BT-Drucksache 14/5156

zu der Unterrichtung der Bundesregierung -14/4570 Nr. 3.1.- Grünbuch zur Umweltproblematik von PVC KOM (00) 469 endg.; Ratsdok.-Nr. 10861/00

Vom 24. Januar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5156

14. Wahlperiode

24. 01. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht

des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu der Unterrichtung der Bundesregierung
– Drucksache 14/4570 Nr. 3.1 –

Grünbuch zur Umweltproblematik von PVC
KOM (00) 469 endg.; Ratsdok. 10861/00

A. Problem

Das vorliegende Grünbuch der Europäischen Kommission beschreibt umwelt-
und gesundheitsrelevante Gefahren im Zusammenhang mit der Herstellung und
Entsorgung von PVC. Weiter stellt es als Grundlage für einen beabsichtigten
Konsultationsprozess eine Anzahl von Handlungsoptionen dar, mit denen diese
Gefahren vermindert werden könnten.

B. Lösung

In Kenntnis des Grünbuchs Annahme einer Entschließung, mit der die Bundes-
regierung u. a. gebeten wird, bei der Kommission darauf hinzuwirken, bei der
Bewertung des Werkstoffes PVC eine Reihe näher bezeichneter stoffpolitischer
Grundsätze zu berücksichtigen.

Mehrheitsentscheidung mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und F.D.P. bei Stimmenthaltung der Fraktion der PDS

C. Alternativen

Annahme einer von der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss vorgelegten Ent-
schließung, in der u. a. Kritik am Inhalt des Grünbuchs geübt wird (siehe Be-
richt).

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis des Grünbuchs zur Umweltproblematik von PVC der Europäischen
Kommission (Anlage 1) folgende Entschließung anzunehmen:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt das Bemühen der EU-Kommission, durch
das vorliegende Grünbuch die kontroverse Debatte um die Bewertung des
Kunststoffs PVC unter den Maßstäben des Leitbildes der „Nachhaltigen Ent-
wicklung“ zu versachlichen. Dafür ist die Erarbeitung einer Konzeption einer
Gemeinschaftsstrategie für PVC hilfreich.

2. Der Deutsche Bundestag würdigt das Grünbuch seiner Tendenz nach als eine
kritische, aber ergebnisoffene Auseinandersetzung mit dem Werkstoff PVC.
Bekannte umwelt- und gesundheitsrelevante Gefahrenpunkte durch den Ein-
satz der PVC-Ausgangsstoffe und der verwendeten Additive (Stabilisatoren,
Weichmacher) werden für den Produktions- und Entsorgungsbereich zutref-
fend angesprochen.

3. Der Deutsche Bundestag weist darauf hin, dass PVC in der Wirtschaft der
Bundesrepublik Deutschland eine bedeutende Rolle spielt. Herstellung und
Verarbeitung von PVC bedeuten in Deutschland etwa 38 Mrd. DM Umsatz
in mehr als 5 000 Unternehmen aus Herstellung, Verarbeitung und Handwerk
mit 170 000 Arbeitsplätzen, die teilweise oder ganz von diesem Werkstoff ab-
hängig sind.

4. Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung, bei der Kommission
darauf hinzuwirken, den bisher im Grünbuch defizitär ausgeführten Bereich
einer integrierten und ganzheitlichen Lebenszyklusanalyse von PVC-Pro-
dukten genauso sorgfältig auszuarbeiten wie den der Entsorgung. Dazu
zählt:

– eine ausführliche Darstellung der Anwendung von PVC-Produkten in al-
len wesentlichen Einsatzbereichen sowie eine detaillierte Abschätzung ge-
sundheits- und umweltrelevanter Aspekte – von der Herstellung der Aus-
gangsprodukte und der PVC-Produktion über die Anwendung der PVC-
Produkte und deren Brandverhalten bis hin zu ihrer Entsorgung und Be-
seitigung;

– ein Aktionsplan zur Reduzierung der Verwendung problematischer Stoffe,
für die unbedenkliche Substitutionsmöglichkeiten bereits vorliegen, sowie
eine Bewertung des Einsatzes und der Förderung nachhaltiger Alternativ-
werkstoffe und Produktalternativen mitsamt deren sozialen und ökonomi-
schen Implikationen;

– die Einbeziehung der laufenden Risikobewertungsprogramme für PVC-
Additive und eine Untersuchung bestimmter Teilbereiche im Hinblick auf
die von der Kommission formulierten Gesamtziele wie den Einsatz von
Chlorparaffinen oder Bisphenol (A);

– auch die Einbeziehung der Risiken von PVC-Ersatzstoffen in die umfas-
sende Würdigung.

5. Der Deutsche Bundestag verweist

– auf seinen Beschluss Bundestagsdrucksache 14/1471 von 1999 zur Ent-
schließung des Europäischen Parlaments zu endokrinen Störungen verur-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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sachenden chemischen Stoffen, insbesondere den Einsatz endokrin
wirksamer Weichmacher betreffend, in dem der Deutsche Bundestag
weitere Beschränkungsmaßnahmen und Verbote für Weichmacher der
Phthalat-Gruppe fordert;

– auf seinen Beschluss Bundestagsdrucksache 14/3710 von 1999 zum Richt-
linienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ände-
rung der Richtlinie 76/769/EWG (Beschränkungen des Inverkehrbringens
und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen
(Phthalate)) sowie zur Änderung der Richtlinie 88/378/EWG (über die
Sicherheit von Spielzeug) KOM (99) 577 endg., in dem der Deutsche Bun-
destag eine Ausweitung des Verbotes des Einsatzes von Weichmachern der
Phthalat-Gruppe für PVC-Kinderspielzeug fordert.

6. Der Deutsche Bundestag legt besonderen Wert auf eine umfassende Bewer-
tung von PVC-Produkten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Dabei sollen
ökologische, gesundheitliche, soziale und ökonomische Aspekte gleicherma-
ßen berücksichtigt werden – auch hinsichtlich der Auswirkung des PVC-Ex-
ports in Dritte-Welt-Staaten. Er bittet deshalb die Bundesregierung, der Kom-
mission insbesondere Kenntnis vom

– Bericht der Enquête-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt
– Bewertungskriterien und Perspektiven für umweltverträgliche Stoff-
kreisläufe in der Industriegesellschaft“ des 12. Deutschen Bundestages
von 1994. In diesem Bericht hat die Enquête-Kommission Vorschläge zur
Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit formuliert und grundlegen-
de Regeln für den Umgang mit Stoffen gerade am Beispiel PVC formu-
liert;

– Bericht des Umweltbundesamtes „Handlungsfelder und Kriterien für eine
vorsorgende nachhaltige Stoffpolitik am Beispiel PVC“ von 1999, welcher
auf dem Bericht der Enquête-Kommission aufbaut und der im Rahmen ei-
nes umfassenden einheitlichen Bewertungsrahmens Handlungsfelder und
Kriterien für eine dauerhafte umweltgerechte Stoffpolitik ableitet und die-
sen exemplarisch auf PVC anwendet. Dabei werden u. a. stoffliche Risiken
dargestellt, die nicht nur mit dem PVC selbst, sondern auch mit seinen Ad-
ditiven verbunden sind;

– Bericht der PVC-Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft
Chemikaliensicherheit (BLAC) aus dem Jahr 1997

zu geben.

7. Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung, der Europäischen Kom-
mission zu empfehlen, auch bei der Bewertung des Werkstoffes PVC in be-
sonderer Weise das Augenmerk auf folgende stoffpolitische Grundsätze zu le-
gen. Sie sollen auch für PVC als Leitlinien dienen:

– Verringerung des Materialaufwandes für Produkte und Dienstleistun-
gen,

– Verringerung des Verbrauchs an natürlichen stofflichen Ressourcen und
des Energieeinsatzes,

– Erhöhung der langfristigen Gebrauchstauglichkeit von Produkten,

– Verbesserung der umweltverträglichen Verwertung,

– Minimierung der Emissionen auf das technisch unvermeidbare Maß,

– Verringerung der Komplexität von Stoffströmen,
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Risikoreduktion zur Vermeidung einer Überlastung der Umwelt durch
ökotoxische und toxische Stoffe sowie

– Entwicklung von Stoffen mit umwelt- und gesundheitsverträglichen Ei-
genschaften.

Berlin, den 6. Dezember 2000

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Christoph Matschie

Vorsitzender

Dr. Carola Reimann

Berichterstatterin

Dr. Paul Laufs

Berichterstatter

Winfried Hermann

Berichterstatter

Birgit Homburger

Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter

Berichterstatterin
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Bericht der Abgeordneten Dr. Carola Reimann, Dr. Paul Laufs, Winfried Hermann,
Birgit Homburger und Eva-Maria Bulling-Schröter

I.

Das Grünbuch zur Umweltproblematik von PVC der Euro-
päischen Kommission – KOM (2000) 469 endg.; Ratsdok.
10861/00 (Anlage 1) wurde mit Bundeestagsdrucksache
14/4570 Nr. 3.1 vom 10. November 2000 zur federführen-
den Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für
Gesundheit und den Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung überwiesen.

Alle mitberatenden Ausschüsse

haben mehrheitlich mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
bei Stimmenthaltung der Fraktion der PDS empfohlen, in
Kenntnis der Vorlage die in der Beschlussempfehlung wie-
dergegebene Entschließung anzunehmen. Die Mitglieder
der Fraktion der F.D.P. haben im Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie und im Ausschuss für Gesundheit gegen
die Annahme dieser Entschließung gestimmt und sich im
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung der Stimme enthalten.

II.

Das vorliegende Grünbuch der Europäischen Kommission
beschreibt umwelt- und gesundheitsrelevante Gefahren im
Zusammenhang mit der Herstellung und Entsorgung von
PVC. Weiter stellt es als Grundlage für einen beabsichtigten
Konsultationsprozess eine Anzahl von Handlungsoptionen
dar, mit denen diese Gefahren vermindert werden könnten.

III.

Der

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit

hat das Grünbuch zur Umweltproblematik von
PVC der Europäischen Kommission in seiner Sitzung am
6. Dezember 2000 beraten.

Von Seiten der Fraktion der SPD wurde auf die gemeinsam
von den Koalitionsfraktionen erarbeitete Entschließung
(siehe Beschlussempfehlung) verwiesen. Man begrüße darin
das Bemühen der Europäischen Kommission, durch das
Grünbuch die kontroverse Debatte um die Bewertung des
Kunststoffs PVC zu versachlichen. Ein gewisser Schwach-
punkt sei seine starke Ausrichtung auf Fragen der Verwer-
tung und Entsorgung von PVC-Produkten. Weniger berück-
sichtigt werde beispielsweise die Langlebigkeit dieser
Produkte. Man bitte deshalb in der Entschließung die Bun-
desregierung darum, darauf hinzuwirken, dass die Kommis-
sion den bislang defizitär ausgeführten Bereich einer integ-
rierten und ganzheitlichen Lebenszyklusanalyse von PVC-
Produkten genauso sorgfältig ausarbeite wie den der Entsor-
gung. Dazu gehöre insbesondere die Einbeziehung der lau-
fenden Risikobewertungsprogramme für PVC-Additive. In
der Entschließung verweise man ergänzend auch auf die Ent-
schließungen des Deutschen Bundestages zu den endokrine

Störungen verursachenden chemischen Stoffen und zu den
Phtalaten (Bundestagsdrucksachen 14/1471 und 14/3710).

Der Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion decke
sich in wesentlichen Teilen mit dem eigenen Antrag. Aller-
dings lasse er eine ausgewogene Beurteilung des Grünbuchs
vermissen, so dass man ihn ablehnen müsse.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde ausgeführt,
das Grünbuch der Kommission zur Umweltproblematik von
PVC sehe in den Bereichen Produktion, Nutzung und Ent-
sorgung von PVC-Produkten Handlungsbedarf. Insbeson-
dere würden zahlreiche Marktinterventionen diskutiert, de-
ren Ziel es sei, zu einem besseren und umfassenden
Recycling zu kommen. Man selbst sei der Auffassung, dass
solche Interventionen in Deutschland nicht notwendig
seien. So hätten sich die deutschen PVC-Hersteller bei-
spielsweise bereits verpflichtet, auf Cadmium-Stabilisatoren
ab dem Jahre 2001 zu verzichten. Man spreche sich dafür
aus, mit diesen Herstellern über die weitere Verwendung
von Blei-Stabilisatoren mit dem Ziel in Verhandlungen zu
treten, eine weitere freiwillige Selbstverpflichtung zu errei-
chen. Was den Einsatz von Phtalaten anbelange, so habe
man bei dem entsprechenden Beschluss des Deutschen
Bundestages am 28. September 2000 zur Beschlussempfeh-
lung auf Bundestagsdrucksache 14/ 3710 bereits die eigene
Position deutlich gemacht. Schließlich sei zu berücksichti-
gen, dass ab dem Jahre 2005 die TA Siedlungsabfall in ihrer
neuen Verordnungsform mit den scharfen Bestimmungen
gelte. Die Entsorgung von PVC werde damit, wenn man
auch die bereits gültigen Bestimmungen der 17. Verordnung
zum Bundesimmissionsschutzgesetz (17. BImSchV) be-
rücksichtige, so teuer, dass ohne weiteres Zutun eine stoffli-
che bzw. thermische Verwertung von PVC stattfinde.

Der Bundesrat habe zum Grünbuch zur Umweltproblematik
von PVC in seiner Sitzung am 20. Oktober 2000 kritisch
Stellung genommen. Diese Bewertung habe man in den ei-
genen Entschließungsantrag (siehe Anlage 2) übernom-
men. Dort hebe man auf das Drei-Säulen-Konzept für die
Bewertung von Nachhaltigkeit ab und fordere insbesondere
auch die Einbeziehung wirtschaftlicher und gesellschaft-
lich-sozialer Aspekte in die Gesamtbeurteilung von PVC.
Für unverzichtbar halte man ferner, mögliche Alternativen
oder Substitute für PVC in die Bewertung mit einzuschlie-
ßen, da sich nur so ermitteln lasse, ob eine solche Substitu-
tion auch die Vorteile mit sich bringe, die man sich von ihr
erhoffe.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde vorgetragen, in der Stellungnahme des Bundesrates
(Bundesratsdrucksache 529/00 (Beschluss)) werde das
Grünbuch zur Umweltproblematik von PVC völlig zu Un-
recht als einseitig diskriminierend dargestellt. Man selbst
sei dagegen der Auffassung, dass dieses Grünbuch einen re-
lativ offenen Fragenkatalog zu allen Problemfeldern ent-
halte und dabei auch die kritische Überprüfung von Alterna-
tiven mit einbeziehe. Die Koalitionsfraktionen hätten
deshalb einen eigenen Entschließungsantrag vorgelegt
(siehe Beschlussempfehlung). In Einzelpunkten überschnit-
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– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ten sich beide Entschließungen. Der eigene Antrag sei aller-
dings im Hinblick auf seine Zielorientierung differenzierter,
ausführlicher und weitergehender. Es sei richtig, dass es
auch eine soziale und ökonomische Dimension des Prob-
lems gebe, die man berücksichtigen müsse, wenn man eine
andere Politik mache. Keine Alternative sei es allerdings,
das Kriterium Ökologie zugunsten der beiden anderen Kri-
terien außer Acht zu lassen.

Von Seiten der Fraktion der F.D.P. wurde festgestellt, man
habe den Eindruck, dass sich bei mehr Vorbereitungszeit
auch eine gemeinsame Entschließung hätte erarbeiten las-
sen, zumal man sich im Rahmen der Enquête-Kommission
„Schutz des Menschen und der Umwelt“ im Jahre 1994 auf
eine gemeinsame Position in dieser Sache habe einigen kön-
nen. Den vorliegenden Anträgen könne man nicht zustim-
men. Hintergrund sei, dass man angesichts des derzeitigen
Standes der PVC-Diskussion hierzulande keine Notwendig-
keit für Aktionen sehe. Zu einer entsprechenden Feststel-
lung komme auch der Bericht der PVC-Arbeitsgruppe der
Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit
aus dem Jahre 1997. Von daher sei zu befürchten, dass der
Versuch, die Diskussion auf europäischer Ebene „zu ver-
sachlichen“, die Gefahr berge, dass auf dieser Ebene um-
fangreiche Neuregelungen entwickelt würden.

Den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen (siehe
Beschlussempfehlung) werde man ablehnen, da man insbe-
sondere mit den Punkten 1 und 2 nicht konform gehe. Man
sei der Auffassung, das von der Europäischen Kommission
vorgelegte Grünbuch werde gerade nicht dem Anspruch ge-
recht, die kontroverse Debatte um die Bewertung des
Kunststoffes PVC zu versachlichen. Vielmehr sei dieses
Grünbuch von einem Aktionismus und Dirigismus geprägt,
der auch ökologisch nicht zu rechtfertigen sei. Der Ent-
schließungsantrag der Koalitionsfraktionen spreche zwar

Defizite im Grünbuch wie beispielsweise die Konzentration
auf den Entsorgungsbereich und die mangelnde Berücksich-
tigung von Lebenszyklusanalysen an, stehe aber insgesamt
gesehen dem Grünbuch zu unkritisch gegenüber. Schließ-
lich wende man sich auch dagegen, dass unter Nummer 5
des Entschließungsantrags Bezug auf den Beschluss des
Deutschen Bundestages von 1999 zur Entschließung des
Europäischen Parlaments zu endokrine Störungen verur-
sachenden chemischen Stoffen Bezug genommen werde,
dem man schon seinerzeit widersprochen habe.

Von Seiten der Fraktion der PDS wurde darauf hingewiesen,
von den Umweltverbänden werde z. T. nach wie vor gefor-
dert, die Chlorchemie zu beenden. Hintergrund sei u. a.,
dass derzeit 97 % der PVC-Abfälle beseitigt und nur 3 %
stofflich verwertet würden. Hier müsse sich unbedingt eine
Änderung vollziehen – insbesondere, wenn man berück-
sichtige, dass erst in den nächsten Jahren mit großen Abfall-
strömen zu rechnen sei. Beide Anträge bezögen hierzu nicht
Stellung. Insofern werde man sich beim Antrag der Koali-
tionsfraktionen der Stimme enthalten, den Antrag der CDU/
CSU-Fraktion aber ablehnen.

Der Ausschuss lehnte den Entschließungsantrag der Frak-
tion der CDU/CSU (Anlage 2) mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der F.D.P. ab.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der PDS, dem Deutschen Bundestag zu
empfehlen, in Kenntnis des Grünbuchs der Europäischen
Kommission zur Umweltproblematik von PVC (Anlage 1)
die in der Beschlussempfehlung wiedergegebene Entschlie-
ßung anzunehmen.

