BT-Drucksache 14/4680

Tätigkeit und Auftreten des "Sonderermittlers im Bundeskanzleramt"

Vom 14. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4680
14. Wahlperiode 14. 11. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Kauder, Dr. Rupert Scholz, Eckart von Klaeden,
Wolfgang Bosbach, Hans-Peter Repnik und der Fraktion der CDU/CSU

Tätigkeit und Auftreten des „Sonderermittlers im Bundeskanzleramt“

Am 17. Februar 2000 erklärten der Chef des Bundeskanzleramtes und die Leite-
rin der im Bundeskanzleramt eingerichteten Arbeitsgruppe vor dem 1. Unter-
suchungsausschuss („Parteispenden“), es ergäben sich aus kanzleramtsinternen
sowie aus von der Bonner Staatsanwaltschaft eingeleiteten staatsanwaltschaft-
lichen Ermittlungen keinerlei Hinweise auf eine strafbare vorsätzliche Vernich-
tung von Akten im Bundeskanzleramt. Dennoch hatte der Chef des Bundeskanz-
leramtes bereits am 3. Februar 2000 „disziplinarrechtliche Vorermittlungen
gegen unbekannt“ angeordnet und als Ermittlungsführer Dr. Burkhard Hirsch
bestellt.

In der Presse wurde danach berichtet, Dr. Burkhard Hirsch habe unfaire Ver-
nehmungsmethoden angewandt, so z. B. manipulierte Kopien bei Befragungen
vorgelegt, entlastende Aussagen nicht protokollieren wollen und Befragten
keine Kopie des Befragungsprotokolls zur Verfügung gestellt. Dr. Burkhard
Hirsch soll Personen als Zeugen geladen, sie im Termin aber belehrt haben,
dass sie potentielle Beschuldigte sein könnten mit der Konsequenz, dass es für
das Hinzuziehen eines Anwaltes zu spät war. Darüber hinaus soll Dr. Burkhard
Hirsch Rechtsanwälte als Begleitung von anzuhörenden Personen anfangs ge-
nerell abgelehnt haben („Focus“ vom 3. Juli 2000). Dr. Burkhard Hirsch hat
diesen Vorwürfen widersprochen („Focus“ vom 24. Juli 2000).

Dr. Burkhard Hirsch hat einen unveröffentlichten, als Verschlusssache dekla-
rierten Bericht vorgelegt, den er selbst öffentlich kommentiert und inhaltlich
interpretiert hat. Dieser Bericht wurde von ihm vor dem 1. Untersuchungsaus-
schuss („Parteispenden“) vorgetragen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

– Anstellung als „Sonderermittler“ –

1. Wer hat Dr. Burkhard Hirsch als „Sonderermittler“ der Bundesregierung für
verschwundene Akten im Bundeskanzleramt beauftragt und an welchem
Tag und zu welcher Gelegenheit ist dies geschehen und gibt es über diesen
Vorgang schriftliche Aufzeichnungen?

2. Welchen konkreten Auftrag hatte Dr. Burkhard Hirsch für seine Tätigkeit
und wie lautete die genaue Bezeichnung seiner Tätigkeit?

Drucksache 14/4680 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Dauert die Tätigkeit von Dr. Burkhard Hirsch noch an und falls sie noch
andauert, ist sie befristet – falls ja bis wann?

4. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Erledigung der Arbeit,
falls sie andauert, aber unbefristet ist?

5. Erhielt oder erhält Dr. Burkhard Hirsch für oder im Zusammenhang mit
seiner Tätigkeit als „Sonderermittler“ Geld oder Sachmittel, und – falls ja –
in welcher Höhe, Art oder Größenordnung?

6. Bezog oder bezieht Dr. Burkhard Hirsch für seine Tätigkeit ein Honorar,
Gehalt, eine Besoldung oder dergleichen und – falls ja – in welcher Höhe?

