BT-Drucksache 14/3887

Zukunft des Gesundheitswesens

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

04. 07. 2000

Große Anfrage

der Abgeordneten Ulf Fink, Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid),
Dr. Wolf Bauer, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dr. Hans Georg Faust, Klaus
Holetschek, Hubert Hüppe, Dr. Harald Kahl, Eva-Maria Kors, Hans-Peter Repnik,
Annette Widmann-Mauz, Aribert Wolf, Wolfgang Zöller und Fraktion der CDU/CSU

Zukunft des Gesundheitswesens

a) In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vom 20. Oktober 1998 und in den „Eckpunkten zur Gesundheitsre-
form 2000“ vom 2. März 1999 sind neue Schwerpunkte der Gesundheitspoli-
tik in den Bereichen Prävention, Vorsorge und Rehabilitation angekündigt
und zugleich hohe Erwartungen bei den Versicherten geweckt worden. Mit
der Gesundheitsreform 2000 wurden zahlreiche Gesetzesänderungen be-
schlossen, die eigentlichen Strukturprobleme des Gesundheitswesens wurden
jedoch nicht angegangen, geschweige denn gelöst. Die Erfahrungen in der
Vergangenheit haben gezeigt, dass das Gesundheitswesen durch weitere Reg-
lementierungen und Bürokratisierungen nur unbeweglicher und ausgabenin-
tensiver wird.

b) In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vom 20. Oktober 1998 und in den „Eckpunkten zur Gesundheitsre-
form 2000“ vom 2. März 1999 ist ferner angekündigt, man werde insbeson-
dere im Interesse der chronisch Kranken auf die Rehabilitation einen neuen
Schwerpunkt legen.

Die daran geknüpften hohen Erwartungen an eine zukunftsorientierte Wei-
terentwicklung von Prävention, Vorsorge und Rehabilitation, zunächst im
Sozialgesetzbuch (SGB) V, sind durch die GKV-Gesundheitsreform 2000
nicht erfüllt worden.

Auch die unter dem 16. September 1999 von der Koalitionsarbeitsgruppe
„Behindertenpolitik“ vorgelegten Eckpunkte zum SGB IX lassen bislang
nicht erkennen, dass zur medizinischen Rehabilitation die erforderlichen
konkreten Maßnahmen auf den Weg gebracht werden und der angekündigte
neue Schwerpunkt in der Rehabilitation verwirklicht wird.

c) In den letzten Jahren, insbesondere nach Eröffnung eines moderaten Wettbe-
werbs unter den gesetzlichen Krankenkassen durch das Gesundheitsstruk-
turgesetz, ist in der öffentlichen Diskussion die Frage gestellt worden, ob
der Gesetzgeber einen Teil seiner Gestaltungskompetenz an die Selbstver-
waltung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder die Versicherten
selbst übertragen kann.
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Gewichtige Institutionen und Sachverständige haben sich für eine Überprü-
fung der solidarisch finanzierten Leistungen in der GKV ausgesprochen, so
auch der 101. Deutsche Ärztetag im Mai 1998. Der Sachverständigenrat für
die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat sich in seinem Gutachten
mehrfach mit der Problematik beschäftigt und dem Gesetzgeber ein Ent-
scheidungstableau aufbereitet. Der Rat vertritt die Auffassung, „dass Kap-
pungen von Teilen des gesetzlich verankerten Leistungskatalogs der GKV
nur unter Beachtung der Maxime, Rationalisierung vor Rationierung vertret-
bar sind“.

Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung für die Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich mehrfach mit dem Fragen-
kreis beschäftigt. In seinem Jahresgutachten 1996/97 hat er betont, dass
Selbstvorsorge und Eigeninteresse der Versicherten, auch deren Kostenbe-
wusstsein, stärker zur Geltung kommen müssen und dass auf mehr Wettbe-
werb zwischen den Kassen zu setzen ist.

Ebenso hat sich die Monopolkommission der Bundesregierung 1998 dafür
ausgesprochen, den Krankenkassen größere Freiheitsgrade hinsichtlich der
Ausgestaltung des angebotenen Versicherungsumfangs zu gewähren. Die
Reformkommission „Soziale Marktwirtschaft“ der Bertelsmann-Stiftung,
der Heinz-Nixdorf-Stiftung und der Ludwig-Erhard-Stiftung schlägt vor, die
Leistungen im Rahmen der obligatorischen GKV auf eine notwendige Ba-
sisversorgung zu beschränken und den Wunsch nach einer weitergehenden
Absicherung über private Zusatzversicherungen zu finanzieren.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

A. Leistungskatalog

1. Hat sich der in der über 100-jährigen Entwicklung der GKV bis heute auf-
gebaute Leistungskatalog bewährt?

Wenn nein, in welche Richtung will die Bundesregierung den Leistungs-
katalog verändern?

2. Ist es weiterhin gerechtfertigt, sozial- und familienpolitische Aufgaben, die
nicht unmittelbar auf Krankheiten bzw. Krankheitsfolgen zurückzuführen
sind, in der GKV und damit der Finanzierung über Mitglieder und Arbeit-
geber zuzuordnen?

