BT-Drucksache 14/4818

Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt

Vom 29. November 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

29. 11. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt

Asylbewerber und andere Flüchtlinge, die die Erteilung einer Arbeitserlaubnis
beantragen, stoßen in jüngerer Zeit häufig auf eine eher pauschale Weigerung
des Arbeitsamtes. Diese wird in der Regel mit einem der beiden folgenden Ar-
gumente begründet:

Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 30. Mai 1997 die Ar-
beitsämter in einem internen Erlass angewiesen, Asylbewerbern, die nach dem
15. Mai 1997 eingereist sind, generell keine Arbeitserlaubnis zu erteilen
(„Blüm-Erlass“). Auf diese Weisung berufen sich viele Arbeitsämter, wenn sie
ohne Einzelfallprüfung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ablehnen. In der
Praxis wird der Erlass auch auf Ausländer mit Duldung angewandt, z. B.
Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo, die kein Asyl beantragt haben.

Die scharfe Kritik an diesem Erlass in Rechtsprechung und der öffentlichen
Diskussion hat inzwischen dazu geführt, dass das Bundesministerium für Ar-
beit und Sozialordnung seine Aufhebung angekündigt hat. Nach einer Einigung
in einer interministeriellen Arbeitsgruppe soll nunmehr zwar der laut dieser
Kritik rechtswidrige Erlass der Vorgängerregierung aufgehoben, zugleich aber
durch ein neu eingeführtes absolutes Arbeitsverbot von 12 Monaten für Asyl-
bewerber und Geduldete die Regelung in der Arbeitsgenehmigungsverordnung
verschärft werden. Die Vorrangprüfung soll allerdings erhalten bleiben, so dass
sich – zumindest bei einer restriktiven Auslegung – an dem in vielen Regionen
aufgrund der Arbeitsmarktlage auch unabhängig von der Aufenthaltsdauer be-
stehenden faktischen Arbeitsverbot für die meisten Asylsuchenden und Gedul-
deten nichts ändern wird.

Eine zweite Argumentationskette beruft sich auf § 285 Abs. 1 Nr. 1 SGB III,
wonach die Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, sofern sich keine negativen
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ergeben. Einige Landesarbeitsämter haben
daraufhin Listen von Berufen erstellt, „für die nach globaler Arbeitsmarktprü-
fung keine Arbeitserlaubnis mehr erteilt wird“. Es soll hier nicht mehr auf die
Umstände im Einzelfall ankommen, sondern es wird pauschal gesagt, dass ein
Arbeitsamt für die Beschäftigung in bestimmten Berufen grundsätzlich keine
Arbeitserlaubnis mehr erteilen darf. Diese Listen sollen angeblich der „Verwal-
tungsvereinfachung“ dienen und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozial-
ordnung ausdrücklich unterstützt worden sein. Die meisten der auf diesen Listen
genannten Berufe sind solche, die gerade Asylbewerber am ehesten ergreifen
können (von „Gärtner“ über „Lagerarbeiter“ bis „Müllarbeiter“), weil sie bei
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deutschen Arbeitslosen eher unbeliebt sind und keine hohen Anforderungen an
(in Deutschland anerkannte) Ausbildungsabschlüsse stellen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie ist der Sachstand bei den Überlegungen zur Aufhebung des Erlasses
vom 30. Mai 1997?

2. Auf welche Weise wird die Bundesregierung eine neue Regelung einführen?

Wird es einen neuen – internen – Erlass geben, eine Rechtsverordnung oder
eine Änderung der Arbeitsgenehmigungsverordnung?

Beabsichtigt die Bundesregierung, dabei das Parlament zu beteiligen?

Wann soll die neue Regelung in Kraft gesetzt werden?

3. Welchen Inhalt wird die neue Regelung haben?

4. Welche Gesichtspunkte haben dazu geführt, in Abweichung von den Rege-
lungen der Arbeitsgenehmigungsverordnung ein zwölfmonatiges Arbeits-
verbot vorzusehen und auch nach Ablauf dieser Frist den Zugang von Asyl-
suchenden und anderen Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt unter den Vorbehalt
der Vorrangprüfung zu stellen?

5. Wann soll die Frist der zwölf Monate beginnen (ab Datum der Asylantrag-
stellung, Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung, Erteilung der Duldung)?

6. Welche Gruppen werden unter die neue Regelung fallen?

a) Werden alle Asylsuchenden davon erfasst werden, oder soll es Ausnah-
men geben?

Wenn es Ausnahmen geben soll, welche?

b) Werden alle Menschen mit einer Duldung hiervon erfasst werden oder
soll es Ausnahmen geben, etwa nach der Dauer des bisherigen Aufenthal-
tes und der sich hieraus ergebenden Integration?

Wenn nicht nach der Dauer des bisherigen Aufenthaltes unterschieden
werden soll, warum nicht?

Wenn es andere Ausnahmen geben soll, welche?

Wenn es keine Ausnahmen geben soll, warum nicht?

c) Werden Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die eine Aufenthaltsbefug-
nis nach § 32a AuslG besitzen, von der Regelung erfasst sein?

Wenn nein, warum nicht?

d) Wird es eine Sonderregelung für Traumatisierte geben?

Wenn nein, warum nicht?

e) Wenn es Ausnahmen geben soll, werden hiervon auch Familienangehö-
rige der jeweils Begünstigten erfasst sein?

Wenn nein, warum nicht?

7. Wird unter der neuen Regelung die Arbeitsgenehmigung nach Ablauf ihrer
Geltungsdauer und bei Fortsetzung der Beschäftigung unabhängig von der
Arbeitsmarktlage, d. h. ohne Vorrangprüfung, verlängert?

Wenn ja, gilt dies für alle Gruppen?

Wenn nein, warum nicht?
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8. In welchen Bundesländern führen nach Kenntnis der Bundesregierung die
Landesarbeitsämter Listen mit Berufen, für die pauschal keine Arbeitsge-
nehmigungen erteilt werden sollen?

9. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Bestimmung des § 285
Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine tragfähige Grundlage für die „Berufslisten“ der
Landesarbeitsämter?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung den gegen die „Berufslisten“ erhobenen
Einwand, der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des deutschen Ar-
beitsmarktes sei schon mit einem „milderen“ Mittel gesichert, nämlich da-
durch, dass etwa ein Asylbewerber erst dann eine Arbeitserlaubnis erhält,
wenn auf die gewünschte Stelle kein Deutscher oder bevorrechtigter Aus-
länder vermittelt werden konnte; der pauschale Ausschluss von bestimmten
Berufen gehe weit über dieses Ziel hinaus und stehe somit nicht auf einer
gesetzlichen Grundlage?

11. Wird es nach Auffassung der Bundesregierung auch nach Erlass der in den
Fragen 1 bis 7 zum Gegenstand gemachten neuen Regelung in den Bundes-
ländern solche „Berufslisten“ geben können, oder werden die „Berufslis-
ten“ dann durch die neue Regelung abgelöst?

Berlin, den 29. November 2000

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion der PDS

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