BT-Drucksache 14/3917

Abschiebungen nach Sri Lanka

Vom 20. Juli 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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3917

14. Wahlperiode

20. 07. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Abschiebungen nach Sri Lanka

Die Situation in Sri Lanka hat sich dramatisch verschlechtert. Nach mehreren
Bombenattentaten wurden Anfang des Jahres Tausende von Menschen im
Großraum Colombo durch Sicherheitskräfte kurzzeitig inhaftiert und verhört.
Bei ihnen soll es sich Pressemeldungen zufolge zum überwiegenden Teil um
Angehörige der tamilischen Volksgruppe gehandelt haben. Seit November
1999 haben darüber hinaus die für die Errichtung eines eigenen tamilischen
Staates kämpfenden „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) ihre militäri-
schen Aktionen forciert und den Krieg in weite Teile des Landes getragen.
Namentlich auf der Halbinsel Jaffna hat die Zivilbevölkerung unter den Kämp-
fen stark zu leiden. Tausende sind aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Am 3. Mai 2000 hat die Regierung den Kriegszustand erklärt. Gleichzeitig trat
das „Gesetz für öffentliche Sicherheit“ in Kraft, das es den Behörden erlaubt,
Zeitungen zu schließen, Demonstrationen und Streiks zu verbieten sowie per-
sönliches Eigentum zu konfiszieren. Darüber hinaus können die Sicherheits-
kräfte jederzeit Gebäude und Grundstücke ohne Begründung betreten und
durchsuchen. Die Befugnisse der Sicherheitskräfte, Verhaftungen vorzuneh-
men und Haft anzuordnen, sollen ausgeweitet worden sein. Die seit Anfang
1998 für inländische Medien geltende Zensur wurde auf ausländische Journa-
listen ausgeweitet.

In der angespannten Situation wächst die Gefahr von Übergriffen der singhale-
sischen Mehrheit auf die tamilische Minderheit, insbesondere mit den militäri-
schen Erfolgen der LTTE. In diesem Zusammenhang ist eine aggressive Agita-
tion bestimmter singhalesischer Kreise und von Teilen des buddhistischen
Klerus zu nennen, die gezielt Propaganda gegen den tamilischen Bevölke-
rungsteil betreiben.

Vor diesem Hintergrund hat die UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Prof.
Ogata, die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufgefordert, Flüchtlingen
aus Sri Lanka Asyl zu gewähren.

Trotzdem sind noch am 15. März 2000 eine Gruppe von 20 Personen (darunter
19 Tamilen) vom Flughafen Düsseldorf und am 28. April 2000 von Frank-
furt/M. vier weitere Personen nach Sri Lanka abgeschoben worden. Von den
aus Düsseldorf abgeschobenen Menschen ist bekannt, dass ihnen nur proviso-
rische Identitätsdokumente ausgestellt worden waren, die ihnen im Zuge einer
kurzzeitigen Inhaftierung und Befragung am Flughafen von Colombo abge-
nommen worden sind. Sie haben nun überhaupt keine Personalpapiere, mit
denen sie sich an den zahlreichen „Checkpoints“ und Straßensperren in
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Colombo und in den anderen Landesteilen ausweisen könnten. Es steht daher
zu befürchten, dass sie erneut inhaftiert und im Polizeigewahrsam schweren
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein könnten.

Anfang Juni 2000 veröffentlichte der britische Independent den Bericht der
srilankischen Nichtregierungsorganisation Forum for Human Dignity, dem
zufolge aus Europa nach Sri Lanka abgeschobene Tamilen bei ihrer Ankunft
auf dem Katunayake-Flughafen von Colombo durch die Sicherheitskräfte fast
routinemäßig inhaftiert und ihrer Ausweisdokumente sowie sämtlicher Wertge-
genstände, die sie mit sich führen, beraubt werden. Die Dauer der Inhaftierung
kann von einigen Stunden bis zu mehreren Wochen reichen. Ohne Personaldo-
kumente sind die Abgeschobenen gleichwohl ständig in Gefahr, erneut verhaf-
tet zu werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung das weitere Schicksal der am 15. März und am
28. April 2000 nach Sri Lanka abgeschobenen Personen beobachten lassen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Erkenntnisse haben sich daraus ergeben?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass insbesondere Personen, die
lediglich über ein Passersatzdokument verfügen, bei ihrer Rückkehr nach
Sri Lanka mit Inhaftierungen und damit verbundenen schweren Menschen-
rechtsverletzungen rechnen müssen?

Wenn nein, warum nicht?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass gegenwärtig junge männ-
liche und weibliche Tamilen in Sri Lanka damit rechnen müssen, als poten-
zielle Anhänger/Kämpfer der LTTE zu gelten, und deshalb in einem beson-
deren Maße Inhaftierungen und andere Menschenrechtsverletzungen
befürchten müssen?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wenn Frage 3 bejaht wird: Wird die Bundesregierung das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge anweisen, in Asylverfahren für die-
sen Personenkreis Abschiebungshindernisse (etwa nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG) festzustellen beziehungsweise Fälle, in denen das Asylverfahren
rechtskräftig ohne Anerkennung und ohne Feststellung eines solchen Ab-
schiebungshindernisses beendet worden ist, gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG wie-
der aufzugreifen?

Wenn diese Frage verneint wird: Warum nicht?

5. Wird die Bundesregierung angesichts der gefährlichen Lage in Sri Lanka
den Innenministern und Innensenatoren der Länder vorschlagen, die Ab-
schiebung von Personen nach Sri Lanka bis auf Weiteres auszusetzen?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wie viele Personen aus Sri Lanka halten sich nach Kenntnis der Bundesre-
gierung gegenwärtig in Deutschland auf (bitte nach Aufenthaltsstatus und
Volkszugehörigkeit getrennt aufführen)?

Berlin, den 21. Juli 2000

Ulla Jelpke, Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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