Berlin, den 24. Januar 2001

Dr. Carola Reimann

Berichterstatterin

Dr. Paul Laufs

Berichterstatter

Winfried Hermann

Berichterstatter

Birgit Homburger

Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter

Berichterstatterin
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Anlage 1

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 26.7.2000
KOM(2000) 469 endgültig

GRÜNBUCH

zur Umweltproblematik von PVC

(von der Kommission vorgelegt)
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– 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung .................................................................................................................... 3

2. Die PVC-Industrie und ihre Produkte........................................................................... 4

2.1. Das Material PVC und seine Anwendungen........................................................... 4

2.2. Produktionsprozesse von PVC und PVC compounds.............................................. 5

2.3. Struktur und Beschreibung der PVC-Industrie........................................................ 7

3. Verwendung von Additiven in PVC............................................................................. 8

3.1. Sortiment und Arten von Additiven........................................................................ 8

3.2. Stabilisatoren ......................................................................................................... 8

3.3. Weichmacher ....................................................................................................... 14

4. PVC-Abfallbewirtschaftung....................................................................................... 16

4.1. Derzeitige Situation und zukünftige Entwicklungen ............................................. 17

4.2. Werkstoffliches Recycling ................................................................................... 19

4.3. Chemisches Recycling ......................................................................................... 23

4.4. Andere Recycling und Verwertungstechnologien, einschließlich Mitverbrennung 26

4.5. Verbrennung ........................................................................................................ 27

4.6. Deponierung ........................................................................................................ 33

5. Andere horizontale Aspekte bezüglich PVC............................................................... 36

6. Schlussbemerkungen ................................................................................................. 37
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GRÜNBUCH

zur Umweltproblematik von PVC

1. EINLEITUNG

Die Kommission hat sich dazu verpflichtet, eine Bewertung der Auswirkungen von
PVC auf die Umwelt, einschließlich damit zusammenhängender Aspekte der
menschlichen Gesundheit, in einem integrierten Ansatz vorzunehmen. Im Vorschlag
für eine Richtlinie über Altfahrzeuge1 ist festgelegt, daß „die Kommission die
Umweltaspekte im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von PVC in
Abfallströmen untersuchen (wird). Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird sie
ihre Politik hinsichtlich PVC in Abfallströmen überprüfen und, sofern dies aus
ökologischen oder gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt ist, Vorschläge zur
Lösung der dabei auftretenden Probleme vorlegen.“ Im Gemeinsamen Standpunkt
zu diesem Vorschlag2 stellt der Rat fest: „Die Kommission untersucht derzeit die
Auswirkungen von PVC auf die Umwelt. Ausgehend von diesen Arbeiten wird die
Kommission gegebenenfalls Vorschläge hinsichtlich der Verwendung von PVC
vorlegen, die auch Überlegungen in bezug auf Fahrzeuge enthalten.“

PVC hat in den letzten Jahrzehnten über weite Strecken im Mittelpunkt einer
kontroversen Diskussion gestanden. Zum Thema PVC und seinen Auswirkungen auf
die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat es eine Vielzahl divergierender
Stellungnahmen aus Wissenschaft und Technik sowie aus der Wirtschaft gegeben.
Einige Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zu speziellen Aspekten des Lebenszyklus
von PVC empfohlen oder angenommen. Diese Maßnahmen unterscheiden sich
jedoch voneinander und können zum Teil Folgen für den Binnenmarkt haben. Daher
ist ein integrierter Ansatz erforderlich, der den gesamten Lebenszyklus von PVC
bewertet, um die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung eines hohen Schutzniveaus
für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie auch für das ordnungsgemäße
Funktionieren des Binnenmarktes zu entwickeln.
Mit dem vorliegenden Dokument werden zwei Ziele verfolgt: Es sollen zum einen
die verschiedenen Aspekte der Umweltproblematik von PVC, einschließlich damit
zusammenhängender Aspekte zur menschlichen Gesundheit, die sich im Verlauf des
PVC-Lebenszyklus ergeben, darstellen und wissenschaftlich bewerten, und zum
anderen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung eine Anzahl von Optionen zur
Reduzierung derjenigen Umweltprobleme beschreiben, für die Handlungsbedarf
besteht. Das Dokument ist als Grundlage für eine Beratung mit den betroffenen
Interessengruppen gedacht, die dann zur Identifikation von praktischen Lösungen für
die durch PVC aufgeworfenen Gesundheits- und Umweltprobleme führen soll.

1 KOM (97) 358 endg.
2 EG 39/1999
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– 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. DIE PVC-INDUSTRIE UND IHRE PRODUKTE

2.1. Das Material PVC und seine Anwendungen

Polyvinylchlorid (PVC) ist ein synthetisches Polymermaterial (oder Harz), das durch
Polymerisation des Monomers Vinylchlorid (VCM) mit der Formel CH2=CHCl
entsteht. PVC hat somit praktisch die gleiche Struktur wie Polyethylen, mit
Ausnahme des Vorhandenseins von Chlor. Das Chlor im PVC macht gewichtsmäßig
57% des reinen Polymerharzes aus. 35 % des Chlors aus der Chlor-Alkali-
Elektrolyse werden letztlich zu PVC verarbeitet, das damit die größte
Einzelverwendung darstellt.
Reines PVC ist ein steifes Material, das mechanisch widerstandsfähig, relativ
witterungsbeständig, resistent gegenüber Wasser und Chemikalien und elektrisch
isolierend ist, andererseits aber ein relativ instabiles Verhalten gegenüber Wärme und
Licht zeigt. Bei Exposition gegenüber Wärme und UV-Licht kommt es zu einem
Verlust von Chlor in Form von Salzsäure (HCl), was sich durch Zufügen von
Stabilisatoren verhindern läßt. Stabilisatoren bestehen häufig aus Salzen von
Metallen wie Blei, Barium, Calcium oder Cadmium oder aus zinnorganischen
Verbindungen3.
Die mechanischen Eigenschaften von PVC können durch Zusatz von
niedrigmolekularen Substanzen, die sich mit der polymeren Matrix vermischen,
verändert werden. Der Zusatz dieser sogenannten Weichmacher in unterschiedlichen
Mengen führt zu Materialien mit einer großen Vielfalt von Eigenschaften, was der
Grund dafür ist, daß PVC in einem breiten Spektrum von Einsatzgebieten
angewendet wird. Die am häufigsten verwendeten Arten von Weichmachern sind
Ester organischer Säuren, darunter vor allem Phthalate und Adipate4.
Die Hauptunterscheidung zwischen den zahlreichen Anwendungen ist die zwischen
„Hart“-PVC (das etwa zwei Drittel aller Anwendungen ausmacht) und „Weich“-PVC
(etwa ein Drittel).
Die nachstehende Tabelle zeigt die Hauptanwendungen von PVC in Europa und die
relativen Anteile dieser Anwendungen am Gesamtverbrauch. Die Vielzahl der
Anwendungen ist durch einen weiten Bereich von Gebrauchszeiten charakterisiert,
der von mehreren Monaten bis zu mehr als 50 Jahren für einige Baustoffe reicht. Die
Hauptanwendungen von PVC in Europa liegen im Bausektor, auf den 57 % aller
Produkte entfallen und in dem PVC-Produkte auch die längste durchschnittliche
Lebensdauer aufweisen.

3 Für nähere Angaben und eine Diskussion der Mengen siehe Abschnitt 3.
4 Für nähere Angaben und eine Diskussion der Mengen siehe Abschnitt 3.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

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Tabelle 1: Haupteinsatzgebiete von PVC in Europa (1999)5

Gebrauch / Anwendung Anteil (in %) Mittlere Lebensdauer (Jahre)
Baubereich 57 10 bis 50
Verpackungen 9 1
Möbel 1 17
Andere Haushaltsgeräte 18 11
Elektrio-/Elektronikartikel 7 21
Kraftfahrzeugteile 7 12
Andere 1 2-10

2.2. Produktionsprozesse von PVC und PVC compounds

Die Massenproduktion und –anwendung von PVC setzte in den 50er und 60er Jahren
ein, während die erste industrielle Produktion in den 30er Jahren begann.
Die Welterzeugung von PVC liegt heute bei mehr als 20 Mio. t pro Jahr – gegenüber
3 Mio. t im Jahre 1965 – entsprechend etwa einem Fünftel der gesamten
Kunststoffproduktion. Damit ist PVC einer der wichtigsten synthetischen
Werkstoffe. Die Produktion konzentriert sich vor allem auf die USA, Westeuropa
und Asien. In Westeuropa lag sie 1998 bei 5,5 Mio. t (etwa 26 % der
Weltproduktion). Die durchschnittlichen Wachstumsraten der PVC-Produktion
bewegten sich in den letzten Jahren zwischen 2 und 10 % - mit Unterschieden
zwischen den Regionen (höher in Asien, geringer in Europa) wie auch zwischen
einzelnen Anwendungen (höher für Hart-PVC, niedriger für Weich-PVC). Die Preise
für Roh-PVC sind aufgrund von Schwankungen bei Angebot und Nachfrage und bei
den Rohstoffpreisen extrem zyklisch.
Für die Produktion von PVC kommen im wesentlichen zwei Verfahren zur
Anwendung: die Suspensionspolymerisation von VCM (80%) und die
Emulsionspolymerisation (10 %).
Die Produktion von VCM aus Ethylen und Chlor bzw. Ethylen und HCl findet zu
einem großen Teil in geschlossenen industriellen Prozessen statt. Es kann zu
Emissionen von Chlor, Ethylen, Ethylendichlorid (EDC), HCl, VCM und chlorierten
Nebenprodukten einschließlich Dioxinen in die Arbeitsumgebung und in die Umwelt
(Luft und Wasser) kommen. Mehrere dieser Chemikalien sind als toxische
Substanzen wohl bekannt6 und erfordern strenge Emissionskontrollen. Die
Produktionsprozesse für PVC und VCM sind den Vorschriften mehrerer
Gemeinschaftsrichtlinien7 unterworfen.

5 Prognos, Mechanical recycling of PVC wastes, Study for DG XI, Januar 2000
6 Gemäß Richtlinie 67/548/EWG sind VCM als krebserzeugend (Kategorie1), EDC als krebserzeugend

(Kategorie 2), HCl als ätzend und reizend für die Atmungsorgane eingestuft.
7 Richtlinie des Rates 78/610/EWG vom 29.6.1978 über den Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern,

die Vinylchloridmonomer ausgesetzt sind. (ABL L 197, 22.7.1978, S. 12).
Die Vorschriften der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der
Umweltverschmutzung, der Richtlinien 76/464/EWG und 86/280/EWG über die Ableitung bestimmter
gefährlicher Stoffe, und der Richtlinie 84/360/EWG zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch
Industrieanlagen gelten für die Produktionsverfahren von PVC und VCM. Richtlinie 91/61/EG
verpflichtet generell zur Verwendung der besten verfügbaren Techniken (BAT) bezüglich
Emissionsgrenzwerte. Angaben betreffend BAT für organische Chemikalien mit hohem
Produktionsvolumen werden von der Kommission in 2001/2002 veröffentlicht werden, als Teil des
Drucksache

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– 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wie in anderen Bereichen der chemischen Industrie auch, sind die
Produktionsprozesse im Laufe der Jahre verbessert worden. Für die Herstellung von
VCM und Suspensions-PVC werden die besten verfügbaren Techniken eingesetzt,
die zur Festlegung einer Anzahl einschlägiger Emissionsgrenzwerte im Rahmen von
OSPAR-Beschlüssen (OSPAR – Übereinkunft zum Schutz der Meeresumwelt im
nordöstlichen Atlantik)8 geführt haben.
Bereits 1995 ist der Europäische Verband der PVC-Hersteller (ECVM) eine
freiwillige Selbstverpflichtung eingegangen. In dieser so genannten Umwelt-Charta
der Industrie für die Herstellung von VCM und Suspensions-PVC wurden strenge
Emissionsgrenzwerte für eine Anzahl von chemischen Stoffen festgelegt, die bis
1998 zu erfüllen waren. Die Einhaltung wurde durch ein unabhängiges Audit
überprüft, bei dem eine Gesamterfüllung aller Standards von 88 % festgestellt wurde.
Der ECVM hat seine Absicht bekundet, die 100%ige Erfüllung sobald wie möglich
zu erreichen. Neben der Umwelt-Charta für die Produktion von VCM und
Suspensions-PVC unterzeichnete der ECVM 1998 eine weitere Umwelt-Charta für
die Produktion von Emulsions-PVC mit strengen Grenzwerten für die Emission von
VCM in Luft und Wasser sowie für den VCM-Gehalt des polymeren Endprodukts.
Unternehmen, die, obwohl sie bereits alle bestehenden nationalen und lokalen
Verpflichtungen erfüllen, diese Grenzwerte noch nicht einhalten, haben sich
verpflichtet, dies bis 2003 zu erreichen. Eine unabhängige externe Überprüfung ist
für Anfang 2004 vorgesehen.
Die Verarbeitung von Roh-PVC zu Fertigprodukten erfolgt in mehreren Schritten.
Die Zugabe der notwendigen Additive wird als „PVC-Compounding“ bezeichnet.
PVC ist ein Thermoplast, d.h. es schmilzt bei Erwärmung und kann dann durch
verschiedene Prozesse in eine Vielzahl von Formen gebracht werden. Nach dem
Abkühlen nimmt das Material seine ursprünglichen Eigenschaften wieder an. Zur
Verarbeitung von PVC kommen eine Vielzahl von Verfahren in Anwendung, die
diese Eigenschaften nutzen, insbesondere Extrudieren, Kalandern, Spritzgießen,
Blasformen, Rotationsgießen, Wärmeformen und Filmblasen.
Während des “Compounding” und der weiteren Verarbeitungsprozesse kann es zur
Emission einer Anzahl gefährlicher Stoffe und damit zur Exposition von
Arbeitnehmern kommen. Das „Compounding“ von PVC-Pulver und der Additive
(auch in Pulverform oder als Flüssigkeit) wird in der Regel in geschlossenen
Anlagen vorgenommen. Hier kann es zu einer Exposition von Arbeitnehmern beim
Einbringen der Verbindungen in den Mischer kommen. Dies läßt sich gemäß den
Bestimmungen der Richtlinie 98/24/EG des Rates9 zum Schutz von Gesundheit und
Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei
der Arbeit auf ein Minimum reduzieren.
Im Fall einer Überhitzung während der Verarbeitung von PVC durch Erwärmen,
Formen und Abkühlen besteht die Gefahr der Emission verschiedener

Informationsaustausches, der gemäß Art. 16 Absatz 2 der Richtlinie 96/61/EG durchgeführt wird. Es ist
möglich, daß danach neue Emissionsgrenzwerte gemäß Art. 18 der Richtlinie angenommen werden.

8 Die Entscheidungen 98/4 and 98/5 treten am 9 Februar 1999 für neue Anlagen and am 1 Januar 2006
für bestehende Anlagen in Kraft. Die Kommission, hat in ihrem Vorschlag für einen Beschluß des Rates
[KOM(1999) 190 endg.] vorgeschlagen, diese Entscheidungen im Namen der Gemeinschaft
anzunehmen.

9 ABL L 131, 5.5.1998, S. 11.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 –

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Abbauprodukte, vor allem von HCl. Allerdings sind die dabei freigesetzten Mengen
gering und haben nur ein geringes Potenzial schädlicher Auswirkungen auf die
Umwelt. Die Mengen an Vinylchlorid-Restmonomer (VCM), die während der
Verarbeitung emittiert werden, werden als sehr niedrig eingeschätzt10. Die
Emissionen an Stabilisatoren und Weichmachern sind ebenfalls gering, wenn
geeignete Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Im allgemeinen müssen die
notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen werden, um die bestehenden
Arbeits- und Umweltschutzgesetze einzuhalten11.

2.3. Struktur und Beschreibung der PVC-Industrie

Nach neueren Statistiken der PVC-Industrie umfaßt die gesamte PVC erzeugende
und verarbeitende Industrie in Westeuropa insgesamt mehr als 21.000 Unternehmen
mit mehr als 530.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 72 Mrd. €. Die
Branche läßt sich grob in vier Gruppen unterteilen: Hersteller von PVC, von
Stabilisatoren, von Weichmachern und PVC-Verarbeiter.
PVC-Polymer wird von einer relativ kleinen Anzahl von Unternehmen hergestellt,
die vor allem in Europa, den USA und Japan angesiedelt sind. Die
Produktionskapazitäten in den Entwicklungsländern wachsen ebenfalls beständig an.
In Westeuropa liegt der Jahresverbrauch geringfügig über der Produktion, und seit
Beginn der frühen 90er Jahre sind die Importe höher als die Exporte, was zu einem
geringen Nettoimport führt, 1998 ca. 230.000 t (bei einer innergemeinschaftlichen
Produktion von ca. 5,5 Mio. t)12. Mehrere Hersteller sind in die Chlor- oder
petrochemische Industrie integriert und stellen auch Produkte wie Ethylen, Chlor und
VCM-Monomer her. Im Jahr 1999 betrieben 10 VCM- und PVC-Hersteller 52
Anlagen an 40 Standorten in zehn Mitgliedstaaten plus Norwegen mit etwa 10.000
Beschäftigten.
Elf europäische Unternehmen (22 Anlagen) erzeugen mehr als 98 % der in Europa
umgesetzten Stabilisatoren. Sie beschäftigen ca. 5.000 Mitarbeiter für eine
Produktion von 160.000 t Stabilisatorformulierungen und verzeichnen einen Umsatz
von etwa 380 Mio. €.
Etwa 1 Mio. t Weichmacher wurden 1999 in Europa von ca. 20 Unternehmen
hergestellt, wobei auf die drei größten Unternehmen etwa 40 % der Gesamtkapazität
entfallen13. Die Anzahl der Unternehmen ist rückläufig: kleinere Firmen geben die
Produkte auf oder werden von größeren Firmen aufgekauft. Schätzungen zufolge
sind in dieser Teilbranche 6.500 Personen beschäftigt. Der Produktionstrend zeigte
von 1990 bis 1995 einen jährlichen Anstieg von 1,5 %. Bei den Weichmachern ist
Westeuropa Netto-Exporteur. Die Verarbeitung von PVC zu Fertigprodukten, für die
zwei oder drei verschiedene Arbeitsschritte notwendig sind, wird im wesentlichen in
über 21.000 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durchgeführt. 90 % dieser
KMU haben weniger als 100 Beschäftigte, 5 % zwischen 100 und 500 Beschäftigte
und 5 % mehr als 500 Beschäftigte. Die Angaben zur Anzahl der Unternehmen, zur

10 Danish Environmental Protection Agency, Enironmental Project No. 313, Environmental Aspects of
PVC, 1995.

11 Danish Environmental Protection Agency, ebd.
12 Quelle: ECVM, gestützt auf Daten von EUROSTAT.
13 Angaben vom Europäischen Verband der Weichmacher and Zwischenprodukte
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Produktion und zur Beschäftigung für die gesamte PVC-Industrie sind in Tabelle 2
zusammengefaßt.
Tabelle 2: PVC-Industrie: Unternehmen, Produktion, Beschäftigung14

Produkte Unternehmen Produktion (in t) Beschäftigung
PVC gesamt 21,199 7,900,000 530,000
Weich-PVC-
Produkte

10,321 3,700,000 260,000

Hart-PVC-
Produkte

10,878 4,200,000 270,000

3. VERWENDUNG VON ADDITIVEN IN PVC

3.1. Sortiment und Arten von Additiven

Um das breite Spektrum an Eigenschaften zu bekommen, das bei den
Fertigerzeugnissen benötigt wird, wird PVC-Polymer mit einer Anzahl von
Additiven vermischt. Je nach der vorgesehenen Anwendung kann die
Zusammensetzung des PVC-Compound (d.h. Harz + Additive) sehr unterschiedlich
sein, bedingt durch die Zugabe unterschiedlicher Mengen von Additiven als
Füllstoffe, Stabilisatoren, Gleithilfsmittel, Weichmacher, Pigmente oder
Flammschutzmittel. Zur Herstellung von Endprodukten wird eine Vielzahl
unterschiedlicher Formulierungen von PVC-Compounds eingesetzt. Die
Verwendung von relativ großen Mengen an Weichmachern (hauptsächlich Phthalate)
und Stabilisatoren ist ein spezifisches Charakteristikum der Herstellung von PVC im
Vergleich zu anderen Kunststoffen. Alle anderen Typen von Additiven werden in
mehr oder weniger großen Mengen auch zur Herstellung anderer Kunststoffe
verwendet.
Die wichtigsten Kategorien von Additiven, die einer wissenschaftlichen
Untersuchung auf Gefahren und Risiken für Mensch und Umwelt bedürfen, sind die
Stabilisatoren, dabei vor allem solche, die Schwermetalle wie Blei und Cadmium
enthalten, und die Weichmacher, vor allem die Phthalate.

