BT-Drucksache 14/4584

zu dem EA der Abg. Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiterer Abg. und der Frakt. des SPD sowie der Abg. Claudia Roth (Augsburg), w. Abg. und der Frakt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14/4269- Zur vereinb Debatte zur EU-Grundrechtecharta zu dem A der Abg. Wolfgang Bosbach, w. Abg. und der Frakt. der CDU/CSU 14/4246 Entwurf der Charta der Grundrechte der Europä. Union zu dem A der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, w. Abg. und der Frak. der F.D.P. 14/4253 Europä. Grundrechtecharta als Eckstein einer europä. Verfassung

Vom 10. November 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4584

14. Wahlperiode

10. 11. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht

des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(22. Ausschuss)

1. zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm),
Joachim Poß, Günter Gloser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing,
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/4269 –

Zur vereinbarten Debatte zur EU-Grundrechtecharta

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Peter Hintze,
Norbert Geis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/4246 –

Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

3. zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der F.D.P.
– Drucksache 14/4253 –

Europäische Grundrechte-Charta als Eckstein einer europäischen Verfassung

A. Problem

Am 2. Oktober 2000 hat der Konvent zur Erarbeitung einer EU-Grund-
rechtecharta unter der Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Prof. Dr.
Roman Herzog seine Beratungen abgeschlossen. Nach etwas mehr als neun
Monaten und mehr als 30 Sitzungstagen in Brüssel hat der Konvent fristgerecht
den Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verabschiedet
(Anlage).
Drucksache

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4584

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Idee einer Europäischen Charta der Grundrechte geht auf die Initiative der
Bundesregierung zurück. Der Europäische Rat in Köln vom 3./4. Juni 1999
hatte sich in seinen Schlussfolgerungen für die Kodifizierungen der auf der
Ebene der Europäischen Union geltenden Grundrechte in einer Charta der
Grundrechte der Europäischen Union ausgesprochen, um die überragende Be-
deutung der Grundrechte und ihre Tragweite für die Unionsbürger sichtbar zu
verankern, die Transparenz und Rechtssicherheit in Bezug auf den Umfang des
Grundrechtsschutzes zu verbessern sowie die Identität und Legitimität der
Union zu stärken.

Der informelle Europäische Rat in Biarritz am 13./14. Oktober 2000 hat den
Entwurf der Europäischen Grundrechte-Charta in der ihm vorgelegten Fassung
gebilligt und den Beitrag dieses Textes zu dem Werte- und Gesellschaftsmodell,
auf dem die Europäische Union basiert, begrüßt. Der Text wird dann dem Euro-
päischen Rat von Nizza zur feierlichen Proklamation zugeleitet. Mit den vorlie-
genden Anträgen wird auf den Inhalt und den künftigen Status der Grund-
rechte-Charta eingegangen.

B. Lösung

1. Annahme des Entschließungsantrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN Zur vereinbarten Debatte zur EU-Grundrechtecharta (Druck-
sache 14/4269).

Mehrheit im Ausschuss

2. Ablehnung des Antrages der Fraktion der CDU/CSU Entwurf der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) und des Antra-
ges der Fraktion der F.D.P. Europäische Grundrechte-Charta als Eckstein ei-
ner europäischen Verfassung (Drucksache 14/4253).

Mehrheit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

14/

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Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Drucksache 14/4269 anzunehmen,

2. den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4246 und

3. den Antrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4253 abzulehnen.

Berlin, den 14. November 2000

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Dr. Friedbert Pfüger

Vorsitzender
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Berichterstatter
Peter Altmaier

Berichterstatter
Claudia Roth (Augsburg)

Berichterstatterin

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Berichterstatterin
Uwe Hiksch

Berichterstatter
Drucksache

14/

4584

– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Peter Altmaier,
Claudia Roth (Augsburg), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Uwe Hiksch

1. Beratungsverfahren

Der Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur vereinbarten Debatte zur
EU-Grundrechtecharta (Drucksache 14/4269) wurde in der
124. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Oktober
2000 an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europä-
ischen Union federführend sowie an den Auswärtigen Aus-
schuss, den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Aus-
schuss für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe und an den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen.

Der Entschließungantrag wurde in der 129. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 8. November 2000 außerdem an
den Ausschuss für Gesundheit, an den Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie an
den Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung
überwiesen.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 54. Sitzung am
8. November 2000, der Innenausschuss in seiner 46. Sit-
zung am 8. November 2000, der Rechtsausschuss in seiner
64. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung in seiner 62. Sitzung am 8. November
2000, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit in seiner 46. Sitzung am 8. November 2000, der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in sei-
ner 48. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe in seiner 49. Sitzung
am 8. November 2000, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie in seiner 40. Sitzung am 8. November 2000,
der Ausschuss für Gesundheit in seiner 65. Sitzung am
8. November 2000, der Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung in seiner 34. Sitzung am
8. November 2000 und der Ausschuss für Kultur und
Medien in seiner 43. Sitzung am 8. November 2000 die
Annahme des Entschließungsantrags empfohlen.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU Entwurf der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/
4246) wurde in der 124. Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges am 12. Oktober 2000 an den Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union federführend sowie an
den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung, den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit, den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe,
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung und den Ausschuss für Kultur und Medien zur
Mitberatung überwiesen.

In der 127. Sitzung am 26. Oktober 2000 wurde der Antrag
auch an den Auswärtigen Ausschuss zur Mitberatung über-
wiesen.

Der Innenausschuss hat in seiner 46. Sitzung am 8. Novem-
ber 2000, der Rechtsausschuss hat in seiner 64. Sitzung am
8. November 2000, der Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie hat in seiner 40. Sitzung am 8. November 2000, der
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hat in seiner
62. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 48. Sitzung
am 8. November 2000, der Ausschuss für Gesundheit hat in
seiner 65. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat in seiner
46. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe in seiner 49. Sitzung am
8. November 2000, der Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung hat in seiner 33. Sitzung am
25. Oktober 2000, der Ausschuss für Kultur und Medien in
seiner 43. Sitzung am 8. November 2000 und der Auswär-
tige Ausschuss in seiner 54. Sitzung am 8. November 2000
die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Antrag der Fraktion der F.D.P. Europäische Grund-
rechte-Charta als Eckstein einer europäischen Verfassung
(Drucksache 14/4253) wurde in der 124. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 12. Oktober 2000 an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union, den In-
nenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit und
Soialordnung, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung und den Ausschuss für Kultur und Medien zur
Mitberatung überwiesen.

