BT-Drucksache 14/4559

Bedrohung heimischer Biotope durch Invasionspflanzen

Vom 7. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4559
14. Wahlperiode 07. 11. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cajus Caesar, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Peter
Paziorek, Marie-Luise Dött, Georg Girisch, Kurt-Dieter Grill, Helmut Lamp, Dr. Paul
Laufs, Vera Lengsfeld, Bernward Müller (Jena), Franz Obermeier, Christa Reichard
(Dresden), Dr. Christian Ruck, Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Werner Wittlich
und der Fraktion der CDU/CSU

Bedrohung heimischer Biotope durch Invasionspflanzen

Im Zeitalter der Globalisierung hat sich die Mobilität der Menschen um ein
Vielfaches erhöht. Touristen durchkämmen die entlegensten Regionen und
Waren werden um die halbe Welt transportiert. Doch dieser Trend hat uns nicht
nur Vorteile gebracht. Im Schlepptau der Menschen und Waren reisen „blinde
Passagiere“ mit. Einige von ihnen lösen Katastrophen aus – etwa die Im-
munschwäche Aids, die sich innerhalb kürzester Zeit auf der ganzen Welt
ausbreiten konnte. Andere sind weniger spektakulär, tragen jedoch ebenfalls
Gefahrenpotentiale in sich. Tiere und Pflanzen aus Übersee werden als Mit-
bringsel gekauft, weil sie schön, niedlich, dekorativ oder einfach anders sind
und werden dann in Deutschland freigesetzt. Die meisten können in der Bun-
desrepublik Deutschland nicht überleben, aber einige schaffen es und treten ei-
nen Siegeszug ohnegleichen an. Dazu gehören einige Pflanzenarten wie die
Goldrute (Solidago canadensis und Solidago gigantea), das indische Spring-
kraut (Impatiens glandulifera), der japanische Staudenknöterich (Reynoutria
japonica und Reynoutria sachalinense) und die Herkulesstaude (Heracleum
mantegazzianum und Heracleum giganteum). Diese Arten konnten sich in der
Vergangenheit stark ausbreiten. Dabei kommt ihnen zugute, dass sie kaum
Fressfeinde haben. Die meisten heimischen Insekten sind nicht an die neuen
Pflanzen angepasst und verschmähen sie als Nahrungsquelle. Zum Beispiel
können von den in Baden-Württemberg vorkommenden über 400 verschiede-
nen Wildbienenarten nur 4 den Pollen der Goldrute nutzen. Unkontrolliertes
Wachstum der Neophyten und ein Verdrängen der ursprünglichen Vegetation
sind die Folge.

Doch nicht nur Biotope werden geschädigt, auch für den Menschen können Ge-
fahren entstehen. Zum Beispiel enthält der Saft der Herkulesstaude Furanocu-
marine. Wird die Pflanze, zum Beispiel durch spielende Kinder, beschädigt,
dringt der Saft in die Haut ein. Anschließend werden durch Sonnenbestrahlung
Reaktionen ausgelöst, die zu Verbrennungen zweiten und dritten Grades führen.

Die Naturschützer sind sich nicht einig, wie mit den Neophyten zu verfahren
ist. Die einen plädieren dafür, der Entwicklung freien Lauf zu lassen, andere
fordern eine energische Bekämpfung. In den Vereinigten Staaten findet das
Thema der nicht einheimischen Tier- und Pflanzenarten inzwischen erhebliche

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Resonanz. Eine Studie des Office of Technology Assessment schätzte die der-
zeit jährlich durch eingeschleppte Organismen entstehenden Schäden auf fast
100 Milliarden Dollar. In der Bundesrepublik Deutschland findet das Thema
der Neophyten hingegen wenig Beachtung.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang haben sich die in der Einleitung genannten Neophyten
in heimischen Biotopen ausgebreitet?

2. Wie viele und welche Pflanzen- und Insektenarten werden dadurch ver-
drängt?

3. Welche weiteren Pflanzenarten haben sich in den vergangenen 10 Jahren in
der Bundesrepublik Deutschland ausgebreitet?

4. Bei welchen Neophytenarten ist die Ausbreitung inzwischen zum Stillstand
gekommen und bei welchen Arten schreitet sie weiter fort?

5. Wie hoch schätzt die Bundesrepublik Deutschland die wirtschaftlichen und
ökologischen Schäden ein, die bei weiterer Ausbreitung der Neophyten ent-
stehen können?

6. Welche Methoden gibt es, um das Ausbreitungspotential von Neophyten
vorherzusagen und welche dieser Methoden haben sich in der praktischen
Anwendung bewährt?

7. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Kodex der Deut-
schen Gesellschaft für seltene Kulturpflanzen e.V.?

8. Betrachtet die Bundesregierung das Eindringen der sehr konkurrenzfähigen
Neophyten als einen natürlichen Prozess oder als eine zu bekämpfende Stö-
rung des natürlichen Gleichgewichts oder ist das je nach Arten differenziert
zu betrachten?

9. Wie schätzt die Bundesregierung das gesundheitliche Gefahrenpotential der
Herkulesstaude ein und hält sie eine Bekämpfung der Herkulesstaude für
notwendig?

Berlin, den 7. November 2000

Cajus Caesar
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Dr. Peter Paziorek
Marie-Luise Dött
Georg Girisch
Kurt-Dieter Grill
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Vera Lengsfeld
Bernward Müller (Jena)
Franz Obermeier
Christa Reichard (Dresden)
Dr. Christian Ruck
Hans Peter Schmitz (Baesweiler)
Werner Wittlich
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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