BT-Drucksache 14/5086

Für eine grundlegende Reform der Künstlersozialversicherung

Vom 16. Januar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5086
14. Wahlperiode 16. 01. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich Fink, Dr. Heidi Knake-Werner, Pia Maier,
Maritta Böttcher und der Fraktion der PDS

Für eine grundlegende Reform der Künstlersozialversicherung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Als das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) nach jahrelangen De-
batten 1983 in Kraft trat, war das ein bedeutender Fortschritt beim Ausbau
des Sozialstaats in der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Gesetz wurde
den freischaffend tätigen Künstlern und Künstlerinnen und Publizisten und
Publizistinnen erstmals eine Absicherung im Krankheits- und Rentenfall
innerhalb des gesetzlichen Sozialversicherungssystems ermöglicht. Nach
der Novellierung des KSVG im Jahre 1988, mit der der Bundeszuschuss zur
Künstlersozialkasse (KSK) auf 25 % festgelegt, der Kreis der abgabepflich-
tigen Verwerter ausgeweitet und eine Spartentrennung eingeführt wurde,
steht nunmehr eine grundlegende Reform des KSVG auf der Tagesordnung.
Die Notwendigkeit einer solchen Reform ergibt sich sowohl aus den gra-
vierend veränderten Bedingungen der kulturellen und publizistischen Pro-
duktion als auch aus der nach wie vor schlechten sozialen Lage des
überwiegenden Teils der Künstler und Künstlerinnen und Publizisten und
Publizistinnen.

2. Trotz einiger begrüßenswerter Verbesserungen für die Versicherten wird der
von der Bundesregierung vorgelegte „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze“
dem Anspruch einer solchen grundlegenden Reform nicht gerecht:

 Den Verbesserungen stehen eine Reihe von Verschlechterungen für die
Versicherten gegenüber.

 Weitere von den Interessenverbänden der Künstler und Künstlerinnen und
Publizisten und Publizistinnen unterbreitete Vorschläge für eine wirk-
samere soziale Absicherung ihrer Mitglieder bleiben unberücksichtigt.

 Die im Zuge des Haushaltssanierungsgesetzes von Ende 1999 vorgenom-
mene Absenkung des Bundeszuschusses zur Künstlersozialkasse von 25
auf 20 % des Gesamtbeitrags wird festgeschrieben.

 Da eine aktuelle umfassende Enquete zur sozialen Lage der Künstler und
Künstlerinnen und Publizisten und Publizistinnen nicht vorliegt, fehlen
dem Gesetzentwurf die Grundlagen für noch zielgenauere und weiterge-
hende Bestimmungen, die dem betroffenen Personenkreis zukünftig eine
soziale Absicherung auf einem Niveau bietet, wie es für Beschäftigte in
einem Arbeitsverhältnis gegeben ist.

 Sowohl der „Bericht der Bundesregierung über die soziale Lage der
Künstlerinnen und Künstler in Deutschland“, der dem Gesetzentwurf vo-

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rausging, als auch die beabsichtigte Vergabe eines Forschungsauftrags
zur Ermittlung des Selbstvermarktungsanteils können eine solche En-
quete nicht ersetzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen des eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der folgende Forderungen berücksichtigt:

1. Die bevorstehende Novellierung des KSVG darf keine Verschlechterungen
bei der sozialen Absicherung der Künstler und Künstlerinnen und Publizis-
ten und Publizistinnen gegenüber der geltenden Rechtslage zur Folge haben.
Entsprechende im vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vorge-
sehene Veränderungen sind rückgängig zu machen. Das betrifft besonders

 die Verkürzung der Berufsanfängerzeit von fünf auf drei Jahre
 die verschärften Forderungen zum Nachweis einer künstlerischen bzw.

publizistischen Tätigkeit nach § 12 KSVG

 sowie den generellen Ausschluss von hauptberuflich Studierenden, die
zugleich als freischaffende Künstler und Künstlerinnen oder Publizisten
und Publizistinnen tätig sind, aus der Künstlersozialversicherung.

2. Die im vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Ver-
besserungen für die Versicherten gehen in einen neuen Gesetzentwurf ein.
Dazu gehören vor allem

 die Ermöglichung des Zugangs der Künstler und Künstlerinnen und
Publizisten und Publizistinnen zur Krankenversicherung der Rentner

 die Möglichkeit, die Berufsanfängerzeit (bezogen auf fünf Jahre) wegen
Unterbrechung der Berufstätigkeit, z. B. zur Kindererziehung, zu verlän-
gern

 die Anpassung der Mindesteinkommensgrenze an die Regelung für ge-
ringfügig beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

 die Einbeziehung der Lehrtätigkeit im Bereich „Wort“ in den Versiche-
rungsschutz

 die Gewährleistung des Versicherungsschutzes auch dann, wenn die Min-
desteinkommensgrenze im Zeitraum von sechs Jahren zweimal nicht er-
reicht wird.

