BT-Drucksache 14/3994

Umweltverträglichkeit deutscher Entwicklungshilfeprojekte

Vom 16. August 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

16. 08. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Carsten Hübner
und der Fraktion der PDS

Umweltverträglichkeit deutscher Entwicklungshilfeprojekte

Die Bundesregierung unterstützt finanziell diverse Projekte u. a. in Afrika, die
zum Teil aus ökologischer Sicht umstritten sind. Hierzu gehören neben Projek-
ten, die Trophäenjagd auf geschützte Tierarten einschließen, die Förderung von
Projekten, die zumindest mittelbar in die Problematik des so genannten Busch-
fleischhandels in West- und Zentralafrika involviert sind. Erst durch EU- bzw.
deutsche Gelder wurden Straßenbauprojekte möglich, die auch abgelegene
Waldgebiete zugänglich machten und damit das Abschlachten seltener Affen-
und anderer Tierarten befördern. Neben anderen europäischen Unternehmen
sind auch deutsche Holzfirmen an der Abholzung der Regenwälder maßgeblich
beteiligt, wobei Europa immer noch einen riesigen Absatzmarkt darstellt.

Bereits im März 1996 unterzeichneten Mitglieder des Europäischen Parlaments
im Rahmen des AKP-EU-Jahrestreffens (Versammlung von EU und afrikani-
schen, karibischen und pazifischen Staaten) in Namibia eine Resolution bezüg-
lich der Jagd auf Menschenaffen und der Zerstörung der tropischen Regenwäl-
der in Zentral- und Westafrika, die u. a. die EU auffordert, den betroffenen
afrikanischen Staaten finanzielle Hilfe bei der Realisierung von Schutzmaßnah-
men zuzusagen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

I. Fragen zur „Buschfleischproblematik“ in Zentralafrika

1. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um die EU zur Wahrnehmung
ihrer Aufgaben zu bewegen, die sich aus der genannten AKP-EU-Resolu-
tion ergeben?

2. Berücksichtigt der Haushaltsplan des Bundesministeriums für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Einzelplan 30) für das Jahr
2001 die Vergabe eigener Gelder für die finanzielle Unterstützung des Um-
weltschutzvollzugs in Zentral- und Westafrika?

Wenn ja, in welcher Höhe?

3. Sind der Bundesregierung bezüglich der o. g. Resolution von 1996, in der
die EU aufgefordert wird, die jeweiligen Holzfirmen ihrer Mitgliedsländer
dazu zu bewegen, jegliche Beteiligung am Buschfleischhandel abzulehnen,
entsprechende Initiativen anderer Mitgliedsländer bekannt?

Wenn ja, welche
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4. Inwieweit sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, auf die in West- und
Zentralafrika tätigen Holzfirmen im Hinblick auf ihre Beteiligung am
Buschfleischhandel (als Transporteur, Konsument von Buschfleisch bzw.
sogar durch eigene Jagdtätigkeiten) Einfluss zu nehmen bzw. inwieweit hat
dies die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits getan?

5. Hat die Bundesregierung bereits einen entsprechenden Dialog mit deut-
schen Holzfirmen (z. B. der K. D. AG in Reutlingen) im Hinblick auf deren
Beteiligung am Buschfleischhandel aufgenommen?

6. Sieht die Bundesregierung Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit mit den
deutschen Holzfirmen, z. B. bei der Erarbeitung eines Verhaltenskodex für
Konzessionsbetreiber?

7. Wie setzt sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür ein, dass auch die
Regierungen der anderen EU-Mitgliedstaaten (z. B. Frankreich und die
Niederlande) in ihren Ländern die zentrale Verantwortung der entsprechen-
den Holzfirmen thematisieren?

8. Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus einer bereits 1997
fertiggestellten und nun in überarbeiteter Form veröffentlichten Studie im
Auftrag der Europäischen Kommission („Increased Investment and Trade
by Transnational Logging Companies in Africa, the Caribbean and the Pa-
cific“) ziehen, die die verheerenden Folgen der unkritischen Vergabe von
Fördergeldern im Zusammenhang mit der Zerstörung tropischer Regen-
wälder untersuchte und dabei auch Deutschland als mitverantwortlich
nennt?

9. War der Bundesregierung bereits die erste Version dieser Studie dem Inhalt
nach bekannt oder ist sie erst seit der nun erfolgten Veröffentlichung über
diese Studie informiert?

10. Wird sich die Bundesregierung der Empfehlung der Autoren anschließen,
Entwicklungshilfe in finanzieller, materieller und beratender Form bevor-
zugt an Länder zu geben, die ein vorläufiges Moratorium für Abholzungs-
aktivitäten realisieren, bis die ökologischen Folgen zuverlässig abgeschätzt
sind?

11. Erwägt die Bundesregierung darüber hinaus, die Förderung von Projekten,
deren Unbedenklichkeit (Environmental Impact Assessments) nicht zwei-
felsfrei erwiesen ist, vollständig einzustellen, bis die ökologischen und so-
zioökonomischen Rahmenbedingungen erfüllt sind?