3. Gibt es Leistungen, die nicht solidarisch finanziert werden müssen, weil
der Einzelne sie eigenverantwortlich übernehmen kann?

Wenn ja, welche?

4. Sind alle derzeit gesetzlich vorgesehenen Leistungen notwendig?

Wenn nein, welche nicht?

5. Berücksichtigt der Leistungskatalog unterschiedliche Präferenzen der Ver-
sicherten oder sollte er sie berücksichtigen?

6. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung sinnvoll, den gesetzlichen
Leistungskatalog auf Kernleistungen zu begrenzen, die solidarisch finan-
ziert werden müssen?

7. Ist die Selbstverwaltung der GKV befähigt, Entscheidungen über weitere
Teile des Leistungskatalogs im Interesse der jeweiligen Mitglieder zu tref-
fen?

Wenn ja, welche?
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8. Ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Angebot und Nach-
frage im Gesundheitsmarkt der Versicherte selbst in der Lage, eine Ent-
scheidung über weitere Gesundheitsleistungen zu treffen, ohne sich oder
seine Familie existentiell zu gefährden?

Wenn ja, welche?

9. Soll der Wettbewerb der GKV nach Risikostrukturausgleich (RSA) weiter-
hin nur auf unterschiedliche Beitragssätze und eingeschränkte Vertrags-
kompetenz begrenzt bleiben?

Wenn nein, welche Pläne hat die Bundesregierung?

10. Kann nach Auffassung der Bundesregierung weniger Verpflichtung zu ge-
meinsamem Handeln die Effizienz der Versorgung steigern?

11. Ist es aus Sicht der Bundesregierung vertretbar, unter Beibehaltung des
derzeitigen Leistungskataloges der GKV dem Versicherten Wahlmöglich-
keiten zu bieten und ihn selbst entscheiden zu lassen, ob er den derzeitigen
Leistungskatalog beibehalten oder bei gleichzeitiger Veränderung seiner
Beitragsleistungen abwählen oder zuwählen will?

B. Finanzierungsgrundlagen

12. Welches Konzept liegt der Aussage der Bundesministerin für Gesundheit
„neben der Ausgabenentwicklung müsse dabei auch über die Einnahmen-
seite diskutiert werden“ (dpa, 24. Januar 2000) zugrunde?

13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Lohnentwicklung parallel
mit der Entwicklung des Bedarfs an medizinisch notwendigen Leistungen
verläuft?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihren Grundsatz, dass die
medizinisch notwendige Versorgung bei stabilen Beitragssätzen in der
GKV dauerhaft gesichert werden kann?

14. Wie groß sind nach Auffassung der Bundesregierung die Rationalisie-
rungsreserven in der medizinischen Versorgung und das damit verbundene
Finanzvolumen?

Auf welche wissenschaftlichen Untersuchungen stützt sich die Bundesre-
gierung dabei?

15. Welcher Zeitraum ist nach Auffassung der Bundesregierung erforderlich,
um vorhandene Rationalisierungsreserven aufzulösen?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es möglich ist, die von ihr
festgestellten Rationalisierungsreserven parallel mit dem Wachstum medi-
zinisch notwendiger Leistungen so aufzulösen, dass aus den Rationalisie-
rungsreserven stets das medizinische Wachstum ohne Beitragssatzanhe-
bungen finanziert werden kann?

Wenn ja, auf welche wissenschaftliche Untersuchungen stützt sie sich?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung dann ihren Grundsatz, dass
die medizinisch notwendige Versorgung bei stabilen Beitragssätzen gesi-
chert ist?

17. Wie hoch ist der Betrag, der im Jahr 1999 durch die Einbeziehung der ge-
ringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und der Scheinselbständigen in die
Sozialversicherungspflicht zusätzlich in die GKV geflossen ist?

Wie hoch schätzt die Bundesregierung diesen Betrag in den folgenden drei
Jahren?
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18. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass diese zusätzlichen Mittel not-
wendig waren, um einen zusätzlichen medizinischen Bedarf zu finanzie-
ren?

Um welche medizinischen Leistungen handelt es sich dabei nach Auffas-
sung der Bundesregierung?

Für welche medizinischen Entwicklungen werden die zusätzlichen Mittel
nach Auffassung der Bundesregierung in den kommenden Jahren benötigt?

19. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das lohnabhängige Finanzie-
rungssystem in seiner derzeitigen Ausprägung dauerhaft ausreichen wird,
um mit stabilen Beitragssätzen die medizinisch notwendige Versorgung zu
finanzieren?

Auf welche wissenschaftliche Untersuchungen stützt die Bundesregierung
ihre Auffassung?

20. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung auf der Finanzierungsseite,
um den Herausforderungen der Zukunft an unser Gesundheitswesen, z. B.
infolge von sozioökonomischen Veränderungen, zu begegnen?

21. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen der Bundesregierung
zur Frage der Bedarfsgerechtigkeit des derzeitigen GKV-Finanzierungssys-
tems vor?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Untersuchungen?

22. Plant die Bundesregierung eigene Untersuchungen zur Frage der Bedarfs-
gerechtigkeit des derzeitigen Finanzierungssystems?

Welche Überlegungen liegen diesen Untersuchungen zugrunde?

