BT-Drucksache 14/5316

Neuer Schwung für das System Schiene

Vom 13. Februar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5316
14. Wahlperiode 13. 02. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dr. Klaus W.
Lippold (Offenbach), Eduard Oswald, Renate Blank, Wolfgang Börnsen
(Bönstrup), Georg Brunnhuber, Wolfgang Dehnel, Hubert Deittert, Peter Götz,
Manfred Heise, Hans Jochen Henke, Norbert Königshofen, Dr. Hermann Kues,
Peter Letzgus, Eduard Lintner, Dr. Michael Meister, Günter Nooke, Norbert Otto
(Erfurt), Hans-Peter Repnik, Heinz Schemken, Wilhelm Josef Sebastian und der
Fraktion der CDU/CSU

Neuer Schwung für das System Schiene

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gefordert ist neuer Schwung für das System Schiene, das in unserem Verkehrs-
system des 21. Jahrhunderts einen unverändert wichtigen Platz einnimmt und
im Zusammenhang mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen eine große Auf-
gabe übernehmen muss. Der Antrag „Bahnreform 2 – Neuer Schwung für die
Bahn“ (Bundestagsdrucksache 14/2691) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat
dies zum Ausdruck gebracht. Die Diskussion über die Bedeutung des Verkehrs-
trägers Schiene sowie die Überlegungen über die Fortführung der Bahnreform
sind in eine neue Qualität versetzt worden. Der Ausschuss für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen hat einstimmig ein öffentliches Hearing beschlossen, das
am 11. Oktober 2000 stattgefunden und eine Zwischenbilanz der Bahnreform
und neue Handlungsziele aufgezeigt hat.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat mit ihrem Antrag den dringenden
Handlungsbedarf angemahnt. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Bahnreform
und Eisenbahnpolitik“ (Bundestagsdrucksache 14/3682) bestätigt die Analyse
und die Forderungen unseres Antrags. Die Experten-Anhörung im Ausschuss
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf der Grundlage der Anträge der
Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. hat weitere wichtige Erkenntnisse ge-
bracht.

Die Stellungnahmen der Experten zur Zwischenbilanz der Bahnreform haben
unsere kritische Analyse ebenfalls bestätigt und bekräftigt. Die Bahnreform ist
vom Konzept und den gesetzlichen Rahmenbedingungen her richtig angelegt,
ihre Umsetzung läuft mittlerweile aber teilweise in die falsche Richtung. Die
Zementierung der Monopolstellung des nationalen staatlichen Bahnunterneh-
mens verhindert den Wettbewerb auf der Schiene. Die Wertung von Prof. Gerd
Aberle, als Mitglied der Regierungskommission Bundesbahn Mitverfasser der
Vorschläge zur Bahnreform, zur Entwicklung im Unternehmen DB AG ist be-
zeichnend: „Was mich am allermeisten stört, ist die Veränderung des Grundge-
dankens der Bahnreform. Dass man jetzt wieder ein total integriertes Unterneh-
men schaffen will – und damit im Grunde die gleiche Struktur schafft wie die
Bundesbahn sie früher hatte – ist für mich schon enttäuschend.“

Drucksache 14/5316 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zur Bahnreform gibt es grundsätzlich keine Alternative. Sie muss vollendet
und nicht neu erfunden werden. Die Schaffung der Voraussetzungen für den
Wettbewerb konkurrierender Unternehmen ist die Schicksalsfrage der Bahnre-
form. Im deutschen Schienensystem ist die sofortige Öffnung für den Wettbe-
werb durch die konsequente Trennung von Netz und Betrieb unumgänglich.
Nach Auffassung fast aller Experten ist die Trennung von Netz und Betrieb der
Schlüssel, diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz zu ermöglichen.
Zur gleichen Erkenntnis kommt auch die Kommission Verkehrsinfrastruktur-
finanzierung in ihrem Schlussbericht. Sie empfiehlt die sofortige Trennung. Sie
hält zudem die Einbeziehung des Netzes in das privatunternehmerische Risiko
für gleichbedeutend mit einer Verhinderung der Kapitalmarkt-/Börsenfähigkeit
der DB AG.

Auch auf europäischer Ebene ist zwischenzeitlich mit der Einigung zwischen
Kommission und Parlament ein großer Schritt für eine Ausweitung der Libera-
lisierung auf das gesamte europäische Schienennetz und damit zur Öffnung der
nationalen Schienennetze für den Wettbewerb getan worden. Der Wettbewerb
auf der Schiene ist die maßgebliche Voraussetzung dafür, dass das „System
Schiene“ im nationalen Verkehrsmarkt und auch in Europa Zukunft hat und
einen angemessenen Anteil am Modal Split der Verkehrsträger zurückgewinnt.

