BT-Drucksache 14/4372

Offenbarung sicherheitsrelevanter Erkenntnisse in atom-rechtlichen Planfeststellungsverfahren und berufliche Verschwiegenheitspflichten

Vom 16. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4372

14. Wahlperiode

16. 10. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter und der Fraktion der PDS

Offenbarung sicherheitsrelevanter Erkenntnisse in atomrechtlichen
Planfeststellungsverfahren und berufliche Verschwiegenheitspflichten

Die Salzgitter Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 6. Oktober 2000, dass
der frühere stellvertretende Leiter des Schacht Konrad Projektes bei der Deut-
schen Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), V. E., der-
zeit daran gehindert wird, von ihm erkannte Gründe zu benennen, die nach sei-
ner Auffassung zwingend zur Nichtgenehmigung der Endlagerprojekte Schacht
Konrad und Gorleben führen würden.

Seine Anwälte erklären laut dem Pressebericht, dass er diese Gründe aber der-
zeit niemandem verraten dürfe, weil ihm sonst Schadensersatzforderungen in
Millionen- oder sogar Milliardenhöhe durch seinen früheren Arbeitgeber, der
DBE, drohen würden. Zu der Reaktion des niedersächsischen Umweltministe-
riums berichtet die Salzgitter Zeitung:

„Nachdem V. E. sich Dr. H. B., in der Propstei Salzgitter-Bad für das Endlager
Konrad zuständig, im Vertrauen auf dessen Schweigepflicht offenbart hat und
jener die Fakten von einer darauf spezialisierten Rechtsanwältin bewerten ließ,
ist nun auch Landesbischof Christian Krause aktiv geworden.“

Am 26. Juli 2000 schickte der Bischof einen persönlichen Brief an den nieder-
sächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner. Der Minister möge doch, bat
Krause, V. E. ein Schreiben zukommen lassen, das geeignet ist, die DBE von
Schadensersatzforderungen Abstand nehmen zu lassen. Doch alles, was V. E.
Ende September bekam, ist der Brief eines Ministeriumsmitarbeiters, der ihn
auffordert, „etwaige Sachinformationen, die möglicherweise der Planfeststel-
lungsbehörde bisher nicht bekannt sein könnten, vor Abschluss des Verfahrens
bis zum 15. Oktober 2000 zur Kenntnis zu geben“. Weiter heißt es in dem
Schreiben: „Sollte die Offenlegung der Ihnen zur Verfügung stehenden Infor-
mationen der vorhergehenden Zustimmung Ihres ehemaligen Arbeitgebers oder
Dritter bedürfen, bitte ich Sie, entsprechende Vorklärungen in eigener Verant-
wortung vorzunehmen.“ (Salzgitter Zeitung vom 6. Oktober 2000).

Dieser Bericht hat in der betroffenen Region erhebliche Zweifel daran geweckt
bzw. verstärkt, dass in diesem Genehmigungsverfahren tatsächlich allen
Sicherheitsfragen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Genauigkeit nach-
gegangen wird. Da die Frage nicht geklärt werden kann, ob die von V. E. be-
haupteten zwingenden Gründe für die Nichtgenehmigung von Schacht Konrad
zutreffend sind, ist deren Offenlegung und gründliche Prüfung erforderlich.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Da die DBE im Auftrag der antragstellenden Bundesregierung handelt, hat die
Bundesregierung ausreichend direkte Entscheidungs- und Einflussmöglichkei-
ten, um die Aussagemöglichkeit für V. E. zu schaffen. Das niedersächsische
Umweltministerium ist wiederum als Genehmigungsbehörde verpflichtet, allen
Fragen nachzugehen, die Zweifel an einer Genehmigungsfähigkeit von Schacht
Konrad begründen könnten. Gegenüber dem antragstellenden Bund hat das
Land die Möglichkeit, ihn zur Mitwirkung an diesen Überprüfungen zu veran-
lassen. Dazu gehört auch, dass direkte und indirekte Mitarbeiter des Bundes zur
Offenlegung von Erkenntnissen veranlasst werden, die einer möglichen Geneh-
migung entgegen stehen. Da V. E. zu dieser Aussage bereit ist, fehlt es derzeit
nur an der Zustimmung des Bundes und seiner Beauftragten.

Sollte die Bundesregierung oder die untergeordneten Bundesbehörden und de-
ren beauftragte Unternehmen dies weiter verweigern, dann ist das Umweltmi-
nisterium in Hannover durch den Antragsteller offensichtlich an einer weiteren
Bearbeitung des Genehmigungsantrages gehindert. Ein Abbruch oder zumin-
dest eine Unterbrechung des Planfeststellungsverfahrens wären die zwingende
Folge.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Schritte will die Bundesregierung einleiten, um die vollständige
Einbeziehung der von V. E. behaupteten Erkenntnisse in das Planfeststel-
lungsverfahren zu ermöglichen?

2. Was hat das Bundesamt für Strahlenschutz als Auftraggeber der DBE im
Projekt Konrad unternommen, um diese zu veranlassen, V. E. eine unbe-
schränkte und freie Aussagemöglichkeit gegenüber der Plangenehmigungs-
behörde zu ermöglichen?

3. Ist die Bundesregierung bereit, die Arbeiten im Planfeststellungsverfahren
abzubrechen oder zumindest so lange ruhen zu lassen, bis V. E. die Aussage-
möglichkeit gegenüber dem niedersächsischen Umweltministerium einge-
räumt wurde?

4. Sieht die Bundesregierung einen Regelungsbedarf zum Schutz von Perso-
nen, die Informationen weitergeben können, die sie in Ausübung ihrer be-
ruflichen Tätigkeit erlangen?

5. Welche Schritte wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen,
dass Klauseln in Arbeitsverträgen bezüglich der Wahrung von Betriebsge-
heimnissen oder der Verschwiegenheit nichtig sind, soweit Rechte Dritter,
zu schützende Güter oder Belange der Allgemeinheit bedroht sind?

Berlin, den 12. Oktober 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus und Fraktion

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