BT-Drucksache 14/4387

Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt erhalten und sichern

Vom 24. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4387
14. Wahlperiode 24. 10. 2000

Antrag
der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy,
Eduard Oswald, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Georg Brunnhuber, Wolfgang
Dehnel, Hubert Deittert, Peter Götz, Manfred Heise, Hans Jochen Henke, Norbert
Königshofen, Dr. Hermann Kues, Peter Letzgus, Eduard Lintner, Dr. Klaus W.
Lippold (Offenbach), Dr. Michael Meister, Günter Nooke, Norbert Otto (Erfurt),
Hans-Peter Repnik, Wilhelm Josef Sebastian, Wolfgang Zöller und der Fraktion
der CDU/CSU

Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt erhalten und sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Sicherung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnen-
schifffahrt ist ein zentrales Anliegen. Die deutsche Binnenschifffahrt, als unbe-
stritten sicherer und umweltfreundlicher Verkehrsträger, muss in den kommen-
den Jahren im Gesamtverkehrssystem deutlich an Bedeutung gewinnen. Eine
Bewältigung des wachsenden Güterverkehrs in Deutschland ist ohne die Bin-
nenschifffahrt nicht möglich.

Das Binnenschiff muss stärker in Transportketten des Kombinierten Verkehrs
eingebunden werden, weil Binnenhäfen ideale Schnittstellen im Güterverkehr
darstellen und beste Voraussetzungen für optimale Standorte von Güterver-
kehrszentren bieten. Multimodale Transportketten können die vorhandenen
Infrastrukturketten stärker nutzen, den Verkehrsfluss verbessern und die
Verkehrsträger optimal miteinander vernetzen, um eine Verlagerung von Güter-
verkehr auf das Binnenschiff zu erreichen. Allerdings scheitert die gewünschte
nachhaltige Verlagerung von Verkehren auf die Binnenschifffahrt trotz der Ver-
besserung des Angebots und dem Bemühen um eine stärkere Kooperation der
Verkehrsträger oftmals an den hohen Kosten für den Umschlag sowie Schiff-
fahrtsabgaben, die den Frachtpreis insgesamt im Vergleich zu Straße und
Schiene unattraktiv machen.

Wichtig ist auch der Ausbau der Wasserstraßen, um eine möglichst ganzjährige
Befahrbarkeit zu gewährleisten, damit die Binnenschifffahrt mittels moderner
Systeme der Datenerfassung neue Frachtpotentiale erschließen kann. Ohne ein
gut ausgebautes leistungsfähiges Wasserstraßennetz, das die großen Seehäfen
mit ihrem Hinterland und die bedeutendsten Industriezentren miteinander ver-
bindet, werden die Verkehrszuwächse der vor uns liegenden Jahre im Rahmen
eines Gesamtverkehrssystems nicht zu bewältigen sein. Es muss daher alles ge-

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tan werden, um in einer ökologisch vertretbaren Weise die Binnenwasserstra-
ßen auszubauen, um damit den Standort Deutschland zu stärken.

Die Situation der wichtigen mittelständisch geprägten Binnenschifffahrtsbran-
che ist gegenwärtig durch eine unzureichende Ertragslage aufgrund der Um-
stellung auf den liberalisierten Binnenmarkt und ein erhebliches Überangebot
an Ladungsraum gekennzeichnet. Hinzu kommt die rückläufige Verkehrsent-
wicklung insbesondere durch die Strukturkrise bei den für die Binnenschiff-
fahrt wichtigen Massengütern wie Kohle und Stahl. Die Partikulierunterneh-
men, die den wesentlichen Bestand der deutschen Binnenschifffahrtsflotte
bilden, sind aufgrund schlechter Eigenkapitalausstattung und unzureichender
Erträge momentan nicht in der Lage, die dringend benötigten Investitionen in
Erneuerung und Modernisierung vorzunehmen. Aufgrund ihrer schwachen
Marktposition haben sie zudem kaum die Möglichkeit, Einfluss auf die Kondi-
tionen des Frachtvertrages und damit vor allem auf den Frachtpreis zu nehmen.

