BT-Drucksache 14/5226

Die Entwicklung der Ostseeregion nachhaltig stärken

Vom 7. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

07. 02. 2001

Antrag

der Abgeordneten Franz Thönnes, Dr. Margrit Wetzel, Dr. Ditmar Staffelt,
Dr. Axel Berg, Rolf Hempelmann, Hubertus Heil, Jelena Hoffmann (Chemnitz),
Dr. Uwe Jens, Volker Jung (Düsseldorf), Werner Labsch, Christian Lange
(Backnang), Christian Müller (Zittau), Birgit Roth (Speyer), Thomas Sauer,
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Wolfgang Weiermann,
Dr. Rainer Wend, Dr. Norbert Wieczorek, Klaus Wiesehügel, Engelbert Wistuba,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leipzig), Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Entwicklung der Ostseeregion nachhaltig stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Befördert durch die historischen Umbrüche in Gesamteuropa hat sich die Ost-
seeregion innerhalb von gut 10 Jahren zu einer der dynamischsten Regionen
in Europa entwickelt. Die fortschreitende Integration der Region eröffnet die
Chance, einen einzigartigen europäischen Modellraum zu gestalten, der sich
durch wirtschaftlichen Wohlstand, nachhaltigen Umgang mit der Natur, kultu-
rellen Reichtum und soziale Verantwortung auszeichnet.

Mit ihrem entwickelten Netzwerk von Kooperationen, das sowohl EU-Mit-
gliedstaaten als auch Beitrittsländer sowie Nicht-EU-Mitgliedstaaten umfasst,
gilt die Ostseekooperation heute als beispielhaftes Modell eigenständig ent-
wickelter regionaler Zusammenarbeit. Dieses Netzwerk baut wesentlich auf
Initiativen und Projekte von Subregionen und Nichtregierungsorganisationen
auf.

Heute steht die Ostseekooperation vor besonderen Herausforderungen, die zu-
gleich Perspektiven für eine Weiterentwicklung der Ostseeregion eröffnen:





Mit der Erweiterung der Europäischen Union um die baltischen Staaten und
Polen wird die Ostsee beinahe vollständig zu einem „EU-Binnenmeer“ wer-
den. Die Ostseeanrainer haben die Chance, gestützt auf die Netzwerke der
Ostseekooperation nachhaltige eigene Anstrengungen zur Beförderung der
Beitrittsfähigkeit dieser Länder zu leisten und damit langfristig wirtschaft-
liches Wachstum und Wohlstand in der Region zu sichern.





Der Ostseeraum stellt eine einzigartige touristische Region dar. Die Ver-
kehrsinfrastruktur verbindet Länder und Naturgebiete von gänzlich unter-
schiedlicher Prägung. Die Kooperationen bieten hervorragende Möglichkei-
ten für Tourismussynergien in der Region, um damit den Tourismus zu
stärken und auszubauen.
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Die Ostseekooperation bietet die Möglichkeit, im Rahmen der Beziehungen
zwischen der Europäischen Union und Russland die Zusammenarbeit mit
Russland in die regionale Integration einzubeziehen. Dies gilt insbesondere
mit Blick auf Nordwestrussland und die russische Exklave Kaliningrad, für
die im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA)
zwischen der EU und Russland zukunftssichernde Problemlösungen entwi-
ckelt werden müssen. Die Ostseekooperation kann dazu beitragen, das Ge-
biet Kaliningrad zu einem Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen
der EU und Russland zu entwickeln.





Mit dem Aktionsplan zur „Nördlichen Dimension“ (2000 bis 2003) hat die
Europäische Union den Rahmen gesetzt, innerhalb dessen die Ostseeregion
zu einer der führenden Regionen in Europa weiterentwickelt werden kann.
Mit Unterstützung der EU und basierend auf eigenen Beiträgen der Ostsee-
anrainer zur Umsetzung des Aktionsplans kann der Prozess des „region
building“ in der Ostseeregion nachhaltig vorangetrieben werden.