12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Projekte alternativer
Einkommenserwirtschaftung gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort zu
konzipieren und umzusetzen; gibt es dahin gehende Überlegungen oder
werden solche an die Bundesregierung herangetragen?

II. Fragen zur Förderung von Projekten zur konsumtiven Wildtiernut-
zung

13. Hält die Bundesregierung die Etablierung oder Ausweitung der Bejagung
von Wildtierbeständen durch ausländische Trophäenjäger grundsätzlich für
einen positiven und gewollten Ansatz?

14. Welche konkreten Projekte zur konsumtiven Nutzung von Wildtierbestän-
den im Rahmen von so genannten Community Based Resources Manage-
ment Programmes oder Integrated Conservation and Development Pro-
grammes, bei denen organisierte Trophäenjagd durch ausländische
Jagdgäste eine Rolle spielt oder zukünftig spielen soll, werden zurzeit oder
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wurden seit 1983 durch Maßnahmen der Finanziellen und/oder Techni-
schen Zusammenarbeit seitens der Bundesregierung unterstützt? (Beispiele
sind u. a. „Selous Conservation Programme“ – SCP in Tansania, CAMP-
FIRE in Simbabwe, ADMADE in Sambia sowie Projekte in Pakistan wie
„Torghar Conservation Project“ – TCP, „Chitral Conservation Hunting
Project“ – CCHP und „Bar Valley Project“ – BVP.)

15. In welcher Höhe werden bzw. wurden Projekte dieser Art gefördert (Auf-
schlüsselung der Fördermittel jeweils nach Verwendungszweck und Art
der Förderung – FZ und TZ)?

16. Welche Anträge zur Förderung von Projekten zur konsumtiven Nutzung
von Wildtierbeständen unter anderem durch ausländische Trophäenjäger
liegen der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) oder der
Kreditanstalt für Wiederaufbau zurzeit zur Prüfung vor?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung, derartige Projekte, die die konsumtive
Nutzung von Wildtieren fördern, weiterhin mittelbar oder unmittelbar zu
fördern, und wenn ja, mit welchen Summen (aufgeschlüsselt nach Projek-
ten und Verwendungszwecken)?

18. Ist die Bundesregierung in der Lage und willens, detailliert zu prüfen, ob
die Förderung bestimmter Maßnahmen im Rahmen solcher Projekte direkt
oder indirekt zur Durchführung von Trophäenjagden beiträgt, z. B. indem
Verwaltungsstrukturen und/oder Infrastrukturen (z. B. Erschließung
schwer zugänglicher Regionen) etabliert werden?

19. Erwägt die Bundesregierung, in Zukunft anstelle von Projekten, die die
hochgradig selektive Bejagung von Wildtieren durch ausländische Jagd-
gäste propagieren, vermehrt Projekte zu unterstützen, die eine nicht-kon-
sumtive Nutzung von Wildtieren beinhalten?

20. Welche derartigen Projekte einer konsumtiven Nutzung von Wildtieren
werden nach Kenntnis der Bundesregierung zurzeit in welcher Höhe durch
die Europäische Union (Europäische Kommission, DG VIII) gefördert und
mit welchem jeweiligen Finanzvolumen?

21. Liegen der Bundesregierung mittlerweile die Angaben über die Einnahmen
des SCP aus der Großwild- und Trophäenjagd im Selous Wildreservat und
seinen Randgebieten in Tansania sowie über die Verteilung und Verwen-
dung dieser Einnahmen vor, welche bei der Beantwortung der Kleinen An-
frage der Abgeordneten Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vom 12. November 1996 (Bundestagsdrucksache 13/6083)
noch nicht bekannt waren und ohne die eine objektive Einschätzung des
Projekterfolges nicht möglich sein dürfte?

22. Ist mittlerweile bekannt, inwieweit die Erlöse aus diesem SCP in den
Artenschutz fließen und welcher Anteil der touristischen Einnahmen des
Reservates diesem direkt zugute kommen?

23. Kann die Bundesregierung inzwischen nachweisen, wofür die von ihr zur
Verfügung gestellten 17 Mio. DM im SCP verwendet wurden?

24. Wie begründet die Bundesregierung, dass dem SCP trotz offensichtlich
mangelnder Transparenz der Mittelverwendung bzw. mangelnder Evaluie-
rungsmöglichkeit des Projekterfolgs nach sozioökonomischen und ökolo-
gischen Gesichtspunkten auch nach 1998 weitere Mittel zur Verfügung ge-
stellt wurden?

25. Wie hoch waren jeweils die im Rahmen der mit deutschen Steuergeldern
geförderten Wildtiernutzungsprojekte erzielten Gesamteinnahmen, wie
entwickelten sie sich im Verlauf der Projektdurchführung, und welche An-
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teile entfallen auf die einzelnen Nutzungsformen (einschließlich Trophäen-
jagd) und sonstigen Einnahmequellen (z. B. staatliche/institutionelle Un-
terstützung)?