3.2. Stabilisatoren

Der Zusatz von Stabilisatoren zum PVC-Polymer soll dieses vor dem Abbau durch
Wärme und Licht schützen. Verschiedene Arten von Stabilisatoren werden
verwendet und ihr Gehalt im Fertigprodukt variiert je nach den technischen
Anforderungen der beabsichtigen Anwendung.
Gegenwärtig kommen als Stabilisatoren vor allem Bleiverbindungen, insbesondere
Bleisulfat und Bleiphosphit, zur Anwendung. Im Jahre 1998 wurden in Europa ca.
112.000 t15 Bleistabilisatoren mit etwa 51.000 t Bleimetall verwendet; was 70 %16

14 Angaben vom Verband Europäischer Kunststoffverarbeiter (EuPC)
15 Donnelly, J.P. (1999): Risk Assessment of PVC Stabilisers during Production and the Product Life

Cycle. Bericht vom OSPARCOMWorkshop
16 Positionspapier der Europäischen Industrie zu PVC and Stabilisatoren. Gemeinschaftliches Dokument

von ECVM in Zusammenarbeit mit ELSA and ORTEP, 1997
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 –

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des Gesamtverbrauchs an Stabilisatoren entspricht. Bei einem Gesamtverbrauch von
Blei in Europa von etwa 1,6 Mio. t (1995)17 entfallen somit auf Bleistabilisatoren
etwa 3 % der Gesamtmenge. Bleistabilisatoren werden hauptsächlich in Rohren,
Profilen und Kabeln verwendet.
Cadmium-Stabilisatoren werden weiterhin von einigen Herstellern in PVC-
Fensterrahmen verwendet, wo ihre Verwendung nach Gemeinschaftsrecht noch
erlaubt ist. Die Verwendung von Cadmium in Europa ist stark zurückgegangen (von
ca. 600 t/a im Jahr 199218 auf 100 t/a in 1997 und 50 t/a in 1998).
1998 wurden in Europa 14.500 t feste Mischmetall-Stabilisatoren und 16.400 t
flüssige Stabilisatoren eingesetzt19,20. Am häufigsten sind dabei Calcium/Zink- und
Barium/Zink-Systeme.
Zinnorganische Verbindungen haben mit 15.000 t21 einen Anteil von etwa 9,3 % am
europäischen Verbrauch von Stabilisatoren. Verschiedene Arten von
zinnorganischen Verbindungen, insbesondere Mischungen aus mono- und
disubstituierten zinnorganischen Vebindungen werden als Stabilisatoren verwendet,
zumeist in steifen Verpackungsfolien, Flaschen, Dachbahnen sowie
lichtdurchlässigen steifen Bahnen im Bausektor.
Nach der Richtlinie 67/548/EWG des Rates über die Einstufung, Verpackung und
Kennzeichnung gefährlicher Stoffe in ihrer geänderten Fassung22 sind die meisten
Bleiverbindungen einschließlich der in PVC verwendeten eingestuft als
fortpflanzungsgefährdend, gesundheitsschädlich; umweltgefährlich und als mit dem
Risiko kumulativer Wirkungen behaftet. Blei ist persistent, und bestimmte
Bleiverbindungen reichern sich in bestimmten Organismen an.
Die meisten Cadmiumverbindungen werden von der Richtlinie 67/548/EWG als
gesundheitsschädlich und umweltgefährlich eingestuft. Andere
Cadmiumverbindungen werden als gesundheitsschädlich, giftig oder sehr giftig
eingestuft. Einige Verbindungen sind auch als krebserzeugend (Kategorie 2)
eingestuft. Cadmium ist persistent, und bestimmte Cadmiumverbindungen reichern
sich in bestimmten Organismen an.
Daten zu den als PVC-Stabilisatoren verwendeten zinnorganischen Verbindungen
zeigen, daß Dioctylzinn giftig für das Immunsystem ist. Solche immunotoxischen
Effekte wurden nicht für die anderen zinnorganischen Verbindungen beobachtet, die
als Stabilisatoren in PVC verwenden werden (Dimethylzinn-, Dodecylzinn-,
Monobutylzinnverbindungen). Dioctylzinnverbindungen stellen ein potenzielles
Risiko lokal in der aquatischen Umwelt dar.
Eine Unterscheidung muß zwischen den Gefahren und Risiken von chemischen
Stoffen gemacht werden. Zur Zeit sind keine umfassenden Risikoabschätzungen zur
Verwendung von Cadmium- und Bleiverbindungen als Stabilisatoren in PVC-

17 Eurometaux, Jahresbericht 1999.
18 OSPARCOM workshop zu Cadmium 1997
19 Angaben vom Europäischen Verband der Stabilisatorhersteller (ESPA)
20 Donnelly, J.P. (1999), ebd.
21 Donnelly, J.P. (1999), ebd.
22 ABL L 196, 16.8.1967, p. 1.
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– 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Produkten durchgeführt worden. Eine im Rahmen der Verordnung 793/93 des Rates
vom 23. März 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer
Altstoffe23 laufende Risikoabschätzung zu Cadmium und Cadmiumoxid steht kurz
vor dem Abschluß. Zu Blei hat der Wissenschaftliche Ausschuß für Toxizität,
Ökotoxizität und Umwelt (CSTEE) kürzlich eine Stellungnahme zum Entwurf eines
Verbots der Verwendung von Blei in Produkten in Dänemark abgegeben24. Zur Zeit
ist der CSTEE mit der Frage der Risiken der Verwendung von Blei im allgemeinen
befaßt, und eine Stellungnahme bezüglich der Risiken von Blei für die Umwelt und
die menschliche Gesundheit, die unter anderem auf einer von den Dienststellen der
Kommission in Auftrag zu gebenden Studie basieren wird, sollte bis Mitte 2001
angenommen werden.
Wie die meisten Schwermetalle werden auch Cadmium und Blei außer durch ihre
Verwendung in Produkten von einer Vielzahl andere Quellen in die Umwelt
abgegeben, die signifikant stärker zur Verbreitung dieser Schwermetalle in der
Umwelt beitragen, so z.B. industrielle Aktivitäten, Erdöl, Mineraldünger und
Klärschlamm. Außerdem werden beide Schwermetalle in zahlreichen Produkten
verwendet. Mengenmäßig sind dabei Anwendungen von Blei und Cadmium in
Batterien und Akkumulatoren am wichtigsten. Von der Verwendung in Batterien
abgesehen, stellen PVC-Stabilisatoren eines der Haupteinsatzgebiete von Blei dar.
Für die Diskussion der potenziellen Risiken von Blei- oder Cadmium-Stabilisatoren
sind die folgenden Punkte am wichtigsten:
 Blei- und cadmiumhaltige Stabilisatoren in PVC bleiben sehr wahrscheinlich

während der Anwendungsphase der Produkte fest im PVC gebunden und tragen
daher nicht signifikant zur Exposition bei. Zu einer potentiellen Kontamination
der Umwelt durch die Verwendung von Blei- oder Cadmium-Stabilisatoren in
PVC kann es in der Produktions- und in der Abfallphase kommen.

 Während der Produktionsphase und der Abfallbehandlung müssen eine Anzahl
von Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen werden, um gemäß den Vorschriften der
Gemeinschaft zu Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer die Belastung der
Beschäftigten durch Blei und Cadmium zu verhindern oder auf ein Minimum zu
reduzieren.

 Zum Anteil der Bleistabilisatoren aus PVC an der Gesamtbelastung von zur
Deponierung oder Verbrennung bestimmten kommunalem Abfall mit Blei liegen
keine genauen Daten vor. Verschiedene Berechnungen und Schätzungen haben zu
sehr breit streuenden Ergebnissen geführt: 1 %, 3 %, 6 %, 10 %25 and 28 %26. Für
Cadmium wird geschätzt, daß etwa 10% des Cadmiumeintrags in
Verbrennungsanlagen und auf Deponien aus PVC stammt.27

23 ABL L 84, 5.4.1993, S. 1.
24 Stellungnahme des CSTEE zu Blei – Dänische Mitteilung 98/595/DK. Stellungnahme angenommen

während der 15. Plenarsitzung des CSTEE. Brüssel, 5. Mai 2000.
25 Bertin Technologies, The influence of PVC on quantity and hazardousness of flue gas residues from

incineration, Study for DG XI, April 2000
26 The Behaviour of PVC in Landfill, Study for DG ENV, Argus in association with University Rostock,

1999
27 Bertin Technologies, ebd.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 –

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 Zum Verhalten von blei- und cadmiumhaltigem PVC-Abfällen auf Deponien sind
bisher nur wenige experimentelle Untersuchungen durchgeführt worden. Es kann
davon ausgegangen werden, daß Blei- und Cadmiumverbindungen in Hart-PVC-
Abfällen eingeschlossen bleiben. Für Blei in Weich-PVC ist die Situation weniger
sicher. Insbesondere eine Untersuchung28 hat gezeigt, daß aus einem Typ eines
Kabels aus Weich-PVC, das eine Mischung aus verschiedenen Weichmachern
enthielt, 10 % des Bleistabilisators freigesetzt wurden. Der Beitrag von PVC am
Bleigehalt von Deponie-Sickerwässern ist nicht untersucht worden.

 Während der Verbrennung von PVC und anderen Abfällen sammeln sich praktisch
das gesamte Blei und Cadmium in Schlacke und Flugasche der
Verbrennungsanlagen an. Aufgrund der hohen Kontamination mit
Schwermetallen, müssen Flugasche und Rückstände aus der Rauchgasreinigung,
die in aller Regel vermischt werden, auf kontrollierte Deponien verbracht werden.
Schlacken werden entweder wiederverwendet oder deponiert. Eine Verbreitung
von Schwermetallen in die Umwelt kann deshalb nicht ausgeschlossen werden,
scheint aber kurzfristig eher unwahrscheinlich.

In Anbetracht der vorstehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten, können
gegenwärtig die Auswirkungen einer Substitution von Blei oder Cadmium auf die
Gesamtemissionen in die Umwelt nicht präzise quantifiziert werden. Es ist allerdings
fraglich, ob ein genereller Ersatz dieser Stabilisatoren größere Auswirkungen auf die
Gesamtemissionen von Blei oder Cadmium in die Umwelt hätte. Andererseits
kommen einige Untersuchungen zum Schluß, daß die langfristige Verwendung von
Bleistabilisatoren bedingt durch die Entsorgungsphase zu einem Ansteigen der
Bleikonzentrationen in der Umwelt29 führt.
Hinsichtlich der Probleme, die durch das Vorhandensein von gefährlichen Stoffen in
Abfällen auftreten, wird in der Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft30
festgestellt, daß im Rahmen der Abfallvermeidung in bestimmten Fällen EG-weite
Vorschriften notwendig werden, um den Anteil von Schwermetallen in Produkten
oder Produktionsverfahren einzuschränken oder bestimmte Stoffe zu verbieten und
das Entstehen gefährlicher Abfälle zu verhindern. Dieser Fall könnte eintreten, wenn
Wiederverwendung, Verwertung und sichere Entsorgung des jeweiligen Stoffes für
die Umwelt keine akzeptable Lösung darstellen.

Der Schutz von Mensch und Umwelt vor Risiken durch die Exposition gegenüber
Cadmium ist in der Gemeinschaftspolitik seit mehreren Jahren ein Thema. Am 25.
Januar 1988 verabschiedete der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine
Entschließung31 über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Bekämpfung der
Umweltverschmutzung durch Cadmium. Der Rat unterstreicht, daß die Verwendung
von Cadmium auf Bereiche begrenzt werden sollte, in denen es keine geeigneten
Alternativen gibt.

28 Mersiowski et al., Long-Term Behaviour of PVC-Products under Soil-Buried and Landfill Conditions,
Technical University Hamburg-Harburg, July 1999.

29 Swedish National Chemicals Inspectorate, Additives in PVC, Marking of PVC, Bericht einer
Regierungskommission, 1997

30 KOM(96)399
31 ABL C 30, 4. 2. 1988, S. 1.
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– 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Was die Verwendung von Cadmium in PVC-Stabilisatoren anbelangt, so wird dies in
einer Reihe von PVC-Produkten bereits durch die Richtlinie 91/338/EWG
beschränkt. Der Einsatz von Cadmium in Fensterprofilen ist jedoch noch erlaubt.
Schweden, Österreich und die Niederlande haben sämtliche Anwendungen von
Cadmium in Stabilisatoren verboten, und die Richtlinie 1999/51/EG sieht eine
generelle Ausnahmeregelung für Schweden und Österreich vor, strengere
Vorschriften für Cadmium anzuwenden.
Zur Verwendung von Bleiverbindungen als Stabilisatoren gibt es keine
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften. Dänemark32, Schweden33, Österreich34 und
Deutschland35 haben weitere – gesetzliche oder freiwillige – Einschränkungen der
Verwendung von Blei und Cadmium, insbesondere als Stabilisatoren in PVC,
gefordert.
Darüber hinaus wird, wie bereits erwähnt, derzeit eine Risikobewertung für
Cadmium vorgenommen und der CSTEE arbeitet an einer wissenschaftlichen
Bewertung für Blei. Entscheidungen über potenzielle Maßnahmen zur Reduzierung
von Risiken sollten auf der Grundlage sämtlicher vorliegenden wissenschaftlichen
Bewertungen getroffen werden. Sie sollten im Lichte neuer wissenschaftlicher
Entwicklungen, einschließlich der Ergebnisse möglicher zukünftiger
Risikoabschätzungen, überprüft werden.
Potenzielle Ersatzstoffe für Blei und Cadmium sind bereits im Einsatz: die
wichtigsten sind dabei Calcium-Zink- und zinnorganische Stabilisatoren. Calcium-
Zink-Verbindungen haben ein geringeres Gefahrenpotential als Blei- und Cadmium-
verbindungen und sind derzeit nicht als gefährlich eingestuft. Der generelle Ersatz
von Bleistabilisatoren wird zur Zeit noch durch technische Faktoren (Produktqualität,
Normen, Prüfanforderungen) und wirtschaftliche Gründe (höhere Kosten) verhindert.
Es ist zu erwarten, daß sich der Preisunterschied zwischen Blei- und Calcium/Zink-
Stabilisatoren durch derzeit entstehende neue Produktionskapazitäten verringern
wird. Zinn-Stabilisatoren haben mit Blick auf die Umwelt und menschliche
Gesundheit weniger günstige Eigenschaften.
Im März 2000 unterzeichnete die gesamte PVC-Industrie (PVC Hersteller, die
Hersteller von Additiven und die PVC-Verarbeiter - vertreten durch ihre
europäischen Verbände ECVM, ECPI, ESPA, EuPC36) - gemeinsam eine freiwillige
Selbstverpflichtung mit der erklärten Absicht, sich „der Herausforderung einer
nachhaltigen Entwicklung zu stellen“ und „unter Verwendung eines integrierten

32 Mitteilung Dän

emarks eines Entwurfs zur gesetzlichen Einschränkung der Verwendung von Blei in

Produkten.
33 Swedish National Chemicals Inspectorate, Additives in PVC, Marking of PVC, Bericht einer

Regierungskommission, 1997
34 Einzelstaatliche österreichische Gesetzgebung zum Verbot von Cadmium in PVC
35 Kommission Human-Biomonitoring des Deutschen Umweltbundesamts “Bleireferenz und Human-

Biomonitoring-Werte”, 1996
Bericht der Enquête Kommission des Deutschen Bundestags “Die Industriegesellschaft gestalten –
Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen”, Empfehlungen
bezüglich PVC, Juli 1994.

36 ECVM ist der Europäische Verband der PVC Hersteller; ECPI der Europäische Verband der
Weichmacher and Zwischenprodukte; ESPA der Europäische Verband der Stabilisatorhersteller und
EuPC der Verband Europäischer Kunststoffverarbeiter.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 –

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Ansatzes das Konzept eines verantwortlichen Managements von „der Wiege bis zur
Bahre umzusetzen“.

Die Unterzeichner vertreten mehr als 98 % der Hersteller von PVC-Polymer,
Additiven und PVC-Compounds sowie zwischen 60 % und 80 % der Hersteller von
PVC-Fensterrahmen und -Rohren.
Die freiwillige Selbstverpflichtung betrifft verschiedene Auswirkungen von PVC auf
die Umwelt und enthält einen Plan der vorgesehenen Maßnahmen (Reduzierung der
Emissionen in der Produktionsphase, Beschränkungen der Verwendung von
Cadmium, fortschreitende Umsetzung von Recyclingzielen sowie finanzielle
Verpflichtungen zur Schaffung eines Fonds für die Finanzierung einschlägiger
Forschungsprojekte. Zu den wichtigsten vorgesehenen Maßnahmen gehören:
– spezielle Verpflichtungen, auf deren Einzelheiten in diesem Dokument an

geeigneter Stelle eingegangen wird, für den Zeitraum 2000-2010;
– quantitative and fortschreitende Ziele für das Recycling bestimmter Abfallströme

und Beendigung des Einsatzes von Cadmium;
– Veröffentlichung jährlicher Berichte und Verteilung an interessierte Gruppen;
– Prüfung und Bewertung der Ergebnisse durch unabhängige, außenstehende Dritte,

erstmals in 2003, später erneut in 2008;
– Überprüfung der gesetzten Ziele zur Berücksichtigung des technischen und

wissenschaftlichen Fortschritts und von Vorschlägen von interessierten Gruppen.
Die Unterzeichnung und das Inkrafttreten dieser Verpflichtung stellen einen
wichtigen Schritt dar, der in Abhängigkeit der Kriterien bewertet werden muß, die in
der Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über
Umweltvereinbarungen (KOM(96)561 endg.) genannt werden.
Der Erfolg dieses Ansatzes erfordert stetige Fortschritte bei den Bemühungen auf
den speziellen Gebieten, die Gegenstand der Vereinbarung sind, insbesondere die
Reduzierung der Produktion und der Verwendung bestimmter Additive, die
Festsetzung anspruchsvollerer Mengenziele für das Recycling, den Beitrag der
Industrie zu den Mehrkosten der Müllverbrennung und ein voll funktionsfähiger
Finanzierungsmechanismus.
Was Cadmium anbelangt, so hat sich die Industrie verpflichtet, die Verwendung von
Cadmium-Stabilisatoren ab 2001 einzustellen. Diese Verpflichtung erfaßt nicht die
Importe von PVC aus Drittländern, die durchaus noch Cadmium enthalten können.
Mit Blick auf die Verwendung von Blei hat sich die Vereinigung Europäischer
Stabilisator-Hersteller (ESPA) verpflichtet, „erste Risikoabschätzungen für
Stabilisatoren auf Bleibasis im Rahmen des CEFIC- und des ICCA-Programms
,Vertrauen in Chemikalien· bis zum Jahre 2004“ durchzuführen.
ESPA ist die Verpflichtung eingegangen, jährliche Statistiken vorzulegen, aus denen
hervorgeht, welche Stabilisatoren von den PVC-Verarbeitern gekauft werden.
Gegenwärtig werden von der PVC-Stabilisatoren Industrie keine Maßnahmen zur
Eliminierung der Verwendung von Blei in PVC vorgesehen, außer „weiter an der
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– 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Forschung und Entwicklung alternativer Stabilisatoren zu Systemen auf Bleibasis zu
arbeiten“. ESPA prognostiziert einen Rückgang des Verbrauchs von
Bleistabilisatoren von 120.000 t im Jahr 1999 auf 80.000 t im Jahre 2010 und stellt
dazu fest, daß sie „diesen Trend durch die Entwicklung geeigneter Alternativen
unterstützen“ werde.
Zu prüfende Fragen

Die Kommission ist angesichts der vorstehenden Analyse der Ansicht, daß die
Kontamination der Umwelt durch Blei und Cadmium so weit wie möglich
vermieden werden sollte. Die Kommission tritt Reduzierung der Verwendung von
Cadmium- und Bleistabilisatoren in PVC-Produkten ein. Dabei könnte eine
Anzahl von Maßnahmen ins Auge gefaßt werden, die im Hinblick auf ihre
potenziellen ökologischen und ökonomischen Implikationen untersucht werden
sollten.

