BT-Drucksache 14/3820

Prüfung der Zusammenarbeit mit Myanmar auf nichtstaatlicher Ebene, insbesondere zur Stärkung der Zivilgesellschaft

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3820

14. Wahlperiode

04. 07. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Marlies Pretzlaff, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm,
Siegfried Helias, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski, Erika Reinhardt,
Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck, Peter Weiß (Emmendingen) und der
Fraktion der CDU/CSU

Prüfung einer Zusammenarbeit mit Myanmar auf nichtstaatlicher Ebene,
insbesondere zur Stärkung der Zivilgesellschaft

Die bis 1988 währende freundschaftliche Entwicklungszusammenarbeit in
Myanmar wurde ausgesetzt, als das Militär nach massiven Demonstrationen ge-
gen die Regierung die Macht übernahm. In den ersten Schritten beendete diese
Militärregierung den 1962 begonnenen sozialistischen Weg in die Selbstisola-
tion, der „Sozialistischen Republik der Union von Burma“, und proklamierte die
Öffnung des Landes für die freie Marktwirtschaft und politische Reformen. Die
politische Freiheit sollte durch eine freie Wahl im Mai 1990 manifestiert werden,
doch zur Überraschung des Militärs gab es einen Erdrutschsieg für die Opposi-
tionspartei National League for Democracy (NLD). Die Militärs konstituierten
nie das gewählte Parlament.

Zwar erklärte die Militärregierung, sie bemühe sich in Gesprächen mit den ca.
60 Minoritäten, diese in den Staat zu integrieren und mit ihnen und der Opposi-
tion Friedensverhandlungen zu führen, nur blieben die Verhandlungen sehr un-
befriedigend. Immer wieder wurden Unruhen blutig niedergeschlagen. Der Ver-
such, die Oppositionsbewegung zu unterdrücken, zeigte sich bisher nicht nur
in der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit, in Hausarresten, Ver-
sammlungsverboten und Inhaftierungen von politischen Oppositionellen, son-
dern auch in Zwangsarbeit in infrastrukturellen Baumaßnahmen sowie in Über-
griffen gegen die Zivilbevölkerung, beispielsweise im Frauenhandel.

Militärisch gesehen, befand sich fast ganz Myanmar im bürgerkriegs- oder
kriegsähnlichen Zustand: Die bewaffneten, nach Autonomie strebenden
Ethnien kämpften gegen die Militärregierung oder gegeneinander (zum Teil mit
Unterstützung der Nachbarländer Indien, Thailand und der VR China).
Zwischenzeitlich hat die Regierung mit 16 von 17 ethnischen Minderheiten
Waffenstillstand geschlossen; trotzdem geht das Regime nach wie vor gegen
einzelne Volksgruppen vor („Birminisierung“). Das große Problem der umfang-
reichen Drogenproduktion und des Drogenhandels im so genannten Goldenen
Dreieck konnte bisher nur unzureichend gelöst werden.
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Myanmars wirtschaftliche Lage ist prekär. Der seit über 50 Jahren andauernde
Bürgerkrieg, die lange Periode der sozialistischen Planwirtschaft, die selbstge-
wählte Isolation der 60er Jahre sowie ein Jahrzehnt der Militärdiktatur haben
die ökonomische Entwicklung beeinträchtigt. Auch die ASEAN-Mitgliedschaft
seit 1997 zeigte zwar ein gestiegenes Regionalbewusstsein für Südostasien,
konnte bisher aber nur wenig positive Aspekte für die Menschen im Land bie-
ten. Obwohl Myanmar von der „Asienkrise“ nicht direkt betroffen wurde, ha-
ben die indirekten Auswirkungen wie gegen Null tendierende Neuinvestitionen
den Ausbau insbesondere des verarbeitenden Gewerbes verlangsamt und außer-
dem zu einer starken Devisenverknappung beigetragen. Ein großes Problem für
die Bezieher normaler Einkommen stellt der Anstieg der Inflationsrate dar. Die
Nahrungsmittelpreise im Warenkorb stiegen 1998/1999 um 50,3 %. Die Ent-
wicklung der Löhne dürfte in keiner Weise mit dem Preisanstieg Schritt gehal-
ten haben. Für die ärmeren Bevölkerungsschichten, insbesondere außerhalb der
Landwirtschaft, gilt es als schwer, ihren Bedarf selbst an einfacheren Nahrungs-
mitteln zu decken. Die hohe Inflationsrate, die Devisenverknappung durch das
gleichzeitige Auftreten von hohem Handelsbilanzdefizit und die ausbleibenden
ausländischen Investitionen sind schwerwiegende Probleme für das Land.