26. Wie hoch waren die Einnahmen, die die lokale Bevölkerung jeweils aus
diesen Projekten erhielt (Aufschlüsselung der Einkommensanteile nach
verschiedenen Einnahmequellen, in absoluten Zahlen nach beteiligten
Haushalten, in Prozentwerten in Bezug auf das Gesamtvolumen des jewei-
ligen Projektes)?

27. Wie groß waren im Vergleich hierzu jeweils die Beträge, die an Jagdreise-
veranstalter, Institutionen, Behörden und involvierte Nichtregierungsorga-
nisationen gingen (absolut und prozentual)?

28. Sehen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Entwicklungszusammen-
arbeit (EZ) eine festgelegte finanzielle und inhaltliche Mindestbeteiligung
der Bevölkerung an dem jeweiligen Projekt vor und wenn ja, wie hoch ist
diese?

29. Wie schätzt die Bundesregierung die Aussichten ein, dass sich die (zum
Teil seit 12 Jahren) geförderten Projekte zukünftig selbst tragen?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass im Rahmen von EZ-Projekten die
einheimische Bevölkerung umgesiedelt wird, z. B. um in wildreichen Ge-
bieten Platz für die Trophäenjagd zu schaffen, wie im Rahmen des CAMP-
FIRE-Projekts (z. B. im Hurungwe-Distrikt, Simbabwe) geschehen?

31. Wie viele Wildtiere welcher Arten wurden im Rahmen der geförderten
Wildnutzungsprojekte in den vergangenen fünf Jahren erlegt – aufge-
schlüsselt nach Nutzungsformen (z. B. Trophäenjagd, organisiertes „Crop-
ping“, Ernährungsjagd)?

32. Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen basierend kann die Bundesre-
gierung gewährleisten, dass die Trophäenjagd im Rahmen der geförderten
Projekte die bejagten Bestände weder in ihrer Größe noch in ihrer natürli-
chen Alters- und Geschlechtszusammensetzung oder ihrer Sozialstruktur
beeinträchtigt sowie dass die Jagd die Rolle der Population im Ökosystem
mittel- und langfristig nicht negativ beeinflusst?

33. Achten die Bundesregierung und die zuständigen Körperschaften bei der
Prüfung und während der Durchführung von Projekten darauf, dass die
laufende Überprüfung der Auswirkungen der Wildtiernutzung durch quan-
titatives und qualitatives Monitoring (intraspezifische, interspezifische und
ökosystembezogene Änderungen) sowie die laufende Anpassung von Nut-
zungsquoten an entsprechende Erkenntnisse in ausreichendem Maße ver-
wirklicht werden?

In welchem Umfang wurden und werden Fördergelder unmittelbar für die
Durchführung solcher Überwachungs- und Steuerungsmaßnahmen einge-
setzt?

34. Inwiefern kann die Bundesregierung die These, dass die Trophäenjagd im
Rahmen der geförderten Projekte „dem Überleben dieser Arten förderlich“
ist, mit wissenschaftlichen Fakten aus den Projekten belegen (Nachweis
des Kausalzusammenhangs zwischen Bestandsentwicklung und Projekt-
maßnahmen mit genauem Zahlenmaterial)?

35. Welche und wie viele Tiere der in den Anhängen A-D der EU-Artenschutz-
verordnung (Verordnung [EG] Nr. 338/97) enthaltenen Arten wurden in
den vergangenen fünf Jahren als Jagdtrophäe nach Deutschland eingeführt
(genaue Auflistung nach Anzahl erlegter Tiere pro Art, Ursprungsland und
Jahr)?
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III. Generelle Fragen zu den Voraussetzungen für die Förderung von Pro-
jekten durch die Bundesregierung

36. Anhand welcher konkreter Kriterien wird das BMZ bei der zukünftigen
Vergabe von Fördergeldern für Entwicklungshilfeprojekte deren Umwelt-
verträglichkeit prüfen?

37. Inwieweit gehen die Anforderungen der Bundesregierung dabei über die
Umweltverträglichkeitskriterien des Umweltaktionsplans hinaus, die die
Weltbank bei Kreditvergaben berücksichtigt?

38. Wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Haushaltsplanung für das Jahr
2001 und die Folgejahre die finanzielle Förderung umstrittener Projekte
wie z. B. dem Selous-Projekt oder der Förderung von Straßenbauprojekten
in ökologisch sensiblen Gebieten (siehe Buschfleisch-Problematik) kritisch
überdenken und ggf. ihre bisherigen Förderschwerpunkte korrigieren?

39. Wie sieht konkret die Zusammenarbeit zwischen dem BMZ und dem Bun-
desministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) bei
der Beurteilung von Entwicklungshilfeprojekten aus?

Berlin, den 16. August 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Carsten Hübner
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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