BT-Drucksache 14/537

Europäische Entwicklungszusammenarbeit reformieren

Vom 16. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/537 vom 16.03.1999

Antrag der Fraktion der CDU/CSU Europäische
Entwicklungszusammenarbeit reformieren =

16.03.1999 - 537

14/537

Antrag
der Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr.
Christian Ruck, Dr. Norbert Blüm, Siegfried Helias, Rudolf Kraus, Dr.
Manfred Lischewski, Marlies Pretzlaff, Erika Reinhardt, Peter Weiß
(Emmendingen) und der
Fraktion der CDU/CSU
Europäische Entwicklungszusammenarbeit reformieren

Der Bundestag wolle beschließen:
Im Februar 2000 läuft das Lomé-IV-Abkommen und somit die bisherige
Lomé-Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten aus. Im Rahmen der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 muß gleichzeitig mit den
Lomé-Verhandlungen eine grundsätzliche Reform der
Entwicklungszusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedsländer eingeleitet
werden. Dabei ist Bewährtes fortzuführen und sind erkannte Mängel zu
beseitigen. Die EU besitzt komparative Vorteile z. B. bei der Förderung
regionaler Integration unter strikter Beachtung des Prinzips der
Subsidiarität. Aufgabe der europäischen Entwicklungspolitik muß es
sein, das zu tun, was sie besser kann als die EU-Staaten alleine. Das
Ziel ist daher eine europäische Entwicklungszusammenarbeit, die weniger
institutionalisiert, aber stärker vernetzt ist. In diesem Zusammenhang
bekräftigt der Deutsche Bundestag seinen Beschluß vom 29. April 1998
über die Zukunft der AKP-Entwicklungszusammenarbeit im neuen
Jahrtausend.
Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Eine Verbesserung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit ist
dringend erforderlich. Die Zunahme von Zielen und Instrumenten der
europäischen Entwicklungszusammenarbeit, die mangelnde Koordinierung
zwischen den Gebern, das Fehlen einer deutlichen Komplementarität
zwischen den Programmen der Kommission und der Mitgliedstaaten sind die
wesentlichen Mängel der heutigen EU-Entwicklungspolitik. Die
Zentralisierung und finanzielle Kontrolle haben das zuträgliche Maß
überschritten, die institutionelle Struktur ist nicht geeignet, um aus
Fehlern zu lernen. In der Administration sind die Zuständigkeiten auf
zu viele Generaldirektionen verteilt. Für alle Geber muß gelten, daß
der Aufbau von administrativen Parallelstrukturen vermieden werden
soll.
Anstatt ihre eigentlichen Aufgaben im Sinne einer zentralen Institution
für die Formulierung und Abstimmung einer europäischen
Entwicklungspolitik wahrzunehmen, ist die EU-Entwicklungszusammenarbeit
heute in der Rolle eines 16. Geberlandes. Ihre Projekte sind über viele
Sektoren und Regionen ohne Schwerpunktbildung und ohne Einbettung in
eine Sektorstrategie verstreut, so daß sie keine nachhaltige Wirkung
entfalten können. Das Ziel einer EU-Entwicklungspolitik der Kommission
als European leader ist bisher nicht erreicht worden. Auch in der
europäischen Entwicklungspolitik muß dabei das Prinzip der
Subsidiarität gelten. Dies muß auch für das Verhältnis zwischen EU und
den Nichtregierungsorganisationen Geltung haben.
Die starren Verfahrensregeln verhindern die prozeßorientierte
Begleitung der Projekte und die notwendige Flexibilität. Es macht den
Eindruck, daß die Einhaltung des Regelwerks wichtiger als die stärkere
Ergebnisorientierung ist. Erschwerend kommen hinzu die Komplexität und
Intransparenz der Verwaltungsabläufe. Es fehlt eine wirksame Kontrolle
für einen effizienten Mitteleinsatz.
Daher müssen die Schwerpunkte einer Reform in einer Neustrukturierung
der AKP-Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des Vertrags von
Maastricht, der Verbesserung der Komplementarität der
Entwicklungszusammenarbeit der EU und den 15 Mitgliedstaaten sowie
einer systematischen und unabhängigen Evaluierung liegen. Zur
Verbesserung der Effizienz gehört auch eine Verbesserung der
Koordinierung der Geber untereinander. Bei dem neuen Lomé-Vertrag ist
insbesondere darauf zu achten, daß Vertragsverletzungen eindeutige
Konsequenzen für die Fortführung der Entwicklungszusammenarbeit haben
müssen. Darüber hinaus muß das Abkommen weiteren Least Developed
Countries (am wenigsten entwickelten Ländern) offenstehen.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft muß für die längst überfälligen
Reformen der EU-Entwicklungszusammenarbeit genutzt werden. Nach
Beendigung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist dem Ausschuß für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Bericht mit den
Ergebnissen der Bemühungen der Bundesregierung vorzulegen.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. sich bei dem bevorstehenden EU-Ministerrat für eine klare
Formulierung von Zielen und Schwerpunkten unter Berücksichtigung des
Prinzips der Subsidiarität und für die Einrichtung einer systematischen
Evaluierung zur Verbesserung der Effizienz und Nachhaltigkeit
einzusetzen;
2. die Diskussion über die Ziele, Schwerpunkte, Instrumente und
Vertragspartner einer europäischen Entwicklungspolitik europaweit offen
zu führen; hierbei ist insbesondere die Umwandlung der
strukturkonservierend wirkenden STABEX- und SYSMIN-Instrumente
zugunsten flexibler Elemente voranzutreiben;
3. bei den Ansätzen für eine komplementäre Aufgabenteilung zwischen
europäischer und bilateraler Entwicklungszusammenarbeit sowie auf eine
kohärente Politik zwischen europäischer Entwicklungspolitik und anderen
Politikbereichen hinzuwirken; dabei soll eine Konzentration auf die
Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit erfolgen, wo die EU über
komparative Vorteile (z. B. Politikdialog, Förderung von Demokratie und
Menschenrechten, Strukturanpassung, regionale Kooperation) verfügt;
4. sich für eine Bündelung und Straffung der Zuständigkeiten bei der
EU-Kommission einzusetzen;
5. darauf hinzuwirken, daß die Verfahren zur Förderung von Projekten
nicht so gestaltet werden, daß nationale Nichtregierungsorganisationen
de facto von der EU-Förderung ausgeschlossen sind, sondern daß ihre
Rolle gestärkt wird wegen ihrer wertvollen Erfahrungen und Kenntnisse
insbesondere in den Bereichen Armutsbekämpfung, Frauen und Entwicklung,
Bildungsförderung und Umweltschutz;
6. auf eine stärkere Transparenz der Verwaltungsabläufe und
Entscheidungsprozesse in der europäischen Entwicklungszusammenarbeit
hinzuwirken;
7. sich dafür einzusetzen, daß in dem neu auszuhandelnden Lomé-
Vertrag festgeschrieben wird, daß Vertragsverletzungen eindeutige
Konsequenzen für die Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit
enthalten;
8. sich für eine zügige Umsetzung der Ergebnisse der bisherigen
Evaluierungen und der Kritik von Rechnungshof und Parlament
einzusetzen;
9. die systematische Evaluierung der Entwicklungsprojekte der EU
durch ein Gremium, welches von den durchführenden Kommissionsstellen
unabhängig ist, zu erreichen.
Bonn, den 16. März 1999
Dr. Ralf Brauksiepe
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Christian Ruck
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Erika Reinhardt
Peter Weiß (Emmendingen)
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

16.03.1999 nnnn

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