BT-Drucksache 14/5153

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und B90 sowie der Bundesregierung -14/4595, 14/5068, 14/5146- E eines G zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kaptialgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz -AVmG)

Vom 24. Januar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5153
14. Wahlperiode 23. 01. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister,
Rainer Eppelmann, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Julius Louven,
Wolfgang Meckelburg, Claudia Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz-Xaver Romer,
Heinz Schemken, Johannes Singhammer, Dorothea Störr-Ritter, Andreas Storm,
Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Peter Weiß (Emmendingen) und der
Fraktion der CDU/CSU

zu der dritten Beratung der Gesetzentwürfe der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 14/4595, 14/5068, 14/5146 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung
und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens
(Altersvermögensgesetz – AVmG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Alle Systeme der Alterssicherung in Deutschland stehen vor großen Herausfor-
derungen. Der Generationenvertrag, auf dem die solidarische Rentenversiche-
rung aufbaut, ist vor allem aus demographischen Gründen in eine Schieflage
geraten. Die Geburtenzahlen sinken und die Lebenserwartung der Menschen
steigt. Als Folge wird sich bis zum Jahr 2030 der Anteil der Menschen im Ren-
tenalter im Vergleich zu denen im erwerbsfähigen Alter fast verdoppeln. Dies
führt zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung der Alterssicherungssys-
teme.

Im Bereich der Alterssicherung besteht daher ein erheblicher Reformbedarf.
Mit der Verabschiedung des Rentenreformgesetzes 1999 und der Einführung
eines „demographischen Faktors“ hat die frühere Bundesregierung diesem Re-
formbedarf Rechnung getragen. Die jetzige Bundesregierung hat allerdings
diese dringend notwendige Reform in ihren wesentlichen Teilen wieder zurück-
genommen. Damit hat sie die Probleme in der Alterssicherung ignoriert und
Problemlösungen hinausgeschoben.

Trotz dieser Rücknahme und obwohl SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in
der letzten Legislaturperiode einen Rentenkonsens kategorisch ausgeschlagen
haben, hat sich die Union in den letzten Monaten intensiv an den Bemühungen
um eine Lösung der grundlegenden Probleme der Alterssicherung beteiligt und
substantielle eigene Vorstellungen in die Diskussion eingebracht. Ohne diese

Drucksache 14/5153 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beteiligung wäre weder der Zeithorizont der Rentenreform bis 2030 eröffnet
noch der Aufbau einer ergänzenden privaten und betrieblichen Altersversor-
gung mit familienpolitischer Komponente ermöglicht worden.

Dennoch sind zentrale Bestandteile der Reform auch nach mehrmaligem Nach-
bessern für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht akzeptabel. Nach wie vor
bleiben viele Fragen offen. Die von der Bundesregierung vorgelegte Rentenre-
form widerspricht den Vorstellungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über
eine gerechte und sozialverträgliche Rentenreform und ist daher in der jetzigen
Form nicht zustimmungsfähig.

1. Generationengerechtigkeit sicherstellen und Vertrauen schaffen

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will eine Rentenreform, die die demogra-
phischen Lasten generationengerecht verteilt und den Menschen langfristig Si-
cherheit im Hinblick auf ihre Altersversorgung gibt. Diesen Vorgaben hätte das
Rentenreformgesetz 1999 wirkungsvoll Rechnung getragen. Mit dem demogra-
phischen Faktor wären die aus der demographischen Entwicklung herrührenden
finanziellen Lasten solidarisch und maßvoll von Jung und Alt geschultert wor-
den. Die Rentner hätten mit der regelmäßigen Anpassung ihrer Rente rechnen
und mit der Rente langfristig kalkulieren können. Damit wäre das Vertrauen in
die Alterssicherung gestärkt worden. Darüber hinaus müssen die Menschen
früher anfangen und dürfen im Durchschnitt nicht mehr so früh aufhören zu
arbeiten. Wir müssen das durchschnittliche Renteneintrittsalter von derzeit 59
deutlich anheben.

