BT-Drucksache 14/3775

Zukunft der Bundeswehr

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3775
14. Wahlperiode 04. 07. 2000

Antrag
der Abgeordneten Paul Breuer, Ulrich Adam, Georg Janovsky, Irmgard Karwatzki,
Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Ursula Lietz, Hans Raidel,
Helmut Rauber, Hans-Peter Repnik, Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer,
Bernd Siebert, Werner Siemann, Benno Zierer und der Fraktion der CDU/CSU

Zukunft der Bundeswehr

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat mit der Vorlage der „Eckpfeiler der konzeptionellen
und planerischen Neuausrichtung der Bundeswehr“ sowie dem Entwurf für den
Bundeshaushalt 2001 mit seiner mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr
2004 ihr Konzept für die Zukunft der Bundeswehr vorgelegt. Dieses Konzept
hat keine gesicherte finanzielle Grundlage, der Bundeswehr werden innerhalb
von 4 Jahren ca. 20 Mrd. DM gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung der
ehemaligen Bundesregierung entzogen. Damit kann weder der notwendige Um-
bau der Bundeswehr finanziert werden noch können durch diese Sparpläne die
gegenüber Bündnis und EU eingegangenen Verpflichtungen erfüllt werden. Dies
schadet der Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit der deutschen Außen- und
Sicherheitspolitik, mindert das Gewicht und damit den Einfluss Deutschlands.

Die unangemessene Hast, mit der die Bundesregierung kurz nach Vorlage des
Berichts der vom Bundesverteidigungsminister eingesetzten Kommission „Ge-
meinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ sowie der „Eckwerte“ des
Generalinspekteurs der Bundeswehr weitreichende Entscheidungen über die
Zukunft der Bundeswehr getroffen hat, zeigt, dass sie die notwendige, der Be-
deutung des Themas zukommende breite öffentliche Debatte unterbinden will.
Zuvor wurde durch die Bundesregierung wertvolle Zeit für einen rechtzeitigen
Umbau und die Modernisierung der Bundeswehr vertan. Damit hat die Bundes-
regierung eine spekulative Diskussion über die Bundeswehr verursacht, an de-
ren Ende heute tiefe Verunsicherung und Resignation der betroffenen Soldaten
und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr und deren Familien stehen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr durch Anpassungen in Struktur, Aus-
rüstung, Ausbildung und Personal in die Lage versetzt wird, ihren Aufgaben
der Landes- und Bündnisverteidigung auch in Zukunft mit einer Aufwuchs-
fähigkeit der Streitkräfte nachzukommen und die im Bündnis eingegange-
nen Verpflichtungen zu erfüllen. Diese Anpassungen sollen die Bundeswehr
zur gleichen Zeit zur Landes- und Bündnisverteidigung befähigen und sie in

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die Lage versetzen, mit unterschiedlichem Verfügungsgrad die wachsenden
Aufgaben des Stabilitätstransfers, der Krisenreaktion und der Konfliktprä-
vention in der Nordatlantischen Allianz und beim Aufbau einer europäi-
schen Eingreiftruppe zu erfüllen. Vor dem Hintergrund dieser Aufgaben darf
der Umfang der Bundeswehr der deutschen Verantwortung angemessen
nicht unter 300 000 Soldaten, davon 100 000 Wehrpflichtige liegen,

2. darzulegen, mit welchen Maßnahmen und in welchem Zeitrahmen der not-
wendigen Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik Rechnung getra-
gen wird und die vom Verteidigungsminister behauptete eingeschränkte
Bündnis- und Europafähigkeit beseitigt werden und wie auf höchstmögliche
Vereinbarkeit der deutschen mit den europäischen Strukturen hingewirkt
werden soll. Dabei ist auch zu definieren, welchen Beitrag die Bundeswehr
zur geplanten Eingreiftruppe der EU leisten soll. Das Potenzial von gemein-
samer Aufgabenwahrnehmung und Rollenspezialisierung im europäischen
Verbund muss weiter ausgeschöpft werden, wie es z. B. bei dem geplanten
Europäischen Lufttransportkommando vorgesehen ist,