In der 127. Sitzung am 26. Oktober 2000 wurde der Antrag
auch an den Auswärtigen Ausschuss zur Mitberatung über-
wiesen.

Der Innenausschuss hat in seiner 46. Sitzung am 8. No-
vember 2000, der Rechtsausschuss hat in seiner 64. Sit-
zung am 8. Novemer 2000, der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie hat in seiner 40. Sitzung am 8. November
2000, der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hat in
seiner 62. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner
48. Sitzung am 8. November 2000, der Ausschuss für Ge-
sundheit hat in seiner 65. Sitzung am 8. November 2000,
der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat in seiner 46. Sitzung am 8. November 2000,
der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat in seiner 49. Sitzung am 8. November 2000, der Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung hat in seiner 33. Sitzung am 25. Oktober 2000, der
Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner 43. Sitzung
am 8. November 2000 und der Auswärtige Ausschuss hat
in seiner 54. Sitzung am 8. November 2000 die Ableh-
nung des Antrags empfohlen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 –

Drucksache

14/

4584

2. Gegenstand der Anträge

a) In dem Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zur vereinbarten Debatte
zur EU-Grundrechtecharta (Drucksache 14/4269) wird
zunächst der Abschluss der Arbeit des Konvents zur
Ausarbeitung der Grundrechtecharta begrüßt. Darin wird
ausgeführt, dass die Charta zukünftig einen wichtigen
Beitrag zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger
mit der Europäischen Union leisten könne, nicht zuletzt
weil neben den Freiheits- und Bürgerrechten auch sozi-
ale Grundrechte einen grundsätzlich gleichberechtigten
Niederschlag in der Charta gefunden hätten. In den Ent-
schließungsantrag wird außerdem die Verankerung der
Unverletzlichkeit der Menschenwürde in Artikel 1 an
der Spitze der Charta begrüßt. Insgesamt sei der Entwurf
der EU-Grundrechtecharta vor dem Hintergrund sehr un-
terschiedlicher nationaler Verfassungstraditionen ein
großer Erfolg. In dem Entschließungsantrag wird die
Bundesregierung aufgefordert, sich für die frühestmögli-
che Aufnahme der Grundrechtecharta in die europäi-
schen Verträge einzusetzen und zu prüfen, ob zur Charta
ein unionsweites Referendum ermöglicht und durchge-
führt werden könne.

Zudem solle sich die Bundesregierung dafür einsetzen,
dass eine europäische Verfassung formuliert werde, in
der sowohl die Kompetenzabgrenzungen zwischen den
europäischen Organen auf der einen und den Mitglied-
staaten und Regionen auf der anderen Seite als auch die
Entscheidungsverfahren innerhalb der EU klar geregelt
würden. Die Bundesregierung solle ferner prüfen, wie
die mit dem Konventsmodell zur Erarbeitung der Grund-
rechtecharta gemachten Erfahrungen in die Vorbereitung
künftiger europäischer Vertragsrevisionen einfließen
könnten.

b) In dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Entwurf der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Druck-
sache 14/4246) wird zunächst betont, dass durch die
EU-Grundrechtecharta das Wertefundament der Europä-
ischen Union befestigt und die demokratische und recht-
liche Kontrolle der europäischen Institutionen und ihrer
Entscheidungen verbessert werde. Sie sei außerdem ein
wesentliches Element eines künftigen europäischen Ver-
fassungsvertrags. Ferner wird festgestellt, dass sich die
EU-Grundrechtecharta zum europäischen Menschenbild
auf christlich-abendländischer Grundlage bekenne. Sie
wirke nicht nur identitätsstiftend für die Bürger der
Union, sondern sei darüber hinaus auch ein wichtiges
politisches Signal für die EU-Beitrittskandidaten sowie
für Demokratie-, Menschen- und Bürgerrechtsbewegun-
gen in aller Welt. In dem Antrag wird hervorgehoben,
dass die Charta den Bürgern einen Grundrechtsschutz im
Rahmen der Zuständigkeit der EU garantiere. Ange-
sichts der nicht klar definierten Zuständigkeitsverteilung
im EU- und EG-Vertrag unterstreiche die Verabschie-
dung der EU-Grundrechtecharta die Notwendigkeit einer
umfassenden Zuständigkeits- und Kompetenzabgren-
zung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten. In
dem Antrag spricht sich die Fraktion der CDU/CSU da-
für aus, dass die in der Charta aufgeführten Grundrechte
rechtsverbindlich würden, damit die Bürger der Union

ihre Rechte gegenüber den EU-Organen auch tatsächlich
einklagen könnten. Dabei sei sicherzustellen, dass auf
Gemeinschaftsebene nur solche Rechte einklagbar seien,
die auch unstreitig in den Kompetenzbereich der Ge-
meinschaft fielen. In dem Antrag werden insbesondere
begrüßt: das eindeutige Bekenntnis zur Unantastbarkeit
der Menschenwürde in Artikel 1 der Charta, die Berück-
sichtigung der neueren Entwicklungen im Rahmen der
Medizin und Biologie, das ausdrückliche Bekenntnis zur
unternehmerischen Freiheit, die institutionelle Garantie
des Asylrechts, das Bekenntnis zur Vielfalt der Kulturen,
Religionen und Sprachen in Europa sowie ein ausdrück-
liches Verbot von Kollektiv-Ausweisungen und damit
auch von Vertreibungen. Es wird dennoch bedauert, dass
kein Grundrecht auf Heimat in die Charta aufgenommen
worden sei. Für die Erarbeitung des Charta-Entwurfs
habe sich das gewählte Verfahren eines „Konvents“ be-
währt. Es habe sich positiv auf die politische Ausgewo-
genheit des Charta-Entwurfs ausgewirkt und zudem die
Einbeziehung einer weitaus größeren Öffentlichkeit er-
möglicht. In dem Antrag wird dem Vorsitzenden des
Konvents, Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Roman Her-
zog, für sein großes Engagement beim Zustandekommen
des Charta-Entwurfs gedankt.

