BT-Drucksache 14/4360

Berichte über die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an mutmaßliche Straßendrogenhändler

Vom 16. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4360
14. Wahlperiode 16. 10. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Berichte über die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an mutmaßliche
Straßendrogenhändler

Seit Anfang des letzten Jahrzehnts werden durch die Drogenfahndung in man-
chen Städten mutmaßlichen Straßenhändlern zwangsweise Brechmittel verab-
reicht, um im Magen des Beschuldigten vermutete Betäubungsmittelpäckchen
als Beweismittel zu gewinnen. Nachdem die Betroffenen die entsprechende
Prozedur durchlitten haben, leiden sie über Wochen unter Störungen des Ver-
dauungssystems und Kreislaufschwäche. Die Polizei stützt diese Maßnahme
auf eine äußerst umstrittene Auslegung des § 81a Abs. 1 S. 2 StPO.

Diese Praxis der Polizei wurde und wird in der Fachpresse und von Menschen-
rechtsorganisationen als Verstoß gegen die Menschenwürde des Beschuldigten
und den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit kritisiert. So heißt es im Jahres-
bericht 1997 von Amnesty International, es liege ein Verstoß gegen das in Arti-
kel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegte Folterverbot
vor:

„Nach Auffassung von Amnesty International stellt die zwangsweise Vergabe
von Brechmitteln, sofern sie nicht aus medizinischen Gründen erforderlich ist,
eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.“ (S. 177 f.)

Aufgrund der scharfen öffentlichen Proteste und einer wegweisenden Entschei-
dung des OLG Frankfurt a. M. (abgedruckt in NJW 1997 S. 1647) wurde diese
Ermittlungsmethode zeitweise zurückhaltender angewandt. Inzwischen scheint
zumindest in Bremen und Frankfurt die Vergabe von Brechmitteln wieder zu
einer Standardmethode der Drogenfahndung geworden zu sein.

Zu den grundsätzlichen Bedenken gegen diese Ermittlungsmethode kommt der
durch die bekannt gewordenen Fälle erweckte Eindruck hinzu, die Polizei
wende dieses Mittel überwiegend bei schwarzafrikanischen Beschuldigten an.
Nach Aussagen von Betroffenen sehen manche Beamte der Drogenfahndung
überdies die Vergabe von Brechmitteln als vorweggenommene unbürokratische
Bestrafung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Brechmittel in der
oben beschriebenen Weise verabreicht werden?

Wenn ja, in welchen Bundesländern/Städten kommen nach Kenntnis der
Bundesregierung bei der Fahndung gegen den Straßendrogenhandel Brech-
mittel zum Einsatz?

Drucksache 14/4360 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
2. Wie häufig wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1990 pro Jahr
in den einzelnen Bundesländern/Städten Brechmittel an des Drogenhandels
Beschuldigte verabreicht?

3. Wie häufig wurde der Einsatz von Brechmitteln nach Kenntnis der Bundes-
regierung dabei jeweils vom Gericht, von der Staatsanwaltschaft, von der
Polizei oder aber vom Bundesgrenzschutz angeordnet ?

4. Welche Brechmittel werden dabei nach Kenntnis der Bundesregierung ver-
wandt?

5. Was ist der Bundesregierung über die Nebenwirkungen der verwendeten
Mittel bekannt?

6. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung vorgegangen, wenn der Be-
schuldigte das Brechmittel nicht freiwillig einnimmt und wie häufig ist dies
der Fall?

7. Wie wird die Brechmittelvergabe nach Kenntnis der Bundesregierung me-
dizinisch überwacht?

8. Findet nach Kenntnis der Bundesregierung eine medizinische Nachsorge
statt?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Beschwerden von Betroffenen,
Strafanzeigen gegen die handelnden Beamten und das Ergebnis dieser Ver-
fahren?

10. Sind der Bundesregierung weitere die polizeiliche Praxis des Brechmittel-
einsatzes kritisierende Stellungnahmen von Verbänden bekannt?

11. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Brechmittel auffal-
lend häufig bei schwarzafrikanischen Beschuldigten angewandt werden,
und welche Folgerungen zieht sie daraus?

12. Ist der Bundesregierung eine von der oben genannten Entscheidung des
OLG Frankfurt a. M. abweichende Rechtsprechung bekannt?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zulässigkeit des Einsatzes von
Brechmitteln im Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Menschenwürde
des Beschuldigten, des Folterverbots und des Rechts, sich nicht selbst be-
lasten zu müssen?

14. Hält die Bundesregierung eine klarstellende Novellierung des § 81a StPO
für angebracht?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 16. Oktober 2000

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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