BT-Drucksache 14/4494

Das "Ostpreußenblatt" und der Rechtsextremismus

Vom 26. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

26. 10. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Das „Ostpreußenblatt“ und der Rechtsextremismus

Unmittelbar nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck 1994 und
nachdem der damalige Parteivorsitzende der rechtsextremen „Republikaner“,
Franz Schönhuber, den damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, einen „Volksverhetzer“ genannt hatte, weil Bubis
die „Republikaner“ als geistige Urheber des Anschlags bezeichnet hatte, gerie-
ten die „Republikaner“ politisch unter Druck und waren gesellschaftlich weit-
gehend isoliert.

Aber nicht alle rückten in dieser Situation von den „Republikanern“ ab. Für-
sprecher fanden die „Republikaner“ im „Ostpreußenblatt“, was in dieser Situa-
tion ein hohes Maß an Solidarität und inhaltlichem Einklang offenbarte. Im
Leitartikel des „Ostpreußenblattes“ vom 16. April 1994 wurde Folgendes aus-
geführt: ,Damit lag Ignatz Bubis voll im Trend. Sämtliche Bonner Parteien
„wußten“ schon am Tage nach dem Lübecker Anschlag, wo die Schuldigen
waren und – vor allem – wer in der Öffentlichkeit hinter ihnen zu stehen hat:
die Republikaner. In Nordrhein-Westfalen soll ein REP-Funktionär sogar an
ausländerfeindlichen Ausschreitungen beteiligt gewesen sein, was die Partei-
spitze versucht habe zu vertuschen. Da soll es einen Zeugen geben. Dieser
allerdings hat, laut Nachrichtenmagazin FOCUS, seine Aussage mittlerweile
widerrufen. Doch es hilft alles nichts. Die Anti-REP-Front will sich die Legiti-
mation für ihren Kreuzzug nicht von lästigen Aussagen und vorläufigen Ermitt-
lungsergebnissen aufweichen lassen.‘

Darüber hinaus wurde in Bezug auf die Republikaner ausgeführt: „Den Repub-
likanern wird nun stets vorgeworfen, sie stünden nicht auf dem Boden der
Demokratie und wollten diese abschaffen. Dagegen haben die Republikaner
ihre loyale Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung immer und
immer wieder betont. Keine Chance, man glaubt ihnen nicht. Statt dessen heftet
man ihnen die geistige Urheberschaft für ausländerfeindliche und antisemiti-
sche Übergriffe an.“

Wenige Tage nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck wurde im
„Ostpreußenblatt“ vom 23. April 1994 zu den Forschungen Ernst Noltes ausge-
führt, dass Nolte ,sich mit den Thesen revisionistischer Historiker ernsthaft be-
schäftigt. Statt diese – wie in den Medien üblich – von vornherein als abartige
Verbrecher darzustellen, scheut Nolte sich nicht, diesen Leuten z. T. zu attestie-
ren, dass sie ,nach Beherrschung des Quellenmaterials und zumal in der Quel-
lenkritik diejenigen (Untersuchungen) der etablierten Historiker in Deutschland
vermutlich übertreffen‘. Den Atem verschlägt es einem, wenn Nolte dann auch
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die Frage nach „sechs Millionen“ und dem Vorhandensein von Gaskammern
derart stellt, dass die Antwort nicht bereits vorgegeben ist‘. Schließlich wurde
in Bezug auf die Leugnung des Holocaust ausgeführt: „Die Bewunderung ver-
dient der Verfasser für seine in Deutschland so seltene Zivilcourage schon
jetzt“ (ebenda).

Allein diese Passage aus dem „Ostpreußenblatt“ hätte dazu führen müssen,
dass der Landsmannschaft Ostpreußen durch die damalige Bundesregierung
die politische und finanzielle Förderung entzogen wird.

