BT-Drucksache 14/519

Bericht über Unregelmäßigkeiten auf Baustellen des Bundes in Berlin

Vom 12. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/519 vom 12.03.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Bericht über Unregelmäßigkeiten
auf Baustellen des Bundes in Berlin =

12.03.1999 - 519

14/519

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau und der Fraktion der PDS
Bericht über Unregelmäßigkeiten auf Baustellen des Bundes in Berlin

In einem Beitrag vom 1. März 1999 brachte das Fernsehmagazin "Report"
einen Bericht über die Zustände auf der Baustelle des Reichstages in
Berlin. Die Baustelle - so "Report" - sei zum "wiederholten Male im
Zwielicht" gewesen, wie andere Bauten des Bundes auch. Seit "Jahren
sorgen sie für Schlagzeilen und Skandale".

Der berlin-brandenburgische Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bau
wird mit den Worten zitiert: "Ich habe 1994 auf einer großen Kundgebung
mal formuliert, daß diese Regierungsbauten auf Schwarzarbeit und
Illegalität sozusagen fußen, und daß das ein schlechtes Fundament für
die Demokratie ist. . .".
Die neuesten Vorwürfe über die Zustände am Reichstag werden von
Bauarbeitern aus Griechenland erhoben, die inzwischen wieder in ihre
Heimat zurückgekehrt sind. Über 100 griechische Bauarbeiter waren beim
Bau der Dorotheenblöcke eingesetzt. "Report" berichtet, daß die
Bausumme fast 1 Mrd. DM beträgt und weist darauf hin, daß das oberste
Gebot sei, die "Kosten so niedrig wie möglich" zu halten. "Report"
weiter: "Und das um jeden Preis! Die Folge: Lohndumping, gnadenlos."
"Report" berichtet nach Recherchen in Griechenland und der Befragung
von Bauarbeitern davon, daß
-- von griechischen Arbeitern, die von Juli bis November 1998 am
Reichstag gearbeitet haben, viele ab September "ohne jeden Pfennig Lohn
geblieben sind",
-- daß viele dieser Arbeiter daraufhin die Bundesrepublik Deutschland
verlassen mußten, da sie nun auch die Mieten nicht mehr zahlen konnten,
Schulden machen mußten, um ihre Heimfahrt finanzieren zu können,
-- daß Bauarbeiter teilweise im Durchschnitt 13 Stunden täglich
gearbeitet und sogar 28 Stunden hintereinander durchgearbeitet hätten,
-- daß sie in baufälligen und menschenunwürdigen Unterkünften
untergebracht gewesen wären.
"Report" berichtet weiter von Fällen, in denen ausländische Arbeiter
nur gegen Zahlung von Bestechungs- und Schmiergelder einen Arbeitsplatz
bekommen hätten. Ein Arbeiter aus der Ukraine berichtet: "Man hat mir
gesagt: Du kannst am Reichstag arbeiten! Das kostet tausend Mark. Dafür
kriegst du einen Baustellenausweis, damit du wie ein Legaler an den
Wachleuten vorbeikommst. Du wirst an einen Polier vermittelt. Den mußt
du denn mit 6 Mark von deinen 16 Mark Stundenlohn schmieren."
"Report" bemängelt in seinem Bericht "Lug und Trug auf den
Regierungsbaustellen. Kein Wunder bei diesen unübersichtlichen
Verflechtungen. Ein Nährboden für mafiöse Strukturen. Auftraggeber für
Um- und Neubauten auf dem Reichstagsgelände -- der Deutsche Bundestag.
Der hat als Bauherrin eingesetzt -- die Bundesbaugesellschaft Berlin.
Eine Firma in Staatsbesitz. Die Firma vergibt Aufträge und
kontrolliert. Generalauftragnehmer für die Dorotheenblöcke, also dort,
wo die Griechen arbeiten, ist dieses deutsche Firmenkonsortium. Sie
beschäftigen wiederum Dutzende von Subunternehmen." Hierzu gehöre auch
die griechische Firma O.
Durch unfaire Verhandlungen und plötzliche Kündigung des Vertrages sei
dieser Firma ein Schaden von 200 000 DM entstanden.
In Griechenland hat dieser Umgang von bundesdeutschen Einrichtungen mit
griechischen Bauarbeitern für Aufsehen gesorgt. Der Generalsekretär der
