BT-Drucksache 14/3881

Möglichkeiten einer "freiwilligen" Rückkehr nach Afghanistan

Vom 12. Juli 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3881
14. Wahlperiode 12. 07. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

„Möglichkeiten einer freiwilligen“ Rückkehr nach Afghanistan

Laut einer Verfügung des Innenministeriums Schleswig-Holstein vom April
2000, die jetzt bekannt geworden ist, soll das Bundesministerium des Innern
klargestellt haben, dass es eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan von Per-
sonen aus diesem Land für durchaus möglich hält. Dies hat unter anderem zur
Folge, dass afghanischen Staatsangehörigen, die nur eine „Duldung“ besitzen,
die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG verweigert
wird.

Im Gegensatz zum Bundesministerium des Innern warnt das Auswärtige Amt
auf seiner Internetseite „ausdrücklich vor Reisen nach oder durch Afghanistan,
in dem seit Jahren ein Bürgerkrieg mit ständig wechselnden Fronten herrscht“.
In dem Reisehinweis heißt es weiter: „Regelmäßig von Kämpfen betroffen sind
die Region Kabul und der Norden des Landes, doch auch in anderen Landes-
teilen ist ein Ausbruch von Kampfhandlungen nicht auszuschließen. Es muss
überall im Land mit militärischen Auseinandersetzungen gerechnet werden.
Viele Landstriche sind vermint. Die medizinische Versorgung ist äußerst
schlecht. Malaria ist weit verbreitet. Die Menschenrechtslage bleibt weiterhin
alarmierend.“

Darüber hinaus ist den Mitteilungen der UN-Ernährungsorganisation FAO zu
entnehmen, dass Afghanistan weiterhin dringend auf Lebensmittelhilfe ange-
wiesen ist und in Teilen des Landes eine Hungersnot droht, weil die landwirt-
schaftliche Produktion auf Grund des Bürgerkrieges den heimischen Bedarf bei
weitem nicht decken kann.

Nach Inkrafttreten der UN-Sanktionen gegen die „Taliban“ ist der einzige bis-
her bestehende kommerzielle internationale Flugverkehr von und nach Afgha-
nistan mit ARIANA weitestgehend zum Erliegen gekommen. Damit ist der
Luftweg für eine freiwillige Rückkehr ausgeschlossen, und es bleibt allein die
Rückkehr auf dem Landweg über eines der Nachbarländer:

– Pakistan verweigert jedoch regelmäßig die Genehmigung des Transits über
sein Hoheitsgebiet nach Afghanistan und erteilt keine entsprechenden Visa;

– der Iran erteilt Transitvisa allenfalls nach quälend langen Verfahren und nur
dann, wenn durch UNHCR oder andere Stellen ausdrücklich garantiert wird,
dass es sich im jeweiligen Fall um einen reinen Transit handelt;

– die Grenzen zu Usbekistan sind geschlossen;

– die Grenzübergänge zu Tadschikistan sind auf der afghanischen Seite zwi-
schen „Taliban“ und ihren Bürgerkriegsgegnern umkämpft;

Drucksache 14/3881 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– die Behörden in Turkmenistan erteilen Visa nur in Ausnahmefällen – ein
Versuch, eine Rückkehr von Deutschland aus nach Afghanistan über Turk-
menistan zu organisieren, ist vor zwei Jahren gescheitert.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass die Bundesregierung eine „freiwillige“ Rückkehr nach
Afghanistan für möglich hält?

Wenn ja: Auf welchem Reiseweg hält die Bundesregierung die „freiwillige“
Rückkehr für möglich?

2. Hält die Bundesregierung angesichts der gegenwärtigen Lage in Afghanis-
tan die „freiwillige“ Rückkehr auch für zumutbar?

Wenn ja: Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die
Lage von Frauen und Familien mit Kindern in Afghanistan?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die durch die Erteilung einer
Duldung dokumentierte rechtliche und/oder tatsächliche Unmöglichkeit
einer Abschiebung zumindest in den Fällen von Personen aus Afghanistan
auch auf die Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise hindeutet und den be-
troffenen Personen daher sehr wohl Aufenthaltsbefugnisse nach § 30 Abs. 3
AuslG erteilt werden sollten?

Wenn nein: Warum nicht?

4. Wie viele Personen aus Afghanistan halten sich derzeit nach Kenntnis der
Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland auf (bitte nach Aufent-
haltsstatus und Geschlecht auflisten)?

Berlin, den 12. Juli 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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