23. Sieht die Bundesregierung z. B. die Notwendigkeit der Erweiterung der
Beitragsbemessungsgrundlagen in der GKV?

24. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, sonstige Einkünfte wie z. B.
Miete, Pacht und Zinsen in die Beitragsbemessung für Pflichtversicherte in
der GKV einzubeziehen?

25. Plant die Bundesregierung eine Wertschöpfungsabgabe als Beitragsbemes-
sungsgrundlage in der GKV?

26. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Versicherungspflicht- und/oder Bei-
tragsbemessungsgrenze in der GKV zu erhöhen?

27. Beabsichtigt die Bundesregierung Veränderungen bei der beitragsfreien
Familienversicherung?

28. Welche Überlegungen hat die Bundesregierung für den Zeitpunkt, in dem
auch nach ihrer Auffassung die Limitierung der GKV-Ausgaben entspre-
chend der Lohnentwicklung nicht mehr ausreicht, um die medizinisch not-
wendige Versorgung sicherzustellen?

29. Wie beurteilt die Bundesregierung die Überlegungen des Sachverständi-
genrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zur Verbreite-
rung der GKV-Finanzierungsgrundlagen, die in den Sondergutachten 1995
bis 1997 veröffentlicht worden sind?

30. Welche alternativen Vorschläge hat die Bundesregierung?

C. Steuerungsmechanismen

31. Welche Anreizsysteme sieht die Bundesregierung derzeit in der GKV für
den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen?
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Welchen zusätzlichen Handlungsbedarf erkennt die Bundesregierung hier?

32. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Begrenzung der Wettbe-
werbsparameter für den Krankenkassenwettbewerb auf Beitragssatz, Ser-
vice und Image ausreichend und sinnvoll ist?

33. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach die Krankenkassen
aufgrund der bestehenden Wettbewerbsparameter potentiell gesunde Versi-
cherte umwerben, während Kranke nicht umworben werden?

Wenn ja, was gedenkt sie zu tun?

34. Hat die Bundesregierung vor, die Wettbewerbsparameter für den Wettbe-
werb zwischen den Kassen neu zu ordnen und welche Veränderungen will
sie ggf. bis wann herbeiführen?

35. Erachtet die Bundesregierung im deutschen Gesundheitswesen einen Wett-
bewerb der Krankenkassen um bessere gesundheitspolitische Konzepte für
sinnvoll?

36. Welche wettbewerblichen Anreize stehen den Krankenkassen und Leis-
tungserbringern im Bereich der Vertragspolitik zur Verfügung?

Sind diese hinreichend?

Wenn nein, was gedenkt die Bundesregierung zu tun?

37. Befürchtet die Bundesregierung nicht eine Fortsetzung und Verschärfung
der massiven Verwerfungen an den Schnittstellen der sektoralen Ausga-
benbudgets, die zunächst zeitlich befristet mit dem GKV-Solidaritätsstär-
kungsgesetz, jetzt aber dauerhaft im GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000
wieder eingeführt worden sind, nachdem sie im 1. GKV-Neuordnungsge-
setz abgeschafft worden waren?

38. Wie soll außerhalb von zeitlich befristeten Modellversuchen und den neu-
geschaffenen integrierten Versorgungseinrichtungen in der Regelversor-
gung die notwendige Durchlässigkeit der medizinischen Versorgung ge-
währleistet werden?

39. Warum hat die Bundesregierung auch unter der von ihr präferierten Steue-
rung durch ein „Globalbudget“ an den genannten sektoralen Budgets fest-
gehalten?

40. Wie soll unter diesen Budgetbedingungen dem Grundsatz „so viel ambu-
lant wie möglich, so viel stationär wie nötig“ Rechnung getragen werden?

41. Wie soll die dem neu errichteten Koordinierungsausschuss übertragene
Aufgabenstellung wirksam wahrgenommen werden, mit unmittelbarer
rechtlicher Verbindlichkeit für Vertragsärzte, Krankenhäuser und andere
Leistungserbringer leitliniengestützte Versorgungsstrukturen in die Regel-
versorgung einzuführen, wenn durch die sektorale Abschottung der einzel-
nen Versorgungsbereiche eine Verlagerung von Leistungen und dazu benö-
tigter Finanzmittel nahezu unmöglich gemacht wird?

42. Gibt es Erkenntnisse, dass Ärzte und Zahnärzte die Versorgung der Ver-
sicherten mit ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen unter Hinweis auf
bestehende Budgets eingeschränkt haben oder privat abrechnen?

Wenn ja, welche Formen der Leistungseinschränkung sind dies?

In welchem Umfang sind sie aufgetreten?

43. Wie kann eine angemessene Vergütung der psychologischen und der ärztli-
chen Psychotherapeuten gewährleistet werden, ohne dass dies zu Lasten
der übrigen Fachärzte erfolgt?
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44. Hält die Bundesregierung die Eigenbeteiligung für ein geeignetes Instru-
ment, um in der Psychotherapie eine aktive Mitwirkung des Patienten an
der Erzielung eines Heilerfolges zu erreichen?

Wenn nein, wie will sie die Eigenmotivation des Patienten dann stärken?

