Verfolgung von kleiner Kriminalität

(bitte die Tatvorwürfe, deretwegen die Maßnahmen ergingen, einzeln auf-
führen und nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Wie viele der angeordneten Maßnahmen der akustischen und optischen
Wohnraumüberwachung waren im Ergebnis für das abschließende gericht-
liche Verfahren relevant und welche Urteile ergingen gegen die auf diese
Weise überwachten Verdächtigen (bitte die Urteile einzeln aufführen)?

4. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungsverfahren später eingestellt
oder endete das Verfahren mit einem Freispruch der Beschuldigten (bitte
getrennt aufführen)?

5. Wie viele dieser Maßnahmen der akustischen und optischen Wohnraum-
überwachung erstreckten sich auch auf Gespräche bzw. Kontakte der Ver-
dächtigen mit Ärzten und Journalisten?

6. Muss die Anordnung einer solchen Maßnahme durch den oder die zustän-
digen Richter schriftlich begründet werden?

7. Muss die Verweigerung einer solchen Maßnahme durch den oder die zu-
ständigen Richter schriftlich begründet werden?

8. Wie viele Anträge auf akustische bzw. optische Wohnraumüberwachung
wurden abgelehnt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

9. Werden die Richter, die diese Maßnahmen angeordnet haben, über den Er-
folg der von ihnen angeordneten Maßnahmen unterrichtet?

Wenn ja, in welcher Weise?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, zum Beispiel im
Zusammenhang mit ihrem nun vorgelegten Gesetzentwurf, um in Zukunft
sicher zu stellen, dass die solche Überwachungsmaßnahmen anordnenden
Richter künftig über die Ergebnisse ihrer Anordnungen unterrichtet wer-
den?

11. Wie viele Brief-, Post- und Paketsendungen wurden in den vergangenen
zehn Jahren im Zusammenhang mit

– polizeilichen bzw. staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen Ver-
dächtige,

– Überwachungsmaßnahmen des

a) BND

b) MAD

c) Verfassungsschutz

d) andere Stellen (Zoll etc.)

geöffnet (bitte Angaben pro Jahr)?

12. Gegen wie viele Personen richteten sich diese Eingriffe in das Brief- und
Postgeheimnis (bitte Angaben pro Jahr)?
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13. Wie viele der von diesen Maßnahmen betroffenen Personen waren

– Beschuldigte bzw. Verdächtige,

– Kontaktpersonen von Beschuldigten bzw. Verdächtigen

(bitte Angaben pro Jahr)?

14. Welche Erfolgskontrolle beabsichtigt die Bundesregierung (z. B. im Zu-
sammenhang mit ihrem neuen Gesetzentwurf), um die Verhältnismäßigkeit
und Angemessenheit dieser Grundrechtseingriffe für die Zukunft zu prü-
fen?

15. Wie hat sich die Zahl der Telefonüberwachungsmaßnahmen in den letzten
zehn Jahren entwickelt, d. h.

a) gegen wie viele Beschuldigte wurden diese Maßnahmen durchgeführt,

b) wie viele Kontaktpersonen waren davon ebenfalls betroffen,

c) wie viele Telefonanschlüsse bzw. Mehrfachanschlüsse wurden im Zuge
dieser Maßnahmen abgehört,

d) wie viele Telefongespräche bzw. Faxanrufe wurden durch diese Maß-
nahmen abgehört bzw. registriert

(bitte die jeweiligen Angaben pro Jahr aufschlüsseln)?

16. Auf welche Weise wurde bisher durch welche Stellen eine Erfolgskontrolle
und eine Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Überwa-
chungsmaßnahmen bzw. Eingriffe in Grundrechte vorgenommen?

17. Auf welche Weise soll eine Erfolgskontrolle und eine Kontrolle der Ver-
hältnismäßigkeit dieser Grundrechtseingriffe in Zukunft erfolgen?

18. Ist eine parlamentarische Überwachung dieser Erfolgskontrolle gewähr-
leistet?

Wenn ja, wie findet diese statt?

Wenn nein, warum nicht?

19. Bei wie vielen bzw. wie viel Prozent der Abhörmaßnahmen bzw. Eingriffe
in das Brief- und Postgeheimnis erfolgte auf Grund dieser Eingriffe in den
letzten zehn Jahren nachher eine Verurteilung der Verdächtigen (bitte nach
Jahr, Art der verurteilten Straftat und Höhe der Strafe aufschlüsseln)?

20. Bei wie vielen bzw. wie viel Prozent dieser Abhörmaßnahmen bzw. Ein-
griffe in das Brief- und Postgeheimnis wurde das Ermittlungsverfahren in
den letzten zehn Jahren später eingestellt bzw. endete das Verfahren mit ei-
nem Freispruch der Verdächtigen oder wurde die Maßnahme abgebrochen
oder eingestellt, weil sich der Verdacht nicht bestätigte (bitte nach Jahren,
Freispruch, Einstellung des Verfahrens oder anderer Einstellung der Maß-
nahme aufschlüsseln)?

21. Sieht die Bundesregierung angesichts der Zunahme und des erreichten
Ausmaßes dieser Eingriffe in elementare Grundrechte gesetzlichen oder
anderen Korrekturbedarf?

Wenn ja, welchen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 14. Februar 2001

Ulla Jelpke
Petra Pau
Roland Claus und Fraktion

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