BT-Drucksache 14/531

Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten fördern

Vom 16. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/531 vom 16.03.1999

Antrag der Fraktion der F.D.P. Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten
fördern =

16.03.1999 - 531

14/531

Antrag
der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Gerhard Schüßler, Dr. Helmut
Haussmann, Ulrich Irmer, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Hans-Michael
Goldmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Günther Friedrich Nolting, Carl-Ludwig Thiele, Dr.
Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.
Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten fördern

Multilateral koordinierte Entwicklungshilfe ist effizienter als eine
Vielzahl bilateraler Ansätze. Deswegen kommt der europäischen
Entwicklungspolitik in der Nord-Süd-Zusammenarbeit eine maßgebliche
Rolle zu. Die bisherige Zusammenarbeit zwischen der EU und den AKP-
Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) gilt zwar als erfolgreiches Modell
interregionaler Entwicklungspartnerschaft. Sie ist in ihrer
gegenwärtigen Form jedoch nicht den Herausforderungen der
Globalisierung gewachsen und muß daher vollständig überarbeitet werden.
Strukturelle Defizite müssen bereinigt, neue Prioritäten müssen gesetzt
werden.
Unsere Partner erwarten, daß von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
entscheidende Impulse für die seit Anfang September letzten Jahres
laufenden Verhandlungen über die Erneuerung der EU-AKP-Zusammenarbeit
ausgehen. Bislang hat die Bundesregierung aber weder klare Schwerpunkte
benannt noch deutliche Vorstellungen über die Gestaltung der
zukünftigen europäischen Entwicklungspolitik erkennen lassen. Dem vom
Bundesminister des Äußeren, Joseph Fischer, bei der EU-AKP-
Ministerkonferenz am 8. Februar 1999 in Dakar angekündigten "neuen
Schub" für die Verhandlungen müssen jetzt Taten folgen. Die Vorlage
eines umfassenden Reformkonzeptes durch die deutsche EU-
Ratspräsidentschaft ist dringend geboten. Neben der Armutsbekämpfung
sollte dabei vor allem der Stärkung der Eigeninitiative Vorrang
eingeräumt werden. Voraussetzungen hierfür sind rechtsstaatliche
Rahmenbedingungen, entwicklungsorientiertes staatliches Handeln,
Wettbewerb, Privatisierungen, Dezentralisierung, die wirksame
Bekämpfung von Korruption und Nepotismus sowie die Herstellung freier
und fairer Handelsbedingungen. "Good Governance" (verantwortungsvolle
Staatsführung), Eigeninitiative und freier Handel haben für die
Entwicklung vieler Länder größere Bedeutung als die gesamte öffentliche
Entwicklungshilfe.
Eine fundamentale Reform der EU-AKP-Zusammenarbeit muß von überholten
Konzepten, wie z. B. den Kompensationsmechanismen STABEX und SYSMIN,
Abschied nehmen. Die Erfahrung aus vier Entwicklungsdekaden, die durch
schlechte Rahmenbedingungen für Selbsthilfe und unzureichende
Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer gekennzeichnet waren, lehrt,
daß reiner Ressourcentransfer und neue Verteilungsmechanismen das Ziel
einer nachhaltigen Entwicklung eher behindern. Nur ein neues Konzept,
das Eigenanstrengungen als unerläßliche Voraussetzung für
wohlverstandene Solidarität und Partnerschaft definiert, kann
langfristig erfolgreich sein.
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
- Die Zusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten muß grundlegend
reformiert werden, um einen wirksamen Beitrag zur Entwicklung der AKP-
Länder, deren Integration in die Weltwirtschaft und damit zur globalen
Zukunftssicherung leisten zu können.
- Die EU-AKP-Zusammenarbeit muß vorrangig auf eine Förderung der
Eigenverantwortlichkeit sowohl der staatlichen als auch der
nichtstaatlichen Instanzen abzielen. Eigeninitiative und Selbsthilfe
sind der Schlüssel zur Überwindung von Unterentwicklung und Armut. In
diesem Zusammenhang sollten auch größere Anstrengungen unternommen
werden, um Akademikern/Fachkräften aus AKP-Ländern bei der Rückkehr zu
helfen und sie in die Lage zu versetzen, beim Aufbauprozeß in ihren
Heimatländern aktiv mitzuwirken.
- Verantwortungsvolle Staatsführung muß zu einem zentralen,
überprüfbaren Element der Zusammenarbeit werden und sich neben der
Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Beachtung der
Menschenrechte auch auf die Wahl der Entwicklungsprioritäten, die
transparente Mittelverwaltung und die Bekämpfung von Korruption und
Nepotismus erstrecken. Eine selten genannte Voraussetzung für die
Zurückdrängung von Korruption ist, sie publik zu machen. Ein neutrales
Forschungsinstitut - durch europäische Entwicklungszusammenarbeit
finanziert -, in dem Fachleute aus der EU und den AKP-Ländern
Korruptionsforschung betreiben und die Funktionsweise der Korruption in
einzelnen AKP-Ländern und bei der europäischen entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit offenlegen, könnte einen wichtigen Transparenz-Beitrag
leisten.
- Die Instrumente der neuen AKP-Zusammenarbeit müssen verstärkt zur
Förderung marktwirtschaftlicher Strukturen und privater
Investitionstätigkeit eingesetzt werden. Die Förderung der
Privatwirtschaft ist in erster Linie eine nationale Aufgabe. Die
Partnerländer müssen die Verantwortung für die Herstellung stabiler,