45. Wie kann unter dem geltenden Arznei- und Heilmittelbudget, das nach
dem Gesetz keine Differenzierung unter Versorgungsaspekten zulässt, ein
notwendiger finanzieller Mehrbedarf für eine bestimmte innovative Arz-
neimittelentwicklung zur Verfügung gestellt werden?

46. Welche Steuerungsmittel stehen den für die Budgeteinhaltung verantwort-
lichen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zur Budgetsteuerung zur Ver-
fügung?

47. Wie beurteilt die Bundesregierung die rechtliche Auseinandersetzung um
Festbeträge, Arzneimittelrichtlinien, Aktionsprogramme etc. im Hinblick
auf die Wirksamkeit und Notwendigkeit dieser Steuerungsinstrumente?

48. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Mithaftung von Vertragsärzten
bei Budgetüberschreitungen, die aufgrund ihres Fachgebietes keine Arz-
neimittel verschreiben oder die in ihrem Verschreibungsverhalten sehr
wirtschaftlich sind?

49. Wie kann unter fortbestehenden sektoralen Ausgabenbudgets und einem
bis 2003 fortbestehenden Krankenhausbudget eine allseits anerkannte bes-
sere Verzahnung von ambulant und stationär mit der gewünschten Verlage-
rung von stationären Krankenhausfällen in die ambulante Versorgung er-
folgen, wenn die Vertragsärzte unter sektoralen Budgets bei Übernahme
zusätzlicher Aufgaben mit einem weiteren Preisverfall und verschärfter
Budgethaftung bei einer damit verbundenen Intensivierung der Arznei-
und Heilmittelversorgung rechnen müssen?

50. Wie kann die Verzahnung gelingen, wenn nach wie vor an getrennten Ver-
gütungssystemen für die ambulante Versorgung (Kopfpauschalen) und die
stationäre Versorgung (Fallpauschalen) festgehalten wird, und wenige (ins-
besondere für ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe),
aber identische Leistungen in beiden Bereichen konkurrierend erbracht
werden?

51. Verfolgt die Bundesregierung den Plan einer monistischen Krankenhausfi-
nanzierung weiter, nachdem sie die Reform der Krankenhausfinanzierung
stets als Kernpunkt ihrer Reform bezeichnet hat?

Wenn ja, welche Pläne hat die Bundesregierung?

52. Wie steht die Bundesregierung angesichts der finanziellen Schwierigkeiten
vieler Krankenhäuser zu einer verstärkten Privatisierung?

53. Mit welcher zukünftigen Leistungs- und Fallzahlentwicklung im Kranken-
hausbereich rechnet die Bundesregierung angesichts des demographischen
Wandels und des medizinisch-technischen Fortschritts?

54. Sind der Bundesregierung Untersuchungen bekannt, mit denen die vermu-
teten Rationalisierungsreserven des Gesundheitswesens z. B. im Bereich
der Doppel- und Mehrfachdiagnostik an der Grenze zwischen ambulanter
und stationärer Versorgung dargestellt werden können?

55. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung auch vor dem Hintergrund der
Einführung eines neuen Entgeltsystems im Krankenhausbereich nicht wei-
terhin notwendig, die Regelungen zur Krankenhausplanung und -investiti-
onsfinanzierung dahin gehend zu überarbeiten, dass eine rechtssichere Ka-
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pazitätsanpassung ermöglicht und eine Investitionsfinanzierung durch die
Länder vorangetrieben wird?

56. Warum führt der Anstieg der Zahl der ambulanten Operationen nicht zu
einer Absenkung der Krankenhausfälle?

57. Sind nach Auffassung der Bundesregierung stationäre Dialyseplätze über-
haupt notwendig oder könnten sie durch eine verbesserte Kooperation zwi-
schen ambulanten Dialyseanbietern und Krankenhäusern ersetzt werden?

58. Welche Konzeption ist für eine Reform der Universitätskliniken in
Deutschland entwickelt worden?

D. Medizinische Rehabilitation

59. Wann wird die Bundesregierung im Interesse der chronisch Kranken die
angekündigte Vernetzung präventiver, akuter und rehabilitativer Thera-
pieformen sicherstellen?

60. Wann werden „klare Begriffsdefinitionen auf der Basis der WHO-Defini-
tion“ zur Prävention, Vorsorge und Rehabilitation geschaffen?

61. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die angekündigte „Qualifi-
zierung von Ärzten im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung zur besseren
Bestimmung und Nutzung von Rehabilitationsmaßnahmen“ baldmöglichst
zu verwirklichen?

62. Hält die Bundesregierung am gegliederten System auch für die medizini-
sche Rehabilitation weiter fest oder sieht sie Anlass, die Zuständigkeiten
bei einem Leistungsträger zu konzentrieren, ggf. bei welchem?

63. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Gleichwertigkeit und
Gleichgewichtigkeit von Reha-Leistungen, insbesondere im Verhältnis zu
den Leistungen der Akutversorgung, durch folgende Maßnahmen herge-
stellt werden könnten:

– Konzentration der Rehabilitation auf medizinisch notwendige Leistun-
gen,

– Verzicht auf zeitliche Vorgaben für Dauer und Abstände der Leistungen,

– Ausgestaltung der Reha-Leistungen als Rechtsanspruchsleistungen an-
stelle der bisher üblichen Ermessensleistungen?

