BT-Drucksache 14/4403

zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum 50. Jahrestag der Europäischen Menschenrechtskonvention

Vom 25. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4403

14. Wahlperiode

25. 10. 2000

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Uwe Hiksch, Heidi Lippmann,
Wolfgang Gehrcke, Dr. Gregor Gysi, Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS

zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum 50. Jahrestag der
Europäischen Menschenrechtskonvention

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonven-
tion, EMRK) stellt in ihrer Ausprägung durch die späteren Zusatzprotokolle
und durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
rechte eine der wichtigsten Grundlagen für ein friedliches, demokratisches und
rechtstaatliches Zusammenleben in Europa dar. Die in ihr formulierten Prinzi-
pien sind bindend für alle Mitgliedstaaten des Europarats. Sie bilden die ge-
meinsame Basis für ein Zusammenwachsen von Ost- und Westeuropa – unab-
hängig von regionalen, politischen und religiösen Unterschieden. Aus der
EMRK hat sich ein Schutzsystem entwickelt, das für die Menschen in den Mit-
gliedstaaten des Europarats unverzichtbar geworden ist. Dies gilt auch trotz der
Tatsache, dass in praktisch allen Unterzeichnerstaaten Verstöße gegen die
EMRK verzeichnet werden.

Die EMRK verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zur vollständigen Umsetzung
der in ihr verankerten Bestimmungen. Sie ist damit eine entscheidende Richt-
schnur für das Handeln auf einzelstaatlicher Ebene. Maßstab bei der Umset-
zung muss die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
rechte sein.

Die in der EMRK festgeschriebenen Grundrechte müssen bewahrt und ausge-
baut werden. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass die gegenwärtige Diskus-
sion um die Festlegung und Ausgestaltung wirtschaftlicher, sozialer und kultu-
reller Rechte zu Initiativen führt, die eine Erweiterung der EMRK um diese
Rechte zum Ziele haben. Auch muss das Recht auf Asyl in der EMRK veran-
kert werden.

Als zentrales Institut des Europarats unterstreicht die EMRK die Bedeutung
von Demokratie und Menschenrechten als Grundlage für ein friedliches Zu-
sammenleben. Angesichts einer Zunahme von Konflikten auch in Europa muss
im Interesse des Aufbaus einer zukunftsfähigen zivilen europäischen Friedens-
ordnung die Umsetzung der EMRK einen Schwerpunkt der Politik bilden.
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Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dazu beizutragen, dass alle Mitgliedstaaten des Europarats sowohl die
EMRK als auch die hierzu verabschiedeten Zusatzprotokolle vollständig
ratifizieren. Besonderes Augenmerk muss dabei auf der vollständigen Ab-
schaffung der Todesstrafe liegen, wie sie im Zusatzprotokoll Nr. 6 verein-
bart ist;

2. sich für eine deutliche Aufwertung des Europarats einzusetzen, um die Be-
deutung der EMRK für ein friedliches Zusammenleben in Europa zu unter-
streichen und aktiv zu fördern und alle Anstrengungen zu unternehmen,
um ein hohes Niveau des Menschenrechtsschutzes in ganz Europa sicher-
zustellen;

3. Initiativen zu unternehmen das Monitoring-System im Ministerkomitee zu
verbessern, um die Durchsetzung und Einhaltung aller eingegangenen Ver-
pflichtungen in allen Unterzeichnerstaaten gleichermaßen zu überprüfen;

4. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um namentlich die osteuropäischen
Mitgliedstaaten und beitrittswilligen Länder darin zu unterstützen, Struktu-
ren zum wirksamen Schutz der in der EMRK niedergelegten Rechte und
Grundfreiheiten aufzubauen;

5. auf jede geeignete Weise den Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte bei der Durchsetzung seiner Entscheidungen zu unterstützen;

6. für eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung sowohl des Europäi-
schen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch des Amtes des Europäi-
schen Kommissars für Menschenrechte zu sorgen;

