BT-Drucksache 14/5237

zu der Großen Anfrage der Abg. Kersten Naumann, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abg. und der Fraktion der PDS - Drucksachen 14/3360, 14/4896 - Politik der Bundesregierung für den ländlichen Raum

Vom 7. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5237

14. Wahlperiode

07. 02. 2001

Entschließungsantrag

der Fraktion der PDS

zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Kersten Naumann, Eva-Maria Bulling-
Schröter, Dr. Ruth Fuchs, Gerhard Jüttemann, Rolf Kutzmutz, Dr. Uwe-Jens
Rössel, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
– Drucksachen 14/3360, 14/4896 –

Politik der Bundesregierung für den ländlichen Raum

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Antwort auf die Große Anfrage „Politik der Bundesregierung für den
ländlichen Raum“ befriedigt ebenso wenig wie der zeitgleich übermittelte
Bericht „Politik für ländliche Räume“ (Bundestagsdrucksache 14/4855).

Besonders alarmierend sind die Aussagen zu den als „strukturschwache
ländliche Räume mit erheblichen Entwicklungsproblemen“ eingestuften
Regionen, die sich hauptsächlich in Nordostdeutschland konzentrieren. So
wird unter anderem konstatiert, dass Abwanderung und Alterung der Bevöl-
kerung die Infrastrukturversorgung in diesen Räumen erheblich erschweren
werden und sie Gefahr laufen, weiter zurückzufallen. Auffällig ist das Miss-
verhältnis zwischen der Beschreibung der Problemlage und den Vorstellun-
gen zur Problemlösung. Berechtigte Zweifel gibt es an der Einschätzung der
Bundesregierung, dass das Instrumentarium der Politik völlig ausreichend
ist und nur effektiviert werden muss. Gegen diese Einschätzung spricht auch
der Umstand, dass in den strukturschwachen Regionen die Diversifizierung
der ländlichen Wirtschaftstätigkeit im Ausmaß und Tempo weit hinter den
Erfordernissen und Erwartungen zurückgeblieben und die Arbeitslosigkeit
anhaltend hoch ist.

Die Bundesregierung hat sich offenbar mit Entwicklungen abgefunden, die
dem vorrangigen Ziel der Politik für ländliche Räume, „die Gleichwertigkeit
der Lebensverhältnisse zu wahren und die Lebensbedingungen zu verbes-
sern“, widersprechen. Belege dafür sind Voraussagen, dass „eine stärkere
Differenzierung der ländlichen Räume zu erwarten“ ist und die „regionale
Wirtschaftsentwicklung ... auch in Zukunft durch ein großräumiges Ost-
West-Gefälle geprägt sein“ wird. Ein solcher Fatalismus ist keine Politik. Es
obliegt vielmehr der Verantwortung der Bundesregierung, mit einem schlüs-
sigen strukturpolitischen Konzept den von ihr prognostizierten, jedoch ge-
sellschaftlich unakzeptablen Entwicklungen gegenzusteuern.

2. Die selbstgefällige Einschätzung der Bundesregierung, dass „die Erhal-
tung von Natur und Landschaft, die Verbesserung der Lebensmittelqualität
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
und -sicherheit sowie der Tierschutz einen höheren Stellenwert“ in der
Agrarpolitik bekommen haben, ist hinfällig. Mit dem Nachweis von BSE
in Deutschland wurde die Agrarwirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt, die
durch den Skandal des illegalen Einsatzes von Tierarzneimitteln als anti-
biotische Leistungsförderer eine weitere Verschärfung erfuhr. Noch nie zu-
vor war das Vertrauen der Verbraucher in die Agrarproduktion und deren
Erzeugnisse derart beschädigt und das Ausmaß der Verunsicherung derart
groß wie heute. Die grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik ist des-
halb das Gebot der Stunde. Sie ist auch notwendig angesichts der Feststel-
lung der Bundesregierung, dass „landwirtschaftlichen Flächen mit spürba-
rer Belastung der Umwelt und der Landschaft ... Flächen mit extensiver
Nutzung und ökologischem Landbau gegenüberstehen“ und dass diese
Differenzierung zunehmen wird.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die angekündigte grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik, die nach
Jahrzehnten Gemeinsamer Agrarpolitik der Mitgliedsländer der EU nicht
national, sondern nur gemeinschaftlich erfolgen kann, darauf zu richten,
dass die konventionell wirtschaftenden Landwirtschaftsbetriebe auf der Ba-
sis moderner technologischer Verfahren umweltschonend, tierartgerecht und
ökonomisch Rohstoffe und Lebensmittel produzieren können, die qualitativ
hochwertig und gesundheitlich unbedenklich sind und den Landwirten ange-
messene Erzeugerpreise ermöglichen, und dass der ökologische Landbau
einschließlich Vermarktung und Marketing schneller voran gebracht und ge-
fördert wird,

– sich im Rahmen der Halbzeitbewertung der Agenda 2000 für Alternativen
zur Verlagerung von Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik aus der ersten
Säule (Markt- und Preispolitik) in die zweite Säule (Förderung der länd-
lichen Entwicklung) einzusetzen, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit der
Landwirtschaftsbetriebe zu beeinträchtigen, sowie das angekündigte Vorha-
ben, künftig die Möglichkeit der so genannten Modulation der Flächen- und
Tierprämien nutzen zu wollen, so durchzuführen, dass potentiell wettbe-
werbsfähige Betriebe nicht durch Degressionsmodelle benachteiligt werden,

– ein integriertes Konzept zur Entwicklung und Förderung der „struktur-
schwachen ländlichen Räume mit erheblichen Entwicklungsproblemen“
auszuarbeiten und vorzulegen, das eine vorrangige Verbesserung der Infra-
struktur als entscheidende Voraussetzung für Investitionen zur Stärkung der
Potentiale für Wertschöpfung und Beschäftigung ermöglicht, auf die Schaf-
fung und Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe setzt und dazu beiträgt,
dass die derzeit bestehenden Hemmnisse bei der Verzahnung der beiden
Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
und „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ beseitigt
werden und hilft, die erforderliche Finanzausstattung solidarisch zu sichern,

– frühzeitig konzeptionelle Vorstellungen zur ab 2007 erforderlichen Neuab-
grenzung der Fördergebiete für die nationale Regionalförderung und die
EU-Strukturförderung zu entwickeln und dabei besonderes Augenmerk auf
die Erweiterung des nationalen Handlungsspielraums zur Absicherung des
mit der EU-Osterweiterung infolge des zu erwartenden erhöhten Anpas-
sungsdrucks und Rückzugs der EU-Strukturfonds verbundenen Flankie-
rungsbedarfs der strukturschwachen ländlichen Räume zu legen.

Berlin, den 7. Februar 2001

Roland Claus und Fraktion

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