Um dem EU-Binnenmarkt und der zunehmenden Verflechtung zwischen natio-
nalen und internationalen Märkten gerecht zu werden, muss auch für die Bin-
nenschifffahrt eine europäische Marktordnung mit harmonisierten Wett-
bewerbsbedingungen geschaffen werden. Dies muss eine Kernaufgabe der
europäischen Verkehrspolitik sein. Neben den ungleichen Wettbewerbsbedin-
gungen auf EU-Ebene erschweren Unternehmen aus den mittel- und osteuro-
päischen Staaten mit nicht vergleichbaren Lohnniveaus, die seitens der Reede-
reien und Speditionen anstelle von deutschem oder EU-Schiffsraum eingesetzt
werden, die Situation zusätzlich in immer stärkerem Maß.

Es ist daher dringend geboten, für die deutsche Binnenschifffahrt ein zukunfts-
orientiertes Gesamtkonzept zu entwickeln, das den Aus- und Weiterbau der In-
frastruktur, die Modernisierung der Flotte, die wirtschaftliche Stabilisierung der
mittelständischen Unternehmen, die Berührungsängste zwischen den Verkehrs-
trägern Wasser, Schiene und Straße abbaut und die Verlagerung von Transpor-
ten auf die Wasserstraße zum Ziel hat.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

möglichst umgehend ein entsprechendes Konzept vorzulegen. Er erwartet, dass
die Bundesregierung insbesondere in folgenden Handlungsfeldern tätig wird:

1. Wasserstraßeninfrastruktur

 Eine nachhaltige Aufstockung der Mittel im Investitionsprogramm 1999
bis 2002 und im „Anti-Stau-Programm“ für Investitionen in die Wasser-
straßen, um so der Bedeutung des Verkehrsträgers Binnenschiff im Ver-
gleich zu Straße und Schiene und einer notwendigen Verlagerung von
Gütern auf die Wasserstraße gerecht zu werden und Infrastrukturengpässe
auf den Wasserstraßen entsprechend dem im Bundesverkehrswegeplan
1992 ausgewiesenen Bedarf zu beseitigen. Beispielhaft sind die nach-
folgenden prioritären Projekten aufgeführt, bei denen keine Abstriche
erfolgen dürfen:

– Main-Donau-Kanal
Zügige Beseitigung des Engpasses der 69 km langen Donaustrecke
Straubing-Vilshofen mit dem Ziel einer ganzjährigen Befahrbarkeit.

– Weser
Ausbau für den Verkehr von Großmotorschiffen und Schubverbänden
für Massengut-/Containertransporte zwischen Minden und Bremen.

– Elbe
Ausbaumaßnahmen, um der Schifffahrt eine Fahrrinnentiefe von
mind. 1,60 m ganzjährig zu gewährleisten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4387

– Saale
Die letzte Baumaßnahme zur Anpassung der Schifffahrtsverhältnisse
der Saale an die Elbe zu vollenden.

– Elbe-Lübeck-Kanal
Über die laufenden Ausbesserungsmaßnahmen hinaus den Vollausbau
des Kanals für Groß-Motorschiffe voranzutreiben, um dem Seehafen
Lübeck und den Ostseeanrainern eine leistungsfähige Verbindung mit
dem europäischen Wasserstraßensystem zu ermöglichen.

– VDE Projekt Nr. 17 Wasserstraße Hannover-Berlin
Das Projekt plan- und fristgerecht zu verwirklichen, um die Standort-
qualität für Neuinvestitionen in Ostdeutschland zu ermöglichen und
die Existenz des Güterschifffahrtsgewerbes zu gewährleisten.

2. Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen

 Maßnahmen zum Abbau des Harmonisierungsdefizits auf EU-Ebene im
fiskalischen und sozialen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der
in den Niederlanden bestehenden Staatsgarantien bei der Kreditfinanzie-
rung für die Binnenschifffahrt.