Die Bundesregierung hat mit ihrer Reform das Vertrauen der Menschen in die
Rentenversicherung beschädigt. Die Menschen werden durch die Rentenpolitik
der Bundesregierung verunsichert. Von 1999 bis 2003 sollen vier verschiedene
Anpassungsformeln in der gesetzlichen Rentenversicherung gelten. Die vom
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorgelegte Rentenformel ist
willkürlich und manipulierbar. Der Ausgangswert für die Berechnung der
Rentenanpassung ist nicht begründbar und völlig willkürlich gewählt. Dieser
Wert ist allein in den letzten Wochen viermal verändert worden. Weitere Mani-
pulationen sind absehbar.

Bei der Höhe des Rentenniveaus werden die Menschen getäuscht: Die von der
Bundesregierung angegebenen 68 % sind in Wahrheit nur 64 % des Nettoge-
halts. Getäuscht werden die Menschen auch beim Beitragssatz in der Renten-
versicherung.

2. Familien und Frauen fördern – Soziale Balance schaffen

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion tritt dafür ein, dass die Alterssicherung der
Frauen ausgebaut wird und Familien mit Kindern besonders gefördert werden.
Diesen Vorgaben trägt die von der Bundesregierung vorgelegte Rentenreform
keine Rechnung.

Die Reform richtet sich vor allem gegen Frauen. Das von der Bundesregierung
angestrebte Rentenniveau erreicht nur der Arbeitnehmer mit 45 Versicherungs-
jahren. Da Frauen in der Regel wesentlich kürzere Versicherungszeiten haben,
wird das Rentenniveau für viele Frauen unter das Sozialhilfeniveau fallen. Das
Einfrieren des Freibetrages in der Hinterbliebenensicherung führt zur Abkoppe-
lung der Hinterbliebenenrenten von der allgemeinen Einkommensentwicklung
und damit zum langfristigen Aus für die Hinterbliebenenversorgung. Die voll-
ständige Anrechnung aller Einkommensarten in der Hinterbliebenensicherung
diskriminiert zusätzliche Eigenvorsorge. Das vorgesehene Rentensplitting ist
nach wie vor ein unzumutbares Rentenroulette. Die Ehegatten können die für
sie günstigere Wahl zwischen Splitting der Anwartschaften und der bisherigen
abgeleiteten Sicherung nur treffen, wenn sie wissen, wer von ihnen überleben
wird. Eine solche Entscheidung darf ihnen aber nicht zugemutet werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5153

Die Anerkennung von Erziehungsleistungen ist nach wie vor unzureichend.
Keine Verbesserungen gibt es für Frauen mit Kindern, die vor 1992 geboren
wurden. Die vorgesehene Rente nach Mindesteinkommen wird durch Einspa-
rungen bei der Hinterbliebenenrente finanziert. Es findet hier also nur eine Um-
verteilung innerhalb der Gruppe der Frauen statt.

3. Zusätzliche Alterssicherung stärken

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will, dass die Menschen in ihrer Eigenvor-
sorge nicht allein gelassen, sondern nachhaltig unterstützt werden. Wir setzen
uns daher für eine wirkungsvolle Förderung der zusätzlichen privaten Alterssi-
cherung von Frauen und Familien ein.

Auch diesen Anforderungen wird die von der Bundesregierung vorgelegte Ren-
tenreform nicht gerecht. Die vorgesehene private Vorsorge hat keinen ergän-
zenden, sondern lediglich ersetzenden Charakter. Familien mit Kindern werden
beim Aufbau der privaten Alterssicherung nach wie vor benachteiligt. Die steu-
erliche Förderung für die Besserverdienenden ist dynamisiert, Grund- und Kin-
derzulage für die Geringverdiener und Familien mit Kindern werden nicht an-
gepasst und damit langsam abgeschmolzen.

