BT-Drucksache 14/4210

Abschiebungen nach Sri Lanka (Nachfrage)

Vom 2. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4210

14. Wahlperiode

02. 10. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Abschiebungen nach Sri Lanka (Nachfrage)

In ihrer Antwort auf eine frühere Kleine Anfrage zu Abschiebungen nach
Sri Lanka (Bundestagsdrucksache 14/3977) hat die Bundesregierung Anfang
August 2000 mitgeteilt, sie sehe trotz der bekannt gewordenen Fälle von ver-
hafteten Rückkehrern und der zunehmenden Spannungen in Sri Lanka keinen
Anlass, Abschiebungen in dieses Land auszusetzen.

Seither hat sich die Lage in Sri Lanka jedoch dramatisch verschlechtert. Am
4. September 2000 haben die Regierungstruppen eine neue Offensive gegen die
„Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) gestartet. Bei den Kämpfen sind
zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Gleichzeitig kommt es zu An-
schlägen. So wurden am 14. September 2000 nach Agenturmeldungen bei einer
Bombenexplosion vor einem Krankenhaus im Zentrum der Hauptstadt Co-
lombo fünf Menschen getötet und mindestens 26 weitere verletzt. Im Vorfeld
der für den 10. Oktober 2000 angesetzten Parlamentswahlen ist mit einer weite-
ren Zunahme der Spannungen zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ist auch die
Aussage des Auswärtigen Amtes im Ad-hoc-Lagebericht zu Sri Lanka vom
11. Juli 2000 ernst zu nehmen, dass die verschärften Sicherheitskontrollen „sich
hauptsächlich gegen junge Tamilen in wehrfähigem Alter richten“. Angehörige
der tamilischen Zivilbevölkerung sind auch zunehmend Opfer des „Verschwin-
denlassens“. Eine Bedrohung für tamilische Zivilisten geht auch von der stei-
genden Militanz der singhalesischen Bevölkerungsgruppe aus, deren radikale
Teile jeden Kompromiss mit den Tamilen ablehnen. Nach einem Bericht des
Südasien-Büros werden die Ergebnisse der Parlamentswahlen nichts an der ex-
trem zugespitzten Lage ändern. Eher sei damit zu rechnen, dass die Gräben
zwischen den Bevölkerungsgruppen immer größer werden und der Konflikt
weiter eskaliert.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass sich derzeit im Ab-
schiebegefängnis von Moers vier Tamilen mit einem Hungerstreik gegen ihre
drohende Abschiebung nach Sri Lanka wehren.

Deshalb fragen wir die Bundesregierung:

1. Sind seit April 2000 weitere Abschiebungen nach Sri Lanka durchgeführt
worden (bitte gegebenenfalls nach deutschem Flughafen, Abflugdatum,
Zahl der betroffenen Personen getrennt ausweisen)?
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2. Wenn Frage 1 bejaht wird: Hat die Bundesregierung die Ankunft der Abge-
schobenen in Colombo beobachten lassen?

Wenn ja: Welche Erkenntnisse haben sich aus dieser Beobachtung ergeben?

Wenn nein: Warum nicht?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Ausgang des in
ihrer o. g. Antwort zu Frage 1 der früheren Kleinen Anfrage genannten Ge-
richtstermins gegen Abgeschobene am 15. August 2000 vor?

4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das Schicksal der drei
Personen vor, die unentschuldigt zum Gerichtstermin am 11. Juli 2000 nicht
erschienen waren und deshalb mit Haftbefehl gesucht wurden?

5. Hat die Bundesregierung sich bemüht, die in ihrer o. g. Antwort auf die frü-
here Kleine Anfrage zitierte Auskunft der sri-lankischen Kriminalpolizei,
die am 28. April 2000 abgeschobenen Personen befänden sich auf freiem
Fuß, mit Hilfe von Aussagen einer unabhängigen Quelle überprüfen zu
lassen?

Wenn ja: Welche weitere Quelle ist herangezogen worden und welches
Ergebnis hat die Überprüfung erbracht?

Wenn nein: Warum nicht?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage in Sri Lanka

a) für unbegleitete Kinder,

b) für alleinstehende Frauen?

7. Sieht die Bundesregierung angesichts der in der Begründung beschriebenen
gefährlichen Zuspitzung der Lage in Sri Lanka nunmehr Anlass,

a) das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge anzuwei-
sen, Abschiebungshindernisse (etwa nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG) in
Asylverfahren für Tamilen aus Sri Lanka festzustellen beziehungsweise
Fälle, in denen das Asylverfahren rechtskräftig ohne Anerkennung und
ohne Feststellung eines solchen Abschiebungshindernisses beendet wor-
den ist, gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG wieder aufzugreifen,

b) den Innenministern und Innensenatoren der Länder vorzuschlagen, die
Abschiebung von Personen nach Sri Lanka bis auf weiteres auszusetzen?

8. Wenn Frage 7 verneint wird:

a) Wie begründet die Bundesregierung die Auffassung, die Vorgänge in Sri
Lanka seien keine ausreichende Grundlage für solche Maßnahmen?

b) Wann sähe die Bundesregierung

– abstrakt gesprochen,

– mit konkretem Bezug auf Sri Lanka

die Lage als so gravierend an, dass nach ihrer Auffassung die in Frage 7
genannten Maßnahmen in Betracht kämen?

Berlin, den 2. Oktober 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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