BT-Drucksache 14/4651

Outsourcing der gesetzlichen Krankenkassen

Vom 14. November 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4651

14. Wahlperiode

14. 11. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Wolf Bauer, Dr. Sabine
Bergmann-Pohl, Dr. Hans Georg Faust, Hubert Hüppe, Dr. Harald Kahl, Eva-Maria
Kors, Hans-Peter Repnik, Annette Widmann-Mauz, Aribert Wolf, Wolfgang Zöller
und der Fraktion der CDU/CSU

Outsourcing der gesetzlichen Krankenkassen

In ihrer Antwort vom 17. Februar 2000 hat die Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage betreffend „Beteiligungsgesellschaften der Spitzenverbände der gesetz-
lichen Krankenkassen“ (Bundestagsdrucksache 14/2548) zu der Frage der ver-
mehrten Aufgabenauslagerung und Gründung von Beteiligungsgesellschaften
(Frage 5) durch die Spitzenverbände der Krankenkassen die Ansicht vertreten, es
bestünden keine grundsätzliche Bedenken dagegen, dass „Krankenkassen und
ihre Verbände nach Effizienzkriterien wichtige unterstützende Tätigkeitsfelder
auslagern und diese Tätigkeiten in Form von privaten Gesellschaften, an denen
sie auch selbst beteiligt sein können, erbringen“ zu lassen. Für gesetzliche Rege-
lungen zum Outsourcing von Aufgaben gebe es derzeit keinen Bedarf (Antwort
zu Frage 18).
Um ihre Vermögens- und Liquiditätslage zu verbessern, suchen derzeit vermehrt
auch Versicherungsträger ihr in Grundstücken angelegtes Verwaltungsvermögen
zugunsten des Betriebsmittelbestandes zu reduzieren. Zu diesem Zweck werden
erhebliche Teile des Grundbesitzes der Versicherungsträger an privatrechtlich
organisierte Gesellschaften veräußert und anschließend wieder geleast, sog. „sale
and lease back“. An den Grundstücksverwaltungsgesellschaften sollen in der
Regel auch private Investoren beteiligt werden, die als Leasinggeber bei Leasing-
modellen zur Verbesserung der Rendite auch steuerliche Vorteile anstreben.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Bundesregierung:
1. Welche zusätzlichen Kosten sind zu erwarten, falls Teile des Immobilienver-

mögens eines Sozialversicherungsträgers auf privatrechtliche Gesellschaften
übertragen werden und hält das Bundesministerium für Gesundheit es für
gerechtfertigt, diese Kosten der Versichertengemeinschaft aufzuerlegen?

2. Welche steuerlichen Auswirkungen wären bei einer solchen Privatisierung
der Grundstücksverwaltung zu erwarten, insbesondere bei einer Beteiligung
von privaten Investoren?
Wie und zu wessen Lasten sollen etwaige Steuermindereinnahmen ausge-
glichen werden?

3. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung bei Krankenkassen gerecht-
fertigt, dass Immobilien, die nach der Systematik des Sozialversicherungs-
rechts steuerlich nicht abgeschrieben werden können, über ein „sale and
lease back-Verfahren“ der steuerlichen Abschreibung zugeführt werden?
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Liegt hier ein Missbrauch von Gestaltungsformen und eine Umgehung
zwingender sozialversicherungsrechtlicher und haushaltsrechtlicher Vor-
schriften vor, und wenn ja, inwieweit?

4. Sieht das Bundesministerium für Gesundheit trotz der zunehmenden Be-
strebungen der Sozialversicherungsträger nach wie vor keine Gefahr, dass
mit der Gründung derartiger Gesellschaften ein Ausweichen der Versiche-
rungsträger in das Privatrecht zur Vermeidung insbesondere der Aufsichts-
und Prüfrechte der Aufsichtsbehörden erfolgen soll (vgl. Frage 12 der An-
frage zu Beteiligungsgesellschaften der Spitzenverbände der gesetzlichen
Krankenkassen)?
Ist nach Auffassung des Bundesministerium für Gesundheit eine Trennung
von „Kernaufgaben“ der Sozialversicherungsträger und Verwaltung der für
die Erfüllung dieser Kernaufgaben erforderlichen Grundstücke zulässig?

5. Sieht das Bundesministerium für Gesundheit trotz der zunehmenden Be-
strebungen der Sozialversicherungsträger nach wie vor keinen Bedarf,
ein Outsourcing von Aufgaben zu regeln?

6. Vertritt das Bundesministerium für Gesundheit die Auffassung, dass Ver-
tragswerke zum „sale and lease back“ insgesamt der Genehmigung nach
§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB IV bedürfen?
Stehen einer solchen Genehmigung gesetzliche Vorschriften entgegen?
Wird insbesondere gegen § 24 Verordnung über das Haushaltswesen in der
Sozialversicherung (SVHV) verstoßen?

7. Werden durch die Durchführung eines „sale and lease back“-Modells die
Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit verletzt?
Müssen Verpflichtungen aus „Privatfinanzierungen“ im Interesse der Haus-
haltsklarheit und -wahrheit wie eine Kreditaufnahme behandelt werden?

8. Bewertet das Bundesministerium für Gesundheit den Verkauf von Immobi-
lienvermögen eines Versicherungsträgers an eine privatrechtliche Gesell-
schaft, an der private Investoren beteiligt werden, als Kreditaufnahme?

9. Wie beurteilt das Bundesministerium für Gesundheit mögliche Risiken bei
einem Verkauf von Immobilienvermögen an eine privatrechtliche Immobili-
enverwaltungsgesellschaft, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche In-
solvenz dieser Gesellschaft bzw. von privaten Mitgesellschaften?
Wie wird vom Bundesministerium für Gesundheit die Frage einer mög-
lichen Ausfallhaftung des Staates und damit des Steuerzahlers beurteilt,
die sich angesichts eines mit dem Verkauf von Immobilienvermögen ver-
bundenen Entzugs der Haftungsmasse aufdrängt?

10. Ist das Bundesministerium für Gesundheit nach wie vor der Ansicht, eine ge-
setzliche Regelung zur Zulässigkeit der Aufgabenverlagerung durch Sozial-
versicherungsträger auf privatrechtlich organisierte Dritte sei derzeit nicht
erforderlich, da gegen eine solche Verlagerung keine Bedenken bestünden?

11. Ist dem Bundesministerium für Gesundheit die Haltung des Bundesrech-
nungshofs und des Bundesversicherungsamtes zum Problemkreis des „sale
and lease back“ durch Sozialversicherungsträger bekannt?

Berlin, den 14. November 2000

Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Dr. Wolf Bauer
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Dr. Hans Georg Faust

Hubert Hüppe
Dr. Harald Kahl
Eva-Maria Kors
Hans-Peter Repnik

Annette Widmann-Mauz
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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