BT-Drucksache 14/4042

Ausfuhrgenehmigung für Anlagen zur Herstellung von Gewehrmunition in der Türkei

Vom 1. September 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4042
14. Wahlperiode 01. 09. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Ausfuhrgenehmigung für Anlagen zur Herstellung von Gewehrmunition
in der Türkei

Am 24. August 2000 wurde es öffentlich, dass die Bundesregierung der deut-
schen Firma F. W. die Ausfuhrgenehmigung für Anlagen zur Herstellung von
Gewehrmunition an die Türkei erteilt hat. Der Vertrag wurde mit dem tür-
kischen Außenministerium, das seit langem die Absicht hatte, die türkische
Armee mit dem Kaliber 5,45 auszustatten, das in den NATO-Ländern seit lan-
gem Standard ist, am 23. August unterzeichnet. Das Rüstungsgeschäft beläuft
sich auf etwa 90 Mio. DM.

In den letzten Jahren haben Menschenrechtler in Bild- und Filmdokumenten
sowie in Zeugenaussagen belegt, dass türkische Sicherheitskräfte deutsche
Rüstungsgüter gegen die kurdische Zivilbevölkerung eingesetzt haben. Bei
dem Krieg in Kurdistan sind mehr als 35 000 Menschen ums Leben gekom-
men. Menschenrechts- und Friedensorganisationen sind besorgt darüber, dass
diese Gewehrmunition ebenso gegen die kurdische Zivilbevölkerung und ge-
gen die demokratische Opposition in der Türkei eingesetzt werden kann.

Des Weiteren ist das Rüstungsgeschäft mit der Türkei ein Verstoß gegen die
Rüstungsexportrichtlinien. Dort heißt es u. a.: „Der Beachtung der Menschen-
rechte im Bestimmungsland wird bei der Entscheidung besonderes Gewicht
beigemessen.“ Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern „werden
grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zu
internen Repressionen oder zu fortdauernden und systematischen Menschen-
rechtsverletzungen missbraucht werden.“

Die Politik der türkischen Regierung in Sachen Menschenrechte und gegenüber
Kurden und Kurdinnen hat sich nach Berichten von internationalen und türki-
schen Menschenrechtsorganisationen nicht verbessert. Systematische Folterun-
gen und Verhaftungen von Andersdenkenden sind immer noch an der Tages-
ordnung. Auch die jüngste Schließung des Büros des Menschenrechtsvereins in
Diyarbakir und die Bombardierung von kurdischen Siedlungen in Nordirak/
Südkurdistan am 15. August 2000, bei der 45 Zivilisten getötet worden sind,
gehören zur Praxis der türkischen Politik.

Die Genehmigung an die Firma F. W. ist als eine Vorstufe für das Panzer-
geschäft mit der Türkei zu betrachten. In einem Bericht der „Welt“ vom
29. August 2000 heißt es: „Ein weiteres Indiz dafür, dass Schröder selbst bereit
ist, der Türkei die gewünschten 1000 Kampfpanzer vom Typ Leopard II zu lie-
fern, wird in Kanzler-Äußerungen zum Export von Leopard-Panzern nach
Griechenland gesehen. (...) Um außenpolitischen Verwicklungen mit den rivali-

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sierenden NATO-Ländern Türkei und Griechenland zu vermeiden, orientieren
sich deutsche Exportgenehmigungen für diese Region immer an einem ein-
fachen Grundsatz: Was die Griechen bekommen, erhalten auch die Türken –
und umgekehrt.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann wurde die Ausfuhrgenehmigung an die Firma F. W. erteilt?

2. Seit wann lag die Voranfrage zu diesem Rüstungsgeschäft von der Firma
F. W. vor?

Wann hat die Türkei ihr Interesse für dieses Rüstungsgeschäft bekundet?

3. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Erteilung der Ausfuhrgeneh-
migung für Maschinen zur Herstellung von Gewehrmunition in der Türkei
ein Verstoß gegen die neuen Rüstungsexportrichtlinien?

Wenn ja, mit welcher Begründung wurde dann die Ausfuhrgenehmigung
erteilt?

Wenn nein, warum nicht?

4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich die Menschenrechtslage
in der Türkei verbessert hat?

Wenn ja, aufgrund welcher Fakten kommt sie zu dieser Auffassung?

5. Hat die Bundesregierung bei Ihrer Entscheidung, der Firma F. W. die Ge-
nehmigung für das o. g. Rüstungsgeschäft zu erteilen, die Berichte von inter-
nationalen und türkischen Menschenrechtsorganisationen herangezogen?

Wenn ja, in welcher Weise wurden diese berücksichtigt?

Wenn nein, warum nicht?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass in der Vergangenheit türki-
sche Sicherheitskräfte deutsche Rüstungsgüter gegen die kurdische Zivil-
bevölkerung eingesetzt haben?

Wenn ja, welche Garantien hat die Bundesregierung dafür, dass die türki-
schen Sicherheitskräfte die o. g. Munition nicht gegen die kurdische Zivil-
bevölkerung einsetzen werden?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die o. g. Entscheidung den
Weg für die Lieferung der 1000 Panzer vom Typ Leopard II geebnet hat?

Wenn nein, welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung für
eine Nichtzustimmung?

Gelten diese Gründe nicht auch für die Anlagen zur Produktion von Ge-
wehrmunition?

Berlin, den 29. August 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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