c) In dem Antrag der F.D.P. Europäische Grund-
rechte-Charta als Eckstein einer europäischen Verfassung
(Drucksache 14/4253) wird zunächst festgestellt, dass es
dem Konvent zur Erarbeitung eines Entwurfs einer
EU-Grundrechte-Charta gelungen sei, die verschiedenen
Rechts- und Verfassungstraditionen sowie die unter-
schiedlichen europapolitischen Auffassungen der
EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Es sei ihm darü-
ber hinaus gelungen, die Charta inhaltlich so auszugestal-
ten, dass sie nicht hinter den in Europa und den europäi-
schen Staaten bereits geltenden Grundrechtsstandards
zurückbleibe, sondern diese sogar in mancher Hinsicht
noch übertreffe. Dies sei zu einem erheblichen Teil das
Verdienst des Vorsitzenden des Konvents, Bundespräsi-
dent a. D. Prof. Dr. Roman Herzog. Der Entwurf der
Charta stelle den Eckstein für die zukünftige Verfassung
des vereinigten Europas dar. Damit sei auch ein wichtiger
Schritt hin zur allmählichen Herausbildung einer födera-
len, bundesstaatlich geordneten Europäischen Union
vollzogen worden. Diese Ordnung werde in den nächsten
Jahren ausgefüllt werden müssen durch eine klare Kom-
petenzabgrenzung zwischen den Befugnissen der europä-
ischen Organe und der Mitgliedstaaten sowie durch eine
immer stärkere demokratische Legitimation der Ent-
scheidungsverfahren in der EU. Sowohl die europäische
Verfassung im weiteren Sinne als auch die Europäische
Grundrechte-Charta müssten sich auf eine breite Zustim-
mung der Bürgerinnen und Bürger Europas stützen, die
auch Gelegenheit haben müssten, auf die Charta direkt
Einfluss zu nehmen. Sie müssten Änderungswünsche
vorbringen können, und sie sollten in den anschließenden
Ratifizierungsprozess, der die Grundrechte-Charta zu
einem rechtsverbindlichen Teil einer künftigen europäi-
schen Verfassung machen solle, durch eine Volksabstim-
mung einbezogen werden. In dem Antrag wird die Bun-
desregierung aufgefordert, sich auf dem Sonder-ER
Biarritz für die Annahme der Grundrechte-Charta einzu-
Drucksache

14/

4584

– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

setzen und eine umfassende Bürgerbeteiligung vor der
endgültigen Verabschiedung der Charta und ihrer Auf-
nahme in die Europäischen Verträge sicherzustellen, um
der Gefahr einer Spaltung der Rechtsprechung zwischen
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Europä-
ischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu be-
gegnen. Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufge-
fordert, sich für den Beitritt der Europäischen Union zur
Europäischen Konvention zum Schutze der Menschen-
rechte (EMRK) einzusetzen (s. zum Auftrag und zur Zu-
sammensetzung des Konvents Drucksache 14/1819).

3. Beratungsverfahren – federführender Ausschuss

Der

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union

hat sich im Vorfeld der Arbeitsaufnahme des
Konvents am 17. Dezember 1999 sowie seither in mehreren
Sitzungen mit der Europäischen Grundrechtecharta befasst.
Dabei haben den Aussschuss teilweise Vertreter der Bun-
desregierung sowie die Vertreter im Konvent, die Abgeord-
neten Dr. Jürgen Meyer (Ulm) und Peter Altmaier (als Stell-
vertreter), unterrichtet.

Am 5. April 2000 hat der EU-Ausschuss gemeinsam mit
dem Ausschuss für Fragen der Europäischen Union des
Bundesrates eine ganztägige öffentliche Anhörung zu der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union durchge-
führt. Deutscher Bundestag und Bundesrat gehörten damit
zu den ersten Parlamenten der Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union, die die Anregung des Konvents zur Erarbei-
tung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
aufgegriffen und umgesetzt haben, öffentliche Diskussionen
in den Mitgliedstaaten zu initiieren. Alle Ausschüsse des
Deutschen Bundestages waren zu der Anhörung eingeladen
worden. An der Anhörung nahmen außerdem Experten und
Vertreter der Zivilgesellschaft teil. Darüber hinaus wurde ei-
ner ganzen Reihe weiterer Organisationen und Institutionen
die Gelegenheit eingeräumt, schriftliche Stellungnahmen
einzureichen.

Darüber hinaus führte der Ausschuss für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union mit allen mitberatenden Aus-
schüssen am 16. Mai 2000 im unmittelbaren Vorfeld der
Plenardebatte zur Europäischen Grundrechtecharta ein Ge-
spräch mit dem Vorsitzenden des Konvents zur Erarbeitung
der Europäischen Grundrechtecharta, Bundespräsident a. D.
Prof. Dr. Roman Herzog.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat sich seither in mehreren Sitzungen mit der Euro-
päischen Grundrechtecharta befasst (s. zum Inhalt der Euro-
päischen Grundrechtecharta die Beschlussempfehlung und
den Bericht auf Drucksache 14/3800).

Dabei wurde seitens der Fraktion der SPD nicht zuletzt auf
die mehrheitlich parlamentarische Zusammensetzung des
Konvents sowie auf seine zuständigen Kontakte zur Öffent-
lichkeit, zu interessierten Verbänden, zu NGOs und zu den
Bürgerinnen und Bürgern als Voraussetzung für eine erfolg-
reiche Erarbeitung der Charta verwiesen. Aufgabe des Kon-
vents sei es gewesen, ein Dokument auf der Grundlage der
gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten zu
formulieren. So habe er den Versuch unternommen, eine
Wertegemeinschaft und so etwas wie eine europäische Iden-

tität erstmals in einem umfassenden Dokument zu beschrei-
ben.

