BT-Drucksache 14/4323

zu dem Antrag der Fraktion der F.D.P. -14/3187- Beziehungen zu Österreich normalsisieren

Vom 13. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4323
14. Wahlperiode 13. 10. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(22. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktion der F.D.P.
– Drucksache 14/3187 –

Beziehungen zu Österreich normalisieren

A. Problem

Am 31. Januar 2000, noch vor der Bildung einer Koalition zwischen der Volks-
partei und der FPÖ in Österreich, hatte die portugiesische Präsidentschaft der
Europäischen Union im Namen von 14 Mitgliedstaaten eine Erklärung veröf-
fentlicht, die eine gemeinsame Reaktion für den Fall einer Regierungsbildung
in Österreich unter Einschluss der FPÖ vorsieht. Danach entwickeln oder ak-
zeptieren die Regierungen von 14 Mitgliedstaaten im Falle einer Regierungs-
bildung in Österreich unter Beteiligung der FPÖ keine bilateralen offiziellen
Kontakte auf politischer Ebene zu einer solchen Regierung. Darüber hinaus
gibt es keine Unterstützung für österreichische Kandidaten in internationalen
Organisationen. Österreichische Botschafter in den Hauptstädten der Europäi-
schen Union werden nur auf technischer Ebene empfangen. Diese Erklärung
und ihre Anwendung führte zu vielfältigen und kontroversen Diskussionen in
Österreich und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit dem
Antrag wird die Normalisierung der Beziehungen zu Österreich gefordert.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags.

Mehrheit im Ausschuss

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 14/4323 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache 14/3187 abzulehnen.

Berlin, den 13. Oktober 2000

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Dr. Friedbert Pflüger
Vorsitzender

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Gerd Höfer
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Arnold Vaatz
Berichterstatter

Christian Schmidt (Fürth)
Berichterstatter

Christian Sterzing
Berichterstatter

Dr. Helmut Lippelt
Berichterstatter

Dr. Helmut Haussmann
Berichterstatter

Uwe Hiksch
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4323

Bericht der Abgeordneten Michael Roth (Heringen), Gerd Höfer, Markus Meckel,
Arnold Vaatz, Christian Schmidt (Fürth), Christian Sterzing, Dr. Helmut Lippelt,
Dr. Helmut Haussmann und Uwe Hiksch

1. Beratungsverfahren

Der Antrag der Fraktion der F.D.P. „Beziehungen zu Öster-
reich normalisieren“ ist in der 108. Sitzung des Deutschen
Bundestages am 8. Juni 2000 an den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union federführend und an
den Auswärtigen Ausschuss zur Mitberatung überwiesen
worden.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 50. Sitzung am
27. September 2000 die Ablehnung des Antrags empfohlen.

2. Gegenstand des Antrags

In dem Antrag wird zunächst betont, dass die fremdenfeind-
lichen und rassistischen Äußerungen des Vorsitzenden der
FPÖ, Jörg Haider, unter keinen Umständen akzeptabel und
daher mit Recht immer wieder verurteilt worden seien. Zum
Schutz der gemeinsamen europäischen Werte sei höchste
Wachsamkeit der Mitglieder der Europäischen Familie da-
her angebracht. Zu diesen Werten gehöre aber auch, demo-
kratisch zu Stande gekommene Entscheidungen grundsätz-
lich zu respektieren und keine Vorverurteilungen vorzuneh-
men. Die Sanktionen der 14 Mitgliedstaaten würden weder
Buchstaben noch Geist des Amsterdamer Vertrages entspre-
chen und hätten darüber hinaus innerhalb der Europäischen
Union und auch gegenüber den Beitrittskandidaten schwe-
ren Schaden angerichtet. Die ergriffenen Sanktionen würden
sich unterhalb der Schwelle des Artikels 7 EUV (Vertrag
über die Europäische Union) bewegen, die bei einer anhal-
tenden und schwerwiegenden Verletzung der Grundsätze
des Artikels 6 EUV möglich seien. Dabei würde jedoch die
Ausschlussfunktion dieser Bestimmungen verkannt: Denn
soweit das Verhalten eines Mitgliedstaats von Regelungen
der Europäischen Union erfasst wird, verlören die Mitglied-
staaten ihrerseits die Kompetenz, Sanktionen im Alleingang
zu verhängen. Die Sanktionen seien zudem unverhältnismä-
ßig und als Sanktionen gegenüber einem kleinen Mitglied-
staat darüber hinaus geeignet, Befürchtungen anderer Mit-
gliedstaaten zu bestärken, ein vereinigtes Europa stelle eine
Bedrohung für politische Autonomie, abweichende Auffas-
sungen und nationale Interessen dar. Die Bundesregierung
wird aufgefordert, mit den anderen 13 Mitgliedstaaten un-
verzüglich in Überlegungen einzutreten, wie die bilateralen
Sanktionen gegenüber Österreich aufgehoben werden kön-
nen. Die Bundesregierung solle darüber hinaus die Kommis-
sion der Europäischen Union auffordern, ihre Verantwor-
tung als Hüterin der Verträge wahrzunehmen und die Mit-
gliedstaaten zu vertragskonformem Verhalten gegenüber
dem EU-Partner Österreich zu veranlassen. Die Bundesre-
gierung solle deutlich machen, dass die beabsichtigte Aufhe-
bung der Sanktionen auf der Erkenntnis beruhe, dass die ös-
terreichische Regierung bisher keinen Anlass gegeben habe,
an ihrer Europatreue und ihrer Verpflichtung auf Demokratie
und Rechtstaatlichkeit zu zweifeln und solle gleichzeitig un-