1. Gesetzgeberische Schritte zur Eliminierung oder andere Risikomin-
derungsmaßnahmen bezüglich Cadmium und/oder Blei mit der
Möglichkeit zeitlich begrenzter Ausnahmeregelungenfür eine

2. Umsetzung der freiwilligen Selbstverpflichtung der PVC-Industrie zu
Cadmium

3. Entwicklung weiterer freiwilliger Selbstverpflichtungen zu Blei

Frage Nr. 1:

Welches Maßnahmenpaket sollte eingesetzt werden, um das Problem der
Verwendung von Blei und Cadmium in neuem PVC anzugehen?
Innerhalb welchen Zeitrahmens?

3.3. Weichmacher

Weichmacher werden zur Herstellung von Weich-PVC-Produkten benötigt. In
Westeuropa werden jährlich etwa 1 Mio. t Phthalate hergestellt, von denen etwa
900.000 t in die PVC-Produktion gehen. 1997 waren 93% der in PVC verwendeten
Weichmacher Phthalate. Am häufigsten verwendet werden folgende Phthalate: bis-2-
Ethylhexylphthalat (DEHP), Diisodecylphthalat (DIDP) und Diisononylphthalat
(DINP). In den letzten Jahren ist die Verwendung von DEHP gesunken, die von
DIDP und DINP hingegen angestiegen. Die Mengen an Weichmachern, die dem
PVC-Polymer zugesetzt werden, schwanken je nach den erforderlichen
Eigenschaften.
In Abhängigkeit von der endgültigen Verwendung bewegt sich der Gehalt an
Weichmachern zwischen 15 und 60%, wobei die typischen Bereiche für die meisten
Anwendungen zwischen 35 und 40% liegen.
Auch andere Stoffe wie Adipate, Trimellitate, Organophosphate und epoxidiertes
Sojabohnenoil können als Weichmacher für PVC eingesetzt werden. Ihr Anteil am
Verbrauch von Weichmachern ist jedoch gering. Angaben zu den Auswirkungen
dieser Weichmacher auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sind begrenzt
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 –

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und für eine ordnungsgemäße Bewertung müssten weitere Daten erst noch gewonnen
werden. Dieser Abschnitt wird sich deshalb auf die Phthalate konzentrieren, die
mengenmäßig die wichtigsten Weichmacher sind und für die auch derzeit
hauptsächlich Bewertungen der Umwelt- und Gesundheitsrisiken durchgeführt
werden.
Phthalate sind Chemikalien mit hohem Produktionsvolumen, von denen fünf wegen
ihrer potenziellen Risiken für Mensch und Umwelt auf die ersten drei Prioritätslisten
für eine Risikobewertung gemäß der Verordnung 793/93 über chemische Altstoffe
gesetzt worden sind. Die Risikobewertungen für diese fünf Stoffe werden von
Berichterstattern37 in den Mitgliedstaaten durchgeführt Die Risikobewertungen für
DEHP, DIDP, DINP, DBP sind entweder bereits beendet oder ihre
Vervollständigung ist noch für das Jahr 2000 vorgesehen, diejenige für BBP für
2001.
DEHP, DINP und DIDP haben ein Bioakkumulationspotential. Die
Risikobewertungen gemäß Verordnung 793/93 haben aber festgestellt, daß keine
Bedenken hinsichtlich der Akkumulation von DBP, DINP und DIDP bestehen,
wohingegen die potenziellen Umweltauswirkungen von DEHP und BBP noch
weiterhin untersucht werden. Langkettige Phthalate sind unter den normalen
Bedingungen einer Abwasserbehandlung biologisch nur schlecht abbaubar und
werden in üblichen Sicker- und Abwasserkläranlagen, wo sie an suspendierten
Feststoffe akkumulieren, nur zum Teil abgebaut. Bestimmte Phthalate sowie ihre
Stoffwechsel- und Abbauprodukte können schädliche Wirkungen auf die
menschliche Gesundheit haben (DINP vor allem auf Leber und Niere und DEHP auf
die Hoden). Potentielle Störungen des endokrinen Systems durch diese Stoffe werden
derzeit untersucht.
Alle Phthalate, die in PVC-Produkten in großen Mengen verwendet werden, sind
heute in der Umwelt weit verbreitet. Sie scheinen vor allem durch Transport in der
Luft und dem Austreten aus bestimmten Produkten in die Umwelt zu gelangen.
Phthalate werden in hohen Konzentrationen zumeist in Sedimenten und im
Klärschlamm gefunden. Berichten aus Dänemark zufolge können die
Konzentrationen bestimmter Phthalate die für die Verwendung von Klärschlämmen
in der Landwirtschaft festgesetzten nationalen Grenzwerte überschreiten.
Die Risiken aus der Verwendung von Phthalaten in bestimmten Spielzeug- und
Babyartikeln aus Weich-PVC sind vom Wissenschaftlichen Ausschuß für Toxizität,
Ökotoxizität und Umwelt (CSTEE) untersucht worden. Phthalate treten aus
Spielzeug- und Babyartikeln aus, wenn Kleinkinder daran saugen.
In seinen Stellungnahmen hat der CSTEE seine Besorgnis über die Risiken zum
Ausdruck gebracht, die für Kleinkinder bei einer Exposition gegenüber zwei (DINP
und DEHP) der in diesen Produkten verwendeten Phthalaten wegen potentieller
schädlicher Wirkungen auf Leber, Niere und Hoden bestehen. Die Kommission hat
am 10. November 1999 einen Vorschlag für eine Richtlinie angenommen und am 7.
Dezember 1999 unter Anwendung des von der Richtlinie 92/59/EWG für Notfälle

37 Die fünf Phthalate sind : Bis-(2-ethylhexyl)-phthalat (DEHP), Berichterstatter Schweden; Di-
isononylphthalat (DINP), Berichterstatter Frankreich; Di-isodecylphthalat (DIDP), Berichterstatter
Frankreich; Dibutylphthalat (DBP), Berichterstatter Niederlande; Butylbenzylphthalate (BBP),
Berichterstatter Norwegen
Drucksache

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– 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

vorgesehenen Verfahrens eine Entscheidung über das Verbot der Verwendung von
Phthalaten in bestimmten Spielzeug- und Babyartikeln, die dazu bestimmt sind, in
den Mund genommen zu werden.
Drei Mitgliedstaaten haben, ohne den Abschluß der oben erwähnten
Risikobewertungsprozesse abzuwarten, bereits damit begonnen, Risikomanagement-
Strategien mit dem allgemeinen Ziel einer Verringerung der Verwendung von
Phthalaten zu entwickeln. So hat die schwedische Regierung eine Vorlage über
„Schwedische Zielvorstellungen in Bereich der Umweltqualität“ unterbreitet, die
darauf abzielt die Verwendung des wichtigsten Phthalats DEHP zu verringern38. Die
dänische Regierung hat einen Aktionsplan zur Reduzierung der Verwendung von
Phthalaten um 50 % in den nächsten zehn Jahren angenommen. Eine Bewertung der
Nachhaltigkeit von Weich-PVC ist auch vom deutschen Umweltbundesamt
vorgenommen worden39, das aufgrund der permanenten Verluste von
Weichmachern, insbesondere von Phthalaten, an die Umwelt eine graduelle
Ablösung von Weich-PVC in solchen Produkten empfiehlt, für die sicherere
Alternativen vorhanden sind.
Zu prüfende Fragen

Die Verwendung von Phthalaten in PVC-Produkten wirft die vorstehend
beschriebenen Fragen auf, die durch eine Anzahl von Maßnahmen aufgegriffen
werden können, darunter gesetzliche oder freiwillige Risikoverminderungs-
maßnahmen. Diese potenziellen Maßnahmen sollten im Hinblick auf ihre
ökologischen und ökonomischen Implikationen bewertet werden.

Frage Nr. 2:

Sollen spezielle Maßnahmen bezüglich der Verwendung von Phthalaten
als Weichmacher in PVC getroffen werden? Wenn ja, wann und mit
welchen Instrumenten?

4. PVC-ABFALLBEWIRTSCHAFTUNG

Die Dienststellen der Kommission haben vier Studien zu den technischen Aspekten
der wichtigsten Entsorgungsoptionen für PVC-Abfälle - werkstoffliches Recycling40,
chemisches Recycling41, Verbrennung42 und Deponierung43 - durchführen lassen.

38 Die schwedische Regierung stellt fest, daß “die Verwendung von DEHP und anderen Weichmachern
mit schädlichen Auswirkungen in PVC für den Außengebrauch in beschichteten Geweben und Folien
und für den Korrosionsschutz von Autos auf freiwilliger Basis bis 2001 eingestellt werden sollte.
Andere Verwendungen von DEHP als Weichmacher in PVC, mit Ausnahme von medizinischen
Produkten und Pharmazeutika, sollten auf freiwilliger Basis bis 2001 eingestellt werden.”

39 Deutsches Umweltbundesamt, Handlungsfelder und Kriterien für eine vorsorgende nachhaltige
Stoffpolitik am Beispiel PVC, 1999

40 Prognos, Mechanical recycling of PVC wastes, Study for DG XI, January 2000
41 TNO, Chemical recycling of plastics waste (PVC and other resins), Study for DG III, December

1999

42 Bertin Technologies, The influence of PVC on quantity and hazardousness of flue gas residues from
incineration, Study for DG XI, April 2000

43 Argus in association with University Rostock, The Behaviour of PVC in Landfill, Study for DG ENV,
February 2000.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 –

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Die Entsorgung von PVC-Abfällen sollte im Kontext der europäischen Politik zur
Abfallwirtschaft untersucht werden. Die Mitteilung der Kommission zur
Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft44 hat die Rangfolge
der Grundsätze bestätigt, daß die Vermeidung von Abfällen erstes Gebot ist, dann
folgt die Verwertung und schließlich die sichere Beseitigung von Abfällen”. Weiter
heißt es in der Mitteilung: „der stofflichen Verwertung ist gegenüber der
energetischen Vorzug zu geben, sofern dies umweltverträglich ist. Diese
grundsätzliche Regel basiert auf der Tatsache, daß die stoffliche Verwertung in
größerem Umfang zur Vermeidung von Abfällen beiträgt als die energetische
Verwertung. Dennoch sind die Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft sowie die
wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der jeweiligen Option in Betracht zu ziehen. Die
Bewertung dieser Effekte könnte in einzelnen Fällen dazu führen, daß der Option der
energetischen Verwertung der Vorzug zu geben ist.” Der Rat hat diese Hierarchie
von Grundsätzen in seinem Beschluß45 vom 24. Februar 1997 bekräftigt.

4.1. Derzeitige Situation und zukünftige Entwicklungen

Derzeitige Situation

Die Gesamtmenge an PVC-Abfällen ist abhängig vom PVC-Verbrauch. Allerdings
besteht wegen der 50 Jahre und länger währenden Lebensdauer einiger Produkte wie
Rohren und Fensterprofilen eine Zeitdifferenz zwischen dem PVC-Verbrauch und
dem Erscheinen des PVC im Abfallstrom. PVC-Produkte erreichten in den 60er
Jahren einen bedeutenden Marktanteil. Bei einer Lebensdauer von ca. 30 Jahren und
mehr ist etwa ab 2010 mit einem bedeutenden Ansteigen der Mengen an PVC-
Abfällen zu rechnen.
Da PVC in einem breiten Spektrum von Produkten verwendet wird, sind die Daten
über die in der EU anfallenden PVC-Abfälle unsicher. Die neuesten und
detailliertesten Daten über PVC-Abfallmengen sind Schätzungen von Seiten der
Industrie, die auf Berechnungen unter Verwendung der jährlichen
Produktionsmengen und der mittleren Lebensdauer der Produkte beruhen.
Den Schätzungen zufolge lag die Gesamtmenge von PVC-Abfällen in der
Gemeinschaft 1999 bei etwa 4,1 Mio. t, die sich in 3,6 Mio. t „Post-Verbraucher“-
PVC-Abfälle (Abfälle, die nach der Verwendung beim Verbraucher anfallen) und 0,5
Mio. t „Prä-Verbraucher“-PVC-Abfälle (Produktions- und Verarbeitungsabfälle)
aufteilen lassen. Derzeit besteht die Gesamtabfallmenge zu etwa zwei Dritteln aus
Weich-PVC und zu einem Drittel aus Hart-PVC.
Etwa 1 Mio. t PVC fallen im Abfallstrom aus Bau- und Abrißschutt an. Eine weitere
Mio. t im kommunalen Müll, der sich aus gesammeltem Hausmüll sowie ähnlichen
Abfällen aus Industrie und Gewerbe zusammensetzt. Etwa 700.000 t PVC stammen
von Verpackungen und weitere etwa 700.000 t aus der Entsorgung von
Kraftfahrzeugen und aus Elektro- und Elektronikschrott.
Der zur Zeit wichtigste Entsorgungsweg der Abfallwirtschaft in der Gemeinschaft
für alle Arten von „Post-Verbraucher“-Abfällen ist die Deponierung. Dies gilt
folglich auch für „Post-Verbraucher“ PVC-Abfälle. Derzeit werden jährlich etwa 2,6

44 KOM(96) 399 endg.
45 97/C 76/01
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– 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

bis 2,9 Mio. t PVC-Abfälle auf Deponien abgelagert. Werkstoffliches Recycling wird
nur für einen kleinen Teil der „Post-Verbraucher“-Abfälle (ca. 100.000 t)
angewendet. Annähernd 600.000 t PVC werden jährlich in der Gemeinschaft
verbrannt.
Zukünftige Entwicklungen: baseline scenario

Dieses Szenario46 beschreibt die Situation im Hinblick auf die Menge von PVC-
Abfällen und die wichtigsten Entsorgungswege, wie sie für die Jahre 2000, 2010 und
2020 unter der Annahme erwartet werden, daß keine weiteren PVC-spezifischen
Maßnahmen über die auf Gemeinschaftsebene und in den Mitgliedstaaten derzeit in
Kraft oder in Vorbereitung befindlichen gesetzlichen, administrativen und
freiwilligen Maßnahmen hinaus getroffen werden. In diesem Szenario wird davon
ausgegangen, daß die bestehenden und künftigen Richtlinien über Abfalldeponien,
Verbrennung, Verpackungsmaterial, Altfahrzeuge, sowie Elektro- und
Elektronikschrott umgesetzt werden.
Der Schlüsselfaktor bei der Bewirtschaftung der „Post-Verbraucher“-PVC-Abfälle
ist der erwartete Anstieg der Mengen an PVC-Abfällen. Prognosen zum künftigen
Aufkommen an PVC-Abfällen sind zwar mit Unsicherheiten behaftet, doch wird
erwartet, daß das Volumen an PVC-Abfällen bis zum Jahre 2010 um 30 % und bis
zum Jahre 2020 um 80 % zunehmen wird, was insbesondere auf den starken Anstieg
bei den Abfallmengen aus langlebigen Produkten zurückgeht. Dabei wird es bei den
„Post-Verbraucher“-Abfällen einen Anstieg von derzeit etwa 3,6 Mio. t auf etwa
4,7 Mio. t im Jahr 2010 und auf 6,2 Mio. t im Jahre 2020 geben. Das Volumen der
„Prä-Verbraucher“- PVC-Abfälle wird von 0,5 auf 0,9 Mio. t zunehmen.
Es wird erwartet, daß sich im Vergleich zur gegenwärtigen Situation die
Zusammensetzung des Aufkommens an „Post-Verbraucher“ PVC-Abfällen nach
Produktgruppen verändert. So wird der Anteil von PVC-Abfällen aus dem
Baubereich sowie aus Haushalten und Gewerbe zunehmen, während der Anteil aus
Verpackungen signifikant zurückgehen dürfte. Auch der Anteil an Weich-PVC-
Abfällen wird abnehmen.
Im Kontext des „Baseline“-Szenarios für PVC-Abfälle wird erwartet, daß die
Änderungen in der Gesetzgebung zur Abfallwirtschaft und in der Praxis, folgendes
bewirken werden:
 Die Richtlinie über Abfalldeponien wird einige bedeutende Änderungen für die

Abfallwirtschaft bringen, vor allem infolge der erwarteten Erhöhung der
Deponiekosten. Einige Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, Österreich, die
Niederlande und Dänemark, haben nationale Maßnahmen zum Verbot der
Deponierung unbehandelter organischer Abfälle, darunter auch Plastikabfälle,
angekündigt, mit der Ausnahme von PVC-Abfällen in Dänemark.

 In den kommenden Jahrzehnten wird das Recycling wahrscheinlich beträchtlich
an Bedeutung gewinnen, insbesondere für solche Abfallströme, für die Recycling-
Ziele gesetzt werden. Auch die energetische Verwertung für Abfälle, die nicht
recycled werden können, dürfte sich nach den Erwartungen erhöhen.

46 Prognos, ebd.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 –

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Wie sich dies auf die Behandlung von PVC-Abfällen auswirken wird, wird in den
folgenden Abschnitten über die wichtigsten Entsorgungsmöglichkeiten der
Abfallwirtschaft detaillierter untersucht werden.

4.2. Werkstoffliches Recycling

Unter dem Begriff des werkstofflichen Recyclings werden Recyclingprozesse
zusamengefaßt, bei denen der PVC-Abfall nur mechanisch verarbeitet wird, vor
allem durch Shreddern, Sieben und Mahlen. Die dabei entstehenden Recyclate (in
Pulverform) lassen sich zu neuen Produkten verarbeiten. Je nach dem
Kontaminationsgrad und der Zusammensetzung des Sammelgutes kann die Qualität
von PVC-Recyclaten sehr unterschiedlich sein. Die Qualität der Recyclate ist
maßgeblich für das Ausmaß, bis zu dem neues Material durch Recyclat ersetzt
werden kann: Hochwertige Recyclate können für die gleichen PVC-Produkte
wiederverwendet werden, wohingegen minderwertige Recyclate aus
Mischmüllfraktionen nur zu Produkten verarbeitet werden können, die
normalerweise aus anderen Materialien hergestellt werden („Downcycling“).
Das Recycling von „Post-Verbraucher“-PVC-Abfällen findet in der EU erst auf sehr
niedrigem Niveau statt und die recycelten Mengen machen weniger als 3 % der
Gesamtmenge aus47. Zur Zeit werden in der EU jährlich etwa 100.000 t recycelt. Bei
einem großen Teil dieses Recyclings von „Post-Verbraucher“ PVC Abfällen (etwa
70 %) handelt es sich um „Downcycling“ von Kabelabfällen (ca. 38.000 t) und
Verpackungsabfällen (ca. 19.000 t).
Das werkstoffliche Recyceln von „Post-Verbraucher“-Abfällen zu hochwertigen
Recyclaten befindet sich noch in einem Frühstadium und ist derzeit nur für einige
wenige Produktgruppen und zudem in geringen Mengen zu finden (ca. 3.600 t Hart-
PVC-Profile, 5.500 t Rohre und 550 t Fußbodenbeläge).
In keinem der Mitgliedstaaten scheint die Recyclingrate von „Post-Verbraucher“-
Abfällen signifikant über dem EU-Durchschnitt zu liegen. In einigen Ländern sind -
in der Regel auf freiwilliger Basis - Abfallerfassungssysteme eingerichtet worden.
Allerdings liegt die Recyclingrate in der Regel unter 5 % und basiert im wesentlichen
auf dem „Downcycling“ von Verpackungen und Kabeln.
Was die „Prä-Verbraucher“-Abfälle anbelangt, so wurden 1998 ca. 420.000 t PVC –
entsprechend etwa 85% des Abfallaufkommens – recycelt. Werkstoffliches Recyceln
von „Prä-Verbraucher“-Abfällen gibt es in allen Mitgliedstaaten und kann als
gewinnbringende Wirtschaftstätigkeit angesehen werden.
Eine Reihe von Lebenszyklus-Analysen48 an einigen speziellen PVC-Produkten hat
gezeigt, daß werkstoffliches Recycling mit Blick auf die Umwelt einige Vorteile bei
Produktions- und Verarbeitungsabfällen bringt, wie auch bei „Post-Verbraucher“-
PVC-Abfällen, die getrennt werden können. Die Umweltvorteile des „Downcycling“
von Mischkunststoffen zur Herstellung von Produkten, die Beton, Holz oder andere
Nicht-Plastik-Erzeugnisse substituieren, sind weniger gewiß.