Die Ausgestaltung der zusätzlichen privaten Altersvorsorge ist ein bürokrati-
sches Monster und beeinträchtigt durch ihre starren Kriterien die zu erwartende
Rendite der geförderten Anlageformen erheblich. Altverträge werden nach wie
vor nicht gefördert. Die Menschen müssen bei ihrer privaten Vorsorge wieder
bei Null anfangen. Die Förderung der Wohneigentumsbildung ist faktisch
ausgeschlossen. Die Mitarbeiterbeteiligung als geeigneter weiterer Weg der
kapitalgedeckten zusätzlichen Alterssicherung ist in dem Rentenkonzept der
Bundesregierung überhaupt nicht berücksichtigt. Die jetzt vorgesehenen Pen-
sionsfonds sind nicht freiheitlich genug und unpraktikabel ausgestaltet.

4. Leistungsgerechtigkeit bewahren

Der Sozialstaat in Deutschland baut auf dem Prinzip von Leistung und Gegen-
leistung. Nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion muss dieses
Prinzip – neben den notwendigen Elementen des sozialen Ausgleichs – im
Grundsatz erhalten bleiben.

Mit der Einführung einer leistungs- und beitragsfreien Grundrente zu Lasten
der Kommunen durchbricht die Bundesregierung diesen Grundsatz. Die gesell-
schaftspolitische Weichenstellung hin zu einer leistungsabhängigen Grundsi-
cherung ist kontraproduktiv gegenüber der notwendigen Eigenvorsorge und
dem „aktivierenden“ Sozialstaat.

Der Verzicht auf den Rückgriff der Sozialhilfeträger auf die Unterhaltsver-
pflichteten bei Hilfsbedürftigen über 65 Jahren oder bei dauerhaft Erwerbsunfä-
higen bedeutet faktisch, dass jemand der nicht gearbeitet hat, im Alter genauso
viel erhält, wie derjenige, der langjährig in die Rentenversicherung eingezahlt
hat. Dies verletzt den Solidargedanken und den Grundsatz der Beitragsgerech-
tigkeit. Es gilt dann das Prinzip: Wer vorsorgt, wird versorgt, wer nicht vorsorgt,
wird auch versorgt. Dies ist für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht akzep-
tabel.

Darüber hinaus werden die Kommunen durch die Einführung der Grundsiche-
rung erheblich zusätzlich belastet. Der vorgesehene Kostenersatz für die Länder
in Höhe von 600 Mio. DM ist völlig unzureichend.

Zu unserem Verständnis von Leistungsgerechtigkeit gehört auch, Versicherten,
die 45 und mehr Arbeitsjahre zurückgelegt haben, die Möglichkeit eines ab-
schlagsfreien vorzeitigen Renteneintritts zu ermöglichen. Diesen Vorschlag hat
die Bundesregierung in ihrem Reformkonzept nicht aufgegriffen.

Drucksache 14/5153 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
5. Besteuerung der Renten

Die Bundesregierung verheimlicht ihre Pläne zur Besteuerung der Renten. Dies
ist nicht akzeptabel, da die Besteuerung der Renten erhebliche Auswirkungen
auf das Rentenniveau in der Rentenversicherung hat. Das Rentenniveau würde
sich erheblich verändern, sollte das Bundesverfassungsgericht – voraussichtlich
im Sommer dieses Jahres – für die nachgelagerte Besteuerung entscheiden.
Schon dann wäre das von der Bundesregierung berechnete Rentenniveau hin-
fällig. Eine neue Diskussion über die Zukunft der Renten wäre vorprogram-
miert.

II. Der Deutsche Bundestag lehnt die jetzt vorliegende Fassung des Altersver-
mögensgesetzes ab und fordert die Bundesregierung auf

1. ein tragfähiges und substantiell verändertes Rentenkonzept unter Berück-
sichtigung der oben genannten Auffassungen der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion vorzulegen,

2. den im Rentenreformgesetz 1999 vorgesehenen „demographischen Fak-
tor“ zum 1. Januar 2002 einzuführen.

Berlin, den 23. Januar 2001

Horst Seehofer
Karl-Josef Laumann
Brigitte Baumeister
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz-Xaver Romer
Heinz Schemken
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Peter Weiß (Emmendingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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