BT-Drucksache 14/5129

Verhaftung und Tod eines abgeschobenen türkischen Asylbewerbers

Vom 22. Januar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5129

14. Wahlperiode

22. 01. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Carsten Hübner, Eva-Maria Bulling-Schröter, Ulla Jelpke,
Heidi Lippmann und der Fraktion der PDS

Verhaftung und Tod eines abgeschobenen türkischen Asylbewerbers

In einem Leserbrief an die Tageszeitung „junge Welt“ (abgedruckt in der Aus-
gabe vom 8. Januar 2001) berichtet ein Leser, mindestens einer der Häftlinge,
die am 19. Dezember 2000 und in den Folgetagen im Zusammenhang mit der
militärischen und polizeilichen Erstürmung türkischer Gefängnisse ums Leben
gekommen sind, sei 1992 aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei
abgeschoben worden, „obwohl jede Menge Hinweise für eine Gefährdung von
Leib und Leben vorlagen“. Sowohl sein Vater als auch seine Brüder leben laut
des Schreibens als anerkannte Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutsch-
land.

Bei dem toten Häftling handele es sich um den 26-jährigen A. I. Ö. Dieser sei
nach seiner Abschiebung aus Bayern „1993 wegen seiner politischen Aktivitä-
ten, unter anderem als Mitglied des ,Internationalen Kulturzentrums Augs-
burg‘, im türkischen Corum verhaftet“ worden und wurde, so der Leserbrief-
schreiber, „1995 wegen angeblicher Unterstützung der in der Türkei verbotenen
Kommunistischen Partei TKP/ML zu einer Haftstrafe von zwölfeinhalb Jahren
verurteilt“.

A. I. Ö. befand sich, als ihn „Sicherheitskräfte nach Augenzeugenberichten bei
lebendigem Leib im Gefängnis von Bursa verbrannten“, laut Leserbrief im
61. Tag des Hungerstreiks gegen die Verlegung der politischen Gefangenen in
die Isolationszellen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung der Fall des türkischen Asylbewerbers A. I. Ö.
bekannt?

2. Entspricht der im Leserbrief dargestellte Sachverhalt den Kenntnissen, über
die die Bundesregierung in diesem Fall verfügt?

3. Wie, in welchen Zeiträumen und in Zusammenarbeit mit welchen türkischen
Behörden hat die Bundesregierung überprüft, dass A. I. Ö. nach seiner Ab-
schiebung in die Türkei tatsächlich nicht für Sachverhalte staatlich verfolgt
wurde, die Gegenstand seines Asylverfahrens waren oder mit seinen politi-
schen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang
standen?
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4. a) Hat sich die Bundesregierung nach der Verhaftung von A. I. Ö. im Jahre
1993 an die türkischen Behörden gewandt und Aufklärung darüber ver-
langt, ob seine Verhaftung mit Sachverhalten begründet wurde, die Ge-
genstand seines Asylverfahrens waren oder die mit seinen politischen
Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang
stehen?

b) Wenn nein, warum nicht und welche Folgen zieht die Bundesregierung
daraus?

5. a) Hat die Bundesregierung den Prozess gegen A. I. Ö. verfolgt, in dem er
1995 zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde und kann aus-
geschlossen werden, dass dabei Sachverhalte zur Verurteilung geführt
haben, die Gegenstand seines Asylverfahrens waren oder die mit seinen
politischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland im Zusam-
menhang stehen?

b) Wenn nein, warum nicht und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung
daraus?

6. a) Ist die Bundesregierung dazu bereit, ggf. nachträglich die Ereignisse um
den 26-jährigen A. I. Ö. in Erfahrung zu bringen, um daraus Schlüsse
für die aktuelle Asylpraxis zu ziehen?

b) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 22. Januar 2001

Carsten Hübner
Eva-Maria Bulling-Schröter
Ulla Jelpke
Heidi Lippmann
Roland Claus und Fraktion

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