47 Prognos, ebd.
48 Prognos, ebd.
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– 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Allerdings wirft das Vorliegen von als gefährlich eingestuften Additiven wie Blei,
Cadmium und PCBs in großen PVC-Abfallströmen für ihr potenzielles Recycling
einige Fragen auf. Das Recycling von schwermetallhaltigen PVC-Abfällen führt zu
einer Verdünnung dieser Stoffe in einer größeren Menge PVC, da reines Neumaterial
zugesetzt werden muß. Die Schwermetalle werden während des Recycling-Prozesses
und des erneuten Anwendungszeitraums nicht direkt in die Umwelt freigesetzt. Das
Recyceln von PVC-Material, das diese Schwermetalle enthält, verschiebt die
endgültige Entsorgung auf eine spätere Phase. Wenngleich eine Kontrolle der
Verwendung von recyceltem blei- und cadmiumhaltigem PVC schwierig sein
könnte, ist es aus technischen Gründen unwahrscheinlich, daß PVC-Abfälle aus
verschiedenen Anwendungen zusammen recyclet werden, wenn hochwertige
Recyclate erhalten werden sollen. Wegen der produktspezifischen
Additivformulierungen ziehen es Recycling-Unternehmen vor, das Material zu
ähnlichen Produkten wie die ursprünglichen zu recyclen.
Zusätzliche Maßnahmen wie z.B. Einschränkungen des unkontrollierten Verkaufs
von schwermetallhaltigen Recyclaten oder des „Downcycling“ könnten ebenfalls
getroffen werden. Bei einem Verbot des Recycelns von schwermetallhaltigen PVC-
Abfällen stünde das werkstoffliche Recycling von „Post-Verbraucher“-PVC-
Abfällen aus dem Baubereich – dem Abfallstrom mit dem größten Potenzial für
hochwertiges PVC Recycling - als Option nicht mehr zur Verfügung, da diese
praktisch alle Blei oder Cadmium enthalten. Es muß darauf hingewiesen werden, daß
mit Ausnahme Dänemarks diejenigen Mitgliedstaaten, die die Verwendung von
Cadmium als Stabilisator verboten haben, das Recycling von cadmiumhaltigen PVC-
Abfällen erlauben. Das Problem der PCBs in PVC-Kabelabfällen ist in der Richtlinie
96/59/EG über die Beseitigung von PCBs und PCTs behandelt worden, die festlegt,
daß Kabel mit einem Gehalt von mehr als 50 ppm PCBs als PCBs angesehen werden
und daher entsprechend den Vorschriften dieser Richtlinie zu dekontaminieren bzw.
zu entsorgen sind.
PVC kann sich negativ auf das Recycling anderer Kunststoffe in
Mischkunststoffabfällen auswirken. Wenn PVC zusammen mit anderen Kunststoffen
recycelt wird, wie z.B. im Verpackungsabfallstrom, wird die Prozeßtemperatur auf
den PVC-Temperaturbereich eingeschränkt, der im Vergleich zu dem anderer
Kunststoffe relativ schmal ist. Wegen ähnlicher Dichten lassen sich
Polyethylenterephthalat (PET)- und PVC-Abfälle nur schwer voneinander trennen,
und das Vorliegen von PVC verteuert einige PET-Recyclingprogramme, wie das
Recycling von PET-Flaschen. In einigen Fällen hat die PVC-Industrie dieses
Problem anerkannt und übernimmt einen Teil dieser Extrakosten.
Wie bei anderen Materialien hat auch das Recyceln von PVC seine Grenzen in den
Gesamt-Recyclingkosten. Die wirtschaftliche Rentabilität ist erreicht, wenn die
Netto-Recyclingkosten (d.h. die Gesamtkosten für die Sammlung, Trennung und
Verarbeitung abzüglich der Einnahmen aus dem Verkauf der Recyclate) niedriger
sind als die Preise für alternative Behandlungswege für vergleichbare PVC-Abfälle.
Wenn eine wirtschaftliche Rentabilität nicht zu erreichen ist, findet unter den
Bedingungen des freien Marktes kein PVC-Recycling statt, es sei denn dies wird
durch gesetzliche oder freiwillige Verpflichtungen erzwungen bzw. gefördert. Die
Sammlung stellt den größten Engpaß im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Abfällen
und die Kosten dar.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 –

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Hochwertiges Recycling von „Post-Verbraucherr“-Abfällen (insbesondere Rohre,
Profile, Fußbodenbeläge) bringt derzeit keinen Gewinn, da die Netto-
Recyclingkosten klar über den Kosten für das Deponieren und die Verbrennung
liegen. Dazu kommen für den Besitzer der Abfälle weitere Kosten für das Trennen
der verschiedenen Abfälle auf der Baustelle.
Minderwertiges Recycling von „Post-Verbraucher“-PVC-Abfällen wie z.B. von
Verpackungsabfällen wirft keinen wirtschaftlichen Gewinn ab. Eine
Wirtschaftlichkeit für andere für das minderwertige Recycling geeignete
Abfallströme wie z.B. Büroartikel oder Filme dürfte wahrscheinlich auch nicht zu
erreichen sein. Kabelisolierungen sind der einzige „Post-Verbraucher“-Abfall, der zu
wettbewerbsfähigen Preisen recycelt werden kann, und dies aufgrund des
Vorhandenseins wertvoller Metalle (wie z.B. Kupfer).
Zusammenfassend sei festgestellt, daß das Recycling von „Prä-Verbraucher“-Abfall
im Prinzip rentabel sein kann, wohingegen das Recycling von „Post-Verbraucher“-
PVC-Abfall weit von der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit entfernt ist.
Zusätzlich zur Schaffung von Recycling-Systemen mit einem ausgedehnten
regionalen Erfassungsgrad sind finanzielle Anreize für eine sortenreine Sammlung
von PVC-Abfällen erforderlich. Darüber hinaus liegt PVC häufig als eine
Komponente in Verbundmaterialien oder vermischt in kontaminierten Abfallströmen
vor – was den Einsatz spezieller Sammel- und Trenntechniken erfordert. Der Preis
des Rohmaterials, der hochvariabel ist (zwischen 0,5 und 0,8 €/kg) hat großen
Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit des Recyclings. Dazu kommt, daß die Preise für
das Deponieren und die Verbrennung niedrig sind. Dennoch ist für die kommenden
Jahre zu erwarten, daß sich die wirtschaftlichen Bedingungen für das Recycling sehr
wahrscheinlich verbessern werden, insbesondere wegen steigender Kosten für
Deponierung und Verbrennung.
Zukünftige Entwicklungen und Orientierungslinien der Politik

Nach dem Baseline-Szenario könnten 2010 und 2020 etwa 9 % aller PVC-Abfälle
werkstofflich recycelt werden: das sind ca. 400.000 t PVC-Abfälle im Jahre 2010
und 550.000 t im Jahre 202049. Die Recycling-Raten schwanken je nach den
betrachteten spezifischen Abfallströmen.
 Für hochwertiges Recycling könnten die folgenden Recyclingraten für PVC-

Abfälle aus Bau- und Abrißschutt erreicht werden: ca. 25 % für Rohre, ca. 40 %
für Fensterprofile und ca. 12 % für Fußbodenbeläge.

 Für minderwertiges Recycling lägen die Raten bei etwa 65 % für Kabel im
Abfallstrom aus Bau- und Abrißschutt, ca. 30 % für Elektro- und Elektronikmüll
und ca. 20 % für Verpackungsmaterial.

 Andere Abfallströme wie Abfälle aus privaten Haushalten sowie dem
Gewerbebereich werden nach den in diesem Szenario verwendeten Annahmen
wahrscheinlich nicht recycelt.

49 Prognos, ebd.
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– 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Im Vergleich zum Baseline-Szenario sind die maximalen Recyclingpotentiale
geschätzt worden50, d.h. die PVC-Mengen, die unter Beachtung der technischen und
wirtschaftlichen Grenzen des PVC-Recycling, recycelt werden können. Nach diesem
Szenario liegt das Potenzial für „Post-Verbraucher“-Abfälle im Jahre 2010 bei etwa
800.000 t und im Jahre 2020 bei 1,2 Mio. t, was einer Recyclingrate von ca. 18 %
entspricht. Dies bedeutet, daß das werkstoffliche Recycling von PVC-Abfall nur zu
etwa einem Fünftel zur Entsorgung des „Post-Verbraucher“-Abfalls beitragen
könnte. Andere Entsorgungswege der Abfallwirtschaft werden deshalb wichtig
bleiben.
In ihrer Selbstverpflichtung vom März 2000 hat die PVC-Industrie sich zu
quantifizierten Zielen für das werkstoffliche Recycling von Rohren, Armaturen und
Fensterrahmen verpflichtet. Für Rohre lautet die Verpflichtung, „bis 2005
mindestens 50 % der erfaßten verfügbaren Abfallmenge an Rohren und Armaturen
zu recyceln“, für Fensterprofile besteht die Verpflichtung, „bis 2005 mindestens 50
% der erfaßbaren verfügbaren Abfallmenge an Fensterprofilen zu recyceln“. Diese
Ziele basieren nicht auf dem erzeugten, sondern vielmehr auf dem gesammelten
Abfall.
Nach Angaben der PVC-Industrie werden im Jahre 2005 schätzungsweise folgende
jährlichen Mengen recycelt: 15.000 t für Rohre und 15.000 t für Fensterprofile.
Allerdings werden die nachstehend genannten großen PVC-Abfallströme, die für ein
hochwertiges Recycling in Frage kämen, von der Verpflichtung nicht erfaßt: steife
Profile außer Fensterprofilen (ca. 240.000 t in 2005), kalanderte Fußbodenbeläge (ca.
240.000 t in 2005) und flexible Profile und Schläuche (ca. 120.000 t in 2005).
Nichtsdestoweniger hat die PVC-Industrie in ihrer Selbstverpflichtung erklärt, daß
für andere potenzielle Produkte wie z.B. Kabel, Fußbodenbeläge und Dachfolien
„weitere Arbeiten nötig sind, um eine geeignete Logistik, Technologien und
Wiederverwendungsbereiche entwickeln zu können.“ Darüber hinaus hat sich die
Branche verpflichtet, diese Entwicklungen zu unterstützen, einschließlich des
Erreichens höherer Ziele für werkstoffliche Recycling „zum frühestmöglichen
Zeitpunkt“
Zu prüfende Fragen:

Die Kommission ist angesichts der vorstehenden Analyse und der gegenwärtig
geringen Recyclingrate der Ansicht, daß das PVC-Recycling verstärkt
angewendet werden sollte. Dies könnte durch eine Reihe von Maßnahmen
erreicht werden, die entweder einzeln oder kombiniert angewendet werden
könnten. Ihre potenziellen ökologischen und ökonomischen Implikationen sollten
bewertet werden. Diese potenziellen Maßnahmen umfassen:

1. Obligatorische Sammel- und Recyclingziele für einige wichtige PVC-
Abfallströme

2. Freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, das Sammeln und Recyceln
einiger wichtiger PVC-Abfallströme zu verbessern und entweder ganz oder
teilweise zu finanzieren

3. Empfehlungen an die Mitgliedstaaten mit dem Ziel, getrennte

50 Prognos, ebd.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 –

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Sammelströme für PVC-Abfall und anderen Abrißschutt einzurichten und
auszubauen

4. Entwicklung geeigneter Normen, die den Einsatz recycelter PVC-
Materialien erlauben

5. Markieren von Plastikprodukten als sinnvolle Maßnahme zur
Vereinfachung der Trennung von PVC-Abfällen vom allgemeinen
Abfallstrom und Entwicklung anderer Methoden zur Identifikation und
Sortierung von Kunststoffen

6. Entwicklung innovativer Recyclingverfahren für bestimmte „Post-
Verbraucher“ PVC-Abfälle

Frage Nr. 3:

Mit welchem Maßnahmenkatalog ließe sich das Ziel einer stärkeren
Nutzung des PVC-Recycling am effektivsten erreichen?

Das Recycling von schwermetallhaltigem PVC-Abfall wirft spezielle Fragen auf,
wegen der potenziellen Verdünnung der Schwermetalle in neuen und
möglicherweise breiteren Anwendungsfeldern. Gewisse potenzielle Maßnahmen
wären vorstellbar, um diese Probleme aufzugreifen. Diese sollten im Hinblick auf
ihre ökologischen und ökonomischen Implikationen bewertet werden. Sie
umfassen:

1. Gesetzgeberische Akte zur Beschränkung des werkstofflichen Recyclings
von blei- und cadmiumhaltigem PVC-Abfall

2. Spezielle Bedingungen für dieses Recycling wie z.B. Recycling innerhalb
der gleichen Produktkategorie, Kontrolle des Inverkehrbringens der
Recyclate, Markieren der recycelten Produkte und Kontrolle der
Verwendung von Schwermetallen

3. Keine speziellen Bedingungen für dieses Recycling

Frage Nr. 4:
Sollte das werkstoffliche Recycling von blei- und cadmiumhaltigem PVC-
Abfall an spezieller Bedingungen geknüpft werden? Wenn ja, an welche?

4.3. Chemisches Recycling

Unter dem Begriff des chemischen Recyclings wird eine Anzahl von Prozessen
zusammengefaßt, durch die die Polymermoleküle, aus denen Kunststoffe bestehen,
in kleinere Moleküle aufgespalten werden. Dies können dann entweder Monomere
sein, die direkt für die Produktion neuer Polymere verwendet werden können, oder
andere Stoffe, die anderweitig als Ausgangsmaterialien in Prozessen der chemischen
Grundstoffindustrie eingesetzt werden.
Im Falle von PVC wird – neben der Spaltung der Hauptkette der Polymermoleküle -
das an die Ketten gebundene Chlor in Form von Salzsäure (HCl) freigesetzt. Je nach
verwendeter Prozeßtechnologie kann HCl nach einer Reinigung wiederverwendet
Drucksache

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– 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

werden oder ist unter Bildung von verschiedenen Produkten zu neutralisieren, die
entweder verwendet werden können oder entsorgt werden müssen.
In der Praxis hat es während der letzten fünf Jahren nur eine begrenzte Zahl von
Initiativen gegeben, die zum Bau industrieller Anlagen geführt haben oder in näherer
Zukunft zur Realisierung solcher Anlagen führen können. Die Prozesse des
chemischen Recycling können nach ihrer Fähigkeit kategorisiert werden, Abfälle mit
hohem oder niedrigem Chlorgehalt behandeln zu können, wobei Technologien für
gering chlorhaltige Abfälle bis zu einem maximalen Chlorgehalt von 4 bis 5 %
eingesetzt werden können. Von den drei eigens zum Zweck des chemischen
Recyclings gebauten Anlagen für Abfälle mit geringem Chlorgehalt sind zwei aus
wirtschaftlichen Gründen und wegen Nachschubproblemen wieder geschlossen
worden. Für Abfälle mit hohem PVC-Gehalt gibt es derzeit eine einsatzfähige
Technologie auf Verbrennungsgrundlage mit Rückgewinnung von HCl; zwei
Pilotanlagen werden in den kommenden Jahren einsatzfähig sein.
Nach den Ergebnissen mehrerer Lebenszyklus-Analysen (LCA) würden bestimmte
chemische Recyclingprozesse im Hinblick auf Energieverbrauch und globale
Erwärmung wesentlich besser abschneiden als kommunale
Müllverbrennungsanlagen und Deponierung. Daneben wird bei einigen Verfahren
Chlor zurückgewonnnen, so daß eine Neuproduktion durch die energieintensive
Chlor-Alkali-Elektrolyse entfällt. Anhand der vorliegenden LCA war eine klare
Entscheidung zugunsten einer der untersuchten chemischen Recyclingtechnologien
nicht möglich. Das direkte werkstoffliche Recycling von Abfällen mit hohem PVC-
Gehalt ist unter Umweltaspekten vorzuziehen, insbesondere wenn es zu
hochwertigen Produkten führt und eine extensive Sortierung und Vorbehandlung
nicht stattfindet51.
Zusammen mit den organischen Bestandteilen von PVC werden die Weichmacher zu
neuem Rohstoffmaterial („Feedstock“-Material) recycelt. Schwermetallhaltige
Stabilisatoren finden sich zum Großteil in den festen Rückständen wieder und
müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit deponiert werden. Für die meisten dem
chemischen Recycling gewidmeten Technologien sind die Emissionen von anderen
problematischen Substanzen als die festen Rückstände gering52. Bezüglich der
Bildung von Dioxinen können endgültige Schlußfolgerungen nicht gezogen werden.
Als allgemeine Regel gilt, daß reduzierende Bedingungen und hohe Temperaturen,
so wie sie als Betriebsbedingungen in einigen der Technologien vorliegen, den
Abbau von Dioxinen begünstigen und die Bildung verhindern.
Es scheint, daß das chemische Recycling von Abfällen mit hohem PVC-Gehalt in
solchen Fällen wirtschaftlich nicht attraktiv ist, in denen das werkstoffliche
Recycling sich bereits als technisch realisierbar erwiesen hat – möglicherweise mit
Ausnahme von Bodenbelägen. Dies würde bedeuten, daß chemische
Recyclinganlagen für Abfälle mit hohem PVC-Gehalt sich auf diejenigen Ströme
konzentrieren müßten, für die ein werkstoffliches Recycling nicht machbar ist, z.B.
für Abfallkategorien, die deshalb nicht mechanisch recycelt werden können, weil
dies weitere Trennungsschritte erfordern würde, weil sie zu viele problematische

51 TNO, Chemical Recycling of plastic waste (PVC and other resins), Study for DG III, December

1999.