64. Ist die Bundesregierung bereit, die dazu erforderlichen gesetzlichen Ände-
rungen alsbald auf den Weg zu bringen?

65. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die bisher ganz überwiegend
stationär durchgeführten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation
dem wirklichen Bedarf der Bevölkerung gerecht werden?

66. Was hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Durchführung auch
ambulanter und teilstationärer Maßnahmen der Rehabilitation zu fördern,
nachdem § 125a SGB V im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000
gescheitert ist?

67. Wer soll für die Durchführung ambulanter und teilstationärer Leistungen
zuständig sein?

68. Ist die Bundesregierung bereit, die angemessene Beteiligung der Leis-
tungserbringer an der näheren Ausgestaltung von Voraussetzungen, Inhalt,
Regeldauer und zeitlichen Abständen der Vorsorge- und Rehabilitations-
leistungen gesetzlich sicherzustellen?
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69. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Verbände der Leistungs-
erbringer von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen im Rahmen des
neuen Koordinierungsausschusses nach § 137e SGB V nicht im bloßen
Status von „Anhörungsberechtigten“ belassen werden dürfen, sondern als
gleichberechtigte Partner in die Entscheidungen des Koordinierungsaus-
schusses eingebunden werden sollten?

70. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Regelungen des § 137c
SGB V – Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im
Krankenhaus – richtigerweise auch auf den Bereich der stationären Versor-
gung und Reha-Einrichtungen ausgedehnt werden müssten?

71. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei sektoralen Budgets für
andere Versorgungsbereiche eine dauerhafte und ausreichende Finanzie-
rung der notwendigen Reha-Leistungen nur dann zu erreichen ist, wenn
auch für diesen Versorgungssektor ein eigenes sektorales Budget zur Ver-
fügung steht?

72. Ist die Bundesregierung bereit, für die einzelnen Leistungsträger der medi-
zinischen Rehabilitation die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen,
um eine stetige und dauerhafte Finanzierung notwendiger Reha-Leistungen
zu gewährleisten und das Auf und Ab bei den jährlichen Zahlen durchge-
führter Reha-Maßnahmen, das mit dem objektiven Bedarf an Reha-Leis-
tungen nicht zu vereinbaren ist, zu vermeiden?

73. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Unterscheidung notwen-
dig ist zwischen Rehabilitation, traditionellen Kuren, Wellness, Lifestyle
und Fitness?

74. Welche leistungsrechtlichen Konsequenzen müssten mit einer solchen be-
grifflichen und rechtlichen Unterscheidung verbunden sein?

75.

Ist die Bundesregierung der Auffassung, mit dem jetzt in § 23 Abs. 2 SGB V
vorgenommenen Verzicht auf die Bezeichnung „Vorsorgekur“ und dem statt-
dessen eingeführten Begriff „Vorsorgemaßnahmen in anerkannten Kurorten“
die notwendige Abgrenzung erreicht zu haben?

Wie beurteilt die Bundesregierung die Zukunft der ambulanten offenen Ba-
dekur?

76. Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung dafür, dass sinnvolle
ambulante Vorsorgeleistungen künftig nur in anerkannten Kurorten durch-
geführt werden sollen?

77. Um welche Leistungen soll es sich dabei handeln?

78. Wie steht die Bundesregierung zu der Auffassung namhafter Mediziner,
beispielsweise von Prof. Dr. med. Ulrich Kanzow (Deutsches Ärzteblatt
84, S. 483): „Entgegen allen Beteuerungen fehlt der Wirksamkeitsnach-
weis der Kuren bis heute. Die werberischen Anpreisungen der Kurorte mit
einer überbordenden Fülle an Heilanzeigen sind wissenschaftlich Schall
und Rauch. Ich kenne niemanden, dessen chronischer Harnwegsinfekt, Ar-
throse, Arteriosklerose oder Blutarmut, um einige Beispiele zu nennen,
durch die spezifischen natürlichen Heilkräfte der Kur- und Badeorte nach-
weislich und anhaltend gebessert oder geheilt worden ist. Was erreichbar
scheint, ist ein allgemeiner Erholungseffekt, den in der Regel ein jeder
mehrwöchige Urlaub mit dem psychologisch wichtigen ,Tapetenwechsel‘
und der allgemeinen vegetativen Umstellung für einen jeden von uns be-
reithält.“?

79. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das gegliederte System der
Rehabilitation infolge nicht eindeutiger Leistungsabgrenzung sowie teil-
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weise spezifischer Versorgungsstrukturen der einzelnen Trägergruppen zu
Schnittstellenproblemen mit Verzögerungen und Unterbrechungen im Be-
handlungsverlauf sowie unnötigem Wechsel von Einrichtungen und Be-
handlern führt, die den Erfolg der Maßnahmen von vornherein beeinträch-
tigen und will die Bundesregierung ggf. diese Schnittstellenprobleme in
der Rehabilitation lösen?

Wenn ja, wie?

80. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen,
um ein übergreifendes Fallmanagement an der Schnittstelle von Akutkran-
kenhausbehandlung und Rehabilitation zu sichern und um welche Maßnah-
men wird es sich ggf. handeln?

81. Hat die Bundesregierung bereits Vorstellungen entwickelt, wie das bei der
rehabilitativen Versorgung geriatrischer und pflegebedürftiger Patienten
(i.S. von SGB XI) bestehende und Unterversorgung induzierende Problem
gelöst werden kann, dass die GKV-Rehabilitationsmaßnahmen zur Vermei-
dung oder Verminderung von Pflegebedürftigkeit finanzieren muss, die ge-
setzliche Pflegeversicherung als davon getrennter Sozialversicherungs-
zweig aber davon wesentlich profitiert?

82. Was wird die Bundesregierung vorbeugend im Hinblick auf die konse-
quente Umsetzung des Koordinierungs- und Abstimmungsgebots (§ 137c
Abs. 1 SGB V) der Bundesausschüsse für die ambulante und die stationäre
Versorgung veranlassen, da heute im Bereich der stationären Versorgung
(Akutkrankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen) bekanntermaßen zahl-
reiche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen,
die, wie z. B. viele alternativ-medizinische Verfahren, nicht im Leistungs-
katalog für die ambulante Versorgung enthalten sind?

83. Besteht nach Auffassung der Bundesregierung auch für teure vorsorgeri-
sche und rehabilitative Maßnahmen ein vergleichbarer Bedarf an Soziothe-
rapie wie bei der Umsetzung ärztlicher Therapiepläne und motivierender
Einwirkung im häuslichen Bereich?

84. Gibt es Berechnungen, die den vorgesehenen Einsatz der Soziotherapie
nach Kosten und Nutzen darlegen?

Was sind die Ergebnisse?

85. Was sind die Anforderungen an die Soziotherapie?

In welchem Umfang sind nach Ansicht der Bundesregierung auch die
Krankenpflege, vor allem aber die Ärzte selber unter Einsatz ihrer Mitar-
beiter (Arzthelferinnen) geeignet, diese Aufgabe wahrzunehmen?

86. Sieht die Bundesregierung in der steigenden finanziellen Unterstützung
und verbindlichen institutionellen Förderung der Selbsthilfe, die ihren
festen Platz im präventiven, kurativen und rehabilitativen Bereich hat und
vom Erfahrungsaustausch der Betroffenen lebt, eine Gefahr, dass die
Selbsthilfe ausgehöhlt werden könnte und an ihre Stelle zunehmend eine
Professionalisierung tritt?

87. Warum wird der finanzielle Bedarf für Selbsthilfe zu Lasten anderer Auf-
gaben im Gesundheitswesen gedeckt?

Soll sie deren Aufgaben übernehmen?

Gegebenenfalls welche?
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E. Risikostrukturausgleich/Organisationsrecht der gesetzlichen
Krankenversicherung

88. Hält die Bundesregierung, wie im Rahmen der Gesundheitsreform ange-
kündigt, an einer Organisationsreform in der GKV für das Jahr 2000 fest?

89. Beabsichtigt die Bundesregierung die im Rahmen der GKV-Gesundheits-
reform 2000 für dieses Jahr angekündigte Organisationsreform in der GKV
für eine Änderung des RSA zu nutzen?

90. Erachtet die Bundesregierung eine Organisationsreform in der GKV ohne
Einbeziehung des RSA für sinnvoll?

91. Sollte nach Auffassung der Bundesregierung allen Kassenarten das Recht
auf Neugründung und Öffnung eingeräumt werden?

92. Geht die Bundesregierung davon aus, dass der bestehende RSA eine aus-
reichende Grundlage für einen nicht risikoselektierenden, fairen Wettbe-
werb darstellt?

93. Werden nach Auffassung der Bundesregierung Morbiditätslasten in ausrei-
chendem Maße im RSA berücksichtigt?

Wenn nein, was müsste geändert werden?

94. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der RSA im Hinblick auf das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich einfa-
cher und zielgerichteter gestaltet sowie von seinem gesamten Finanzie-
rungsvolumen her reduziert werden sollte?

95. Wie stellt die Bundesregierung eine sachgerechte Datenbasis sicher, wel-
che vor allem manipulierbare Fehlerpotentiale ausschließt?

96. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung eine Entwicklung in der
Kassenlandschaft, die durch ein Auseinanderdriften zwischen Kassen ge-
kennzeichnet ist, die einerseits Versorgungsprobleme schultern und jenen
Kassen, die ihre günstigen Beitragssätze allein der Tatsache verdanken,
dass sie Junge und Gesunde versichern?

97. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass aufgrund der unter-
schiedlichen Kassenstrukturen es bestimmten Kassen möglich ist, Zusatz-
versicherungen anzubieten, während dies anderen Kassen verwehrt ist?

Gegebenenfalls wie bewertet die Bundesregierung diese Erkenntnisse?

Plant sie etwas zu tun?

