BT-Drucksache 14/4498

Kernfusionsforschung für eine zukünftige Energieversorgung

Vom 7. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4498
14. Wahlperiode 07. 11. 2000

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Gerhard Friedrich
(Erlangen), Thomas Rachel, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Ilse Aigner, Norbert
Hauser (Bonn), Dr.-Ing. Rainer Jork, Werner Lensing, Erich Maaß (Wilhelmshaven),
Hans-Peter Repnik, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), Dr. Erika Schuchardt,
Bärbel Sothmann, Angelika Volquartz, Heinz Wiese (Ehingen) und der Fraktion
der CDU/CSU

Kernfusionsforschung für eine zukünftige Energieversorgung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Weiteres weltweites Bevölkerungswachstum und vor allem die Teilnahme der
Entwicklungsländer an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung werden im
Laufe dieses Jahrhunderts zu steigendem Weltenergieverbrauch führen. Trotz
effizienterer Energienutzung sowie Ausbau und vermehrter Nutzung erneuer-
barer Energien wird sich deshalb im Laufe des Jahrhunderts eine immer
stärkere Energielücke auftun. Diese Entwicklung wird verschärft durch die
Endlichkeit der Vorräte an fossilen Energieträgern. Deshalb müssen alle Mög-
lichkeiten genutzt werden, um neue Energiequellen zu erschließen. Zu diesen
neuen Energiequellen gehört die Kernfusion, die ab der Mitte des Jahrhunderts
einen Beitrag zur Energieversorgung leisten kann.

Die Kernfusion ahmt zur Energiegewinnung den auf der Sonne stattfindenden
Prozess der Atomkernverschmelzung nach. Die Fusion nutzt, wie die Kernspal-
tung, die Bindungsenergie der Atomkerne. Da hier aber leichte, kleine Kerne
miteinander verschmolzen werden – statt schwere, große Kerne zu spalten –
sind die physikalischen Prinzipien völlig anders. Ein Fusionskraftwerk unter-
scheidet sich daher insbesondere durch seine positiven Umwelt- und Sicher-
heitseigenschaften ganz wesentlich von einem Kernspaltungskraftwerk. Aus
prinzipiellen physikalischen Gründen sind in der Fusion keine Unfälle wie
beim Kernspaltungsreaktor in Tschernobyl mit katastrophalen Folgen denkbar.

Schließlich haben die radioaktiven Abfälle, die auch bei der Fusion entstehen,
wesentlich kürzere Abklingzeiten als die Abfälle eines Spaltkraftwerkes. Die
Abfälle eines Fusionsreaktors, das heißt durch Neutronen aktivierte Struktur-
materialien, unterscheiden sich qualitativ von den Abfällen bei der Kernspal-
tung, den abgebrannten Brennelementen.

Nach vier Jahrzehnten Fusionsforschung ist es gelungen, im europäischen
Fusionsexperiment JET (Joint European Torus) erstmals Fusionsenergie in grö-
ßerem Maßstab zu erzeugen. Europa ist damit führend in diesem Forschungs-
bereich.

Drucksache 14/4498 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Die deutsche Fusionsforschung im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik Gar-
ching/Greifswald (IPP), im Forschungszentrum Jülich (FZJ) und im For-
schungszentrum Karlsruhe (FZK) hat einen wesentlichen Beitrag zu diesem
europäischen Erfolg geleistet. Finanziert wird die Kernfusionsforschung in
Deutschland im Wesentlichen durch den Bund und zum geringen Teil durch die
Sitzländer der genannten Großforschungseinrichtungen. Hinzu kommen For-
schungsmittel von EURATOM in beachtlicher Größenordnung.

Seit Ende der 80er Jahre wird in einer Kooperation der Europäischen Gemein-
schaft, der USA, Japans und Russlands ein gemeinsames Fusionsexperiment
geplant, der „Internationale Thermonukleare Experimental Reaktor (ITER)“,
der den nächsten physikalisch-technischen Schritt tun soll. ITER soll auch die
technologischen Entwicklungen vorantreiben, die für die technische Realisie-
rung eines Fusionskraftwerkes noch benötigt werden.

1997 wurde – wie geplant – ein ITER-Entwurf (ITER-EDA) vorgelegt, der alle
diese Forderungen erfüllte und auch im vorgegebenen Kostenrahmen lag.
Durch die inzwischen veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen be-
trachteten die vier Partner ihn aber als nicht realisierbar. Gleichzeitig sind die
USA, zum Teil bedingt durch ihre massiven Investitionen in die so genannte
Trägheitsfusion, zumindest vorläufig aus dem Projekt ausgestiegen.

Derzeit wird nun ein verkleinertes Experiment, ITER-FEAT, geplant, das weni-
ger Fusionsleistung erzeugen wird (500 MW statt 1500 MW), aber trotzdem
reaktorrelevante Bedingungen demonstriert und damit alle notwendigen
Schritte beinhaltet, damit kein weiterer Zwischenschritt zu einem Demon-
strationskraftwerk (DEMO) notwendig wird. Der detaillierte Vorschlag für
ITER-FEAT soll im Juli 2001 vorgelegt werden, so dass dann ein Baubeschluss
diskutiert werden kann.

Für den Standort des internationalen Fusionsreaktors ITER gibt es bisher Be-
werbungen aus Japan und Kanada. In der Europäischen Union steht die Ent-
scheidung an, ob die Europäer eine französische Bewerbung um den Standort
unterstützen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

– die Kernfusionsforschung mit dem Ziel der Energieerzeugung in Deutsch-
land mindestens in bisherigem Umfang weiter zu betreiben,

– eine europäische Bewerbung um den Standort des Fusionsreaktors ITER zu
unterstützen.

Berlin, den 7. November 2000

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)
Thomas Rachel
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Ilse Aigner
Norbert Hauser (Bonn)
Dr.-Ing. Rainer Jork
Werner Lensing

Erich Maaß (Wilhelmshaven)
Hans-Peter Repnik
Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke)
Dr. Erika Schuchardt
Bärbel Sothmann
Angelika Volquartz
Heinz Wiese (Ehingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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