3. Wirtschaftliche Situation der deutschen Binnenschifffahrt

 Initiativen zu ergreifen, um dem anhaltenden Ausscheiden deutscher Par-
tikulierunternehmen aus dem Markt entgegenzuwirken.

 Bei allen Überlegungen zur Verbesserung der Ertragssituation deutscher
Binnenschifffahrt-Unternehmen stets den Zusammenhang zwischen
Größe und Struktur der Unternehmen, ihren Vertragsbeziehungen unter-
einander mit der schlechten Frachtensituation zu bedenken.

4. Modernisierungsbedarf

 Die vorhandenen Programme der Bundesregierung zur Finanzierung ei-
nes Schiffsneubaus oder einer Modernisierung für die Binnenschifffahrt
aufzustocken und zu novellieren bzw. neue Programme – aufgrund man-
gelnden Eigenkapitals und schlechter Ertragslage – zu schaffen.

 Die Konzipierung eines speziell für die Binnenschifffahrt erstellten Pro-
gramms zur Verjüngung und Modernisierung der deutschen Flotte.

5. Kooperation der Verkehrsträger

 Alle verkehrspolitische Maßnahmen auszuschöpfen, um die Kooperation
und eine Stärkung der Transporte auf den Wasserstraßen zu fördern.

 Dem Beispiel der Niederländer zu folgen und eine Förderung von Termi-
nals nicht nur im Kombinierten Verkehr vorzusehen, sondern auch Zu-
schüsse zu den Investitionskosten für private Wasseranschlüsse und von
Umschlageinrichtungen zu gewähren, wenn dadurch zusätzliche Beför-
derungen auf der Wasserstraße sichergestellt werden.

 Als Signal gegen den Rückgang der Beförderungsmenge und Beförde-
rungsleistung eine Abschaffung bzw. deutliche Senkung der Schifffahrts-
abgaben zu ermöglichen, um so den Transport auf der Wasserstraße at-
traktiver zu machen.

6. Europäische Binnenschifffahrtspolitik

 Ein Konzept für eine gesamteuropäische Binnenschifffahrtspolitik zu er-
arbeiten.

 In den Verhandlungen um eine Reform der Besatzungsordnung bei der
ZKR auf einen raschen erfolgreichen Abschluss zu drängen.

Drucksache 14/4387 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
 Die einzige paneuropäische Wasserstraße, die Donau, ist durch Beräu-
mung der Brückentrümmer im jugoslawischen Teil für den Transitver-
kehr schnellstens wieder schiffbar zu machen. Dieser Korridor hat beson-
dere Bedeutung für einen Zugang zum russischen Binnenwassersystem
mit Hilfe des Fluss-Seeverkehrs.

 Überlegungen über die Verwendung der Mittel aus dem Reservefonds
vorzulegen.

7. Kabotage, bilaterale Verträge, Wettbewerbssituation zu den MOE-Staaten –
Anpassung an Gemeinschaftsrecht

 Die Einhaltung der Kabotagebestimmungen und der Tarife in den bilate-
ralen Binnenschifffahrt-Abkommen einer verstärkten Kontrolle zu unter-
ziehen und Verstöße stärker zu ahnden.

 Alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine Einhaltung der Quote im Polen-
verkehr annähernd zu gewährleisten und die Wettbewerbssituation der
deutschen Binnenschifffahrt bei einem EU-Beitritt von Polen, Tschechien
und Ungarn zu erhalten und zu sichern.

8. Binnenschifffahrtsbericht

 Dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht zur Lage des Binnen-
schifffahrtsgewerbes in Deutschland im Deutschen Bundestag vorzule-
gen.

Berlin, den 24. Oktober 2000

Renate Blank
Dirk Fischer (Hamburg)
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Eduard Oswald
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Georg Brunnhuber
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Peter Götz
Manfred Heise
Hans Jochen Henke
Norbert Königshofen
Dr. Hermann Kues
Peter Letzgus
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Dr. Michael Meister
Günter Nooke
Norbert Otto (Erfurt)
Hans-Peter Repnik
Wilhelm Josef Sebastian
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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