7. Ist die Bundesregierung – insbesondere der Bundeskanzler – der Auffas-
sung, dass es grundsätzlich rechtlich oder politisch unproblematisch ist,
wenn eine Privatperson mit „Sonderermittlungen“ in einer Bundesbehörde
beauftragt wird, wo sie durch ihre Tätigkeit unvermeidbar mit solchen
Dienstgeheimnissen und geschützten personenbezogenen Daten von akti-
ven oder ehemaligen Angestellten oder Beamten in Kontakt kommt, die ihr
normalerweise rechtlich und tatsächlich verschlossen bleiben, und wie be-
gründet sie ihre Auffassung?

8. Welche besondere Qualifikation war für die Auswahl von Dr. Burkhard
Hirsch für die Tätigkeit als „Sonderermittler“ ausschlaggebend und war
Dr. Burkhard Hirsch auf dem Gebiet des Bundesdisziplinarrechtes bereits
tätig, bevor er die „Sonderermittlungen“ im Bundeskanzleramt übernom-
men hatte – und welche konkreten Erfahrungen hatte er?

9. Welche rechtlichen Kriterien und welche Rechtsnormen waren nach An-
sicht der Bundesregierung durch den Behördenleiter des Bundeskanzler-
amtes bei der Auswahl eines „Sonderermittlers“ einzuhalten?

10. Wie begründet die Bundesregierung ihre offenkundige Rechtsansicht, dass
für behördeninterne Vorermittlungen gemäß § 26 Bundesdisziplinarord-
nung (BDO) der Behördenleiter bei der Wahl der Person, die die Vorermitt-
lungen führen soll, frei ist, und der Helfer nicht aus dem Kreis der beim
Dienstherrn beschäftigten und in die Hierarchie eingebundenen Amtsträger
auszuwählen ist?

11. Wie ist diese Rechtsansicht der Bundesregierung mit Artikel 33 Abs. 5 des
Grundgesetzes vereinbar?

12. Ist Dr. Burkhard Hirsch als Privatperson oder als Rechtsanwalt beauftragt
worden und wurde durch die Bundesregierung mit Dr. Burkhard Hirsch ein
Mandatsverhältnis begründet?

– Rechtsstatus –

13. Welche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung liegt der Tätigkeit von
Dr. Burkhard Hirsch zugrunde und welche allgemeine Rechtsnatur und
welche insbesondere beamtenrechtlichen und datenschutzrechtlichen
Rechtsgrundlagen hatte die Tätigkeit der Privatperson Dr. Burkhard
Hirsch?

14. Übte der „Sonderermittler“ Dr. Burkhard Hirsch öffentliche Gewalt aus
und falls seine Tätigkeit öffentlich-rechtlichen Charakter hatte, durch wel-
che Rechtsgestaltung kam Dr. Burkhard Hirsch zu dieser öffentlich-rechtli-
chen Tätigkeit?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4680

15. Welchen dienstrechtlichen Status hatte die Privatperson Dr. Burkhard
Hirsch im Verhältnis zu den von ihm befragten aktiven und ehemaligen Be-
amten des Bundeskanzleramtes und hat die Bundesregierung Dr. Burkhard
Hirsch für seine Tätigkeit disziplinarische Befugnisse erteilt, und, wenn ja,
auf welcher Rechtsgrundlage geschah dies?

16. Ist Dr. Burkhard Hirsch für die Dauer seiner Tätigkeit Angehöriger des
Bundeskanzleramtes und wer übt die Dienstaufsicht über Dr. Burkhard
Hirsch aus und wer ist für diesen Auftrag und die Tätigkeit gegenüber dem
Deutschen Bundestag politisch verantwortlich (Ministerverantwortung)?

17. Auf welche Rechtsgrundlage stützt Dr. Burkhard Hirsch seine Praxis, seine
Korrespondenz als „Sonderermittler“ unter dem Briefkopf „Bundeskanz-
leramt“ zu führen?