3. Darüber hinaus hat ein neuer Gesetzentwurf der Bundesregierung folgende
Forderungen umzusetzen:

 eine gesetzliche Klarstellung der Verfahrensweise in den Fällen, wo es
zunächst zweifelhaft sein kann, ob eine künstlerische bzw. publizistische
Tätigkeit selbständig oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt wird; Ziel dieser gesetzlichen Klarstellung muss es sein, die
Versicherung der betroffenen Personen ohne langwierige Verwaltungs-
verfahren zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten;

 kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, die die Künstler und Künstlerin-
nen und Publizisten und Publizistinnen im Rahmen ihrer berufsspezifi-
schen Tätigkeiten vorübergehend eingehen, dürfen den Versicherungs-
schutz nach dem KSVG nicht berühren;

 vorübergehende selbständige Tätigkeiten im gleichen Beruf, die nicht
ausgesprochen künstlerischen oder publizistischen Charakter besitzen
(z. B. Übersetzungen von Gutachten durch literarische Übersetzer), müs-
sen in den Versicherungsschutz einbezogen werden;

 erkrankte Künstler und Künstlerinnen und Publizisten und Publizistinnen
erhaltenen einen Anspruch auf Krankengeld von der ersten Krankheits-

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woche an, wobei die dadurch anfallenden zusätzlichen Kosten über den
„Arbeitgeberanteil“ (Verwerter und Bund) abzudecken sind.

4. Die Aufbringung des „Arbeitgeberanteils“ an den Ausgaben der KSK er-
folgt nach folgendem Modus:

 Der Abgabesatz für die Verwerter künstlerischer und publizistischer
Leistungen wird einheitlich für alle Sparten auf 3,3 % der an Künstler
und Künstlerinnen und Publizisten und Publizistinnen gezahlten Entgelte
festgesetzt.

 Die Auffüllung dieser Abgabe der Verwerter bis zum „Arbeitgeberanteil“
von 50 % der Ausgaben der KSK erfolgt über einen Bundeszuschuss, der
nicht unter die Höhe sinken darf, die dem vom Bundesverfassungsgericht
in der Entscheidung vom 8. April 1987 dargestellten Anforderungen ent-
spricht.

 Würde der Bundeszuschuss bei dieser Verfahrensweise in einem Jahr
über 25 % des Gesamtbeitrags steigen, übernehmen die Verwerter diesen
25 % übersteigenden Anteil. Würde der Bundeszuschuss bei dieser Ver-
fahrensweise in einem Jahr auf unter 17 % absinken, wird der Abgabe-
satz der Verwerter entsprechend abgesenkt.

 Die Begründung für eine solche Beteiligung des Bundes am Aufbringen
des „Arbeitgeberanteils“ liegt nicht allein in den Kriterien, die das KSVG
derzeit dafür vorsieht (Selbstvermarktungsanteil, Eintreten für nicht ab-
gabepflichtige Verwerter und für aus Verwertungsgesellschaften stam-
mende Entgelte), sondern grundsätzlich in der kulturpolitischen Verant-
wortung des Bundes für die soziale Absicherung dieses Personenkreises.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung über den bereits eingelei-
teten Novellierungsprozess des KSVG hinaus auf,

1. den weiteren Ausbau der Künstlersozialversicherung vor allem in folgende
Richtungen in Angriff zu nehmen:

 Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes, wie er in diesem Antrag
gefordert wird, auch für Zeiten, in denen selbständige Künstler und
Künstlerinnen und Publizisten und Publizistinnen keine Arbeitseinkom-
men erzielen

 Einführung einer Arbeitslosen- und einer Unfallversicherung für den in
den Geltungsbereich des KSVG fallenden Personenkreis

 Regelungen, mit denen die aus selbständiger künstlerischer und publizis-
tischer Tätigkeit resultierenden niedrigen Renten so angehoben werden,
dass sie in jedem Fall über dem Niveau der Sozialhilfe liegen.

2. Um diesen zukünftigen Ausbau der Künstlersozialversicherung sowie wei-
tere anstehende kulturpolitische Entscheidungen auf eine gesicherte aktuelle
Datenbasis zu stellen, gibt die Bundesregierung eine umfassende Unter-
suchung zur sozialen Lage der selbständigen Künstler und Künstlerinnen
und Publizisten und Publizistinnen in Auftrag (Kultur-Enquete).

Schließlich fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf zu prüfen,
inwieweit ein nach diesem Antrag ausgebautes KSVG als Modell für die so-
ziale Absicherung anderer selbständig tätiger Berufsgruppen (z. B. Honorar-
dozenten an den Weiterbildungseinrichtungen) dienen kann.

Berlin, den 9. Januar 2001

Dr. Heinrich Fink
Dr. Heidi Knake-Werner
Pia Maier
Maritta Böttcher
Roland Claus und Fraktion

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