Deutschland hat erstmals seit dessen Gründung den Vorsitz im Ostseerat der
Außenminister (CBSS) übernommen. Seit Juli 2000 hat die Bundesregierung
ihr gewachsenes Engagement im Rahmen der Ostseekooperation unter Beweis
gestellt. Mit eigenen Anstößen wie z. B. Intensivierung der Zusammenarbeit
mit Nichtregierungsorganisationen, Aufbau einer „Wissensregion Ostsee“ oder
Intensivierung der Schiffssicherheit auf See hat der deutsche Ostseerats-Vorsitz
bereits jetzt viel beachtete Initiativen zur Stärkung der Ostseekooperation er-
griffen. Die deutsche Initiative für eine möglichst rasche und konkrete Umset-
zung des Aktionsplans Nördliche Dimension wird begrüßt. Diese Maßnahmen
zur Stärkung der Ostseekooperation gilt es, auch über den Zeitraum des deut-
schen Vorsitzes hinaus, zu sichern und auszubauen.

Die Weiterentwicklung und Stärkung der Ostseekooperation liegt im besonde-
ren Interesse Deutschlands. Politisch kann sie insbesondere durch die Einbezie-
hung Russlands und der Beitrittsländer in die regionale Zusammenarbeit zur
Sicherung von Stabilität weit über die Ostseeregion hinaus beitragen. Ökono-
misch schafft diese Zusammenarbeit die Voraussetzung für die bessere Nut-
zung der wachsenden Potentiale und für die Errichtung der notwendigen Infra-
struktur. Im wissenschaftlich-technologischen Bereich festigt die Kooperation
die führende Position der Ostseeregion auf dem Weg in die Wissensgesell-
schaft.

II. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Bundestag das Engagement
der Bundesregierung.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Entwicklung der Ostseeregion zu einer führenden europäischen Region
durch eine national abgestimmte und langfristig ausgerichtete Politik auf
allen Gebieten aktiv mitzugestalten. Ostseepolitik ist mittlerweile zur euro-
päischen Regionalpolitik geworden, die alle Bereiche der Politik und die
verschiedenen staatlichen Ebenen umfasst. Aktivitäten sollten vorrangig auf
die Verwirklichung der vom Ostseerat formulierten Ziele ausgerichtet wer-
den. Dabei sollen unverändert die enge Zusammenarbeit und Abstimmung
mit den norddeutschen Ländern gesucht werden, deren Engagement in den
vergangenen zehn Jahren erheblich zur gewachsenen Reputation Deutsch-
lands im Ostseeraum beigetragen hat;

2. gegenüber der Europäischen Union für die weitere Ausgestaltung einer eige-
nen EU-Ostseepolitik einzutreten und hierzu den Schulterschluss mit den
EU-Mitgliedstaaten des Ostseeraums zu suchen. Dies gilt u. a. auch für die
bessere Koordinierung der im Ostseeraum verfügbaren EU-Förderinstru-
mente oder für die Forderung nach einer Vereinheitlichung der Zuständig-
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keiten innerhalb der Europäischen Kommission für die Ostseeregion
(„Baltic Sea desk“);

3. die Bemühungen der EU-Beitrittsländer im Ostseeraum um Gewinnung der
EU-Beitrittsfähigkeit unverändert politisch und mit eigenen Maßnahmen
aktiv zu unterstützen;

4. gemeinsam mit den Partnern im Ostseerat auch über den bis zum EU-Gipfel
in Göteborg (Juni 2001) vorgegebenen Berichtszeitraum hinaus Projekte
und Beiträge zur weiteren Umsetzung des Aktionsplans zur „Nördlichen
Dimension der EU“ zu entwickeln. Dies gilt insbesondere für:

– die Weiterentwicklung der Konzepte der „Transeuropäischen Netze“ in
den Bereichen Transport/Verkehr, Energie und Kommunikation

– den Ausbau der Sicherheitskooperation im Ostseeraum

– die Entwicklung zur „Wissensgesellschaft Ostsee“ unter Einbeziehung
der Kooperation der Universitäten und der Potentiale der Informations-
gesellschaft

– den Ausbau der Zivilgesellschaft Ostsee unter Einbeziehung der kulturel-
len Zusammenarbeit, der Jugendbegegnung und der Kooperation von und
mit Nichtregierungsorganisationen;

5. im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen der
Europäischen Union und Russland die regionale Zusammenarbeit mit den
Regionen Nordwestrusslands (einschl. Kaliningrad) zu fördern. In diesem
Kontext unterstreicht der Deutsche Bundestag die Notwendigkeit, zwischen
der EU und Russland in enger Abstimmung an die besondere Lage ange-
passte Problemlösungen für das Gebiet Kaliningrad zu erarbeiten; zu deren
Umsetzung kann die Ostseekooperation wichtige Beiträge leisten.

Berlin, den 6. Februar 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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