Myanmar befindet sich in einer Sackgasse. Als eines der ärmsten Länder der
Weltgemeinschaft ist es auf Hilfe der Volksrepublik China angewiesen. Exper-
ten sehen Myanmar schon heute in zunehmender Abhängigkeit von der Volks-
republik China, deren Interesse an einem Zugang zum Golf von Bengalen im-
mer deutlicher wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung möglich und
notwendig, um den Warnungen der Weltbank vor einer weiteren Verarmung
der myanmarischen Bevölkerung Rechnung zu tragen?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Sanktionen gegenüber Myanmar?

3. Hält es die Bundesregierung für möglich, in einen politischen Meinungsaus-
tausch mit der Militärregierung von Myanmar zu treten, und welche Erwar-
tungen setzt die Bundesregierung hierin?

4. Stimmt die Bundesregierung der Strategie „Wandel durch Handel“ zu und
sieht sie dazu Möglichkeiten in Myanmar?

5. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss der In-
ternationalen Arbeitsorganisation ILO vom 9. Juni 2000, in dem ihren Mit-
gliedern empfohlen wird, aufgrund des dortigen Systems der Zwangsarbeit
ihre Beziehungen zu Myanmar zu überprüfen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die geostrategische Lage von Myanmar
in der Südostasien-Region?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, wie sich das chinesische militärstrategi-
sche Konzept der „two ocean maritime power“ und das wirtschaftliche Inte-
resse Chinas auf die wirtschaftliche Abhängigkeit sowie die Entwicklung
und damit die Handlungsfähigkeit Myanmars auswirken?

8. Welche Verwendung findet die – mit chinesischer Unterstützung – 1994 ge-
baute Hafenanlage auf den Haingyi-Islands?

9. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der ebenfalls mit chinesischer
Hilfe errichteten Radaranlage auf den Coco-Islands bei, unter Berücksichti-
gung der Internationalen Seeschifffahrtswege des Andamanischen Meeres
und des Golfs von Bengalen, und welche Folgen hat dies auf die freie See-
handelsschifffahrt?
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10. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, welche militärischen Ausrüstungen
und Waffen von welchen Staaten in welcher Menge seit der Machtüber-
nahme der Militärs im Jahre 1988 an Myanmar geliefert wurden?

11. Trifft es zu, dass die als Zwangsarbeiter in infrastrukturellen Baumaßnah-
men eingesetzten Bewohner Myanmars überwiegend aus Minderheits-
ethnien rekrutiert und überregional eingesetzt werden?

12. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung für die Region, ins-
besondere für die myanmarische Landwirtschaft voraus, wenn weitere
Wasserkraftwerke neben dem im Bau befindlichen Wasserkraftwerk
Paunglaung errichtet werden?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, welche weitreichenden Folgen der be-
schleunigte Rohstoffabbau durch Bergbau, zum Beispiel die Zinkgewin-
nung im Gebiet von Longh Keng, für die Menschen, Natur und Umwelt
hat?

14. Hält die Bundesregierung es für zweckmäßig, Myanmar beim Schutz sei-
ner natürlichen Ressourcen zu unterstützen?

15. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung myanmarischen Nichtregie-
rungsorganisationen für die Entwicklung Myanmars bei?

16. Wie schätzt die Bundesregierung die aktuelle Situation in Myanmar hin-
sichtlich Gründungsmöglichkeiten bzw. Handlungsfreiräumen einheimi-
scher Nichtregierungsorganisationen (NRO) ein?

17. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten zur Unterstützung der Bevölke-
rung in Myanmar durch ausländische NRO, kirchliche Einrichtungen und
Stiftungen?

Welche Einflussmöglichkeiten auf die myanmarische Regierung sieht die
Bundesregierung in Richtung eines zügigen Registrierungsprozesses von
ausländischen NRO in Myanmar und in der nachfolgenden Freizügigkeit
der NRO bei Auswahl und Durchführung entwicklungspolitischer Maß-
nahmen?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung den Beschluss des Allgemeinen Rates
vom 11. April 2000, die EU-Kommission zu bitten, die Möglichkeiten für
eine verstärkte humanitäre Hilfe für Myanmar zu prüfen?

Welche Möglichkeiten sind nach Ansicht der Bundesregierung hierfür vor-
handen?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, dass andere Industrieländer, z. B. Japan,
aktiv wirtschaftliche Interessen in Myanmar verfolgen?

20. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Einfluss der übrigen
Asean-Staaten auf die Regierung Myanmars zu?

Berlin, den 4. Juli 2000

Marlies Pretzlaff
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Peter Weiß (Emmendingen)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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