BT-Drucksache 14/5188

Risiken der Tiermehlverbrennung

Vom 24. Januar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5188

14. Wahlperiode

24. 01. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Kersten Naumann, Dr. Ruth Fuchs
und der Fraktion der PDS

Risiken der Tiermehlverbrennung

Im Jahr 1986 sind in England die ersten BSE-Fälle aufgetreten. Seitdem sind
dort 3,8 Millionen Rinder notgeschlachtet und unter zum Teil sehr fragwürdi-
gen Bedingungen – auf Deponien und in primitiven Verbrennungsanlagen –
„entsorgt“ worden. Als BSE-Erreger wird in erster Linie das so genannte Prion
angesehen, das im Gegensatz zu anderen Krankheitserregern (Viren, Bakterien)
lediglich aus einem Protein besteht. Die Prion-Entstehungen, -Verbreitungen
bzw. -Übertragungen sowie deren Wirkungsschwellen sind noch immer unge-
klärt. Als weitgehend sicher gilt lediglich, dass die Verfütterung von kontami-
niertem Tiermehl BSE überträgt. Über die Nahrungskette hinaus stehen eine
Vielzahl von Verbreitungswegen unter Verdacht. Zentrale Eigenschaft des
Prion ist die erhöhte Resistenz gegenüber chemischen oder thermischen Be-
handlungen. Die klassische Standardmethode zur Abtötung von Krankheits-
erregern kann für Prionen nicht als sicher angenommen werden. Erschwerend
kommt das Fehlen empfindlicher Nachweisverfahren hinzu, die auch kleine
Prionmengen identifizieren können. Jegliches Material von BSE-infizierten und
BSE-verdächtigen Tieren, also auch getrocknetes oder autoklaviertes Tiermehl,
ist als potenziell ansteckungsgefährlich einzustufen.

Durch BSE sind nicht nur Fleisch verzehrende Verbraucherinnen und Verbrau-
cher gefährdet. Das Handling mit und die Entsorgung der BSE-belasteten Rin-
der können unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger oder betroffene Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer gefährden. In dieser Situation müssen an die Bereiche
Kadaver-Behandlung, Transport, Übergabe und Beseitigung höchste Sicher-
heitsstandards angelegt werden.

Die Behandlung und der Transport des infektiösen Materials sowie die Über-
gabe muss auf das kleinstmögliche Expositionsrisiko minimiert werden. Jegli-
cher Materialkontakt und jede mögliche Staubentwicklung ist dabei zu vermei-
den. Die Behandlung des Materials und dessen Transport muss dringend in
geschlossenen Systemen erfolgen. Eine Eingabe z. B. in eine Müllverbren-
nungsanlage mit Rostfeuerungsanlage, birgt die Gefahr in sich, dass ein Teil
des kontaminierten Tiermehls durch den Rost fällt, ohne dass mögliche Prionen
vorher thermisch zerstört wurden. Das infizierte Material und die genutzten
Transport-Behältnisse müssen einer thermischen Behandlung zugeführt wer-
den, bei der die Prionen mit Sicherheit vollständig zerstört werden. Hierfür
könnte nach dem derzeitigen Wissensstand und dem vorhandenen Stand der
Technik nur eine Beseitigung in Verbrennungsanlagen in Frage kommen, die
Temperaturen um 1 200 Grad Celsius und Verweilzeiten des Stoffgutes von
mehr als 2 Sekunden in diesem Temperaturbereich gewährleisten. Diese für die
Dioxinzerstörung wissenschaftlich und technisch erprobten Rahmenbedingun-
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gen müssten dann auch für die Zerstörung weniger stabiler organischer Verbin-
dungen wie der zu den Eiweißen zählenden Prionen ausreichen.

Materialien von BSE-infizierten und BSE-verdächtigen Tieren sind als beson-
ders überwachungsbedürftige Abfälle im Sinn des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) einzustufen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die Risiken für Bevölkerung und Umwelt
bei der Verfeuerung von Tiermehlen in Müllverbrennungsanlagen oder an-
deren thermischen Anlagen ein?

2. Welche Erfahrungen gibt es mit der Verbrennung von britischem Tiermehl
in deutschen Anlagen, wie wird das Tiermehl in die Verbrennungsanlage
eingegeben (eingeblasen in die Flamme, in big packs verpackt oder Eingabe
als Schüttgut)?

3. Welche Temperaturen und Verweilzeiten des Stoffgutes sind bei der Ver-
brennung von Tiermehl nach Auffassung der Bundesregierung in den Anla-
gen notwendig, um mit Sicherheit die Prionen zu zerstören?

4. Gibt es generelle bundes- bzw. landesrechtliche Vorschriften, die den Ar-
beitsschutz bei der Eingabe von kontaminiertem Tierfutter in Verbrennungs-
anlagen gewährleisten?

5. Sieht die Bundesregierung, angesichts des Gutachtens des wissenschaftli-
chen Beirates Bodenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit, „Wege zum vorsorgenden Bodenschutz –
Fachliche Grundlagen und konzeptionelle Schritte für eine erweiterte Bo-
den-Vorsorge“, in dem der Beirat schon im Februar 2000 darauf aufmerk-
sam machte, dass BSE-Erreger im Boden über Jahre überleben könnten,
weil auch die BSE-verwandten Erreger der Scrapie-Krankheit bei Schafen
bis zu drei Jahren im Boden überleben würden, Probleme bei der Ablage-
rung von Schlacken mit teilweise nicht vollständig verbranntem BSE-risiko-
behaftetem Tiermehl aus Rostfeuerungsanlagen?

6. Bedarf es nach Einschätzung der Bundesregierung einer besonderen Anla-
genzulassung für die Verfeuerung von BSE-risikobehafteten Tiermehlen?

7. Welche Kategorien von Großfeuerungs- oder anderen Anlagen sind nach
Ansicht der Bundesregierung aus Sicht der Gesundheitsvorsorge und des
Umweltschutzes für die Verbrennung von BSE-risikobehafteten Tiermehlen
geeignet und welche werden dafür zugelassen?

8. Sieht die Bundesregierung hinsichtlich einer ökologisch und sozial nachhal-
tigen Entwicklungs- und Außenhandelspolitik Probleme bei der Ausweitung
der Soja-Produktion in Ländern des Südens zur Befriedigung der erhöhten
Eiweißfuttermittelnachfrage in Europa infolge des Verbotes von Tiermehlen
als Futtermittel?

9. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich des Ersatzes von
Tiermehl als Futtermittel durch inländische pflanzliche Futtermittel?

Berlin, den 12. Dezember 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Kersten Naumann
Dr. Ruth Fuchs
Roland Claus und Fraktion

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