52 TNO, ebd.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 –

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5156

Verunreinigungen enthalten oder wegen anderer Einschränkungen aufgrund von
Bedenken für die Umwelt.
Chemisches Recycling muß mit anderen Abfallentsorgungsverfahren in der EU
konkurrieren, hauptsächlich der Deponierung und Verbrennung. Deponien und
Verbrennungsanlagen erheben die niedrigsten Gebühren. Einen starken Wettbewerb
haben speziell dem chemischen Recycling gewidmete Anlagen auch von Hoch- und
Zementöfen zu erwarten, die große Mengen von Mischkunststoff mit begrenztem
PVC-Gehalt an sich ziehen könnten.
Ein Blick auf die verschiedenen Abfallströme zeigt, daß das chemische Recycling
gegenwärtig für Kategorien wie Abfälle aus der Landwirtschaft, Industrie und
Haushalt (außer Verpackungsmüll), obwohl technisch machbar, einen schweren
Stand im Wettbewerb mit anderen Technologien hat, solange keine entsprechenden
rechtlichen oder anderen Steuerinstrumente vorhanden sind. Was
Kraftfahrzeugschrott sowie Elektro- und Elektronikschrott anbelangt, so scheint der
PVC-Gehalt des Mischkunststoffabfalls zu hoch für die meisten chemischen
Recyclingtechnologien für Mischkunststoffe mit niedrigem Chlorgehalt, aber zu
gering für eine wirtschaftlich gangbare Trennung mit nachfolgender Behandlung in
Anlagen für Abfälle mit hohem PVC-Gehalt.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß der erfolgreiche Betrieb von
Anlagen, die speziell dem chemischen Recycling gewidment sind, in erster Linie von
wirtschaftlichen Gesichtspunkten abhängt und daß unter den derzeitigen
Bedingungen große Fragezeichen hinter die Lebensfähigkeit solcher Anlagen gesetzt
werden müssen.
Künftige Entwicklungen und Orientierungslinien der Politik

Chemische Recycling hat Chancen zumeist bei solchen Abfallkategorien, für die das
werkstoffliche Recycling als Option nicht zur Verfügung steht und wenn rechtliche
oder andere Instrumente so greifen, daß sie den Abfall von den kostengünstigsten
Wettbewerbern (wie Zementöfen, kommunalen Müllverbrennungsanlagen und
Deponien) abziehen.
Bis zum Jahre 2010 wird die Gesamtmenge an PVC-Abfällen, die nach dem
„Baseline“-Szenario chemisch recycelt werden könnte, bei ca. 80.000 t liegen, und
zwar als eine Fraktion in Mischkunststoffabfällen mit geringem Chlorgehalt (zumeist
aus Verpackungen) und bei ca. 160.000 t in Mischkunststofffraktionen mit höherem
PVC-Gehalt, zumeist aus Kraftfahrzeug- und Elektro-/Elektronikschrott.
Die Industrie hat sich dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2001 einen Betrag in Höhe
von 3 Mio. € in eine Pilotanlage zur Rückgewinnung von Chlor und
Kohlenwasserstoffen aus mit PVC beschichteten Textilien zu investieren. Die
Ergebnisse dieser Pilotanlage werden bis Mitte 2002 vorliegen; danach soll über den
Bau einer kommerziellen Anlage entschieden werden.
Drucksache

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5156

– 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zu prüfende Fragen:

Die Kommission nimmt mit Interesse die oben beschriebenen Anstrengungen zur
Kenntnis, chemische Recyclingtechnologien weiterzuentwickeln. In diesem
Zusammenhang könnten potenzielle Maßnahmen für eine Ermutigung dieser
Entwicklungen ins Auge gefaßt werden. Diese sollten im Hinblick auf ihre
ökologischen und ökonomischen Implikationen bewertet werden. Solche
Maßnamen umfassen:

1. Weitere freiwillige Initiativen seitens der PVC-Industrie

2. Empfehlungen von Zielmengen für chemisches Recycling für solche
Abfallströme, für die ein werkstoffliches Recycling nicht möglich ist

3. Setzen obligatorischer Zielmengen für chemisches Recycling

Frage Nr. 5:
Welcher Katalog von Maßnahmen wäre am geeignetsten für das
chemische Recycling von PVC-Abfall??

4.4. Andere Recycling und Verwertungstechnologien, einschließlich
Mitverbrennung

Ein neu entwickeltes Recyclingverfahren beruht auf den physikalischen Prinzipien
der Lösung und Fällung ohne Abbau der Polymermoleküle zu Rohstoffmaterialien.
Dieses Verfahren wurde speziell für Verbundmaterialien entwickelt, die sowohl PVC
als auch andere Komponenten enthalten. Das PVC wird von diesen anderen
Komponenten durch selektive Lösung getrennt, und danach wird der gesamte PVC-
Compound durch Ausfällung regeneriert. PVC und auch die anderen Komponenten
können wiederverwendet werden.
Derzeit befindet sich eine Versuchsanlage mit dieser Technologie in Betrieb; eine
Pilotanlage soll bis 2001 einsatzfähig sein. Die Technologie arbeitet in einem
geschlossenen System, in dem das Lösungsmittel im Kreis geführt wird.
Für dieses Verfahren werden selektiv gesammelte PVC-Produkte verwendet. Die
Qualität muß etwa der für das werkstoffliche Recycling entsprechen, so daß die
Kosten für die Beschaffung des Materials vergleichbar sind. Die Entwickler dieses
Verfahrens erwarten, daß mit ihrer Technologie auch relativ komplizierte
Formulierungen wie Abdeckplanen, Kabel, pharmazeutische Blisterpackungen,
Bodenbeläge oder Armaturenbretter recycelt werden können und daß sie bezüglich
der Kosten mit einigen der anderen Recyclingoptionen konkurrieren kann.
Ein deutscher Stahlhersteller verwendet Mischkunststoffabfälle als Reduktionsmittel
bei der Produktion von Roheisen in Hochöfen. Mischkunststoffabfälle werden auch
in Zementöfen als Ersatz für Kohle, Öl oder Gas zur Wärmeerzeugung eingesetzt.
Die Bewertung der Umweltauswirkungen der Beschickung von Hoch- und
Zementöfen mit Mischkunstoffen wird leicht kontrovers diskutiert. Nach einigen
Lebenszyklus-Analysen schneiden Hoch- und Zementöfen bezüglich des
Energieverbrauchs und der globalen Erwärmung besser ab als kommunale
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 –

Drucksache

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Müllverbrennungsanlagen. Zum potentiellen Anteil von PVC an den
Dioxinemissionen sind sichere Folgerungen nur schwer zu ziehen und dafür wären
weitere Forschungen erforderlich.
Hoch- und Zementöfen können Abfälle aus Mischkunststoffen ohne hohe
Kapitalinvestitionen behandeln und damit dem Anlieferer niedrige Gebühren bieten.
Das Recycling von Mischkunststoffen in Zement- und Hochöfen stellt für andere
Anlagen der Abfallwirtschaft eine ernsthafte Konkurrenz dar. Andererseits findet das
Beschicken von Zement- und Hochöfen mit Mischkunststoffen seine Grenzen in
dessen Chlorgehalt, da Chlor negative Auswirkungen auf die Qualität des
produzierten Zements bzw. Eisens haben kann und die Gefahr einer Korrosion der
Anlagen aufgrund der Bildung von HCl besteht. Eine Toleranz bis zu etwa 2 bis 3 %
PVC oder auch darunter ist möglich53. Theoretisch könnte jedoch die
Mitverbrennung von Mischkunststoffabfällen mit niedrigem PVC-Gehalt in
Zementöfen an Bedeutung gewinnen.

4.5. Verbrennung

PVC-Abfälle, soweit sie verbrannt werden, werden hauptsächlich in kommunalen
Müllverbrennungsanlagen behandelt, aber auch in entsprechende Anlagen in
Krankenhäusern, da PVC-Produkte im Krankenhausbereich vielfältige
Einsatzmöglichkeiten haben. In der Gemeinschaft werden jährlich etwa 600.000 t
PVC verbrannt. Dabei stellt PVC etwa 10 % der verbrannten Kunststofffraktion und
etwa 0,7 % der Gesamtmenge des durch Verbrennung entsorgten Abfalles dar54.
PVC–Abfälle tragen zwischen 38 und 66 % zum Chlorgehalt der verbrannten
Abfallströme bei. Die anderen Hauptquellen für Chlor sind verrottbare Stoffe (etwa
17 %) und Papier (10 %). Im Durchschnitt kann davon ausgegangen werden, daß
etwa 50 % des Chloreintrags in Verbrennungsanlagen auf PVC zurückgehen.
Bei der Verbrennung von PVC-Abfällen entsteht im Rauchgas Salzsäure (HCl), die
neutralisiert werden muß, wenn nicht eine spezielle Technologie zur
Wiederverwendung von HCl verwendet wird. Derzeit wird diese spezielle
Technologie nur in fünf Anlagen in Deutschland eingesetzt; drei weitere Anlagen
sind im Bau. Alle während der Verbrennung von kommunalem Müll erzeugten
sauren Gase (neben HCl im wesentlichen Schwefeloxide) müssen vor der Emission
des Restgases in die Atmosphäre neutralisiert werden. Im Gemeinschaftsrecht55 sind
bereits Grenzwerte für Salzsäure festgelegt. Diese Werte werden derzeit verschärft56.
Um die Emissions-Grenzwerte für HCl zu erreichen, werden Neutralisationsmittel –
insbesondere Kalk – in das System eingebracht, um die sauren Komponenten des
Rauchgases zu neutralisieren. Die vier wichtigsten Neutralisationsprozesse sind das

53 Oder etwa 1-1.5% Chlor. Werte können je nach Anlage und die gesetzlichen Anforderungen je nach
Land unterschiedlich sein

54 Bertin Technologies, ebd.
55 Richtlinie 89/369/EWG über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen

für Siedlungsmüll sieht Emissionsgrenzwerte für Salzsäure zwischen 50 und 250 mg/Nm3 vor, je nach
der Kapazität der Verbrennungsanlage.

56 Der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Verbrennung von Abfällen [KOM (1998) 558
endg.] und der Gemeinsame Standpunkt zu diesem Vorschlag [98/289 COD vom 25 November 1999]
sieht einen strikten Emissionsgrenzwert für HCl von 10 mg/Nm3 vor, der ab 2005 der
Emissionsgrenzwert für bestehende und neue Verbrennungsanlagen in der Gemeinschaft werden wird.
Drucksache

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– 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

trockene, halbtrockene, halbnaß-nasse und das nasse Verfahren, die in Anhang 1
näher erläutert werden.
Eine Berechnung57 der Rückstandsmengen aus der Rauchgasreinigung bei der
Verbrennung von PVC-Abfällen kam zu dem Schluß, daß die Verbrennung von 1 kg
PVC bei Anwendung des Trockenverfahrens mit Kalk, des Halbtrocken- und des
Halbnaß-Naß-Verfahrens durchschnittlich58 zwischen 1 und 1,4 kg Rückstände
ergibt.
Bei Verwendung von Natriumhydrogencarbonat als Neutralisationsmittel im
Halbtrockenverfahren erzeugt 1 kg PVC 0,8 kg Rückstände. Bei den Naßverfahren
entstehen zwischen 0,4 und 0,9 kg gelöst in der Ablaufflüssigkeit. Bei den
erforderlichen Mengen an Neutralisationsmitteln und den erzeugten
Rückstandsmengen besteht ein großer Unterschied zwischen Hart- und Weich-PVC.
Weich-PVC hat einen geringeren Chlorgehalt als Hart-PVC. Die erforderlichen
Mengen an Neutralisationsmitteln und die erzeugten Rückstandsmengen sind daher
für Weich-PVC geringer als für Hart-PVC (1 kg Weich-PVC59 erzeugt zwischen 0,5
und 0,78 kg Rückstände). Weitere Einzelheiten sind der nachstehenden Tabelle zu
entnehmen.

Tabelle 3: Geschätzte Rückstandsmengen bei der Verbrennung von
1 kg PVC-Abfall60

TROCKEN HALB-
TROCKEN

NASS HALBNASS –
NASS

Neutralisationsmittel Kalk BICAR Kalk Kalk Kalk
Min 0.25

Cl kg pro Max 0.53
kg PVC Mittel 0.45

Rückstände Min 0,78 0,46 0,70 0 0.54
(kg) Max 1.65 0.97 1.48 0 1.15

(pro kg PVC) Mittel 1,40 0,82 1,26 0 1
Ablauf (Trockenstoffe)

(kg pro kg PVC) 0 0 0 0.42 to 0.88 0

Die Rückstände aus der Rauchgasreinigung sind als gefährlicher Abfall61 eingestuft.
Die Rückstände fallen getrennt (vor allem im Halbnaß- und im Naßverfahren) oder
vermischt mit Flugasche an.
Sie enthalten die Neutralisationssalze, das überschüssige Neutralisationsmittel sowie
Schadstoffe wie Schwermetalle und Dioxine, die nicht zerstört wurden. Das

57 Bertin Technologies, ebd.
58 Die Durchschnittswerte gelten für ein PVC-Materialmix mit 45% Chlor, d.h. zusammengesetzt aus 70%

Hart-PVC (53% Chlorgehalt) und 30% Weich-PVC (25% Chlorgehalt)
59 Für diese Berechnungen enthält Weich-PVC 25% Chlor
60 Bertin Technologies, ebd.
61 Gemäß der Richtlinie des Rates 94/904/EG, die ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle erstellt, ist der

gesamte feste Müll von Gasreinigungsanlagen als gefährlich eingestuft (Code 190107)), ABL L 356,
31.12.1994, S.14.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/5156

Verbringen dieser Rückstände auf Deponien ist – mit einigen Ausnahmen – der
einzige in den Mitgliedstaaten genutzte Entsorgungsweg.
Zur Rückgewinnung von Calciumchlorid und Natriumchlorid aus den Rückständen
des Trocken- und des Halbtrocken-Verfahrens sind mehrere Prozesse entwickelt
worden, doch werden nur wenige davon derzeit kommerziell genutzt. Abgesehen von
einigen speziellen Fällen ist es ungewiß, ob diese Technologien generell zur
Rückgewinnung von größeren Rückstandsmengen eingesetzt werden können.
Bei diesen Technologien würde es sich um nachgeschaltete „end of the pipe“ -
Lösungen handeln, denen eine präventive Maßnahme zur Reduzierung der erzeugten
Rückstandsmengen an der Quelle vorzuziehen ist.
In den heute auftretenden Konzentrationen hat PVC im kommunalen Müllstrom die
folgenden Auswirkungen auf die Rückstände aus der Rauchgasreinigung, verglichen
mit der Verbrennung von PVC-freiem kommunalem Müll62:
 Die Verbrennung von PVC führt zu einem Anstieg der Menge der Rückstände aus

der Rauchgasreinigung (ca. 37 % für Trockensysteme, 34 % für Halbtrocken- und
42 % für Halbnaß-Naß-Systeme63).

 Die Verbrennung von PVC führt zu einem um den Faktor 2 erhöhten Gehalt an
auslaugbaren Salzen in den Rückständen. Bei diesen handelt es sich in erster Linie
um Calcium-, Natrium- und Kaliumchlorid.

 Die Verbrennung von PVC erhöht die Menge an Sickerflüssigkeit aus den auf
Deponien abgelagerten Rückständen (ca. 19 % für Trockensysteme, 18 % für
Halbtrockensysteme, 15 % für Halbnaß-Naß- und 4 % für Naß-Systeme). Die
Sickerflüssigkeit muß vor jeglicher Ableitung behandelt werden.

 Es besteht eine theoretische Möglichkeit, daß erhöhte Mengen z.B. von Cadmium
aussickern, bedingt durch die auf die PVC-Verbrennung zurückgehende erhöhte
Chloridkomplexierung, doch wären Daten notwendig, um diese Vermutung zu
untermauern.

 In dem heute für kommunalen Müll üblichen Temperaturbereich der Verbrennung
hat der höhere Chlorgehalt keine signifikanten Auswirkungen auf den Transport
von Schwermetallen und Spurenelementen aus der Schlacke in die Rückstände
aus der Gasreinigung.

Der potenzielle Einfluß der Verbrennung von PVC-Abfällen auf die
Dioxinemissionen stand im Mittelpunkt einer ausgedehnten wissenschaftlichen
Debatte, da PVC derzeit die größte Quelle für Chloreinträge in die
Verbrennungsanlagen ist. Der Anteil der Verbrennungsanlagen an den Gesamt-

62 Bertin Technologies, ebd.
Das untersuchte Szenarium basiert auf der Verbrennung von 1 Mio Tonnen Müll mit und ohne PVC,
und der Deponierung der dabei entstehenden Rückstände.

63 Bertin Technologies, ebd.

Drucksache 14/5156 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dioxin-Emissionen in der Gemeinschaft lag zwischen 1993 und 1995 bei etwa 40
%64.
Es ist vorgeschlagen worden, daß die Reduzierung des Chlorgehaltes des Abfalls zu
einem Rückgang der Dioxinbildung beitragen kann, auch wenn der tatsächliche
Mechanismus noch nicht vollständig verstanden ist. Nach diesen Erwartungen ist der
Einfluß auf den Rückgang der Dioxinbildung in einer Relation zweiter oder dritter
Ordnung 65. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die wichtigsten Verbrennungsparameter
wie Temperatur und Sauerstoffkonzentration einen größeren Einfluß auf die
Dioxinbildung haben.
Während bei den derzeitigen Chlorkonzentrationen im kommunalen Müll keine
direkte quantitative Beziehung zwischen Chlorgehalt und Dioxinbildung erkennbar
ist, ist es möglich, daß eine Erhöhung des Chlorgehaltes im Abfallstrom über eine
bestimmte Schwelle hinaus zu einer verstärkten Dioxinbildung in
Verbrennungsanlagen führen kann. Als Schwellenwert ist ein Anteil von 1 % Chlor
vorgeschlagen worden66, doch ist der genaue Wert ungesichert67. Hier müßten
weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um den Schwellenwert zu ermitteln,
oberhalb dessen der Chlorgehalt einen Einfluß auf die Dioxinbildung hat. Dieser
Schwellenwert könnte durch zunehmende Mengen von chlorhaltigen Abfällen
überschritten werden.
Derzeit arbeiten noch nicht alle Verbrennungsanlagen in der Gemeinschaft nach den
neuesten und besten Luftemissionsstandards für Dioxine. Der Vorschlag für eine
Richtlinie über die Verbrennung von Abfällen68 sieht einen Emissionsgrenzwert von
0,1 ng/m³ vor. Dadurch sollen die Emissionen von Dioxinen aus
Verbrennungsanlagen reduziert werden.
Diskussionen hat es auch zu der potenziellen Verbindung zwischen der Verbrennung
von PVC und der Korrosion der Ausrüstung in den Verbrennungsanlagen gegeben.
Einige Betreiber vertreten die Ansicht, daß der Dampfdruck und damit die
Energieeffizienz für Abfallströme mit geringerem Chlorgehalt höher sein könnten.
Die Abwesenheit von PVC könnte daher eine höhere Effizienz der
Energieverwertungssysteme ermöglichen. Diese Frage bedarf weiterer
Untersuchungen.

64 Identifikation von relevanten industriellen Quellen von Dioxinen und Furanen in Europa,
Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, Essen, 1997

65 Danish Environmental Protection Agency, Environmental aspects of PVC, 1996
66 Wikstrom, 1996, Einfluß von Gehalt und Form von Chlor auf die Bildung von Chlorierten Dioxinen,

Dibenzofuranen und Benzolen während der Verbrennung von künstlichem Brennstoff in einem
Laborreaktor.

