BT-Drucksache 14/3936

Hinweise auf eine Zusammenarbeit des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungsschutz mit einem rechtsextremen V-Mann

Vom 20. Juli 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

20. 07. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Hinweise auf eine Zusammenarbeit des Bundeskriminalamts und des Bundes-
amts für Verfassungsschutz mit einem rechtsextremen V-Mann

Der „Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 10. Juli 2000 über den Einsatz
eines berüchtigten Rechtsextremisten, der als V-Mann „P.“ für das Landesamt
für Verfassungsschutz tätig war und bei dem es sich offenbar um C. S. handelt.
S. kann auf eine langjährige Karriere in der gewalttätigen neofaschistischen
Szene zurückblicken und wurde 1995 wegen gemeinschaftlichen versuchten
Mordes an dem nigerianischen Asylbewerber S. E. zu einer Freiheitsstrafe von
acht Jahren verurteilt.

C. S.



war beteiligt beim Aufbau des Ku-Klux-Klans in Deutschland;



war Bezirksführer des Internationalen Hilfskomitees für nationale politische
Verfolgte und deren Angehörige e.V. In dessen Mitteilungsblatt schrieb er
einen widerlichen Artikel über die versuchte Ermordung eines nigeriani-
schen Asylsuchenden durch Neofaschisten am 9. Mai 1992 in Wendisch-
Riez, der Genugtuung über diese Tat zum Ausdruck bringt;



war Herausgeber des „United-Skin“-Magazins, in dem der Polizistenmörder
K. D. gefeiert wird;



unterhält diverse Beziehungen ins terroristische nationale und internationale
Lager des Neofaschismus, so u. a. zur schwedischen „Nationalsocialistisk
Front“, zum englischen „Combat 18“ und zum Umfeld der bundesdeutschen
„Nationalrevolutionären Zellen“;



ist Mitglied in der NPD und zuletzt u. a. deren Landesorganisationsleiter im
Landesvorstand in Brandenburg (taz, 10. Juli 2000 und taz, 11. Juli 2000).

Der „Spiegel“ berichtet, dass „P.“ offenbar auch von Bundesbehörden als V-
Mann geführt wurde. Der „Spiegel“ schreibt:

„Doch ,P.‘ ist möglicherweise nicht nur ein Problem der Brandenburger. Denn
Indizien sprechen dafür, dass der Neonazi schon vor seiner Verpflichtung durch
das Brandenburger Amt mit anderen Sicherheitsbehörden gekungelt hat. Bei
den Vernehmungen durch Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) zur Ku-
Klux-Klan-Feier Anfang der 90er Jahre in Königs Wusterhausen packte er über
die Hintermänner in den USA und Sympathisanten in Deutschland aus. Als ein
Ermittler ihm daraufhin in Aussicht stellte, bei weiterer Kooperation mit einer
,Dienststelle‘ könnte das Verfahren nach Paragraph 153e der Strafprozessord-
nung wegen ,tätiger Reue‘ eingestellt werden, löste das endgültig seine Zunge.
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Vor allem, was es mit vier Rohrbombenkörpern und den für Sprengsätze geeig-
neten chemischen Substanzen auf sich habe, die das BKA in einer von ihm an-
gemieteten Berliner Wohnung gefunden hatte, wollten die Ermittler wissen.
Der Mann bot laut Vernehmungsprotokoll prompt an, ein paar Erkundigungen
einzuziehen: ,Ich werde mich in der nächsten Zeit auf den Weg machen, um in
der Skin-Szene nach dem Anbieter der Chemikalien Ausschau zu halten‘. So-
gar ,neues Material‘ wollte er beschaffen. Tatsächlich wurde der Rechtsextre-
mist wegen der Rohrbomben und der Sprengstoffsubstanzen nie verurteilt. Der
Generalbundesanwalt dementiert jeden Kuhhandel: Das Ku-Klux-Klan-Verfah-
ren habe man einstellen müssen, weil es für eine Anklage nicht gereicht habe.
Das Verfahren wegen des ,Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz‘ wurde an
die Berliner Justiz abgegeben – und verlief im Sande.