Was den Inhalt der Charta anbetrifft, so sprach sich die
Fraktion der SPD insbesondere für die Verankerung der
„Würde des Menschen“ in der Charta aus. Die Unverletz-
lichkeit der menschlichen Würde gelte als Grundlage nicht
nur des Kapitels I, sondern der Charta insgesamt. Der
Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde sei zu-
dem eine Absage an den Rechtsextremismus. Besonderer
Wert wurde auf die Aufnahme der neuen Generation von
Grundrechten, wie z. B. im Bereich der Bioethik gelegt.
Darüber hinaus wurde von der Fraktion betont, dass in Be-
zug auf Kapitel II „Freiheiten“ dem Wunsch des Deutschen
Bundestages entsprochen worden sei, in den Artikel über
„Gewissensfreiheit“ das Grundrecht auf Wehrdienstverwei-
gerung aus Gewissensgründen aufzunehmen. Auch die Auf-
nahme der Freiheit von Forschung und Kunst sowie die
Achtung der akademischen Freiheit in die Charta hielt sie
für wichtig. Hinsichtlich der Regelung des Grundrechts auf
Eigentum war die Fraktion der Auffassung, dass die Charta
teilweise fortschrittlicher sei als Artikel 14 des Grundgeset-
zes.

Von der Fraktion wurde außerdem die Aufnahme einiger
Grundrechte modernen Charakters in die Charta gefordert.
Daher wurde von ihr begrüßt, dass in Kapitel III Artikel 23
die modernste Formulierung des Gebots der Gleichstellung
von Männern und Frauen verankert worden sei. Auch sei
der „Solidarität“, also den sozialen Grundrechten, erstmals
in einem europäischen Grundrechtstext der gleiche Stellen-
wert eingeräumt worden wie den politischen Grundrechten,
da sie beide Ausfluss der Würde des Menschen seien. Von
zentraler Bedeutung seien nicht zuletzt die horizontalen Be-
stimmungen im VII. und letzten Kapitel. Seitens der Frak-
tion wurde insbesondere auf die Tatsache hingewiesen, dass
die Charta keine neuen Kompetenzen begründen solle. Ge-
nauso müsse darauf geachtet werden, dass es durch die
Charta keine Absenkung des Schutzniveaus der nationalen
Verfassungen gebe.

In Bezug auf den künftigen Status des Entwurfs der
EU-Grundrechtecharta wurde die vom Vorsitzenden des
Konvents, Prof. Dr. Roman Herzog, so genannten
Als-Ob-Theorie befürwortet, wonach jeder Artikel so zu
formulieren sei, dass er auch ohne Veränderung rechtskräf-
tig werden könne.

Seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde die EU-Grund-
rechtecharta als die künftige Seele der Europäischen Union
bezeichnet. Gerade am Vorabend wichtiger Entscheidungen
sei es besonders wichtig, über das Wertefundament Klarheit
zu schaffen. Deshalb sei es entscheidend, dass sich der Kon-
vent in der Präambel zu dieser Charta eindeutig zur zentra-
len Rolle der Menschenwürde sowie der Person und zum
Prinzip der Subsidiarität bekenne. Dies sei ein Bekenntnis
zum europäischen Menschenbild, das auf der christlichen
Tradition und auf der Tradition der Aufklärung beruhe.
Auch seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde begrüßt,
dass der Konvent, der aus 60 Vertretern aus unterschied-
lichen Ländern mit unterschiedlichen Rechtstraditionen und
den unterschiedlichsten politischen Auffassungen zusam-
mengesetzt war, sich zum Ziel gesetzt habe, eine gemein-
same Arbeitskultur herauszubilden, um sich schließlich auf
Drucksache

14/

4584

– 7 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gemeinsame Positionen zu verständigen. Darüber hinaus
wurde auch von der Fraktion der CDU/CSU die Transpa-
renz des Konvents und die Beteiligung der Öffentlichkeit
an seiner Arbeit immer wieder hervorgehoben. Die Fraktion
ist der Auffassung, dass der Entwurf der EU-Grund-
rechtecharta für viele Verfassungen und für viele Grund-
rechtskapitel in Verfassungen osteuropäischer Länder und
junger Demokratien in der Dritten Welt Pate stehen werde.
So werde von der Charta auch die Signalwirkung ausgehen,
dass die Europäische Union mehr sei als eine Freihandels-
zone und ein Binnenmarkt, nämlich vor allem eine Wertege-
meinschaft, die auf dem Prinzip der Demokratie beruhe. Be-
sonderer Wert wurde von der Fraktion auf die Verankerung
der Gruppen- und Minderheitenrechte gelegt. Darüber
wurde jedoch kein Konsens im Konvent erzielt.

Trotz dieser und manch anderer Defizite wurde die Charta
vor allen Dingen als Katalysator für den weiteren Prozess
der europäischen Integration betrachtet. Die Charta werde
die Europäische Union auf dem Weg zu einer europäischen
Verfassungsgebung weiter voranbringen. Besonders hervor-
gehoben wurde das Prinzip, wonach die Grundrechtecharta
die bisherigen Zuständigkeiten der Europäischen Union
nicht ausweiten dürfe, sondern vielmehr ihre Anwendung
und Ausübung besser kontrollieren und überwachen lassen
solle. Darüber hinaus sei nach Auffassung der Fraktion die
Zuständigkeitsverteilung an vielen Stellen des EU-Vertrages
bisher nicht eindeutig und klar geregelt. Deshalb halte sie es
für notwendig, dass von der Charta ausgehend eine Diskus-
sion über die Frage in Gang gesetzt werde, wer in Europa
was mache. Die Grundrechtecharta werde außerdem ein
weiteres wichtiges Projekt vorantreiben, nämlich die Demo-
kratisierung der Europäischen Union.

Hinsichtlich des künftigen Status der EU-Grundrechtecharta
sprach sich die Fraktion der CDU/CSU für die Rechtsver-
bindlichkeit aus. So forderte sie die Bundesregierung auf,
sich dafür einzusetzen, dass in Nizza und Biarritz wenigs-
tens ein Fahrplan für die Aufnahme der Grundrechtecharta
in die Europäischen Verträge aufgestellt werde, und zwar
nicht in ferner Zukunft, sondern bei der nächsten großen an-
stehenden Vertragsrevision, d. h. gemeinsam mit den Kom-
petenzabgrenzungen und mit dem, was als Kernelemente
einer Europäischen Verfassung bezeichnet werde.