Im Interesse einer effizienten Integration des Systems Schiene in das Gesamt-
verkehrssystem muss schnell gehandelt werden. Die Folgerung aus den jetzt
vorliegenden Erkenntnissen ist, dass bei der Fortführung der Bahnreform die
Bereiche System Schiene und Unternehmen DB AG getrennt voneinander be-
handelt werden müssen. Die Aufgaben sind klar verteilt und sie müssen ord-
nungspolitisch sauber getrennt abgearbeitet werden:

 Der Staat muss für die richtigen Rahmenbedingungen für das System
Schiene sorgen, insbesondere muss er die erforderlichen Investitionsmittel
für die Sanierung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur auf stabiler,
der Zielsetzung der Bahnreform entsprechender Basis sicherstellen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei der Gestaltung künftig
notwendiger Organisationsstrukturen – wie z. B. Regulierungsbehörde, Kar-
tellaufsicht, Fahrplankoordinator, hoheitliche Aufsicht über Technik und Be-
trieb, Planfeststellung, Finanzaufsicht und Unfallermittlung – Interessen-
konflikte von vornherein vermieden werden. Bereiche mit konkurrierenden
Interessen dürfen nicht unter dem Dach einer einzigen Behörde angesiedelt
werden.

 Das Unternehmen DB AG muss seine Restrukturierungsmaßnahmen erfül-
len und die Arbeitnehmerseite muss ihren Anteil erbringen, um die Produk-
tivität zu verbessern.

Der Vorstand der DB AG muss ein Konzept zur Sanierung des Unterneh-
mens erstellen, in dem wir insbesondere klare Aussagen zu folgenden Hand-
lungsfeldern erwarten:

– Angebotsstrukturen für den Güterverkehr, den KLV, den Personenfern-
verkehr und den Personennahverkehr,

– Verbesserung der Produktivität,

– Investitionserfordernisse für Unterhaltung, Sanierung, Modernisierung
der Schieneninfrastruktur, von Bahnanlagen und Fahrzeugen,

– Transparente Kostenrechnung,

– Mittelfristige Planung der Unternehmens- und Bilanzziele,

– Bewältigung von Altlasten (z. B. im Bestandsnetz, aus der Deutschen
Reichsbahn, aus Personalüberhang und Produktivitätsrückstand u. a.).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5316

II. In Ergänzung zu dem von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachten
Antrag „Bahnreform 2 – Neuer Schwung für die Bahn“ (Bundestagsdrucksache
14/2691) fordert der Deutsche Bundestag von der Bundesregierung, dass sie die
nötigen Initiativen für eine erfolgreiche Fortführung der Bahnreform umgehend
dem Deutschen Bundestag vorlegt. Dabei geht es um folgende Eckpunkte:

1. Die Schienenverkehrspolitik muss konsequent in folgende Bereiche getrennt
werden: den Bereich System Schiene, den Bereich der in diesem System tä-
tigen Bahnunternehmen im Wettbewerb und den Bereich der Verantwortung
des Bundes als Alleineigentümer des Unternehmens DB AG. Die Bundesre-
gierung hat hierfür umgehend ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen.

2. Im Konzept der Bundesregierung für die Schienenverkehrspolitik müssen
insbesondere folgende Handlungsfelder enthalten sein:

 Rahmenbedingungen (Steuern, Finanzen),
 Wettbewerb, Trennung von Netz und Betrieb,
 Regulierung / Fahrplankoordinierung,
 Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben (Behördenstruktur, Aufgabenzuord-

nung, Aufgaben des EBA),

 Netzorganisation (z. B. als Auftragsverwaltung),
 Gewährleistung des Wohls der Allgemeinheit durch einen entsprechen-

den Entwurf für ein Bundesgesetz gemäß Artikel 87e Abs. 4 GG,

 Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs,
 Nachholbedarf in der Schieneninfrastruktur der alten und neuen Bundes-

länder.

Berlin, den 13. Februar 2001

Dirk Fischer (Hamburg)
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Eduard Oswald
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Georg Brunnhuber
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Peter Götz
Manfred Heise
Hans Jochen Henke
Norbert Königshofen
Dr. Hermann Kues
Peter Letzgus
Eduard Lintner
Dr. Michael Meister
Günter Nooke
Norbert Otto (Erfurt)
Hans-Peter Repnik
Heinz Schemken
Wilhelm Josef Sebastian
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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