BT-Drucksache 14/4710

Verhinderung erneuter Gewässerverunreinigungen durch das Totalherbizid Diuron

Vom 22. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4710
14. Wahlperiode 22. 11. 2000

Antrag
der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Winfried Wolf,
Kersten Naumann, Dr. Ruth Fuchs und der Fraktion der PDS

Verhinderung erneuter Gewässerverunreinigungen durch das
Totalherbizid Diuron

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, darauf hinzu-
wirken, dass die Biologische Bundesanstalt, das Umweltbundesamt und
das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinär-
medizin eine Wiederverwendung der Pflanzenschutzmittel mit dem Wirk-
stoff Diuron durch die Deutsche Bahn AG untersagt.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine gesetzliche
Regelung in Abstimmung mit den Ländern vorzulegen, die den Verkauf und
die Anwendung von Totalherbiziden, die wie Diuron über Abschwemmun-
gen aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften die Gewässer belasten, für
Kleinanwender in Gärten und auf befestigten Flächen sowie die Anwendung
auf öffentlichen und gewerblichen nicht landwirtschaftlich genutzten Frei-
flächen ohne Ausnahme verbietet. Die Deutsche Bahn AG ist aufzufordern,
alternative Maßnahmen zur Freihaltung der Gleiskörper anzuwenden.

Berlin, den 22. November 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Dr. Winfried Wolf
Kersten Naumann
Dr. Ruth Fuchs
Roland Claus und Fraktion

Begründung

Die Anwendung von diuronhaltigen Totalherbiziden auf nicht landwirtschaft-
lich genutzten Freiflächen führt offensichtlich zu Abschwemmungen und diffu-
sen Einträgen in die Gewässer. So wurden im Umfeld von Gleisanlagen
Diuron-Funde im oberflächennahen Grundwasser festgestellt mit Überschrei-
tungen des Grenzwertes von 0,1 Mikrogramm pro Liter um das 40- bis 60-fa-
che (Messprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen, der Städte Münster
und München). Der Wirkstoff Diuron hat negative Auswirkungen auf aquati-
sche Kleinstlebewesen und belastet das Rohwasser für die Trinkwassergewin-

Drucksache 14/4710 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
nung, so dass Brunnen wegen Gesundheitsgefährdung durch Überschreitung
des Pestizidgrenzwertes der Trinkwasserverordnung aufgegeben werden müs-
sen oder erhebliche Kosten zur Reinigung des Rohwassers aufgewendet wer-
den müssen.

Hinweise auf das Verbot des § 6 Abs. 2 des Pflanzenschutzgesetzes und Emp-
fehlungen zur sach- und fachgerechten Anwendung haben sich als unwirksam
erwiesen. Eine sach- und fachgerechte Anwendung im Sinne der guten fach-
lichen Praxis der Landwirtschaft ist kaum durchführbar, da die starke Porosität
des Gleisunterbaus (Schotter etc.) praktisch keine Adsorptionsfähigkeit zulässt.
Nicht verwunderlich sind daher Diuronfunde bei der 1 500fachen Konzentra-
tion des EG-Grenzwerts zehn Tage nach der Spritzung, wie sie in einem Gut-
achten des früheren Bundesgesundheitsamtes festgehalten wurden. Die Auf-
wandmenge beim Herbizideinsatz liegt bei 11 kg/ha Gleisanlage bzw. rund
5 kg/km Gleislänge (Bundestagsdrucksache 12/8270, „Grundwasserschutz und
Wasserversorgung“), d. h. um ca. das 5fache höher als bei Anwendungen durch
die Landwirtschaft. Bei der Zulassung wurde zudem bisher lediglich das Versi-
ckerungsverhalten in landwirtschaftlich genutzten Böden untersucht, die Ab-
schwemmung bei der Anwendung auf versiegelten Flächen und Gleisanlagen
aber offensichtlich außer acht gelassen. Bei einer entsprechenden Neubewer-
tung ist daher die Zulassung zu versagen.

Das Totalherbizid Diuron zählt zu den Phenylharnstoffverbindungen, die im
Säugerorganismus zu aromatischen Aminen metabolisiert werden können, bei
Diuron zu 3,4-Dichloranilin. Daher – so der Sachverständigenrat für Umwelt-
fragen in seinem Sondergutachten „Flächendeckend wirksamer Grundwasser-
schutz“ von 1998 – besteht der Verdacht, dass sie auch eine kanzerogene Wir-
kung ausüben können. Viele Vertreter dieser Stoffgruppe der aromatischen
Amine sind in der Liste der Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-
Liste, DFG, 2000) als eindeutig krebserregend im Tierversuch eingestuft,
einige auch als eindeutig kanzerogen für den Menschen. Es ist auch bekannt,
dass diese toxikologischen Eigenschaften durch mehrfache Chlorsubstitution
eher verschärft werden können, worauf einige toxikologische Befunde für das
Diuron schon hindeuten.

Diese Fakten haben 1996 immerhin zur Einstellung der Anwendung von
Diuron durch die Bahn AG geführt: die Herstellerfirma Bayer AG hat das Gift
für drei Jahre vom Markt genommen und die Bahn AG verzichtete freiwillig
auf seinen Einsatz. An der Gefährdungslage durch das Gift hat sich in den drei
Jahren nichts geändert. Dies bestätigen auch Wasserversorger, wie die Gelsen-
wasser AG, die sich in einer Pressemitteilung vom 25. Oktober 2000 klar gegen
die Wiederzulassung und den Einsatz von Diuron ausgesprochen hat und dies
mit den humantoxischen Eigenschaften und den enormen Aufwendungen der
Wasserwerke für die Entfernung des Giftes aus dem Grundwasser begründet.

Daher muss die Deutsche Bahn AG hiermit veranlasst werden, sowohl die aus
Sicherheitsgründen notwendigen Streckenbegehungen (zur Identifizierung von
möglichen Gefährdungen durch Pflanzenbewuchs) als auch die Säuberung der
Strecken von Wildwuchs mit mechanischen und thermischen Mitteln wieder
aufzunehmen.

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