Auch seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kon-
vents als wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Erar-
beitung des Entwurfs der EU-Grundrechtecharta angesehen.
Vor allem die Zusammensetzung des Konvents, der mehr-
heitlich mit Parlamentariern des Europaparlaments und der
nationalen Parlamente besetzt war, wurde als Parlamentari-
sierung des Integrationsprozesses angesehen. Die Trans-
parenz, die die Arbeit des Konvents gekennzeichnet habe,
sei in diesem Maße gerade für einen europäischen Prozess
einmalig. Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde insbesondere begrüßt, dass die Charta einer der mo-
dernsten Grundrechtskataloge sei. Wichtig für die Fraktion
war erstens die Verankerung der Unteilbarkeit der Men-
schenrechte in der Charta. Zweitens wurde begrüßt, dass die
so genannten neuen oder modernen Grundrechte ihren Nie-
derschlag in der Charta gefunden hätten, z. B. der Umwelt-
schutz, der Datenschutz und der Verbraucherschutz. Drit-

tens unterstützte die Fraktion die Aufnahme der neuen
Generation von Grundrechten, wie z. B. in den Bereichen
der Bioethik und der Antidiskriminierung. Viertens wurde
darauf Wert gelegt, dass der Grundrechtskatalog durchweg
geschlechtsneutral formuliert werde. Schließlich sprach sich
die Fraktion für die kurze, knappe und lesbare Formulierung
der Grundrechtecharta aus.

Nach Auffassung der Fraktion werde mit dem Entwurf der
EU-Grundrechtecharta das Wertefundament auf dem Weg
zur politischen Union gelegt. Dennoch sei eine Reihe von
grundsätzlichen Vorstellungen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN nicht realisiert worden. So seien der Um-
weltschutz und die Bioethik ungenügend geregelt worden.
Auf den Tierschutz werde in der Charta nicht eingegangen.
Auch die Regelung in Bezug auf das Asylrecht sei unzurei-
chend. Des Weiteren bemängelte die Fraktion die Defizite
beim Minderheitenschutz. Gleichwohl wurde von der Frak-
tion gewürdigt, dass die Charta einige Themen in fort-
schrittlicher Weise behandele, so etwa die Antidiskriminie-
rung, den Schutz von Ehe und Familie, die Absicherung der
Gleichstellung und die Frauenförderung.

Hinsichtlich des künftigen Status der Charta sprach sich die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine frühest-
mögliche Rechtsverbindlichkeit aus. Darüber hinaus müsse
ein Weg gefunden werden, um es den Bürgern zu ermög-
lichen, ihre Grundrechte einzuklagen. Schließlich erkannte
sie die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines Referen-
dums an. Dabei sollte aber der Zielkonflikt zwischen einer
möglichst rasch zu verwirklichenden Rechtsverbindlichkeit
des Dokuments auf der einen Seite und einem Referendum,
für das die Voraussetzungen erst noch geschaffen werden
müssen, auf der anderen Seite nicht übersehen werden.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilte die
Auffassung, die Grundrechtecharta sei ein Meilenstein.
Nachdem man diesen Meilenstein passiert habe, sollte man
gleich die nächsten Meilensteine des Integrationsprozesses
in den Blick nehmen. Diese stünden mit Nizza und dem
Post-Nizza-Prozess, in dessen Rahmen über eine Verfas-
sung zu diskutieren sein werde, unmittelbar bevor.

Seitens der Fraktion der F.D.P. wurde die EU-Grund-
rechtecharta als wichtigen Eckpfeiler der europäischen Ent-
wicklung bezeichnet. Auch sie begrüßte die Leistung des
Konvents unter der Leitung des ehemaligen Bundespräsi-
denten, Prof. Dr. Roman Herzog, der über unterschied-
lichste Verfassungsvorstellungen und Rechtstraditionen hin-
weg einen Konsens zu erzielen versucht habe. In Bezug auf
den Inhalt der Charta wurde von der Fraktion insbesondere
hervorgehoben, dass der Menschenwürde und ihrer Unan-
tastbarkeit eine Leitbildfunktion in der Charta zugewiesen
werde. Die Fraktion setzte sich dafür ein, dass das Verbot
des reproduktiven Klonens von Menschen in den Artikel
über den Schutz der Unversehrtheit der Person aufgenom-
men werde.

Von der Fraktion wurde bedauert, dass es trotz des eindeuti-
gen Auftrages des Europäischen Rates von Köln dem Kon-
vent nicht gelungen sei, sich ausschließlich auf diejenigen
Rechte zu beschränken, die lediglich Handlungsziele der
Union darstellten. Bereiche wie Umweltschutz, Verbrau-
cherschutz und Gesundheitspolitik z. B. seien in der Charta
Drucksache

14/

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– 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

geregelt. Darüber hinaus wandte sich die Fraktion gegen die
Anwendung des Begriffs „Achtung von Rechten“ statt „Ge-
währleistung“ in vielen Artikeln. Dies führte dazu, dass in
manchen Bereichen ein niedrigeres Schutzniveau erreicht
werde. In Bezug auf das Recht auf Asyl (Artikel 18 der
Charta), das ungenügend geregelt worden sei, wolle die
Fraktion ganz entschieden all denjenigen entgegentreten,
die versuchten, auch in Deutschland eine Debatte über eine
Änderung des Grundrechts auf Asyl in Artikel 16a des
Grundgesetzes einzuleiten. Solch eine Sogwirkung dürfe
von Artikel 18 der Charta nicht ausgehen.

Zu dem Kapitel „Solidarität“ vertrat die Fraktion die Auf-
fassung, dass der Konvent im Bereich der sozialen Rechte
keine neuen Regelungen festgelegt habe.

In Bezug auf die horizontalen Bestimmungen der Grund-
rechtecharta befürwortete die Fraktion die Festlegung eines
Mindestschutzniveaus. Man dürfe nicht hinter die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention und andere Regelungen
zurückfallen. Die Fraktion zeigte sich außerdem darüber be-
sorgt, dass die Schranken für Eingriffe in die Grund-
rechtecharta zu allgemein formuliert worden seien. Dadurch
könnten Spielräume eröffnet werden, die die Verfasser der
Charta so nicht wollten.

Hinsichtlich des künftigen Status der Charta sprach sich die
Fraktion der F.D.P. dafür aus, dass auf dem Gipfel in Nizza
der Entwurf dieser Charta politisch angenommen und damit
beschlossen werde. Darüber hinaus wurde die Bundesregie-
rung aufgefordert, sich intensiver dafür einzusetzen, dass
dieser Entwurf einer Grundrechtecharta in die Europäischen
Verträge aufgenommen und dadurch verbindlich gemacht
werde. In diesem Verfahren solle außerdem eine Beteili-
gung der Bürgerinnen und Bürger in Form einer Volksab-
stimmung vorgesehen werden. Darüber hinaus vertrat die
Fraktion die Auffassung, dass die Grundrechtecharta schon
immer einen Schritt hin zu einer europäischen Verfassung
dargestellt habe.