terstreichen, dass die Sorge der anderen 14 Mitgliedstaaten
angesichts der Regierungsbeteiligung der FPÖ nach wie vor
gerechtfertigt seien.

3. Beratungsverfahren – federführender
Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat sich in mehreren Sitzungen mit dem Ver-
halten der EU-14 gegenüber Österreich befasst.

Seitens der Fraktion der SPD wurde zunächst darauf hinge-
wiesen, dass die EU eine Wertegemeinschaft und es daher
erforderlich sei, einem Land, das sich nicht an die verein-
barten Spielregeln halte, zu zeigen, dass man nicht vertrau-
ensvoll mit ihm zusammenarbeiten könne. Die Maßnahmen
der EU-14 würden diesen Willen der EU deutlich symboli-
sieren und darüber hinaus insofern Augenmaß beweisen, als
sie die inhaltliche Auseinandersetzung und Kontinuität der
laufenden Arbeit weiterhin gewährleiste. Darüber hinaus sei
die deutsche Österreichpolitik eingebettet in die EU-Politik.
Die Maßnahmen würden sich nicht gegen die österreichi-
sche Bevölkerung, sondern ausschließlich gegen die Regie-
rung in Wien richten. Es dürfe nicht hingenommen werden,
dass in Europa eine Partei an einer Regierung beteiligt sei,
die die menschenverachtende Politik des Deutschen Reiches
und Österreichs während des Nationalsozialismus verharm-
lose. Die Maßnahmen der EU-15 hätten Erfolge gezeitigt.
So sei in Österreich seit langem nicht mehr so breit über das
Verhältnis zur eigenen Vergangenheit diskutiert worden wie
in der derzeitigen Situation.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde ebenfalls dar-
auf verwiesen, dass die Europäische Union natürlich eine
Wertegemeinschaft sei und Aussagen des Vorsitzenden der
FPÖ schwer damit vereinbar seien. Der Wertekanon der
Europäischen Union müsse aber in Einstimmung mit euro-
päischem Recht und den europäischen Normen verteidigt
werden. Aber gerade wenn man Europa wolle und einen
Erfolg der Regierungskonferenz von Nizza wolle, mit dem
eine Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen erzielt wer-
den soll, brauche man Österreich. Mit den gegenüber Öster-
reich verhängten Sanktionen würde Europa geschadet und
die Osterweiterung gebremst. Erforderlich sei in der Tat, ein
klares und geordnetes Verfahren zu bekommen, um so
schwerwiegende Maßnahmen wie im Falle Österreichs zu
ergreifen. Durch derartige Reaktionen würden Personen wie
der Vorsitzende der FPÖ eher gestärkt als geschwächt.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legte Wert
auf die Feststellung, dass es der Charakter der Europäischen
Union als Wertegemeinschaft erforderlich gemacht habe,
zur Frage der Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich
nicht zu schweigen. Die Maßnahmen der EU-14 hätten dar-
über hinaus zu dem Ergebnis geführt, dass in Österreich
Diskussionen über die Vergangenheit dieses Landes vor

Drucksache 14/4323 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
1945 geführt würden, die bisher so intensiv nicht vorstellbar
waren. Sinnvoll sei es jedoch auch zu überlegen, unter wel-
chen Umständen man wieder zu einer Normalisierung im
Hinblick auf Österreich kommen könne.