18. Auf welcher datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage hatte Dr. Burkhard
Hirsch Zugang zu den personenbezogenen Daten der von ihm vernomme-
nen aktiven und ehemaligen Bediensteten des Bundeskanzleramtes?

19. Hat Dr. Burkhard Hirsch Einsicht in Personalakten oder sonstige personen-
bezogene Unterlagen oder Teile davon genommen oder sind sie ihm in
anderer Form zur Kenntnis gegeben worden und falls ja, auf welcher – ins-
besondere beamten- und datenschutzrechtlicher Rechtsgrundlage – und
durch wen geschah dies?

– Medienarbeit –

20. Ist Dr. Burkhard Hirsch die Erlaubnis erteilt worden, die Erkenntnisse aus
seiner Tätigkeit als „Sonderermittler“ ganz oder teilweise über die Medien
oder anders öffentlich zu verbreiten und – falls ja – wer hat die Genehmi-
gung erteilt und wann ist dies geschehen und auf welcher Rechtsgrundlage
geschah das?

21. In wie vielen Presseveröffentlichungen/Interviews hat Dr. Burkhard Hirsch
seit seiner Beauftragung als „Sonderermittler“ zum Thema der Ermittlun-
gen im Bundeskanzleramt Stellung genommen und in welchem Medium
und an welchem Tag wurden die Presseveröffentlichungen/Interviews je-
weils veröffentlicht?

22. In wie vielen Fernseh-Talkshows ist Dr. Burkhard Hirsch nach Kenntnis
der Bundesregierung seit seiner Beauftragung als „Sonderermittler“ aufge-
treten und hat zum Thema der Ermittlungen im Bundeskanzleramt Stellung
genommen?

23. Welche Vorkehrungen wurden getroffen, damit keine dienstlichen Geheim-
nisse aus dem Bereich des Bundeskanzleramtes oder beamten- und daten-
schutzrechtlich geschützte Daten der von Dr. Burkhard Hirsch oder seinen
Mitarbeitern vernommenen aktiven oder ehemaligen Bediensteten des
Bundeskanzleramtes an die Öffentlichkeit dringen können?

24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass dienstliche Ge-
heimnisse, schützenswerte personenbezogene Daten oder von Dr. Burkhard
Hirsch gewonnene Erkenntnisse Unbefugten zugänglich gemacht worden
sind?

25. Ist der Bundesregierung bekannt, ob der oder die von ihm erstellten Be-
richte oder Informationen daraus von Mitarbeitern der Bundesregierung,
von Mitarbeitern von Dr. Burkhard Hirschs oder durch ihn persönlich ein-
zelnen Presseorganen oder anderen Medien zugespielt worden sind?

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– Tätigkeit –

26. Ist es zutreffend, dass Dr. Burkhard Hirsch zum Teil Vernehmungen nicht
durchgeführt hat, weil ein aktiver oder ehemaliger Bediensteter des Bun-
deskanzleramtes einen Rechtsanwalt zum Gespräch hinzuziehen wollte,
zum Teil jedoch anwaltlichen Beistand zugelassen hat und in wie vielen
Fällen ist dies jeweils geschehen?

27. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung ggf. vor, warum Dr. Burk-
hard Hirsch dies so gehandhabt hat?

28. Ist es ggf. zutreffend, dass Dr. Burkhard Hirsch diese Praxis später aufge-
geben hat und welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, warum
Dr. Burkhard Hirsch seine Praxis geändert hat?

29. Ist die Bundesregierung ggf. der Auffassung, dass diese Änderung der Pra-
xis rechtlich unbedenklich ist?

30. Trifft es zu, dass einem Zeugen anlässlich seiner Anhörung ein sachlich un-
richtiges Dokument („Registraturkarte“) vorgehalten wurde, ausweislich
dessen er Leuna-Akten angeblich am Pfingstsonntag 1996 vorgelegt be-
kommen haben soll?