Seitens der Fraktion der PDS wurde die Grundrechtecharta
der Europäischen Union als notwendige Antwort auf die
Vertiefung der wirtschaftlichen und monetären Integration
und auch als ein deutliches Signal an die beitrittswilligen
Länder betrachtet. So könne die Charta zu einem Gegenge-
wicht zu einer allein marktwirtschaftlich ausgerichteten Ge-
staltung Europas werden. Wichtig sei für sie gewesen, dass
der Chartaentwurf nicht hinter die Europäische Menschen-
rechtskonvention und bereits bestehende nationale Grund-
rechtsstandards zurückfalle, sondern sogar darüber hinaus-

gehe. Auch die Fraktion der PDS begrüßte die Offenheit
und Transparenz der Arbeit des Konvents sowie die vielfäl-
tigen Möglichkeiten der Einflussnahme durch Bürgerinnen
und Bürger, Gewerkschaften, Verbände, Institutionen und
Organisationen. Besonders wurde der Einsatz des Konvents
für die Verankerung der Unantastbarkeit der Würde des
Menschen in Artikel 1 gewürdigt. Dass auch die Wehr-
dienstverweigerung und die Antidiskriminierung ihren Platz
in der Charta fanden, wurde von der Fraktion begrüßt, die
sich außerdem für die Aufnahme des Streikrechts als Teil
der möglichen kollektiven Maßnahmen der Arbeitnehmer
einsetzte. Als Defizite wurden insbesondere die einschrän-
kenden Formulierungen in Bezug auf die sozialen Rechte
betrachtet, in denen wiederholt auf das Subsidiaritätsprinzip
und auf nationale Regelungen verwiesen werde. Die Nicht-
aufnahme des individuellen Rechts auf Asyl wurde von der
Fraktion besonders bedauert.

Bezüglich des künftigen Status der Charta trat die Fraktion
der PDS dafür ein, dass nach dem Gipfel in Nizza die
Charta der Grundrechte rechtsverbindlich in den Verträgen
verankert werde. Es müsse den Bürgerinnen und Bürgern al-
lerdings die Möglichkeit gegeben werden, sich mit dem Ge-
halt der Charta vertraut zu machen und weitere Veränderun-
gen am Text vornehmen zu lassen. Am Ende dieses
Prozesses sollte bei den nächsten Wahlen zum Europaparla-
ment im Jahre 2004 eine Volksabstimmung zur Annahme
der Charta stehen.

Der Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/4269
wurde in der 55. Sitzung des Ausschusses am 8. November
2000 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und der F.D.P. bei Enthaltung der
Fraktion der PDS angenommen.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/
4246 wurde in der 55. Sitzung des Ausschusses am
8. November 2000 mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Enthaltung der
Fraktion der F.D.P. abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/4253
wurde in der 55. Sitzung des Ausschusses am 8. No-
vember 2000 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der Frak-
tion der F.D.P. bei Enthaltung der Fraktionen der CDU/CSU
und PDS abgelehnt.

Berlin, den 14. November 2000

Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Berichterstatter
Peter Altmaier

Berichterstatter
Claudia Roth (Augsburg)

Berichterstatterin

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Berichterstatterin
Uwe Hiksch

Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 –

Drucksache

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4584

Entwurf
der Charta der Grundrechte

der Europäischen Union

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 3. und 4. Juni 1999 in Köln
beschlossen, ein Gremium mit dem Auftrag einzusetzen, vor der Tagung
des Europäischen Rates im Dezember 2000 einen Entwurf für eine Charta
der Grundrechte der Europäischen Union vorzulegen. In diesem als „Kon-
vent“ bezeichneten Gremium kamen fünfzehn persönliche Beauftragte der
Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, ein Vertreter der Kom-
mission, sechzehn Mitglieder des Europäischen Parlaments und dreißig
Mitglieder der nationalen Parlamente (zwei Mitglieder je Parlament) zu-
sammen. Das Gremium wählte den ehemaligen Präsidenten der Bundes-
republik Deutschland, Herrn Roman Herzog, zum Vorsitzenden. Herr
Herzog wurde von einem Redaktionsausschuss (Präsidium) unterstützt,
dem Herr Nikula (Finnland), Herr Bacelar de Vasconcelos (Portugal),
sodann der stellvertretende Vorsitzende Herr Braibant (Frankreich) als Ver-
treter der Gruppe der persönlichen Beauftragten, das Mitglied der Kom-
mission Herr Vitorino als Vertreter der Kommission, der stellvertretende
Vorsitzende Herr Mendez de Vigo als Vertreter der Gruppe der Mitglieder
des Europäischen Parlaments und der stellvertretende Vorsitzende Herr
Gunnar Jansson als Vertreter der Gruppe der Mitglieder der nationalen
Parlamente angehörten. Die Sekretariatsgeschäfte des Konvents wurden
vom Generalsekretariat des Rates wahrgenommen.

Die Beratungen des Konvents waren öffentlich, und alle vorbereitenden
Arbeiten wurden über Internet zugänglich gemacht. Es fanden Anhö-
rungen des Bürgerbeauftragten, der Vertreter des Wirtschafts- und Sozial-
ausschusses, des Ausschusses der Regionen, der Vertreter der Bürger-
gesellschaft und der Beitrittsländer statt. Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften und der Europarat nahmen als Beobachter an den Bera-
tungen teil.

Der Konvent trat am 17. Dezember 1999 zu seiner ersten Sitzung zusam-
men. Am 26. September 2000 gelangten die verschiedenen Gruppen zu
der Auffassung, dass sie den Entwurf der Charta billigen können, und der
Vorsitzende Herr Herzog hat am 2. Oktober 2000 festgestellt, dass der Ent-
wurf der Charta von allen Parteien angenommen werden kann, und den
Entwurf dem Europäischen Rat übermittelt, der ihn in Biarritz am 13. und
14. Oktober 2000 prüfte. Im Anschluss an diesen Europäischen Rat gab
Präsident Chirac folgende Erklärung ab: „Heute Morgen haben wir, die
Staats- und Regierungschefs, einstimmig dem Entwurf der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union zugestimmt. Wir werden also diese
Charta anlässlich des Gipfels von Nizza nach Zustimmung aller betroffenen
Institutionen verkünden können.“

Anlage
Drucksache

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– 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Präambel

Die Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer
Werte eine friedliche Zukunft zu teilen, indem sie sich zu einer immer enge-
ren Union verbinden.