7. die Diskussionen um die Festschreibung wirtschaftlicher, sozialer und kul-
tureller Rechte aufzugreifen und anhand ihrer Ergebnisse den Prozess einer
Erweiterung der EMRK einzuleiten;

8. sich für die Verankerung des Rechts auf Asyl sowie des Rechts auf Kriegs-
dienstverweigerung in der EMRK einzusetzen;

9. auf eine Aufhebung der in Artikel 5e (Einschränkung des Rechts auf Frei-
heit und Sicherheit bei „psychisch Kranken, Alkohol- und Rauschgiftsüch-
tigen und Landstreichern“) und 16 (Beschränkungen der politischen Tätig-
keit ausländischer Personen) der EMRK festgeschriebenen Einschränkun-
gen hinzuwirken;

10. auf dem Weg hin zu einem gänzlichen Verbot von Rüstungsexporten die
Bestimmungen der EMRK als maßgebliches Kriterium für Entscheidungen
über Rüstungsexporte anzuwenden und dafür zu sorgen, dass keine Güter
in ein Land geliefert werden, in dem sie zu einer Verletzung der in der
EMRK niedergelegten Rechte führen könnten;

11. durch geeignete Initiativen dafür zu sorgen, dass Ausländerinnen und Aus-
länder nicht in Drittstaaten abgeschoben werden, in denen ihnen die Verlet-
zung der in der EMRK niedergelegten Rechte in der Auslegung durch die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
droht;

12. in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen die Menschenrechtserzie-
hung und die Vermittlung der in der EMRK enthaltenen Werte zu einem
festen Bestandteil der Aus- und Weiterbildung für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter insbesondere der Polizei, des Bundesgrenzschutzes, der Aus-
länderbehörden, des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge sowie des medizinischen Personals zu machen. Dabei gilt es zu
vermitteln, dass Folter, Misshandlungen und andere Menschenrechtsverlet-
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zungen Straftaten darstellen. Auch muss das Bewusstsein dafür gestärkt
werden, dass Personen besonders behutsam zu behandeln sind, die von
Folterungen und ähnlichen Menschenrechtsverletzungen berichten, da sie
auf Grund der erlittenen körperlichen und seelischen Verletzungen speziel-
len Schutzes bedürfen. Dies gilt in besonderem Maße für den Umgang mit
traumatisierten Frauen und Mädchen;

13. in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Bundesländer im öffentlichen
Dienst dafür zu sorgen, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, um
rassistische und fremdenfeindliche Übergriffe zu verhindern und gegeben-
falls zu sanktionieren. Dazu gehört auch, dass die namentliche Identifizie-
rung von Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamten durch das Tragen von
Namensschildern oder Ähnlichem ermöglicht wird;

14. durch geeignete Maßnahmen die Kostenübernahme für die Behandlung
traumatisierter Opfer über das AsylbLG hinaus bei Ärzten ihrer Wahl si-
cherzustellen;

15. durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass verhaftete Personen in
einer Sprache, die sie verstehen, unverzüglich über ihre Rechte informiert
werden und es ihnen ermöglicht wird, diese Rechte auch tatsächlich in An-
spruch zu nehmen. Dies gilt vor allem für das Recht, den Grund der Inhaf-
tierung zu erfahren, unverzüglich Kontakt mit einem Anwalt ihrer Wahl
und Verwandten aufzunehmen, Beschwerde über Misshandlungen zu erhe-
ben und ärztliche Hilfe zu erhalten;

16. in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen dafür zu sorgen, dass die
namentliche Identifizierung von Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamten
durch das Tragen von Namensschildern oder Ähnlichem ermöglicht wird
und bei Bekanntwerden von Übergriffen durch Beamte umgehend Diszi-
plinarmaßnahmen eingeleitet und konsequent durchgeführt werden;

17. in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen geeignete Maßnahmen zu
ergreifen, um ausländerfeindliche Übergriffe durch Beamte zu verhindern.

Berlin, den 25. Oktober 2000

Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Uwe Hiksch
Heidi Lippmann
Wolfgang Gehrcke
Dr. Gregor Gysi
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

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