BT-Drucksache 14/5053

Überlegungen in der Bundesregierung zur Wiedereinführung einer "Kronzeugenregelung"

Vom 22. Dezember 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5053

14. Wahlperiode

22. 12. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Überlegungen in der Bundesregierung zur Wiedereinführung einer
„Kronzeugenregelung“

Im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den „Kronzeugen“ der Bundes-
anwaltschaft gegen angebliche Mitglieder der seit 1995 aufgelösten „Revolu-
tionären Zellen“ vor dem Berliner Kammergericht berichtete die Zeitung „Die
Woche“, in der Bundesregierung werde eine Wiedereinführung der Ende 1999
ausgelaufenen „Kronzeugenregelung“ überlegt. Im Bundesministerium der Jus-
tiz gebe es bereits ein entsprechendes Papier. Wörtlich schreibt die Zeitung: „In
einem so genannten Non-Paper hat das Ministerium vorgeschlagen, im Zuge
einer generellen Neuregelung von Strafzumessungsvorschriften im Strafgesetz-
buch einen neu formulierten Paragrafen 46a einzufügen. Aussagebereite Täter
sollen so wieder mit Strafmilderung rechnen können, wenn sie dazu beitragen,
dass weitere Straftaten verhindert werden, die Aufklärung von Straftaten geför-
dert und weitere Täter ergriffen werden können.“ („Die Woche“, 15. Dezember
2000, S. 12).

Die Fraktion der SPD teile diese Überlegungen im Ministerium, heißt es in dem
gleichen Bericht an anderer Stelle. Die Zeitung weist darauf hin, dass im Bun-
desrat bereits zwei Gesetzentwürfe (aus Rheinland-Pfalz und aus Bayern) vor-
liegen, die ebenfalls eine Wiedereinführung der „Kronzeugenregelung“ vor-
sehen.

Die Zeitung weist in ihrem Bericht darauf hin, dass die 1977 im Zusammen-
hang mit der RAF-Hysterie eingeführte „Kronzeugenregelung“ vor ihrem Aus-
laufen immer heftig kritisiert worden war. „Nur in wenigen Verfahren kam sie
in den letzten zehn Jahren zur Anwendung, und meist entpuppte sich der Kron-
zeuge als wenig zuverlässig. So konnten sich beispielsweise Kronzeugen in
Drogenverfahren nicht mehr an ihre belastenden Aussagen erinnern, nachdem
sie ein mildes Urteil erreicht hatten. Ein ausgestiegener PKK-Aktivist erhängte
sich, weil er an dem ,Verrat an der kurdischen Sache‘ zerbrochen war. Vor
allem Strafverteidiger sehen durch Deals zwischen Kronzeugen und Staats-
anwaltschaft ein faires Verfahren gefährdet.“ („Die Woche“, a. a. O.).

Zitiert wird dann u.a. ein Vertreter des Republikanischen Anwältevereins. Auch
andere Anwälte und Anwaltsorganisationen haben die ausgelaufende „Kron-
zeugenregelung“ in der Vergangenheit immer wieder kritisiert und deren Ab-
schaffung verlangt.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft der oben genannte Bericht zu, dass im Bundesministerium der Justiz
eine Wiedereinführung der „Kronzeugenregelung“ vorbereitet wird?

Wenn ja, in welcher Form und bis zu welchem Zeitpunkt ist diese Wieder-
einführung geplant?

2. Falls der obige Bericht nicht zutrifft, gibt es Überlegungen in der Bundesre-
gierung, eine modifizierte „Kronzeugenregelung“ in anderer Form wieder
einzuführen?

Wenn ja, in welcher Form ist an eine Wiedereinführung gedacht?

3. Wird eine Wiedereinführung der „Kronzeugenregelung“ nach Kenntnis der
Bundesregierung von beiden Regierungsparteien unterstützt?

4. Welche neuen Erkenntnisse veranlassen die Bundesregierung, diese gerade
erst ausgelaufene und lange Jahre auch von Mitgliedern der Regierungspar-
teien immer wieder kritisierte „Kronzeugenregelung“ nunmehr erneut ein-
führen zu wollen?

5. Welche Position nimmt die Bundesregierung zu den beiden Gesetzentwür-
fen aus Bayern und Rheinland-Pfalz ein, die ebenfalls für eine Wiederein-
führung der „Kronzeugenregelung“ plädieren (bitte die Position der Bundes-
regierung zu den beiden Gesetzesvorlagen im einzelnen, d. h. zu jeder dort
vorgeschlagenen „Kronzeugenregelung“ beschreiben.)?

6. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung bei ihren Überlegungen den
zahlreichen ablehnenden Stellungnahmen von Menschenrechtsorganisatio-
nen und Anwaltsverbänden in der Vergangenheit gegenüber der bis Ende
1999 bestehenden „Kronzeugenregelung“ bei?

Berlin, den 20. Dezember 2000

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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