Noch etwas spricht dafür, dass der Neonazi den Bund mit Informationen belie-
ferte. 1993 hatten Unbekannte bei Zeesen in Brandenburg aus einem Auto her-
aus einem Holländer den Oberarm durchschossen. Die Ermittler tappten zu-
nächst im Dunkeln, bis plötzlich das Bundesamt für Verfassungsschutz die
Täter präsentierte. Einer von denen war ein Rechtsradikaler aus Königs Wus-
terhausen, mit dem ,P.‘ zusammengewohnt hatte.“ (Spiegel 28/2000, vom
10. Juli 2000)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über C. S.?

a. In welchen rechtsextremen Organisationen/Parteien war C. S. von wann
bis wann aktiv bzw. Mitglied?

b. In wie vielen Fällen rechtsextrem motivierter Straftaten wurde gegen ihn
ermittelt und wann wurde er wegen welcher Straftat zu welcher Strafe
verurteilt (bitte Auflisten nach Deliktart, Strafmaß etc.)?

c. In wie vielen Fällen rechtsextrem motivierter Straftaten/Delikte wurde
das Verfahren gegen ihn eingestellt (bitte Auflisten nach Delikten/Strafta-
ten, Jahr, Grund der Einstellung etc.)?

d. Welche weiteren verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundes-
regierung über rechtsextreme Aktivitäten von C. S.?

2. Trifft es zu, dass das BKA gegen C. S. ermittelt hat?

Wenn ja, wann, in welchen Fällen und mit welchem Ergebnis?

3. Hat das BKA C. S. als V-Mann oder Informant geführt?

Wenn ja:

a. In welchem Zeitraum wurde er geführt?

b. Welche konkreten Aufträge bekam er?

c. Wie wurden seine Einsätze vergütet bzw. durch andere Vergünstigungen
honoriert (bitte genau nach Auftrag und Vergütung/Vergünstigung auflis-
ten)?

d. Hat „P.“ milieubedingte Straftaten während seiner Zeit als V-Mann für
das BKA begangen und ggf. welche?

Gehörte zu diesen milieubedingten Straftaten auch das Zusammenschla-
gen von Asylsuchenden und „Linken“ (wie z. B. in Potsdam geschehen;
vgl. taz vom 11. Oktober 2000)?
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e. Durch welche charakterlichen Eigenschaften hat sich „P.“ als V-Mann für
das BKA ausgezeichnet, auch im Hinblick auf die oben genannte Be-
schreibung der versuchten Ermordung des nigerianischen Asylsuchenden
S. E. in der neofaschistischen Zeitung „IHV-Mitteilungen“ (ohne genaue
Nummer und Jahresangabe)?

f. Wurde der V-Mann „P.“ vom BKA auf das Grundgesetz verpflichtet und
auf die strikte Einhaltung der Gesetze hingewiesen?

g. Trifft es zu, dass im Verlauf des Ermittlungsverfahren wegen der Ku-
Klux-Klan-Feier Anfang der 90er Jahre ihm bei weiterer Kooperation in
Aussicht gestellt wurde, das Verfahren gegen ihn wegen „tätiger Reue“
einzustellen, und wenn ja, wann war das exakt?

Hat sich C. S. darauf eingelassen?

4. Hat das BfV C. S. als V-Mann oder Informant geführt?

Wenn ja:

a. In welchem Zeitraum wurde er als V-Mann oder Informant geführt?

b. Welche konkreten Aufträge bekam er?

c. Wie wurden seine Einsätze vergütet bzw. durch andere Vergünstigungen
honoriert (bitte genau nach Auftrag und Vergünstigung auflisten)?

d. Hat das BfV Hinweise, dass „P.“ während seiner Tätigkeit als V-Mann
bzw. Informant milieubedingte Straftaten begangen hat, und wenn ja,
welche?

e. Wodurch eignete sich „P.“ für seine Tätigkeit als V-Mann?

f. Brachte er nach Einschätzung des BfV die charakterlichen Eignungen für
diese V-Mann-Tätigkeit mit?

g. Lieferte „P.“ die Informationen zur Aufklärung des Vorfalls in Zeesen
1993, als Rechtsextremisten einem Holländer den Oberarm durchschos-
sen hatten?

5. Wieso wurde von der Generalbundesanwaltschaft das Verfahren gegen C. S.
wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingestellt?

Berlin, den 14. Juli 2000

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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