BT-Drucksache 14/4447

Konsum illegaler Drogen und Straßenverkehr

Vom 26. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4447
14. Wahlperiode 26. 10. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Konsum illegaler Drogen und Straßenverkehr

Während sich die Strafjustiz und die Verwaltungsbehörden bis Mitte des letzten
Jahrzehnts nur sehr sporadisch mit dem Thema illegale Drogen und Straßenver-
kehr auseinandersetzten, hat sich dies in den letzten Jahren deutlich geändert.

Seit der teilweisen Entpönalisierung der Konsumenten illegaler Drogen in-
folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994
(BVerfGE 90 S. 145) folgt auf die Einstellung des Strafverfahrens durch die
Staatsanwaltschaft immer öfter ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der
Entziehung der Fahrerlaubnis. Nachdem die Verwaltungen und Gerichte die
Anordnung eines Drogenscreenings, die Beibringung eines Medizinisch-Psy-
chologischen Gutachtens und die anschließende Bejahung/Verneinung der
Fahreignung verschieden gehandhabt hatten, ist seit Inkrafttreten der Fahrer-
laubnisverordnung (FeV) am 1. Januar 1999 die Verwaltungspraxis vereinheit-
licht worden. Nach der FeV gelten dabei sehr unterschiedliche Bestimmungen
für die Konsumenten von legalen Drogen, insbesondere von Alkohol und Me-
dikamenten, und für die Konsumenten von illegalen Drogen. Insbesondere ist
bei Konsumenten illegaler Drogen nicht erforderlich, dass der vermutete Kon-
sum in irgendeinem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht. In Recht-
sprechung und Literatur sind bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit die-
ser Ungleichbehandlung laut geworden (VG Berlin NJW 2000 S. 2440 ff.,
Kreuzer NZV 1999 S. 353, 357). Seit Erlass der FeV hat sich die Zahl der ent-
sprechenden Gerichtsverfahren deutlich erhöht. So sind nach Presseberichten in
diesem Jahr vor dem Verwaltungsgericht Hannover schon genauso viele Fälle
anhängig geworden, bei denen der Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund des Kon-
sums illegaler Drogen erfolgte, wie Fälle, wo diese Maßnahme aufgrund von
Alkoholkonsum angeordnet wurde. Der anscheinend fast immer erfolgende
Entzug der Fahrerlaubnis lässt die Vermutung begründet erscheinen, Zweck der
Maßnahme sei eher eine ersatzweise Bestrafung der Konsumenten im Verwal-
tungswege als die Abwehr von Gefahren für den Straßenverkehr. Besonders be-
denklich erscheint dabei die Intensität des Eingriffes in das Leben der Betroffe-
nen, die auf ihren Führerschein häufig existentiell angewiesen sind. Die
verwaltungsrechtliche „Bestrafung“ fällt für sie höher aus, als die in früheren
Jahren zu erwartende strafrechtliche Sanktion.

Diese rigide Praxis entspricht zumindest bei Cannabis als der am weitesten ver-
breiteten illegalen Droge nicht dem durch wissenschaftliche Untersuchungen
festgestellten Gefahrenpotential. Verschiedene Untersuchungen stellen überein-
stimmend eine eher geringere Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch
Cannabiskonsum als durch Alkoholkonsum fest (z. B. Robbe: „Influence of

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Marijuana on Driving“, Maastricht 1994). Eine Studie im Auftrag der Regie-
rung Großbritanniens kommt sogar zu dem Ergebnis, Cannabiskonsumenten
seien in weniger Unfälle verwickelt als der Durchschnitt der Autofahrer (Atha,
Blanchard, Davis: „Cannabis and Driving“ 2000).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung nach den einzelnen Substanzen
differenziert den Anteil der Konsumenten legaler Drogen (insbesondere
von Alkohol und Medikamenten) und illegaler Drogen an der Gesamt-
bevölkerung?

2. Wie hoch ist nach Informationen der Bundesregierung der Anteil der unter
Einfluss der einzelnen legalen und illegalen Drogen am Verkehr teilneh-
menden Kraftfahrer an der Gesamtzahl der Verkehrsteilnehmer?

3. Wie viele der Unfälle mit bloßem Sachschaden, mit Verletzten und mit
Toten waren nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren seit 1990
auf den Konsum der einzelnen legalen bzw. illegalen Drogen zurückzufüh-
ren?

4. Wie viele Verurteilungen nach den §§ 315a, 315c, 316 StGB erfolgten auf-
grund des Konsums der einzelnen legalen und illegalen Drogen in den Jah-
ren seit 1990 differenziert nach den einzelnen Normen in den einzelnen
Bundesländern?

