BT-Drucksache 14/4362

Umfang der Hermes-Bürgschaften für das Atomkraftwerk Angra (Brasilien)

Vom 17. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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4362

14. Wahlperiode

17. 10. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Eva-Maria Bulling-Schröter,
Ursula Lötzer, Uwe Hiksch, Carsten Hübner, Dr. Winfried Wolf und der Fraktion
der PDS

Umfang der Hermes-Bürgschaften für das Atomkraftwerk Angra (Brasilien)

Am 27. Juni 1975 unterzeichnete die damals sozialdemokratisch geführte Bun-
desregierung trotz heftigen Widerstandes der USA einen Atomvertrag mit der
damaligen brasilianischen Diktatur. Das deutsch-brasilianische Regierungsab-
kommen, das den Verkauf von 8 Atomkraftwerken und von Anreicherungstech-
nologie vorsah, wurde als größtes deutsches Exportgeschäft aller Zeiten gefeiert
und rettete die Siemens-Tochter KWU aus einer wirtschaftlichen Klemme (taz
vom 21. Februar 1998). Dieses Abkommen bildete die Grundlage für die 1976
abgeschlossenen Verträge zwischen Siemens und dem brasilianischen Energie-
versorger Furnas (heute Electronuclear). Das zivile Atomprogramm geriet aus
Finanznot schnell ins Stocken. Die deutsche Bundesregierung bestätigte Ende
1991, dass neben den Hermes-Bürgschaften für deutsche Exportkredite außerdem
auch öffentliche Mittel aus dem Bundeshaushalt für die „wissenschaftlich-tech-
nologische Zusammenarbeit“ zur Verfügung gestellt worden seien. Nach eigenen
Angaben gab sie dafür rd. 6,5 Mio. DM aus. Es kann nach Angaben der „Deut-
schen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/
Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.“ davon ausgegangen werden, dass das bra-
silianische Militär dank des umfassenden Technologietransfers heute über die
Option zum Bau von Atombomben verfügt.

Nach 25 Jahren Bauzeit ging das Kraftwerk Angra 2 im Juli dieses Jahres ans
Netz. Die Initiative Urgewalt spricht in diesem Zusammenhang von einem öko-
nomischen Desaster (Kosten 10 Mrd. DM; vgl. taz vom 27. März 2000). Zur-
zeit laufen Verhandlungen über die Errichtung eines weiteren Kraftwerkes –
Angra 3. Bisher hat Angra 3 nach Schätzungen der staatlichen Betreiberfirma
Electronuclear ca. 1,5 Mrd. DM gekostet, weitere 3 Mrd. DM Restkosten sind
im Gespräch (vgl. Gerhard Dilger, in: 25 Jahre deutsch-brasilianischer Atom-
vertrag: Kein Grund zum Feiern. Eine Kurzstudie im Auftrag der Heinrich-
Böll-Stiftung, März 2000, S. 3).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Kann die Bundesregierung bestätigen oder dementieren, dass ein Antrag auf
Übernahme einer Hermes-Bürgschaft für den Bau bzw. die Fertigstellung
des brasilianischen Atomkraftwerkes Angra 3 vorliegt, dieser aber derzeit
ruht?
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2. Unter welchen Voraussetzungen könnte eine Bürgschaftsübernahme für
Angra 3 erfolgen und der derzeitige Zustand (Ruhen des Antrags) aufgeho-
ben werden?

3. Liegen ältere Verpflichtungen oder Grundsatzzusagen für dieses Projekt
vor oder bestehen Möglichkeiten zur Umwidmung anderer bereits gewähr-
ter Bürgschaften für dieses Projekt?

4. Wie hoch ist der Gesamtumfang der bereits gewährten Hermes-Deckungen
für die Atomkraftwerke Angra 2 und 3?

5. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Gesamtumfang der
ausländischen Lieferanteile (ausdifferenziert nach EU-Ländern und Nicht-
EU-Ländern) bei den gewährten Hermes-Bürgschaften?

6. Wie bewertet die Bundesregierung das Sicherheitsniveau des Atomkraft-
werkes Angra 2?

7. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass ein erheblicher Teil der Kom-
ponenten für das Atomkraftwerk Angra 3 bereits vor mehreren Jahren ge-
liefert wurde und wie bewertet sie den Sicherheitsstandard des geplanten
Atomkraftwerkes Angra 3?

8. Wie bewertet die Bundesregierung aus heutiger Sicht das deutsch-brasilia-
nische Nuklearabkommen und welche Gründe führten zum Verzicht auf die
Kündigung dieses Abkommens Ende letzten Jahres?

9. Zieht die Bundesregierung die Finanzierung und Unterstützung weiterer
Atomanlagen oder anderer Komponenten des Atomvertrages – neben acht
Atomkraftwerken waren in dem Vertrag von 1975 noch die Errichtung
einer Reaktorfabrik, einer Urananreicherungsanlage, einer Wiederaufberei-
tungsanlage und die Erschließung von Uranvorkommen geplant – auf bra-
silianischem Boden in Erwägung und liegen hierzu bereits Anträge vor?

10. Ist die brasilianische Regierung trotz der Verschuldung des Landes in der
Vergangenheit den Zahlungsverpflichtungen für Angra 2 und 3 nachge-
kommen?

11. Wie hoch ist der Gesamtumfang brasilianischer Zahlungsrückstände auf-
grund von Hermes-Schadensfällen in DM?

Berlin, den 12. Oktober 2000

Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft
Eva-Maria Bulling-Schröter
Ursula Lötzer
Uwe Hiksch
Carsten Hübner
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

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