Vom 4. Juli 2000
Deutscher Bundestag
Drucksache
14/
3761
14. Wahlperiode
04. 07. 2000
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)
zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Jünger, Rosel Neuhäuser,
Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/2720 –
Ächtung der Gewalt in der Erziehung wirkungsvoll flankieren
A. Problem
Kinder und Jugendliche sind direkt und indirekt von häuslicher Gewalt häufig
betroffen. Sie haben nach Meinung der Antragsteller einen unmittelbaren An-
spruch darauf, dass der Staat eingreife, wenn ihr Wohl gefährdet ist. Dieser
müsse kindgerechte Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche schaffen,
den eingetretenen Funktionsverlust der Familie kompensieren und Familien in
ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen. Eine klare Normsetzung durch
das Verbot elterlicher Gewaltausübung schaffe zu Recht ein gesellschaftliches
Leitbild und die notwendige Rechtssicherheit. Sie bedürfe jedoch der Ergän-
zung durch flankierende Maßnahmen. Rechte für Kinder und Jugendliche
müssten im Grundgesetz verankert werden und Kinder sollten ab dem 12. Le-
bensjahr in die Anspruchsinhaberschaft auf Hilfen nach den §§ 27 ff. SGB VIII
eingesetzt werden. Außerdem sei es notwendig, die Aufklärung der Kinder und
Jugendlichen über ihre Rechte zu verstärken und Infrastruktur für nieder-
schwellige Hilfen auszubauen. Statt Folgekosten der Gewalt zu finanzieren,
sollten Mittel in Präventionsarbeit investiert werden.
B. Lösung
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/2720.
Mehrheit im Ausschuss
C. Alternativen
Annahme des Antrags.
D. Kosten
Eine Kostenabschätzung wurde nicht vorgenommen.
Drucksache
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 14/2720 abzulehnen.
Berlin, den 28. Juni 2000
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Christel Hanewinckel
Vorsitzende
Rolf Stöckel
Berichterstatter
Ingrid Fischbach
Berichterstatterin
Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin
Klaus Haupt
Berichterstatter
Christina Schenk
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –
Drucksache
14/
3761
Bericht der Abgeordneten Rolf Stöckel, Ingrid Fischbach,
Irmingard Schewe-Gerigk, Klaus Haupt und Christina Schenk
I.
Überweisung, Voten der mitberatenden Ausschüsse und
Abstimmungsergebnis im federführenden Ausschuss
Der Antrag auf Drucksache 14/2720 wurde in der 90. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 24. Februar 2000 an
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur federführenden Beratung und an den Rechtsausschuss
zur Mitberatung überwiesen.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 56. Sitzung
am 28. Juni 2000 beraten und empfohlen, den Antrag abzu-
lehnen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 41. Sitzung am 28. Juni 2000 beraten
und beschlossen, den Antrag abzulehnen. Der Beschluss
wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – bei Stimmenthaltung eines Mitglieds der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –, CDU/CSU und
F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion der PDS gefasst.
II.
Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Mit der Vorlage wird gefordert, die normative Ächtung der
Gewalt in der Erziehung durch gesetzliche Regelungen zu
flankieren. Die einbringende Fraktion fordert eine Verbesse-
rung der Rechte der Kinder und Jugendlichen. Diese sollen
im Grundgesetz verankert werden, um die Stellung als
Grundrechtsträger und eigene Rechtspersönlichkeit zu stär-
ken. Dazu soll Artikel 6 GG um das Recht auf Entwicklung
und Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes erweitert wer-
den. Kinder und Jugendliche sollen mit vollendetem 12. Le-
bensjahr in die Anspruchsinhaberschaft auf Hilfen nach den
§§ 27 ff. SGB VIII eingesetzt werden. In Schulen und Frei-
zeiteinrichtungen sowie über verschiedene Medien sollen
Kinder und Jugendliche umfassend über ihr Recht auf ge-
waltlose Erziehung aufgeklärt und darüber informiert wer-
den, an wen sie sich bei Verletzung der Rechte wenden kön-
nen. Zur Gewaltprävention und Krisenintervention sollen
flächendeckend und trägerübergreifend Kinder- und Ju-
gendhilfezentren geschaffen bzw. ausgebaut werden. Die
Familien sollen bei ihren Erziehungsaufgaben durch sozial-
pädagogische Familienhilfe unterstützt werden. An den mit-
telfristigen finanziellen Mehraufwendungen von Ländern
und Kommunen müsse sich der Bund beteiligen und damit
Präventionsarbeit statt Folgekosten der Gewalt finanzieren.
III.
Ausschussberatungen
Der Antrag wurde im Ausschuss gemeinsam mit dem Ge-
setzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN – Entwurf eines Gesetzes zur Ächtung der Ge-
walt in der Erziehung – Drucksache 14/1247 – beraten, auf
den sich die Redebeiträge in der Beratung konzentrierten. In
diesem Zusammenhang wurde auch auf flankierende Maß-
nahmen eingegangen.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde zur Frage der Flan-
kierung des Gesetzentwurfs auf verschiedene geplante
Maßnahmen verwiesen, die u.a. eine Kampagne beinhalten.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde zu diesem Thema ebenfalls auf die geplante Einfüh-
rungskampagne mit einem Volumen von 2,7 Mio. DM ver-
wiesen. Alle seien aufgerufen, die Vorgaben des Gesetzes,
mit dem ein Signal gesetzt werde, publik zu machen.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde die Notwen-
digkeit flankierender Maßnahmen unterstrichen. Eine Auf-
klärungskampagne sei nötig sowie verstärkte Aktivitäten in
der Kinder- und Jugendhilfe.
Seitens der Fraktion der F.D.P. wurde erklärt, dass die be-
gleitenden Maßnahmen so wichtig seien wie das Gesetz
selbst. Die vorgestellten Maßnahmen seien aber noch nicht
ausreichend und nicht einfallsreich genug.
Von der Fraktion der PDS wurde betont, der Antrag der
Fraktion der PDS sei als Ergänzung zu dem Gesetzentwurf
zu verstehen, dem man zustimme. Es gehe um eine darüber
hinausgehende Stärkung der Position der Kinder. Weiter
werde auch eine erhöhte finanzielle Ausstattung vorgeschla-
gen, die zur Verbesserung der Situation der Kinder und Ju-
gendlichen nötig sei.
Berlin, den 28. Juni 2000
Rolf Stöckel
Berichterstatter
Ingrid Fischbach
Berichterstatterin
Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin
Klaus Haupt
Berichterstatter
Christina Schenk
Berichterstatterin