In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet
sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des
Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf
den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt die
Person in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürger-
schaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begrün-
det.

Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen
Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker
Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten und der Organi-
sation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene
bei. Sie ist bestrebt, eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu
fördern und stellt den freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapi-
talverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit sicher.

Zu diesem Zweck ist es notwendig, angesichts der Weiterentwicklung der
Gesellschaft, des sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und
technologischen Entwicklungen den Schutz der Grundrechte zu stärken,
indem sie in einer Charta sichtbarer gemacht werden.

Diese Charta bekräftigt unter Achtung der Zuständigkeiten und Aufgaben
der Gemeinschaft und der Union und des Subsidiaritätsprinzips die
Rechte, die sich vor allem aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen
und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaa-
ten, aus dem Vertrag über die Europäische Union und den Gemeinschafts-
verträgen, aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten, aus den von der Gemeinschaft und dem
Europarat beschlossenen Sozialchartas sowie aus der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben.

Die Ausübung dieser Rechte ist mit Verantwortlichkeiten und Pflichten
sowohl gegenüber den Mitmenschen als auch gegenüber der menschli-
chen Gemeinschaft und den künftigen Generationen verbunden.

Daher erkennt die Union die nachstehend aufgeführten Rechte, Freiheiten
und Grundsätze an.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

Drucksache

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Kapitel I

Würde des Menschen

Artikel 1

Würde des Menschen

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schüt-
zen.

Artikel 2

Recht auf Leben

(1) Jede Person hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

Artikel 3

Recht auf Unversehrtheit

(1) Jede Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

(2) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgen-
des beachtet werden:

– die freie Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Auf-
klärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten,

– das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die
Selektion von Personen zum Ziel haben,

– das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur
Erzielung von Gewinnen zu nutzen,

– das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.

Artikel 4

Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder
Behandlung

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe
oder Behandlung unterworfen werden.

Artikel 5

Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit

(1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu ver-
richten.

(3) Menschenhandel ist verboten.
Drucksache

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– 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Kapitel II

Freiheiten

Artikel 6

Recht auf Freiheit und Sicherheit

Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Artikel 7

Achtung des Privat- und Familienlebens

Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens,
ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.

Artikel 8

Schutz personenbezogener Daten

(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personen-
bezogenen Daten.

(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke
und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen
gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede
Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten
zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle
überwacht.

Artikel 9

Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen

Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen,
werden nach den einzel-staatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die
Ausübung dieser Rechte regeln.

Artikel 10

Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit

(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religions-
freiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Welt-
anschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltan-
schauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat
durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.

(2) Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird
nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung die-
ses Rechts regeln.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 –

Drucksache

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Artikel 11

Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht
schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen
ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu emp-
fangen und weiterzugeben.

(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.

Artikel 12

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

(1) Jede Person hat das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerk-
schaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und
friedlich mit anderen zu versammeln und frei mit anderen zusammen-
zuschließen, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutz ihrer In-
teressen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.

(2) Politische Parteien auf der Ebene der Union tragen dazu bei, den politi-
schen Willen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zum Ausdruck zu
bringen.

Artikel 13

Freiheit von Kunst und Wissenschaft

Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.

Artikel 14

Recht auf Bildung

(1) Jede Person hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruf-
lichen Ausbildung und Weiterbildung.

(2) Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschul-
unterricht teilzunehmen.

(3) Die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demo-
kratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den
Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, welt-
anschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, werden
nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet, welche ihre Ausübung regeln.

Artikel 15

Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten

(1) Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder
angenommenen Beruf auszuüben.

(2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, in jedem
Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder
Dienstleistungen zu erbringen.

(3) Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitglied-
staaten arbeiten dürfen, haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die denen
der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger

entsprechen.
Drucksache

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– 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Artikel 16

Unternehmerische Freiheit

Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Gemeinschaftsrecht und
den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.

Artikel 17

Eigentumsrecht

(1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu
besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem
darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffent-
lichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem
Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Ent-
schädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums
kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemein-
heit erforderlich ist.

(2) Geistiges Eigentum wird geschützt.

Artikel 18

Asylrecht

Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom
28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechts-
stellung der Flüchtlinge sowie gemäß dem Vertrag zur Gründung der Euro-
päischen Gemeinschaft gewährleistet.

Artikel 19

Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung

(1) Kollektivausweisungen sind nicht zulässig.

(2) Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an
einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte
Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder
erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 –

Drucksache

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Kapitel III

Gleichheit

Artikel 20

Gleichheit vor dem Gesetz

Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 21

Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse,
der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen
Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politi-
schen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

(2) Im Anwendungsbereich des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union ist unbescha-
det der besonderen Bestimmungen dieser Verträge jede Diskriminierung
aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Artikel 22

Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen

Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.

Artikel 23

Gleichheit von Männern und Frauen

Die Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen, einschließ-
lich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen.

Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung
spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht
entgegen.

Artikel 24

Rechte des Kindes

(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr
Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre
Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem
Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.

(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater
Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

(3) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen
und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem
Wohl entgegen.
Drucksache

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4584

– 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Artikel 25

Rechte älterer Menschen

Die Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdi-
ges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturel-
len Leben.

Artikel 26

Integration von Menschen mit Behinderung

Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behin-
derung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer
sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der
Gemeinschaft.

Kapitel IV

Solidarität

Artikel 27

Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer im Unternehmen

Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf
den geeigneten Ebenen eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in
den Fällen und unter den Voraussetzungen gewährleistet sein, die nach
dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten vorgesehen sind.

Artikel 28

Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen
und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen haben nach dem
Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Ge-
pflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszu-
handeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maß-
nahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu
ergreifen.

Artikel 29

Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst

Jede Person hat das Recht auf Zugang zu einem unentgeltlichen Arbeits-
vermittlungsdienst.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 –

Drucksache

14/4584

Artikel 30

Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat nach dem Gemein-
schaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogen-
heiten Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung.