rechtlicher Rahmenbedingungen zur Entfaltung privater wirtschaftlicher
Initiative übernehmen. Dies gilt insbesondere für die Beseitigung von
Hindernissen für in- und ausländische Investoren.
- In der EU-AKP-Zusammenarbeit muß ein neues handelspolitisches
Konzept erarbeitet werden, das vor der Welthandelsorganisation (WTO)
Bestand hat. Im Mittelpunkt des Konzeptes müssen Maßnahmen zur
schrittweisen Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft und zum
Abbau von Handelshemmnissen auf beiden Seiten stehen.
- Von einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung in den AKP-
Staaten profitieren nicht nur diese selbst, sondern auch die EU als ihr
wichtigster Wirtschaftspartner. Das von beiden Seiten in den
Mittelpunkt der Verhandlungen gestellte Prinzip einer neuen,
gleichberechtigten Partnerschaft sollte so gestaltet werden, daß von
der zukünftigen Zusammenarbeit sowohl nachhaltige
entwicklungspolitische Impulse für die AKP-Staaten als auch positive
Auswirkungen für die europäischen Volkswirtschaften ausgehen.
- Die Entwicklungszusammenarbeit der Union und der Mitgliedstaaten
muß besser abgestimmt und nach dem Subsidiaritätsprinzip zu einer
wirksamen, kohärenten europäischen Entwicklungszusammenarbeit
umgestaltet werden.
- Neben der Entwicklungszusammenarbeit muß ein umfassender
politischer Dialog mit den AKP-Ländern im Rahmen der zukünftigen
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU etabliert werden.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Gestaltungsmöglichkeiten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
für tiefgreifende Strukturreformen in der EU-AKP-Zusammenarbeit zu
nutzen und bei den laufenden Verhandlungen ein umfassendes Konzept für
die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit, für Rechtsstaatlichkeit, für
marktwirtschaftlich orientierte Wirtschafts- und Handelspolitik, für
die Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns, für die Reform von
Verwaltung und Erziehungswesen sowie für die wirksame Bekämpfung von
Mißwirtschaft und Korruption in den Partnerländern vorzulegen;
2. sich dafür einzusetzen, daß die Stärkung der
Eigenverantwortlichkeit der AKP-Staaten zu einem vorrangigen Ziel der
zukünftigen Zusammenarbeit wird. Selbsthilfewillen, Eigenanstrengungen
und Reformbereitschaft sollten zentrale Vergabekriterien werden. Hierzu
gehören auch maßgebliche finanzielle, personelle und andere
Eigenleistungen unserer Partnerländer;
3. sicherzustellen, daß das Prinzip verantwortungsvoller
Staatsführung ein zentraler, nachprüfbarer Bestandteil eines
zukünftigen EU-AKP-Abkommens wird. Die Nachprüfbarkeit muß sich auch
auf die entwicklungspolitisch verantwortliche Bewirtschaftung eigener
und fremder Ressourcen erstrecken;
4. darauf hinzuwirken, daß der Schaffung marktwirtschaftlicher
Strukturen, der Unterstützung unternehmerischer Eigeninitiative und der
Förderung eines günstigen Investitionsklimas in den Partnerländern
zukünftig Vorrang eingeräumt wird;
5. sich angesichts der zunehmenden Bedeutung des privaten Sektors für
die Entwicklungspolitik für die Nutzung der beachtlichen
Privatisierungspotentiale im Bereich der technischen und finanziellen
Zusammenarbeit - etwa im Rahmen sog. "private-public-partnerships" -
einzusetzen;
6. den Übergang zu WTO-konformen Handelsregelungen und die volle
Integration der Partnerländer in die Weltwirtschaft anzustreben. Dies
bedeutet die schrittweise Aufgabe von Handelspräferenzen bzw. den
Übergang zu reziproken Handelspräferenzen im Rahmen von
Freihandelsabkommen;
7. eine Initiative zur Vertiefung der politischen Dimension der
Zusammenarbeit zu ergreifen. Der politische Dialog muß in die
zukünftige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union
integriert und über die EU-AKP-Ministerräte hinaus institutionalisiert
werden. Neben entwicklungspolitischen Fragen muß er auch gemeinsame
Herausforderungen wie Migration, Umwelt, internationales Verbrechen und
Terrorismus umfassen;
8. dafür einzutreten, daß die entwicklungspolitischen Aktivitäten der
EU-Mitgliedstaaten und die EU-AKP-Zusammenarbeit gemäß dem im Vertrag
von Maastricht festgelegten Subsidiaritätsprinzip zu einer
koordinierten, kohärenten europäischen Entwicklungspolitik umgestaltet
werden. Hierzu ist eine zwischen allen beteiligten Ebenen
einschließlich der Bundesländer und Kommunen abgestimmte
Schwerpunktsetzung erforderlich. Die EU-Kommission sollte nur für
solche Aufgaben zuständig sein, die besser und wirksamer auf
europäischer Ebene durchgeführt werden können. Hierfür eignen sich
insbesondere Handelsfragen, Strukturanpassungsmaßnahmen sowie
interregionale Zusammenarbeit.
9. die AKP-Partnerländer in ihren Bemühungen um regionale und
interregionale Zusammenarbeit als Etappe auf dem Weg zur Integration in
die Weltwirtschaft zu unterstützen.
Bonn, den 16. März 1999
Joachim Günther (Plauen)
Gerhard Schüßler
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Irmer
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Hans-Michael Goldmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Günther Friedrich Nolting
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

16.03.1999 nnnn

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