31. Trifft es weiter zu, dass Dr. Burkhard Hirsch in Kenntnis der Unrichtigkeit
des in vorstehender Frage genannten Dokumentes die Angehörten darüber
nicht unterrichtet und vielmehr dieses Dokument zur Grundlage weiterer
Ermittlungen gemacht hat?

32. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass dieses Vorgehen – lt. Fragen
26, 30 und 31 – rechtlich unbedenklich ist?

33. Trifft es zu, dass durch Dr. Burkhard Hirsch aktive oder ehemalige Beamte
des Bundeskanzleramtes als „Beschuldigte“ vernommen worden sind?

34. Ist ein solches Verhalten nach Rechtsauffassung der Bundesregierung in
einem beamtrechtlichen Vorermittlungsverfahren grundsätzlich rechtlich
zulässig?

35. Ist dieses Verhalten nach Rechtsauffassung der Bundesregierung auch im
speziellen, durch Dr. Burkhard Hirsch im Bundeskanzleramt durchgeführ-
ten „Sonderermittlungsverfahren“ rechtlich zulässig gewesen und – falls
ja – auf welcher Rechtsgrundlage geschah dies?

36. Welche rechtlichen Konsequenzen ergaben sich durch diese Einstufungen
für die Rechtsstellung der vernommenen Personen?

37. Wie wurden die als „Beschuldigte“ bezeichneten Personen auf ihre verän-
derte Rechtsstellung und ihre neu entstandenen Rechte hingewiesen?

38. Hat Dr. Burkhard Hirsch für seine Tätigkeit im Bundeskanzleramt Mitar-
beiter zur Verfügung gestellt bekommen und wenn ja, auf welcher Rechts-
grundlage geschah dies?

39. Wie viele Mitarbeiter sind ihm zur Verfügung gestellt worden und wie und
durch wen wurden diese ausgewählt und welche rechtlichen Kriterien wur-
den bei dieser Auswahl berücksichtigt?

40. Welche besonderen fachlichen Qualifikationen für ihre Tätigkeit weisen
die Mitarbeiter von Dr. Burkhard Hirsch auf?

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41. Ist oder war Dr. Burkhard Hirsch Vorgesetzter gegenüber seinen Mitarbei-
tern und – falls ja – auf welcher Rechtsgrundlage beruht diese Stellung und
welchen rechtlichen Status hatten die Mitarbeiter gegenüber den aktiven
oder ehemaligen Bediensteten des Bundeskanzleramtes, auf deren Befra-
gungen sich die Ermittlungen richteten?

42. Wie wurde allgemein und im Einzelfall gegenüber den von Dr. Burkhard
Hirsch befragten aktiven und ehemaligen Beamten sichergestellt, dass die
Betroffenenrechte nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) – insbe-
sondere das Recht nach § 20 Abs. 2 BDSG – und die Vorschrift des § 39
BDSG jederzeit eingehalten werden?

43. Wie sind die betroffenen Beamten im konkreten Fall über ihre Rechte ge-
genüber Dr. Burkhard Hirsch und seinen Mitarbeitern informiert worden?

44. Teilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung, dass zu den Rechten der
betroffenen aktiven und ehemaligen Bediensteten des Bundeskanzleramtes
u. a. die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zu den Gesprächen mit
Dr. Burkhard Hirsch oder seinen Mitarbeitern gehörte?

45. Wie viele Berichte hat Dr. Burkhard Hirsch erstellt und wann und wem hat
Dr. Burkhard Hirsch seine Berichte vorgelegt?

46. Wann und durch wen erfolgte eine Einstufung der Berichte als Verschluss-
sache?

Berlin, den 14. November 2000

Volker Kauder
Dr. Rupert Scholz
Eckart von Klaeden
Wolfgang Bosbach
Hans-Peter Repnik
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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