3. allen Versuchen entschieden entgegenzutreten, die Wehrpflicht abzuschaffen
oder auszuhöhlen. Die Allgemeine Wehrpflicht ist unter Aufrechterhaltung
der Wehrgerechtigkeit beizubehalten und weiterzuentwickeln. Sie ist sicher-
heitspolitisch geboten, um die notwendige Aufwuchsfähigkeit der Bundes-
wehr zu gewährleisten und einen quantitativ und qualitativ ausreichenden
Nachwuchs zu erhalten. Sie gewährleistet die Verankerung der Bundeswehr
in der Gesellschaft und trägt dem Prinzip des „Staatsbürgers in Uniform“ am
besten Rechnung,

4. darzulegen, in welchem Zeitrahmen der Bundeswehr der Erwerb und Aus-
bau derjenigen Schlüsselfähigkeiten ermöglicht werden sollen, die für die
künftigen Einsatzszenarios mehr als bisher benötigt werden, und wie dies
bei einem kontinuierlich sinkenden Verteidigungshaushalt finanziert werden
soll. Hierzu gehören insbesondere strategische Aufklärungsfähigkeit auf eu-
ropäischer Ebene, Verlegefähigkeit über große Entfernungen, Führungs- und
Kommunikationsfähigkeit, Interoperabilität mit den Partnern sowie Durch-
haltefähigkeit. Die Bundesregierung muss weitere Initiativen ergreifen, da-
mit die Kräfte in Europa sinnvoll zusammengefasst werden. Gemeinsamer
Ausstattungsbedarf, wie z. B. bei einem europäischen Lufttransportflug-
zeug, muss gemeinsam gedeckt werden,

5. verlässlich darzustellen, wie die schon von der ehemaligen Bundesregierung
initiierten Rationalisierungs- und Privatisierungsbemühungen im Betrieb der
Bundeswehr weiter vorangetrieben werden sollen. Diese Bemühungen dür-
fen aber nicht zu einer rein betriebswirtschaftlichen Ausrichtung führen.
Einsatzrelevante Kernkapazitäten sind weiterhin zu erhalten,

6. die Stationierung der Bundeswehr in der Fläche zu erhalten,

7. eine Investitionsstrategie vorzulegen, die der Bundeswehr und der Industrie
Planungs- und Kalkulationssicherheit gibt. Zwingende Voraussetzung hier-
für sind auch einheitliche europäische Richtlinien für Rüstungsexporte,

8. den Umbau der Bundeswehr für Soldaten und das Zivilpersonal sozialver-
träglich, auf der Basis gesetzlicher und tarifvertraglicher Regelungen zu ge-
stalten und sich dabei an den Modellen der ehemaligen Bundesregierung zu
orientieren,

9. in Anbetracht alter und neuer Aufgaben der Bundeswehr die zukünftigen
Verteidigungshaushalte wieder mindestens an der mittelfristigen Finanzpla-
nung des 32. Finanzplanes zu orientieren, wonach ein moderater Aufwuchs
der Finanzmittel auf ca. 50 Mrd. DM bis zum Jahr 2003 vorgesehen war,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3775

10. einen Entwurf für ein Programmgesetz mit Wirkung ab dem Jahr 2002 für
die Zukunft der Bundeswehr spätestens bis zum März 2001 vorzulegen, das
alle Maßnahmen für den Umbau der Bundeswehr festlegt, einen klaren
Zeitrahmen vorgibt und jeden Schritt finanziell solide beschreiben und ab-
sichern soll, um so die notwendige Planungssicherheit und Verlässlichkeit
zu erreichen.

Berlin, den 4. Juni 2000

Paul Breuer
Ulrich Adam
Georg Janovsky
Irmgard Karwatzki
Thomas Kossendey
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Ursula Lietz
Hans Raidel
Helmut Rauber
Hans-Peter Repnik
Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer
Bernd Siebert
Werner Siemann
Benno Zierer
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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