BT-Drucksache 14/4109

Möglicherweise unzulässige Gewaltanwendung durch den Bundesgrenzschutz bei einer Abschiebung

Vom 18. September 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4109

14. Wahlperiode

18. 09. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Möglicherweise unzulässige Gewaltanwendung durch den Bundesgrenzschutz
bei einer Abschiebung

Nach Darstellung von PRO ASYL und der Ärzteorganisation IPPNW in einer ge-
meinsamen Presseerklärung vom 4. September 2000 haben Beamte des Bundes-
grenzschutzes (BGS) am 2. September 2000 auf dem Flughafen Frankfurt/M. bei
der Abschiebung einer Familie aus dem Iran exzessiv Gewalt angewandt. Die Fa-
milie befand sich – zum Teil auf Grund des problematischen Gesundheitszustan-
des einiger Angehöriger – seit mehr als sechs Wochen im Flughafentransit. Ihre
Asylanträge blieben erfolglos. Der Vater der Familie hatte mehrfach gedroht,
sich im Fall einer Abschiebung das Leben nehmen zu wollen. Von einem Arzt ist
auf eine noch zu klärende posttraumatische Belastungsstörung und Suizidgefähr-
dung hingewiesen worden. Trotzdem hat der Bundesgrenzschutz die Abschie-
bung eingeleitet. Ein Arzt hat den Angaben zufolge lediglich noch einmal in der
Krankenakte geblättert und ohne weitere Untersuchung und Befragung die Fa-
milie in Begleitung vieler Beamter des BGS bis zur startbereiten Maschine der
Middle East Airlines gebracht. Der Vater der Familie habe mit dem Flugkapitän
sprechen wollen, der auch mit zwei Besatzungsmitgliedern an die hintere Sei-
tentür des Busses gekommen sei, der die Familie transportiert habe. Die BGS-
Begleitung habe den Vater aber nicht zu Wort kommen lassen. Stattdessen habe
der Arzt versucht, die Crew zur Mitnahme der Familie zu überreden. Dies sei
nicht gelungen. Vier BGS-Beamte hätten Hals, Arme und Kopf des Vaters ge-
packt, ihm zunächst den Kopf minutenlang auf die Brust gezwungen und ihn
schließlich – mit nach hinten hochgehebelten Armen – in Bauchlage auf einer
Sitzbank festgehalten. Dadurch sei er in Atemnot geraten, die sich verschlimmert
habe, als sich eine Beamtin auf seinen Rücken setzte. Der Vater habe begonnen,
Schmerzenslaute von sich zu geben. Daraufhin habe eine Tochter versucht, die
Polizistin von seinem Rücken herunterzuziehen, und sei selbst auf die Wange ge-
schlagen worden. Danach habe ein Sohn dasselbe versucht, sei aber von zwei Po-
lizisten mit zurückgebogenen Armen in überstreckter Haltung gegen die Rück-
lehne fixiert worden. Dabei sei in erheblichem Maße (atembehindernde) Gewalt
gegen den Hals angewandt worden. Der erwähnte Arzt habe dies alles mit ange-
sehen und sei dennoch nicht eingeschritten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung eine Untersuchung des beschriebenen Vorfalls ein-
geleitet?

Wenn nein, warum nicht?
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2. Liegen bereits Ergebnisse der Untersuchung vor?

Wenn ja, welche?

Wird die obige Darstellung bestätigt?

Wenn nein, wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

3. Wie stellt die Bundesregierung ggf. sicher, dass sich solche Vorfälle nicht
wiederholen?

4. Hat die Bundesregierung sichergestellt, dass der genannten Familie die Ein-
reise und der Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest bis zum Abschluss der
Untersuchung ermöglicht wird, auch damit die Familienmitglieder als Zeu-
gen zur Verfügung stehen?

Wenn nein, warum nicht?

5. Hat die Bundesregierung sichergestellt, dass die Angehörigen der genannten
Familie ärztlich behandelt werden?

Wenn nein, warum nicht?

6. a) Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten der beteiligten BGS-Be-
amten, namentlich vor dem Hintergrund der Weisung des Bundesministe-
riums des Innern, wonach „keine Abschiebung um jeden Preis“ durch-
geführt werden soll?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten des genannten Arztes
vor dem Hintergrund der ärztlichen Ethikregeln?

Berlin, den 18. September 2000

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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