griechischen Gewerkschaften erklärte gegenüber "Report": "Man rechnet
doch mit solchen Geschichten in Dritte-Welt-Ländern, und da kommt so
etwas vor. Also in Ländern, die weniger entwickelt sind als
Deutschland. Die Tatsache, daß so etwas in Deutschland geschieht, und
vor allem, daß es sich nicht um einen privaten Auftraggeber handelt,
der sich wegen des Profits solcher Methoden bedient, sondern um den
öffentlichen Bereich Deutschlands, macht diesen Fall völlig
inakzeptabel."
Laut "Report" hat es mittlerweile auch Proteste quer durch alle
griechischen Parlamentsparteien gegeben.
"Report" stellt zum Schluß seines Berichts heraus, daß die
Bundesbaugesellschaft Berlin sich vor der Kamera zu den Vorwürfen nicht
äußern wollte. Am Mittwoch, dem 3. März 1999, wies eine Sprecherin der
Bundesbaugesellschaft die Vorwürfe, daß auf den Baustellen des Bundes
am Spreebogen Schwarzarbeit und Lohndumping geduldet werde, "als
falsch" zurück.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Treffen die oben angeführten Vorwürfe über Lohndumping, illegale
Beschäftigung und mafiöse Strukturen nach Kenntnis der Bundesregierung
zu?
2. Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen?
3. Wenn nein:
a) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft geprüft, daß es kein
Lohndumping an den Baustellen des Bundes am Spreebogen gibt?
b) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft geprüft, daß beschäftigte
Arbeiter nicht 13 Stunden täglich arbeiten und gelegentlich 28 Stunden
hintereinander durcharbeiten müssen?
c) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft und gesichert geprüft,
daß beschäftigte Arbeiter nicht unter menschenunwürdigen
Wohnverhältnissen leben müssen?
d) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft geprüft, daß den
griechischen Arbeitern, die im Bericht erwähnt wurden, Löhne nicht
ausgezahlt worden sind?
e) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft geprüft, ob der
griechischen Firma O. unter fragwürdigen Methoden der Vertrag gekündigt
wurde und mindestens 200 000 DM nicht ausgezahlt worden sind?
f) Wie hat die Bundesregierung gewissenhaft geprüft, daß Arbeiter
keine Schmiergelder zahlen müssen, um einen Arbeitsvertrag und einen
Baustellenausweis zu erhalten?
4. Welche eigenen Recherchen hat die Bundesbaugesellschaft Berlin
nach Kenntnis der Bundesregierung durchgeführt, um bereits am Morgen
des 3. März 1999 alle von "Report" erhobenen Vorwürfe fundiert
zurückweisen zu können?
5. Nie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß sich die
Bundesbaugesellschaft Berlin nicht gegenüber "Report" zu den erhobenen
Vorwürfen äußern wollte?
6. Wie wurde die Bundesbaugesellschaft Berlin wann und durch wen
kontrolliert, und zu welchen Ergebnissen ist man bisher gekommen?
7. Gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, um die
giechischen Arbeiter zu entschädigen, und wenn ja, welche?
8. Fürchtet die Bundesregierung, daß das internationale Ansehen des
Bundes durch die Arbeitsbedingungen auf Baustellen Schaden nehmen
könnte?
9. Ist der Bundesregierung ein vertrauliches Ergebnisprotokoll der
Baukommission des Deutschen Bundestages vom November 1998 bekannt, in
dem es in einer Stellungnahme der Bundesgesellschaft heißt: "Würde die
Bundesgesellschaft Berlin von den Baufirmen fordern, deutsche
Bauarbeiter einzusetzen, müßte mit höheren Kosten gerechnet werden. Bei
den Lohnkosten fielen ca. 50 % Mehrkosten an" (Report-Sendung vom 1.
März 1999)?
Bonn, den 4. März 1999
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

12.03.1999 nnnn

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