F. Gesetzliche Krankenversicherung und Europa

Der EuGH hat am 28. April 1998 in den Rechtssachen C-158/96 und C-120/95
entschieden, dass ein Träger der sozialen Sicherheit die Erstattung der Kosten
einer medizinischen Leistung, die in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch
genommen wird, nicht von einer vorher erteilten Genehmigung abhängig ma-
chen darf. Das geltende deutsche Krankenversicherungsrecht sieht eine solche
Beschränkung vor. Sie ist nach Auffassung des EuGH mit dem Binnenmarkt-
grundsatz des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs
nicht vereinbar.

98. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um diesen Ver-
stoß gegen den EG-Vertrag zu beseitigen?

99. Warum hat die Bundesregierung entsprechende Regelungen nicht im Ge-
sundheitsreformgesetz 2000 vorgesehen, nachdem im Referentenentwurf
eine einschlägige Regelung enthalten war?
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100. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass diese beiden Entscheidun-
gen den Europäischen Gesundheitsmarkt liberalisieren und den Versicher-
ten den freien Zugang zu einer medizinischen Behandlung in einem ande-
ren Mitgliedstaat eröffnen?

101. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die beiden Entscheidun-
gen auf alle Versicherten anwendbar sind und nicht nur auf die Versicher-
ten, die berechtigt sind, Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen?

Wenn nein, wie rechtfertigt sie die unterschiedliche Behandlung von Ver-
sicherten beim Zugang zu medizinischen Leistungen in anderen Mitglied-
staaten?

102. Sieht die Bundesregierung in diesen beiden Urteilen eine Entscheidung
für das Kostenerstattungs- und gegen das Sachleistungsprinzip, die für die
weitere Rechtsentwicklung in der EU von wegweisender Bedeutung ist?

103. Sieht die Bundesregierung im freien Zugang zu medizinischen Leistun-
gen in anderen Mitgliedstaaten eine Gefährdung der Steuerungsinstru-
mente in der GKV, weil dadurch z. B. die Budgetierung, das Wirtschaft-
lichkeitsgebot oder die Bedarfsplanung unterlaufen werden können?

104. Beabsichtigt die Bundesregierung, der GKV die Möglichkeit zu geben,
ihren Versicherten durch vertragliche Regelungen mit ausländischen Ver-
sicherungsträgern oder mit ausländischen Leistungserbringern qualitäts-
gesicherte Angebote zur Verfügung zu stellen, um eine ungesteuerte In-
anspruchnahme von Leistungserbringern in großem Umfang im EU-
Ausland zu vermeiden?

105. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die beiden Urteile zu
einer politisch problematischen Inländerdiskriminierung führen, weil die
restriktiven Steuerungsinstrumente des deutschen Krankenversicherungs-
rechts für Leistungserbringer im EU-Ausland nicht gelten?

G. Prävention

106. Wie will die Bundesregierung erreichen, dass der in § 1 Satz 2 SGB V
niedergelegte Grundsatz, die Versicherten seien für ihre Gesundheit mit-
verantwortlich und sollten durch eine gesundheitsbewusste Lebensfüh-
rung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaß-
nahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und
Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinde-
rung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden, auch auf dem Gebiet
der Prävention verwirklicht wird?

107. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Sachverständigenrates
(Gutachten 1998, TZ 222 ff.), wonach der demographische Umbau der
Bevölkerung zu einem vermehrten Versorgungsbedarf in Kuration, Reha-
bilitation und Pflege führt, dessen langfristige Entwicklung von den heuti-
gen präventiven Investitionen vor allem in mittleren und höheren Alters-
stufen abhängig ist?

Wenn ja, welche Maßnahmen will sie insbesondere mit Blick auf die ge-
nannten Altersstufen ergreifen?

108. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Sachverständigenrates
(1996), der insbesondere einen demographisch bedingten Zusatzversor-
gungsbedarf bei Älteren im Bereich obstruktiver Lungenerkrankungen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Erkrankungen des
Bewegungsapparates prognostiziert und ein großes und noch weithin un-
ausgeschöpftes präventives Potential ausgemacht hat?
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Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder wird sie er-
greifen, um insbesondere für diese Erkrankungsgruppen präventive Vor-
kehrung zu entwickeln?

109. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das Projekt „Geriatrische Rehabili-
tation“, das 1995 in Rheinland-Pfalz begonnen wurde und nunmehr abge-
schlossen ist, in den Ergebnissen eine Reduktion des Fremdhilfebedarfs
bei Patienten unterschiedlicher Diagnosegrupppen zeigt?

Ist der Bundesregierung bekannt, welche Folgerungen die beteiligten
Krankenkassen, ggf. auch für die Bundesebene, aus diesem Modellpro-
jekt zur Tertiärprävention (präventive Reduktion bleibender Krankheits-
folgen einschl. vermeidbarem Pflegebedarf) zu ziehen beabsichtigen?

110. Beabsichtigt die Bundesregierung und bejahendenfalls, in welcher Weise,
auf die Krankenkassenverbände auf Bundesebene einzuwirken, derartige
Erkenntnisse und die Ergebnisse vergleichbarer Studien in die Praxis um-
zusetzen?

111. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um
dafür Sorge zu tragen, dass die in § 43 Nr. 2 SGB V neu eingeführte Mög-
lichkeit der Patientenschulungsmaßnahmen, insbesondere auch für ältere
Patienten, in wirksamer Form umgesetzt wird, zumal internationalen
Studien zufolge [Medical Care 37 (I), 1999] Patientenschulung bei geri-
atrischen Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen deren Ge-
sundheitsstatus signifikant verbessern, Krankenhauseinweisungen und
notwendige Arztbesuche reduzieren kann?

112. Teilt die Bundesregierung die Äußerung einzelner Kassenvertreter, dass
die jetzige Wettbewerbssituation der Kassen deren Bereitschaft zu einem
präventiven Engagement, insbesondere für die Zielgruppe der Älteren un-
ter ihren Versicherten, beeinträchtigt?

Bejahendenfalls, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung dage-
gen zu ergreifen?

113. In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung darauf einzuwirken,
dass die Vereinbarungen nach § 20 Abs. 1 SGB V nicht – wie bereits vor
1996 – eher wettbewerblichen Darstellungzwecken der Krankenkassen,
sondern der Orientierung an nachgewiesenen präventiven Wirkungen die-
nen und in der Umsetzung dafür Sorge tragen, dass die erhofften Quali-
tätserfordernisse auch tatsächlich eingehalten werden?

114. Ist der Bundergierung bekannt, dass nach internationalen Daten das Ri-
siko für über 50-Jährige, eine Osteoporose-bedingte Hüftfraktur zu erlei-
den, zwischen 14 bis 18 % für Frauen bzw. 3 bis 6 % für Männer (Cooper
1997) beträgt?

115. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das von der amerikanischen Regie-
rung eingesetzte Präventionskomitee (US Preventive Service Task Force
1996) den Ärzten empfiehlt, insbesondere ihre Patientinnen rechtzeitig
über Möglichkeiten der Prävention durch Ernährung (Kalzium- und Vita-
min-D-Aufnahme), regelmäßige Bewegung und Aufgabe des Rauchens
aufzuklären?

116. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung angesichts dieser
bedeutenden prävenierbaren Krankheitslast zu ergreifen, damit auch in
deutschen Arztpraxen diese Empfehlungen wirksam und nachprüfbar um-
gesetzt werden?
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117. Wie beurteilt die Bundesregierung im selben Zusammenhang den Einsatz
der Östrogentherapie bei post-menopausalen Frauen und die zurzeit noch
geringe Compliance, die nach Literaturschätzung bei ca. 30 % liegt?

Welche genaueren Daten bzw. Erkenntnisse liegen der Bundesregierung
dazu vor?

118. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Stürze bei über 65-Jährigen die
Hauptursache für vermeidbare Verletzungen und nicht krankheitsverur-
sachten Tod darstellen und die Sturzprophylaxe bei über 65-Jährigen von
dem US Preventive Service Task Force (1996) als besondere präventive
Aufgabe des Arztes empfohlen wird, wobei zu den besonderen Risikofak-
toren neben Beseitigung von Einflüssen der Wohnung („Stolperfallen“)
eine unzweckmäßige Medikamentengabe gehört?

119. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, um eine Umset-
zung entsprechender Empfehlungen in Deutschland zu sichern?

120. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Deutsche Krebsgesellschaft
Mängel in der Früherkennung von Krebserkrankungen in Deutschland an-
gemahnt und darauf hingewiesen hat, dass die jetzigen Verfahren in der
GKV im Wesentlichen seit 20 Jahren unverändert seien?

Welche Meinung hat die Bundesregierung gerade zu dem letzten Aspekt?

121. Welche Maßnahmen der Anpassung, der Qualitätssicherung und der ver-
besserten Nutzen-Kosten-Relationen der durchgeführten Maßnahmen be-
absichtigt die Bundesregierung?

122. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung insbesondere
durch Weiterentwicklung der ärztlichen Ausbildungsordnung zu treffen,
um Defiziten bei der präventivmedizinischen Orientierung in der Ausbil-
dungsordnung und bei den Ausbildungseinrichtungen abzuhelfen?

123. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, ihrerseits, ggf. im Zusammen-
hang mit der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Verbesserungen in
den Weiterbildungsordnungen der Ärzte zu erreichen, da dort präventive
Inhalte in Theorie und Praxis bisher eine unzureichende Rolle spielen?

124. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Sachverständigenrates
(Jahresgutachten 1996, TZ 226), der eine erfolgreiche präventive Ge-
sundheitspolitik in den Kontext weiterer Politikfelder, z. B. Verkehr, Ar-
beit, Umwelt, Wohnungsbau, gestellt und in diesem Zusammenhang eine
vorausschauende, risikomindernde Gesundheitspolitik angemahnt sowie
eine Orientierung an adäquat ausformulierten sachpolitischen Zielen
empfohlen hat?

Wenn ja, welche Schritte einer expliziten, sektoral wie intersektoral aus-
formulierten präventiven Politik und welche Maßnahmen der erfolgrei-
chen Umsetzung beabsichtigt sie?

Berlin, den 4. Juli 2000

Ulf Fink
Horst Seehofer
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Dr. Wolf Bauer
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Dr. Hans Georg Faust
Klaus Holetschek
Hubert Hüppe

Dr. Harald Kahl
Eva-Maria Kors
Hans-Peter Repnik
Annette Widmann-Mauz
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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