Die damalige Bundesregierung sah trotz der oben genannten Artikel keine An-
haltspunkte für eine rechtsextreme Ausrichtung. Sie blieb bei dieser Auffas-
sung, obwohl die Fraktion der PDS in einer Kleinen Anfrage auf 25 Seiten zu-
sätzlich nachgewiesen hatte, dass das Organ der Landsmannschaft in massiver
Form ausländerfeindliche, revanchistische, antidemokratische und geschichts-
revisionistische Äußerungen verbreitet, für rechtsextreme Verlage und Bücher
wirbt und rechtsextreme Autoren publizieren lässt (vgl. die Kleine Anfrage
,Das „Ostpreußenblatt“ und der Rechtsextremismus‘ (II), Bundestagsdruck-
sache 12/8362).

An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. Vielmehr hat das „Ost-
preußenblatt“ seine Verbindungen ins rechtsextreme Lager noch verfestigt.
Ehemalige Redaktionsmitglieder der „Jungen Freiheit“, bei der laut Verfas-
sungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (1999, hrsg. vom Innen-
ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, April 2000, Seite 119) Anhalts-
punkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen festzustellen sind,
sind nun in die Redaktion des „Ostpreußenblattes“ übernommen worden.

Obwohl bisherige Kleine Anfragen der Fraktion der PDS eine Fülle von Hin-
weisen auf eine rechtsextreme Durchdringung des „Ostpreußenblattes“ gege-
ben haben, konnte die neue Bundesregierung bisher nur feststellen, dass „in
einzelnen Fällen“ die Zeitung der Landsmannschaft Ostpreußen „Beiträge von
Rechtsextremisten veröffentlicht oder für Erzeugnisse rechtsextremistischer
Verlage“ geworben hat (Bundestagsdrucksache 14/3469).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
über eine rechtsextreme Ausrichtung und Durchdringung des „Ostpreußen-
blattes“?

2. Wird das „Ostpreußenblatt“ regelmäßig vom Bundesamt für Verfassungs-
schutz (BfV) ausgewertet und wenn ja, seit wann?

3. Woher nimmt die Bundesregierung die Kenntnis, dass im „Ostpreußenblatt“
nur „in einzelnen Fällen“ Beiträge von Rechtsextremisten veröffentlicht
oder für Erzeugnisse rechtsextremistischer Verlage geworben wird?

4. Wodurch schließt die Bundesregierung aus, dass dies regelmäßig geschieht?

5. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Mitarbeit ehemaliger Redakteure der „Jungen Freiheit“ in der
Redaktion des „Ostpreußenblattes“?

6. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
über eine regelmäßige journalistische Tätigkeit von Autoren im „Ostpreu-
ßenblatt“ und in der „Jungen Freiheit“?

7. Welche verfassungsschutzrelevante Kenntnis hat die Bundesregierung über
eine geschichtsrevisionistische Ausrichtung des „Ostpreußenblattes“?
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8. Gibt es auch aktuelle verfassungsschutzrelevante Kenntnisse der Bundes-
regierung über eine inhaltliche Ausrichtung des „Ostpreußenblatttes“, die
die Kriegsschuld Nazi-Deutschlands leugnet und/oder relativiert?

Wenn ja, welche?

9. Gibt es auch aktuelle verfassungsschutzrelevante Kenntnisse der Bundes-
regierung über eine ausländerfeindliche Durchdringung des „Ostpreußen-
blattes“?

10. Welche verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung
über eine revanchistische Ausrichtung des „Ostpreußenblattes“?

11. Gibt es auch aktuelle verfassungsschutzrelevante Kenntnisse der Bundes-
regierung

– über eine antidemokratische Durchdringung des „Ostpreußenblattes“
und eine Propagierung autoritärer Herrschaftsformen,

– über eine Propagierung der rechtsextremen These von den so genannten
„Umerziehern“,

– über eine Öffnung des „Ostpreußenblattes“ gegenüber rechtsextremen
Organisationen,

– über eine Öffnung des „Ostpreußenblattes“ gegenüber rechtsextremen
Verlagen,

– bezüglich journalistischer Tätigkeit von Rechtsextremisten im „Ost-
preußenblatt“,

– über eine Leugnung und/oder Relativierung des Holocaust durch das
„Ostpreußenblatt“?

Wenn ja, welche?

Berlin, den 23. Oktober 2000

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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