5. Wie viele Bußgelder nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVG und wie viele
Bußgelder nach § 24a Abs. 2 StVG wurden in den Jahren seit 1998 wegen
Konsums der einzelnen legalen und der in der Anlage zu § 24a StVG ge-
nannten illegalen Drogen in den einzelnen Bundesländern verhängt und
wie hoch waren dabei jeweils die Bußgelder?

6. Wird für Bußgelder nach § 24b StVG nur auf Nachweisbarkeit der aktiven
Bestandteile der jeweiligen Droge abgestellt, oder werden auch unwirk-
same Metaboliten berücksichtigt?

7. Existiert eine technische Nachweisgrenze und/oder ein verwaltungstechni-
scher Grenzwert, unterhalb dessen der § 24a StVG nicht als erfüllt gilt?

8. Wie lange nach Konsum der Substanz kann dieser Grenzwert bei den ein-
zelnen Stoffen noch erreicht werden?

9. Inwieweit unterscheidet sich die Dauer der Nachweisbarkeit im Blutplasma
von der Dauer der psychopharmakologischen Wirksamkeit der einzelnen
Substanzen?

10. Wie viele Fahreignungsüberprüfungsverfahren wurden seit 1990 wegen
des Verdachts des Konsums der einzelnen legalen und illegalen Drogen in
den einzelnen Bundesländern eingeleitet?

11. Wie häufig wurde in den Jahren seit 1990 aufgrund des vermuteten Kon-
sums der einzelnen legalen und illegalen Drogen in den einzelnen Bundes-
ländern die Erstellung eines medizinischen Gutachtens angeordnet?

12. Was wird bei Verdacht des Konsums der verschiedenen legalen und illega-
len Drogen in den Bundesländern jeweils als hinreichender tatsächlicher
Anlass für Zweifel an der Fahreignung und damit für die Anordnung der
Beibringung eines solchen Gutachtens angesehen?

13. Welche Fragestellung soll bei Verdacht des Konsums der einzelnen Drogen
ein solches Gutachten genau beantworten?

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14. Wie häufig wurde in den Jahren seit 1990 in den einzelnen Bundesländern
aufgrund des Konsums legaler und wie häufig aufgrund des Verdachts des
Konsums illegaler Drogen die Erstellung eines Medizinisch-Psychologi-
schen Gutachtens angeordnet?

15. Wie häufig wurde in den Jahren seit 1990 in den einzelnen Bundesländern
bezogen auf die einzelnen Drogen aufgrund eines entsprechenden Gutach-
tens und wie oft wegen Verweigerung der Mitwirkung am Verfahren die
Fahrerlaubnis entzogen?

16. Für wie lange wird nach dem Entzug der Fahrerlaubnis in den einzelnen
Bundesländern üblicherweise eine Sperre für die Neuerteilung verhängt?

17. Welche Voraussetzungen müssen von Konsumenten der einzelnen legalen
und illegalen Drogen in den einzelnen Bundesländern erfüllt werden, um
wieder eine Fahrerlaubnis zu erlangen?

18. Wer trägt nach erfolgtem Führerscheinentzug die Kosten des Verfahrens
und insbesondere der medizinischen Untersuchungen?

19. Wer trägt die Kosten des Verfahrens, wenn sich die Zweifel an der Fahr-
eignung nicht bestätigen?

20. Welche Forschungsergebnisse sind der Bundesregierung zu der tatsäch-
lichen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch alleinigen Konsum der
einzelnen illegalen Drogen und durch Mischkonsum bekannt, insbesondere
im Vergleich zu der Beeinträchtigung durch alleinigen Alkoholkonsum?

21. Welche Forschungsergebnisse sind der Bundesregierung zu der tatsäch-
lichen Beeinträchtigung der Fahreignung der Konsumenten der einzelnen
illegalen Drogen in Abhängigkeit von der Konsumfrequenz bekannt?

22. Hat die Bundesregierung selbst Forschungsaufträge vergeben oder plant
dies, um möglicherweise bestehende Lücken der wissenschaftlichen For-
schung zum Thema Drogenkonsum und Fahrtüchtigkeit/Fahreignung zu
schließen?

23. Hält die Bundesregierung bei Berücksichtigung der ihr bekannten For-
schungsergebnisse die unterschiedliche Behandlung von legalen und ille-
galen Drogen im Rahmen des Straßenverkehrsrechts für gerechtfertigt?

Berlin, den 26. Oktober 2000

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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