67 Danish Environmental Protection Agency, Dioxins emissions from waste incineration, Environmental
Project 117, 1989
Danish Environmental Protection Agency, The effects of chlorine content on the formation of dioxin,
Project 118, 1989
Danish Environmental Protection Agency, Dioxins – sources, levels and exposures in Denmark,
Working report N°50/1997

68 KOM(1998) 558 endg.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/5156

Hier sei noch darauf hingewiesen, daß die Verbrennung von PVC-Abfällen mit
Energierückgewinnung mehr Energie erzeugt als die Verbrennung des allgemeinen
kommunalen Mülls, da der Heizwert von PVC-Abfällen69 höher ist.
Die Verbrennung von PVC-Abfällen erhöht die Betriebskosten der
Verbrennungsanlagen wegen der zur Neutralisation des sauren Rauchgases
erforderlichen Neutralisationsmittel und wegen der zusätzlichen Kosten für die
Entsorgung der Rückstände. Die zusätzlichen Gesamtkosten für die Verbrennung
von PVC-Abfällen variieren zwischen den Mitgliedstaaten sowie in Abhängigkeit
von den angewandten Neutralisationsprozessen und von dem verwendeten Verfahren
für die Rückstandsbehandlung. Schätzungen zufolge liegen die Zusatzkosten für die
Verbrennung von PVC-Abfällen im Vergleich zu kommunalem Müll zwischen etwa
20 €/t für Naßsysteme und mehr als 300 €/t für Trockensysteme70. Die Unterschiede
hängen von der verwendeten Technologie und der Art des verbrannten PVC (weich
oder hart) ab.
Nähere Angaben zu diesen Kosten sind in Anhang 2 enthalten. Diese Extrakosten
werden derzeit nicht speziell von neuen PVC-Produkten oder PVC-Abfällen
getragen, sind aber in den Gesamtkosten für die Abfallverbrennung enthalten.
In einer Auftragsstudie71 sind die wirtschaftlichen Folgen der Umlenkung von PVC-
Abfällen von der Verbrennung auf andere Entsorgungswege untersucht worden.
Der entsprechende Bericht analysiert drei Szenarien im Vergleich zum „Baseline“-
Szenario (nähere Angaben siehe Anhang 3). In den Szenarien 1 und 2 erhöhen sich
die Recyclingraten auf 15 % bzw. 22 % mit einem proportionalen Rückgang der zur
Verbrennung und zur Deponierung bestimmten PVC-Menge. Im Falle der
Verbrennung entspricht dies im Zeitraum 2000 bis 2020 einer kumulierten
Umlenkung von ca. 1.700 Kilotonnen für Szenario 1 (vor allem aus Bauschutt) und
3.800 Kilotonnen für Szenario 2. Im dritten Szenario sind die Recyclingraten
gegenüber dem „Baseline“-Szenario unverändert, doch die Verbrennungsrate für
2020 wird auf 28% geschätzt, anstelle der im „Baseline“-Szenario vorhergesagten
45%, aufgrund der Umlenkung von Bauschutt auf Deponien. Dies entspricht im
Zeitraum 2000 bis 2020 einer Umlenkung von ca. 10.300 Kilotonnen.
Die für die Szenarien 1 und 2 veranschlagten finanziellen Kosten schließen die
eingesparten Verbrennungskosten (einschl. der „speziellen Kosten“72) sowie die

69 Der durchschnittliche Energiegehalt von Weich-PVC beträgt etwa 20 GJ/t, von Hart-PVC etwa 16 GJ/t
und von komunalem Müll etwa 10 GJ/t.

70 Bertin Technologies, ebd.
71 AEA Technology, Economic evaluation of PVC waste management, a report produced for the European

Commission Environment Directorate-General, May 2000. Die Studie umfaßt die EU Mitgliedstaaten +
6 Beitrittskandidaten. Die vorgestellten Zahlen beziehen sich auf den Durchschnitt von “hohen” und
“niedrigen” Verbrennungsszenarien. Diese Szenarien beruhen auf der Annahme, daß die Deponierung
von PVC-Abfällen in einigen Ländern so wie Schweden, Österreich, Deutschland und den
Niederlanden, signifikant zurückgehen wird. Die Unterschiede beziehen sich auf das Ausmaß der
erzielten Reduzierung. Die vorgestellten Zahlen beruhen auf einem Diskont Satz von 4%

72 Die Verbrennung von PVC mit kommunalem Müll verursacht zusätzliche Betriebskosten für den
Betreiber der Verbrennungsanlage durch die Reagenzien zur Verringerung der Emissionen von sauren
Gasen und die Behandlung und Entsorgung der Rückstände, obwohl diese teilweise durch höhere
Energieverkäufe aufgrund des höheren Energieinhalts von PVC im Vergleich zu kommunalem Müll
kompensiert werden

Drucksache 14/5156 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

beim Recyclingprozeß anfallenden Nettokosten in Abhängigkeit vom umgeleiteten
Abfallstrom ein. Die speziellen Verbrennungskosten schwanken je nach dem
verwendeten Rauchgasreinigungsverfahren erheblich. Im Bericht sind Berechnungen
für eine „durchschnittliche“ Systemverteilung – 25 % Halbtrocken-, 25 % Naß- und
50 % Halbnaß-Naß-Verfahren – angestellt worden. Die Ergebnisse zeigen, daß
abgesehen vom Fall der Hart-PVC-Baustoffe (Rohre, Fenster, Kabelträger und
andere starre Profile) und Kabel die Umlenkung von PVC-Abfällen von der
Verbrennungsanlage zum Recycling eine Netto-Zunahme der Kosten bewirkt.
Die Kosten pro umgelenkter Tonne werden für Szenario 1 auf ca. 50 €/t und für
Szenario 2 auf ca. 190 €/t geschätzt. Szenario 3 ergibt eine Netto-Einsparung von
etwa 90 €/t. Diese zuletzt genannte Einsparung ist in der Hauptsache auf die
niedrigeren Gebühren der Deponien und in der Annahme begründet, daß die
Trennung des Bauschuttes in der Regel noch auf dem Bauplatz zu Lasten des
Abfallerzeugers vorgenommen wird. Die Umlenkung anderer Abfallströme auf
Deponien (z.B. Haushalt- und Gewerbemüll) würde zu sehr viel höheren Kosten
führen.
Die Hauptumweltbelastungen einschließlich der damit zusammenhängenden
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit der drei Szenarien sind ebenfalls
bewertet worden. Soweit möglich, und deshalb mit einer Verzerrung durch verstärkte
Berücksichtigung der Auswirkungen der Luftverschmutzung, wurden die externen
Kosten für jedes der drei Szenarien ermittelt. Die Berechnungen für alle Szenarien
weisen umweltrelevante Vorteile aus. Unter Berücksichtigung der Werte, die in der
Studie als die „besten“ Annahmen für jede der bewerteten Belastungen angesehen
werden, sind die Nutzen für die drei Szenarien auf ca. 190, 140, bzw. 50 € pro
umgelenkter Tonne für den Zeitraum 2000-2020 geschätzt worden. Der wichtigste
Beitrag zu diesen Ergebnissen kommt zuerst von den vermiedenen Emissionen bei
der Herstellung von neuem PVC (im Fall des hochwertigen Recyclings) und zum
zweiten von den vermiedenen Emissionen der Verbrennung (einschließlich indirekter
Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung der Neutralisationsmittel).
Aus dem Vergleich zwischen der Finanz- und der Umweltanalyse auf der Grundlage
der „besten“ Annehmen wird ersichtlich, daß Szenario 1 und Szenario 3 insgesamt zu
einem Gesamtnutzen führen, da die Kosten pro umgeleiteter Tonne niedriger als die
Nutzen sind. Das Gegenteil trifft auf Szenario 2 zu, wo die Umweltnutzen (obwohl
höher als in den Szenarien 1 und 3) dennoch von den geschätzten Kosten übertroffen
werden.
Diese Berechnungen beruhen auf einer Anzahl von Annahmen. Insbesondere bei den
finanziellen Aspekten beruhten die Kostenelemente notwendigerweise auf sehr
wenigen Erfahrungen mit den bestehenden Recycling-Systemen für „Post-
Verbraucher“–Abfälle, die sich noch in einem vorläufigen Stadium befinden. Diese
Unsicherheiten sind beim Szenario 2 höher. Da der Preis der Recyclate eng an den
Preis von neuem PVC gebunden ist, würden steigende Preise für letzteres niedrigere
Gesamtkosten bedeuten.
Wie bereits erwähnt, ist die Umweltanalyse in Richtung der Auswirkungen der
Luftverschmutzung verzerrt. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der Großteil der nicht
berücksichtigten externen Kosten (z.B. für die Entsorgung der Rückstände) den
Umweltnutzen der Umlenkung von PVC weg von der Verbrennung noch erhöhen
würde.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/5156

Die wichtigste Ausnahme sind Phthalat-Weichmacher. Auf Deponien abgelagertes
Weich-PVC bildet ein Reservoir für diese Chemikalien, die im Laufe der Zeit
langsam aussickern könnten, während eine Verbrennung den Vorteil ihrer Zerstörung
hat. Die Verbrennung erlaubt außerdem die Verwertung des Energieinhalts der
Phthalate. Dieser Faktor ist in der Umweltanalyse enthalten.
Künftige Entwicklungen und Orientierungslinien der Politik

Nach dem “Baseline”-Szenario würde die Verbrennung von PVC-Abfällen bis 2020
auf ca. 2,5 Mio. t ansteigen, verglichen mit ca. 600.000. t heute. Die Anzahl und die
Kapazität der Verbrennungsanlagen, die mit Naß-, Halbnaß-Naß- und Halbtrocken-
Neutralisationsverfahren zur Rauchgasreinigung arbeiten, wird zu Lasten der
Trocken-Technologien zunehmen.

Zu prüfende Fragen:

Die Kommission ist auf Grund der vorstehenden Analyse der Ansicht, daß die
Verbrennung von PVC-Abfällen eine Anzahl von Fragen aufwirft. Eine Reihe
potenzieller Maßnahmen wären vorstellbar, um diese Probleme aufzugreifen.
Diese sollten im Hinblick auf ihre ökologischen und ökonomischen
Implikationen bewertet werden. Solche Maßnahmen umfassen:

1. Umlenkung von PVC-Abfall – obligatorisch oder nicht -, soweit
wirtschaftlich möglich, von der Verbrennung vorzugsweise zum Recycling
oder zur Deponierung. Dies würde die Einführung von Sammelsystemen
erforderlich machen, um eine getrennte Sammlung des umzulenkenden
PVC sicherzustellen.

2. Ähnliche Umlenkung nur für Hart-PVC.

3. Deckung der zusätzlichen Kosten der Verbrennung (ganz oder teilweise),
z. B. durch Internalisierung dieser Kosten in den Preis von neuen PVC-
Produkten oder direkter finanzieller Beitrag an die Betreiber von
Verbrennungsanlagen.

4. Ermutigung zur Konversion der Rauchgas-Reinigungstechnologien hin
zu Verfahren, die zu einer Reduzierung der Rückstandsmengen führen
oder das Recycling von HCl anstelle der Neutralisation erlauben.

5. Weitere Untersuchungen zur potenziellen Beziehung zwischen PVC-
Verbrennung und Dioxinbildung.

Frage Nr. 6:
Welcher Maßnahmenkatalog würde die mit der Verbrennung von PVC-
Abfall zusammenhängenden Probleme am effektivsten ausräumen?

4.6. Deponierung

Die Deponierung ist der am häufigsten benutzte Entsorgungsweg für PVC-Abfälle.
Genaue Zahlen zur Verbringung von PVC-Abfällen auf Deponien sind nicht bekannt
und die verschiedenen Schätzungen weisen große Schwankungen auf bis hin zu
einem jährlichen Volumen von 2,9 Mio. t. Daraus kann geschlossen werden, daß im

Drucksache 14/5156 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Laufe der vergangenen 30 Jahre mehrere Dutzend Mio. t PVC-Abfälle deponiert
worden sind.
Die Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen der Richtlinie 1999/31/EG über
Abfalldeponien im Jahre 2001 in Kraft setzen. Die Richtlinie schreibt vor, daß die
Deponien eine Anzahl von technischen Standards zum Schutz von Boden und
Wasser erfüllen, einschließlich Sickerwassersammlung, Basisabdichtung und
Kontrolle der Gasemissionen.
Alle Materialien in Deponien, darunter PVC, unterliegen verschiedenen
Reaktionsbedingungen, die von Parametern wie Temperatur, Feuchtigkeit, Vorliegen
von Sauerstoff, Aktivität von Mikroorganismen sowie von den Wechselwirkungen
zwischen den Parametern während verschiedener Stufen des Alterungsprozesses der
Deponie bestimmt werden. Dabei lassen sich vier Hauptphasen unterscheiden: kurze
aerobe Anfangsphase, anaerobe acidogene Phase (von unterschiedlicher Dauer,
länger als die aerobe Phase), anaerobe methanogene Phase (bis zu mehreren
Jahrhunderten), aerobe Schlußphase.
Untersuchungen73 sind sowohl an Hart- als auch an Weich-PVC-Proben durchgeführt
worden, vor allem durch Studien mit Laborausrüstungen, Untersuchung der
Wirkungen einer biologischen Behandlung und durch mikrobiologische Tests.
Das PVC-Polymer wird i.a. als resistent angesehen, wenn es im Boden vergraben
oder Deponiebedingungen ausgesetzt ist74. Allerdings ist an einer dünnen
Verpackungsfolie ein Abbau des PVC-Polymeren festgestellt worden75. Dies bleibt
ein Einzelergebnis, und der Abbau wurde unter aeroben Bedingungen und bei einer
Temperatur von 80° C beobachtet, Bedingungen, die – wenn sie auf Deponien
vorkommen - vorübergehender Natur sind.
Verluste von Weichmachern, speziell von Phthalaten aus Weich-PVC, sind in der
Literatur weitgehend anerkannt. Ergebnisse von Studien zur Abbaubarkeit von
Phthalaten unter Deponiebedingungen zeigen, daß ein solcher Abbau stattfindet,
jedoch je nach den Bedingungen und dem Typ des Phthalats nicht vollständig ist.
Sowohl Phthalate als auch ihre Abbauprodukte können in der Sickerflüssigkeit von
Deponien festgestellt werden. Dazu kommt, daß langkettige Phthalate wie z.B.
DEHP in den üblichen Sickerflüssigkeits- und Abwasserkläranlagen nur zum Teil
abgebaut werden und sich auf suspendierten Feststoffen anreichern. Phthalat-
Austritte könnten auch zu den Gasemissionen von Deponien beitragen. Wie bei
anderen Emissionen aus Deponien können auch die Emissionen, die sich aus dem
Vorhandensein von PVC in Deponien ergeben, länger andauern als die Garantiezeit
der technischen Barriere, und es gibt keine Hinweise darauf, daß die Freisetzung von
Phthalaten nach einer bestimmten Zeit zum Stillstand kommt.
Die Stabilisatoren sind in der Matrix von Hart-PVC-Abfällen eingeschlossen. Es ist
daher anzunehmen, daß es nur eine geringe Migration gibt, die nur die Oberfläche
des PVC betrifft, nicht aber die Masse des Materials. Zu Stabilisatoren in Weich-
PVC-Abfällen hat eine Studie76 über das Langzeitverhalten von PVC-Abfällen unter

73 Argus in association with University Rotstock, ebd.
74 Mersiowski et al., ebd.
75 Argus in association with University Rotstock, ebd.
76 Mersiowski et al., op. cit.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/5156

Deponiebedingungen eine Freisetzung von Bleistabilisatoren aus einem bestimmten
PVC-Kabel ergeben, das eine Kombination mehrerer Weichmacher enthielt.
In Deponien abgelagerte PVC-Produkte werden im Fall ungewollter Brände sicher
einen Anteil an der Bildung von Dioxinen und Furanen haben, doch kann derzeit der
quantitative Beitrag aufgrund der inhärenten Schwierigkeiten beim Erhalt der dafür
notwendigen Daten nicht ermittelt werden.
Für eine weitere Bewertung und Quantifizierung der Umweltwirkungen, die sich aus
dem Deponieren von PVC ergeben, wären weitere Untersuchungen zum potentiellen
Abbau des PVC-Polymers, zur Freisetzung von Stabilisatoren und Weichmachern
sowie zum Beitrag der Phthalate zur Sickerflüssigkeit und zu den Gasemissionen aus
Deponien erforderlich.
Die Kosten für das Deponieren von PVC-Abfällen entsprechen in den
Mitgliedstaaten den Kosten für die Ablagerung von kommunalem Müll und bewegen
sich in einem breiten Bereich77. Die Preise oder Gebühren für Deponien hängen von
einer Anzahl von Faktoren ab wie z.B. dem Standard der Deponie, dem Wettbewerb
zwischen den verschiedenen Entsorgungswegen oder davon, welche Typen von Müll
von der Deponie akzeptiert werden. Im allgemeinen konnte kein Einfluß auf Preise
und Gebühren durch das Vorhandensein von PVC im zu deponierenden kommunalen
Müll festgestellt werden und dies wird auch nicht erwartet.
Zukünftige Entwicklungen und Orientierungslinien der Politik

Im „Baseline“-Szenario wird davon ausgegangen, daß die deponierten Mengen an
PVC-Abfällen konstant bei etwa 2,8 Mio. t im Jahr 2020 liegen werden.

Zu prüfende Fragen:

Die Kommission ist aufgrund der vorstehenden Analyse der Ansicht, daß das
Deponieren von Weich-PVC-Abfällen einige Fragen aufwirft. Eine Reihe
potenzieller Maßnahmen wäre vorstellbar um diese aufzugreifen. Diese
Maßnahmen sollten im Hinblick auf ihre ökologischen und ökonomischen
Implikationen bewertet werden. Solche Maßnahmen umfassen:

1. Verbringen von Weich-PVC-Abfall auf kontrollierte Deponien mit hohen
Emissionsstandards, wie in der Deponie-Richtlinie vorgesehen.

2 Weitere Untersuchungen zum Aussickern oder zu Emissionen von
Additiven.

Frage Nr. 7:

Sind mit Blick auf die Deponierung von PVC-Abfällen spezielle
Maßnahmen erforderlich? Wenn ja, welche?

77 Gegenwärtig reichen die Kosten für die Deponierung von kommunalem Müll von 8 € pro Tonne in
Spanien bis zu 200 € pro Tonne in Deutschland. Die Kosten für die Deponierung von gemischtem Müll,
so wie unsortierter Bau- und Abrißschutt, der organische Komponenten enthält, sind normalerweise
höher als für die Deponierung von inertem Müll. Ein Durchschnittspreis von ca. 50 € pro Tonne ist
üblich.

Drucksache 14/5156 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

5. ANDERE HORIZONTALE ASPEKTE BEZÜGLICH PVC

Die im vorliegenden Dokument vorgenommene Analyse konzentriert sich auf zwei
Hauptaspekte: die Verwendung von Additiven in PVC und die PVC-
Abfallbewirtschaftung. Darüber hinaus stellen sich im Kontext eines breit angelegten
Konsultationsprozesses zum Thema PVC auch Fragen zu eher allgemeinen und
horizontalen Aspekten.
Zur Umsetzung einer horizontalen Gemeinschaftsstrategie zu PVC steht ein Katalog
von rechtlich verbindlichen oder auch freiwilligen Maßnahmen zur Verfügung:
 Freiwillige Maßnahmen, darunter die Implementierung bestehender freiwilliger

Selbstverpflichtungen auf nationaler und Gemeinschaftsebene sowie die
Entwicklung neuer freiwilliger Initiativen. Wie bereits erwähnt, ist die
europäische PVC-Industrie eine freiwillige Selbstverpflichtung zur nachhaltigen
Entwicklung von PVC eingegangen. Wiewohl dies als ein erster Schritt angesehen
werden kann, bleibt noch einiges zu tun, um eine effektive Beteiligung der
Industrie an der Realisierung der Gemeinschaftsziele in diesem Bereich zu
sichern. Die Dienststellen der Kommission bereiten z.Zt. einen Vorschlag für eine
Rahmenverordnung zu Umweltvereinbarungen in der Gemeinschaft vor, der dem
Rat und dem Parlament zur Annahme vorgelegt werden soll.