Die Fraktion der F.D.P. verwies darauf, dass wer sich um die
demokratische Stabilität oder die Werteorientierung Öster-
reichs Sorgen mache, den Dialog mit Österreich nicht redu-
zieren, sondern intensivieren solle. Die österreichische Re-
gierung habe zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Zweifeln an
ihrer Europatreue gegeben, weswegen die Sanktionen un-
verhältnismäßig seien und gegen Geist und Buchstaben des
Amsterdamer Vertrages verstoßen würden. Wer für sich in
Anspruch nehme, mit den Sanktionen die gemeinsamen
Werte der EU zu wahren und zu stärken, müsse diese Werte
auch gegen sich selbst gelten lassen. Dazu gehöre etwa,
Vorverurteilungen zu unterlassen, demokratisch zu Stande
gekommene Entscheidungen zu respektieren und sich an
Geist und Buchstaben internationaler Verträge zu halten.

Die Fraktion der PDS hat die Sanktionen der EU-14 gegen-
über Österreich begrüßt. Es gelte, bereits den Anfängen aus-
länderfeindlicher und antisemitischer Bestrebungen in Eur-
opa zu begegnen. Die EU sei dazu auf Grund ihres Werteka-
nons sogar verpflichtet.

Während der parlamentarischen Beratung kam Bewegung
in die entstandene Lage. Am 12. Juli 2000 hatten der ehe-
malige finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari, der Di-
rektor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentli-
ches Recht und Völkerrecht und ehemalige Vizepräsident
der Europäischen Kommission für Menschenrechte, Jochen
Frowein, und der Präsident des Instituts für Europastudien
der San Pablo CEU Universität und ehemalige spanische
Außenminister, ehemaliger Generalsekretär des Europarats

und ehemaliges Mitglied der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften, Marcelino Oreja, durch den Präsidenten
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein
Mandat der Vierzehn erhalten, „auf der Grundlage einer ein-
gehenden Untersuchung einen Bericht vorzulegen über das
Eintreten der österreichischen Regierung für die gemein-
samen europäischen Werte, insbesondere hinsichtlich der
Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern
und die Entwicklung der politischen Natur der FPÖ“. Der
Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte hatte den drei so genannten Weisen den an ihn ge-
richteten Brief des portugiesischen Premierministers über-
mittelt, nach dessen letztem Satz „die Vierzehn auf der
Grundlage der Schlussfolgerungen dieses Berichts ihre
bilateralen Beziehungen mit der österreichischen Regierung
überprüfen werden“. Die drei Weisen haben am 8. Septem-
ber 2000 in Paris ihren Bericht vorgelegt, in dem sie in
Bezug auf die von den Vierzehn getroffenen Maßnahmen
u. a. ihre Auffassung äußerten, dass diese „kontraproduktiv
wirken würden, wenn sie fortbestünden, und dass sie daher
beendet werden sollten“. Am 12. September 2000 haben die
Vierzehn in einer Erklärung u. a. die Schlussfolgerung ge-
billigt: „Die von den Vierzehn ergriffenen Maßnahmen wa-
ren nützlich. Sie können jetzt aufgehoben werden.“

Dem Ausschuss ist bekannt, dass im Verlauf der Regie-
rungskonferenz zu den institutionellen Reformen mehrere
Delegationen Vorschläge zur Änderung von Artikel 7 EUV
eingereicht haben.

Der Antrag wird in der 52. Sitzung am 27. September 2000
mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.

Berlin, den 13. Oktober 2000

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Gerd Höfer
Berichterstatter

Markus Meckel
Berichterstatter

Arnold Vaatz
Berichterstatter

Christian Schmidt (Fürth)
Berichterstatter

Christian Sterzing
Berichterstatter

Dr. Helmut Lippelt
Berichterstatter

Dr. Helmut Haussmann
Berichterstatter

Uwe Hiksch
Berichterstatter

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