Artikel 31

Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen
(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf
gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.

(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine
Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhe-
zeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.

Artikel 32

Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz
Kinderarbeit ist verboten. Unbeschadet günstigerer Vorschriften für
Jugendliche und abgesehen von begrenzten Ausnahmen darf das Min-
destalter für den Eintritt in das Arbeitsleben das Alter, in dem die Schul-
pflicht endet, nicht unterschreiten.

Zur Arbeit zugelassene Jugendliche müssen ihrem Alter angepasste
Arbeitsbedingungen erhalten und vor wirtschaftlicher Ausbeutung und vor
jeder Arbeit geschützt werden, die ihre Sicherheit, ihre Gesundheit, ihre
körperliche, geistige, sittliche oder soziale Entwicklung beeinträchtigen
oder ihre Erziehung gefährden könnte.

Artikel 33

Familien- und Berufsleben
(1) Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird
gewährleistet.

(2) Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu kön-
nen, hat jede Person das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit
der Mutterschaft zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf
einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Elternurlaub nach der
Geburt oder Adoption eines Kindes.

Artikel 34

Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung
(1) Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistun-
gen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie
Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter so-
wie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten, nach Maßgabe
des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten.

Drucksache 14/4584 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(2) Jede Person, die in der Union ihren rechtmäßigen Wohnsitz hat und
ihren Aufenthalt rechtmäßig wechselt, hat Anspruch auf die Leistungen
der sozialen Sicherheit und die sozialen Vergünstigungen nach dem
Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten.

(3) Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt
und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine
Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mit-
tel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach
Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvor-
schriften und Gepflogenheiten.

Artikel 35

Gesundheitsschutz
Jede Person hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf
ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschrif-
ten und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und Durchführung aller Poli-
tiken und Maßnahmen der Union wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau
sichergestellt.

Artikel 36

Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allge-
meinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit dem Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, um den sozialen
und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.

Artikel 37

Umweltschutz
Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität
müssen in die Politiken der Union einbezogen und nach dem Grundsatz
der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden.

Artikel 38

Verbraucherschutz
Die Politiken der Union stellen ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/4584

Kapitel V

Bürgerrechte

Artikel 39

Aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen
Parlament
(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzen in dem Mitglied-
staat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht
bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für sie dieselben
Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitglied-
staats.

(2) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allgemeiner,
unmittelbarer, freier und geheimer Wahl gewählt.

Artikel 40

Aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger besitzen in dem Mitgliedstaat,
in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei
Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die
Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.

Artikel 41

Recht auf eine gute Verwaltung
(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den
Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb
einer angemessenen Frist behandelt werden.

(2) Dieses Recht umfasst insbesondere

– das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber
eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird,

– das Recht einer jeden Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten
unter Wahrung des legitimen Interesses der Vertraulichkeit sowie des
Berufs- und Geschäftsgeheimnisses,

– die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

(3) Jede Person hat Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft den durch
ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursach-
ten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den
Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

(4) Jede Person kann sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe
der Union wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten.

Artikel 42

Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder
juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mit-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20 – Drucksache 14/4584

gliedstaat haben das Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Euro-
päischen Parlaments, des Rates und der Kommission.

Artikel 43

Der Bürgerbeauftragte
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder
juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mit-
gliedstaat haben das Recht, den Bürgerbeauftragten der Union im Falle
von Missständen bei der Tätigkeit der Organe und Einrichtungen der
Gemeinschaft, mit Ausnahme des Gerichtshofs und des Gerichts erster
Instanz in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse, zu befassen.

Artikel 44

Petitionsrecht
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder
juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mit-
gliedstaat haben das Recht, eine Petition an das Europäische Parlament zu
richten.

Artikel 45

Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
(1) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben das Recht, sich im
Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2) Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedstaats aufhalten, kann gemäß dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt
werden.

Artikel 46

Diplomatischer und konsularischer Schutz
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger genießen im Hoheitsgebiet
eines Drittlandes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie
besitzen, nicht vertreten ist, den Schutz der diplomatischen und konsulari-
schen Stellen eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen
wie Staatsangehörige dieses Staates.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/4584

Kapitel VI

Justizielle Rechte

Artikel 47

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder
Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in die-
sem Artikel vorgesehen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen
Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängi-
gen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem
fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt
wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozess-
kostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu
den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

Artikel 48

Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
(1) Jede angeklagte Person gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis
ihrer Schuld als unschuldig.

(2) Jeder angeklagten Person wird die Achtung der Verteidigungsrechte
gewährleistet.

Artikel 49

Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit
im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
(1) Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt wer-
den, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internatio-
nalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere Strafe als die
zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach
Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist
diese zu verhängen.

(2) Dieser Artikel schließt nicht aus, dass eine Person wegen einer Hand-
lung oder Unterlassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer
Begehung nach den allgemeinen, von der Gesamtheit der Nationen aner-
kannten Grundsätzen strafbar war.

(3) Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig
sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 22 – Drucksache 14/4584

Artikel 50

Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder
bestraft zu werden
Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union
nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in
einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

Kapitel VII

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 51

Anwendungsbereich
(1) Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten aus-
schließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend
achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie
deren Anwendung gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten.

(2) Diese Charta begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Auf-
gaben für die Gemeinschaft und für die Union, noch ändert sie die in den
Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.

Artikel 52

Tragweite der garantierten Rechte
(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten
Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesens-
gehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grund-
satzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenom-
men werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union
anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfor-
dernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich
entsprechen.

(2) Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den
Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union
begründet sind, erfolgt im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen
und Grenzen.

(3) So weit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garan-
tierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Trag-
weite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese
Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen
weiter gehenden Schutz gewährt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/4584

Artikel 53

Schutzniveau
Keine Bestimmung dieser Charta ist als eine Einschränkung oder Verlet-
zung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem
jeweiligen Anwendungsbereich durch das Recht der Union und das Völker-
recht sowie durch die internationalen Übereinkommen, bei denen die
Union, die Gemeinschaft oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind,
darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der
Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Artikel 54

Verbot des Missbrauchs der Rechte
Keine Bestimmung dieser Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht,
eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt,
die in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie
stärker einzuschränken, als dies in der Charta vorgesehen ist.

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