 Gesetzgeberische Maßnahmen wie ein Entwurf für eine PVC-Richtlinie könnten
vorgeschlagen werden, um Probleme im Zusammenhang mit der PVC-
Abfallbewirtschaftung anzugehen. Weitere gesetzgeberische Maßnahmen könnten
angenommen werden, die auf der Grundlage der gesamten vorliegenden
wissenschaftlichen Bewertung einschließlich der Ergebnisse von
Risikoabschätzungen die Verwendung von Additiven betreffen. Schließlich
könnten auch Empfehlungen zur weiteren Entwicklung der Umsetzung einer
Gemeinschaftsstrategie verabschiedet werden.

 Es könnte ein Mix aus verschiedenen Instrumenten vorgeschlagen werden,
bestehend aus freiwilligen Selbstverpflichtungen, Empfehlungen und gesetzlichen
Maßnahmen einschließlich der Anpassung von bestehenden Rechtsvorschriften.
Ein solcher Satz von Instrumenten läge auch auf einer Linie, die versucht
freiwillige und verbindliche Instrumente miteinander zu kombinieren.

Über den Rahmen eines Konzeptes zur PVC-Abfallbewirtschaftung und zu den
Additiven hinaus ist im Kontext der Förderung nachhaltigerer Produkte als Teil einer
integrierten Produktpolitik die Frage nach einer potentiellen Substitutionspolitik für
bestimmte PVC-Produkte gestellt worden. Eine solche Substitutionspolitik könnte
für spezielle Produkte ins Auge gefaßt werden, die nicht aus dem allgemeinen
Abfallstrom getrennt werden können und deshalb schwierig zu recyceln sind, wie
z.B. aus Verpackungen, Kraftfahrzeugen oder Elektro- und Elektronikschrott. Eine
potenzielle Substitutionspolitik müßte sich auf eine umfassende und objektive
Bewertung der wichtigsten Umweltwirkungen sowohl von PVC als auch von
potenziellen Substituten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg stützen. Der in
diesem Dokument entworfene Ansatz konzentriert sich auf die Behandlung der
Umweltproblematik von PVC vor allem durch eine Politik in Sachen Additive und
Abfallbewirtschaftung.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/5156

Zu prüfende Fragen:

Eine Reihe von Fragen zu den Umweltauswirkungen von PVC sind aufgeworfen
worden, darunter die Frage nach einem horizontalen Ansatz und einem
geeigneten Instrumentarium diese Fragen anzugehen. Die Kommission sieht
Vorteile in der Entwicklung einer horizontalen Strategie zu PVC. Zur Umsetzung
eines solchen Ansatzes stehen eine Anzahl von Instrumenten zur Verfügung, die
im Hinblick auf ihre ökonomischen und ökologischen Implikationen, sowie ihre
Kompatibilität mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft
bewertet werden sollten.

Frage Nr. 8:

Welches sind die geeigneten Instrumente zur Entwicklung einer
horizontalen Strategie zu PVC? Sollte für einige Produkte eine PVC-
Substitutionspolitik ins Auge gefaßt werden? Wenn ja, wie?

6. SCHLUSSBEMERKUNGEN

In diesem Dokument sind eine Anzahl von Problemen im Zusammenhang mit den
Auswirkungen von PVC auf die Umwelt und damit zusammenhängender Aspekte
der menschlichen Gesundheit angesprochen und erläutert worden. Diese hängen
zumeist mit der Verwendung bestimmter Additive und der PVC-
Abfallbewirtschaftung zusammen. Im Lichte der vorgenommenen Analysen sind
eine Anzahl von Optionen ausgearbeitet worden, die einen wirksamen Ansatz
bezüglich Abfallbewirtschaftung und Additive sicherstellen könnten, der sich auf
eine Bewertung der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen stützt und mit
dem das Ziel verfolgt wird, die Auswirkungen von PVC auf die menschliche
Gesundheit und die Umwelt in allen Phasen seines Lebenszyklus zu vermindern.
Auf der Grundlage der hier entwickelten Optionen wird ein öffentlicher
Konsultationsprozeß zum Thema PVC vorgeschlagen. Die Kommission lädt hiermit
alle interessierten Gruppen dazu ein dieses Dokument zu diskutieren und zu
kommentieren. Eine öffentliche Anhörung ist für Oktober 2000 vorgesehen.
Anmerkungen zum Dokument können bis spätestens 30. November 2000 direkt an
die Kommission gerichtet werden. Beiträge sind an folgende Adresse zu senden:
Herrn Krämer, Leiter der Abteilung Abfallwirtschaftspolitik (DG ENV), oder an
Herrn Schulte-Braucks, Leiter der Abteilung Chemische Stoffe (DG ENTR), 200 rue
de la Loi / Wetstraat 200, B-1049 Bruxelles/Brussel, Belgien. Alternativ dazu
können Stellungnahmen auch per E-Mail an folgende Adresse geschickt werden:
[email protected]. Die verschiedenen Sprachfassungen des Grünbuchs, die von
der Kommission in Auftrag gegebenen Studien und die Kommentare zum Grünbuch
können unter folgender Adresse im Internet gefunden werden:
http://europa.eu.int/comm/environment/pvc/index.htm.

Drucksache 14/5156 – 44 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ANHANG 1

Beschreibung der verschiedenen Verfahren zur Rauchgasreinigung

Rauchgas-
reinigungs-
prozeß

Hauptmerkmale

Trocken-
Verfahren

Der Neutralisationsprozeß besteht aus dem Einbringen der Neutralisationsmittel in fester Form.
Als Neutralisationsmittel wird am häufigsten Kalk (Ca(OH)2) verwendet. Daneben kommen auch
andere Mittel zur Anwendung, vor allem Natriumhydrogencarbonat (Bicar, NaHCO3) odergelöschter Kalk mit vergrößerter Oberfläche.
Die sauren Komponenten des Rauchgases werden durch eine chemische Reaktion in Salze
überführt. Die sich aus dem Neutralisationsprozess ergebenden festen Rückstände bestehen im
wesentlichen aus den Neutralisationssalzen: Calciumchlorid (CaCl2), Natriumchlorid (NaCl),
Sulfate (CaSO4, Na2SO4) sowie aus dem überschüssigen Neutralisationsmittel und
Schwermetallen in unterschiedlichen chemischen Formen. Diese Rückstände sind als gefährlicher
Abfall eingestuft.
Mit dem klassischen Kalk dürfte der Trockenprozeß den strengen Emissionsgrenzwert von 10
mg/Nm3 nicht erfüllen können. In einem Trockenprozeß mit speziellen Neutralisationsmitteln wie
gelöschtem Kalk mit vergrößerter Oberfläche und Bicar kann dieser Wert erreicht werden.

Halbtrocken-
Verfahren

Der Neutralisationsprozeß besteht aus dem Einbringen einer Lösung oder einer Suspension des
Neutralisationsmittels (Kalk) in Wasser. Als Reaktionsprodukte entstehen dabei feste Rückstände,
die aus Calciumchlorid, Sulfaten und Schwermetallen sowie überschüssigem, nicht in die
Reaktion eingegangenem Kalk bestehen. Diese Rückstände sind als gefährlicher Afall eingestuft.

Naß-
Verfahren

In diesem Prozeß werden zwei hintereinander geschaltete Wäscher verwendet. Im ersten
(Säurewäscher) wird der größte Teil der HCl in Wasser aufgenommen. Die restliche HCl und SOx
werden im zweiten Wäscher (Neutralwäscher) aufgenommen, der im allgemeinen mit einer
Sodalösung (NaOH) gespeist wird.
Die dabei entstehenden Abläufe sind vor der Ableitung in die Umwelt einer Behandlung zu
unterziehen. In der Wasserbehandlungseinheit werden Schwermetalle und Sulfate durch Zugabe
von Kalk ausgefällt. Die ausgefällten Schwermetalle werden durch Filtration abgetrennt (und sind
zu deponieren), während das salzhaltige Abwasser abgeleitet wird. Der Ablauf des Säurewäschers
wird entweder neutralisiert und zusammen mit dem Ablauf des Neutralwäschers behandelt, oder
wird gereinigt und die HCl wiederverwendet.

Halbnaß-
Naß-
Verfahren

Aufgrund strengerer Vorschriften zur Einleitung von salzhaltigem Abwasser führen viele
Verbrennungsanlagen Verdampfungssysteme ein, um jeden Austrag von Flüssigkeiten zu
vermeiden78. Damit werden die Naß-Prozesse auf Halbnaß-Naß-Prozesse mit Bildung trockener
fester Rückstände umgestellt. Dies ist bereits der Fall in Deutschland und Österreich. Das
Verfahren ist ähnlich konzipiert wie das Naß-Verfahren, allerdings wird der flüssige Ablauf in den
Gasstrom gesprüht und die Flüssigkeit verdampft. Dieses Verfahren erzeugt trockene Rückstände,
die als gefährlicher Abfall eingestuft sind.

78 Economic evaluation of the Draft Incineration Directive, a report produced for the European
Commission, DG XI, AEA Technology, Dezember 1996.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/5156

Es ist schwierig, detaillierte Angaben zur Verteilung der verschiedenen Typen der
derzeit im Einsatz befindlichen Verbrennungsanlagen vorzulegen. Die nachstehend
genannten statistischen Daten79 geben die Situation für den Zeitraum 1993-1996 für
Anlagen mit einer relativ großen Kapazität wieder. Für etwa 15 % der
Gesamtkapazität wird für die Rauchgasreinigung das Trockenverfahren verwendet,
für 25 % das Halbtrockenverfahren, für etwa 20 % das Halbnaß-Naß-Verfahren und
für etwa 40 % das Naß-Verfahren. Die Verteilung der Behandlungskapazitäten in
den einzelnen Mitgliedstaaten ist unterschiedlich. Im allgemeinen geht der Trend
weg von den Trockenprozessen hin zu den anderen Systemen. Die strengeren
Emissionsgrenzwerte für Verbrennungsanlagen, die in der Richtlinie über die
Verbrennung von Abfällen vorgeschlagen werden, dürften diesen Trend noch
verstärken.

79 European Energy from Waste Coalition, Energy from Waste Plants: Databook of European Sites,
Report prepared by Juniper Consultancy Services Ltd, November 1997. Die Zahlen beziehen sich auf
Anlagen mit Kapazitäten von mehr als 30,000 Jahrestonnen.

Drucksache 14/5156 – 46 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ANHANG 2

Zusätzliche Kosten der PVC-Verbrennung

Die Zahlen der nachstehenden Tabelle80 geben den möglichen Bereich an
zusätzlichen Kosten der PVC-Verbrennung, verglichen mit denen für kommunalen
Müll wieder. Die niedrigeren Zahlen beziehen sich auf Weich-PVC mit 25 %
Chlorgehalt, die höheren Zahlen auf Hart-PVC mit 53 % Chlorgehalt. Die
durchschnittlichen Zahlen gelten für einen PVC-Materialmix mit 45 % Chlorgehalt,
d.h. bestehend zu 70 % aus Hart- und zu 30 % aus Weich-PVC.

Durchschnittswert und
Bereich der zusätzlichen
Kosten der Verbrennung
von PVC

Trockensystem Halbtrocken Naß Halbnaß-
Naß

/t PVC Kalk Natrium-bicarbonat Kalk Kalk/NaOH Kalk/NaOH
Ohne Stabilisierung der

Rückstände
Durchschnitts- und
min/max-Werte

196
95 – 234

274
144 – 327

165
84 – 206

19
-1 – 29

121
57 – 147

Mit Stabilisierung der
Rückstände

Durchschnitts- und
min/max-Werte

290
154 – 347

334
172 – 396

244
127 – 305

19
-1 – 29

186
96 – 226

80 Bertin Technologies, ebd.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47 – Drucksache 14/5156

ANHANG 3

Szenarien der PVC-Abfallbewirtschaftung zur ökonomischen und ökologischen
Analyse81

Zum Zweck einer ökonomischen und ökologischen Analyse sind Szenarien für eine
zukünftige Abfallbewirtschaftung in der EU und in sechs der
Beitrittskandidatenländer entwickelt worden. Das BAU-Szenario (BAU = business
as usual) beruht auf dem derzeitigen Entsorgungsregime für PVC-Abfälle in
Westeuropa, so wie von EuPC bereitgestellt, und dem gegenwärtigen Anteil der
Verbrennung von kommunalem Müll. Der heutige Anteil der Verbrennung für die
großen PVC-Abfallströme wird als proportional zur allgemeinen Rate der
Hausmüllverbrennung angenommen. Für die Abschätzung der künftigen
Entsorgungswege wird unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten, die sich auf die
strikte Umsetzung der Deponie-Richtlinie beschränken, und denen, die
wahrscheinlich über die EU-Vorschriften hinausgehen und das Deponieren von
organischen Stoffen durch Steigerung der Verbrennungsrate wesentlich reduzieren
werden (z.B. Deutschland, Niederlande, Österreich, Schweden). Zwar wird auch für
die erste Gruppe von Mitgliedstaaten eine Zunahme der Verbrennungskapazitäten
während der nächsten zwei Jahrzehnte erwartet, doch dürfte die dann erreichte
endgültige Rate wegen der niedrigeren Ausgangssituation und der ungünstigeren
wirtschaftlichen Situation einiger der betroffenen Länder niedriger liegen. Die
Beitrittskandidaten gehören der ersten Gruppe von Ländern an.
Die ermittelten Verbrennungsraten sind auf die nach Abzug des werkstofflich
recycelten PVC-Abfalls verbleibenden Mengen angewendet worden. Das
rohstoffliche Recycling ist hier wegen seines noch ungenügenden
Entwicklungsstandes unberücksichtigt geblieben. Für das werkstoffliche Recycling
wird eine Entwicklung entsprechend der Prognose nach dem in der einschlägigen
Studie82 entwickelten „Baseline“-Szenario angenommen. Nach diesem Szenario wird
das Recycling von „Post-Verbraucher“-PVC-Abfällen von heute etwa 3 % auf etwa 9
% im Jahre 2020 ansteigen.
Für die Umleitung von PVC-Abfällen von der Verbrennung auf andere Wege sind
dann drei alternative Szenarien entwickelt worden. Die ersten beiden beruhen auf der
Annahme, daß das von der Verbrennung umgeleitete PVC werkstofflich recycelt
wird. Im dritten Szenario wird umgeleiteter Abfall deponiert.
Szenario 1: Diese Szenario beruht zum Teil auf dem „Szenario selektiver
Verbesserungen“, wie es in der Studie zum werkstofflichen Recycling vorgeschlagen
wird. Es wird angenommen, daß das Recycling des größten Teils der Abfälle aus der
Bauwirtschaft, der für ein hochwertiges Recycling geeignet ist, gefördert wird, so
daß das in der Studie zum werkstofflichen Recycling berechnete durchschnittliche
Potenzial auch erreicht wird. Obwohl prinzipiell für hochwertiges Recycling
geeignet, wurde PVC im Haushalts- und Gewerbemüll sowie Weich-PVC-Profile
und -Schläuche (aus Bauschutt) ausgeschlossen, da dafür keine genauen
Kostenschätzungen vorlagen. Es kann sinnvollerweise angenommen werden, daß die

81 AEA Technology, Economic evaluation of PVC waste management, draft report produced for the
European Commission Environment Directorate-General, May 2000.

82 Prognos, ebd.

Drucksache 14/5156 – 48 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwicklung von Recyclingkapazitäten für diese Abfälle in weiterer Zukunft liegt als
für die übrigen Abfälle, für die Kostenschätzungen vorhanden sind.
Szenario 2: Dieses Szenario geht von der Modellvorstellung aus, daß das
werkstoffliche Recycling für alle geeigneten Abfallarten (Abfälle aus Bauwirtschaft,
Haushalten und Gewerbe, Verpackungsmüll, Elektro- und Elektronikschrott) sein
absolutes volles Potenzial im Jahre 2010 erreichen und dieses Niveau bis 2020 halten
wird. Alle Abfallströme werden mit den maximalen Recyclingpotenzial recycelt, wie
sie in der Studie zum werkstofflichen Recycling geschätzt worden sind.
Szenario 3: In diesem Szenario bleiben die Recyclingraten unverändert auf dem
BAU-Niveau. Der von der Verbrennung umgeleitete Abfall geht auf Deponien. Die
Analyse ist auf die Umleitung von Bauschutt begrenzt, um die wesentlichen
ökonomischen und ökologischen Auswirkungen einer Umleitung von der
Verbrennung zur Deponierung zu ermitteln. Die Trennung von PVC von anderen in
der Studie untersuchten Abfallströmen dürfte aus wirtschaftlicher und technischer
Sicht problematischer sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 49 – Drucksache 14/5156

Anlage 2

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit

Entschließung
der Fraktion der CDU/CSU

zum Grünbuch zur Umweltproblematik von PVC
KOM (2000) 469 endg.; Ratsdok. 10861/00
Ausschussdrucksache 14/423
(Bundestagsdrucksache 14/4570 Nr. 3.1)

Der Ausschuss wolle beschließen:

1. Der Ausschuss begrüßt das Bemühen der EU-Kommis-
sion, durch das vorliegende Grünbuch die kontroverse
Debatte um die Bewertung des Kunststoffs PVC unter
den Maßstäben des Leitbildes der „Nachhaltigen Ent-
wicklung“ zu versachlichen. Leider wird das vorgelegte
Grünbuch diesem Anspruch nicht gerecht.

2. Der Ausschuss sieht in dem Grünbuch einen noch unvoll-
ständigen Beitrag zur Diskussion von PVC. In der Ten-
denz überwiegt eine kritische und eher diskriminierende
Auseinandersetzung mit dem Werkstoff. Der Bericht kon-
zentriert sich ausschließlich auf die Entsorgungspfade
und die Bewertung der PVC-Additive (Stabilisatoren,
Weichmacher).

3. Die Kommission wird gebeten, eine integrierte und ganz-
heitliche Lebenszyklusanalyse von PVC-Produkten und

ihren möglichen Alternativen unter Berücksichtigung
der Ergebnisse der Enquete-Kommission „Schutz des
Menschen und der Umwelt – Bewertungskriterien und
Perspektiven für umweltverträgliche Stoffkreisläufe in
der Industriegesellschaft“ auszuarbeiten.

Dazu zählen:

– eine ausführliche Darstellung der Anwendung von
PVC-Produkten in allen wesentlichen Einsatzberei-
chen sowie eine detaillierte Abschätzung gesund-
heits- und umweltrelevanter Aspekte – von der Her-
stellung der Ausgangsprodukte und PVC-Produktion
über die Anwendung der PVC-Produkte bis hin zu
ihrer Entsorgung. Die gleiche ausführliche Darstel-
lung ist auch für die Alternativen zu PVC zu erstel-
len;

– eine Bewertung der wirtschaftlichen und gesell-
schaftlich-sozialen Bedeutung von PVC und den da-
raus hergestellten Produkten, womit eine Bewertung
der Nachhaltigkeit erst möglich wird;

– eine Bewertung problematischer Stoffe in Werkstof-
fen. Dies sollte die hierfür verfügbaren Alternativen
einschließen, die geeignet sein könnten, die Verwen-
dung problematischer Stoffe zu reduzieren;

– die Einbeziehung der laufenden Risikobewertungs-
programme für Additive und deren Berücksichtigung
im Rahmen der von der Kommission formulierten
Gesamtziele.

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