BT-Drucksache 14/3741

Wachsende Militarisierung in Mindanao (Philippinen)

Vom 30. Juni 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3741
14. Wahlperiode 30. 06. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Wolfgang Gehrcke, Carsten Hübner,
Heidi Lippmann und der Fraktion der PDS

Wachsende Militarisierung in Mindanao (Philippinen)

Seit 28 Jahren kämpft die moslemische Minderheit der Philippinen, deren größ-
ter Teil auf Mindanao lebt, für einen unabhängigen Staat. Mittlerweile hat sich
die moslemische Bewegung in zahlreiche Organisationen aufgespalten. Einer,
der 1996 ein Friedensabkommen mit der Regierung in Manila unterzeichnet
hat, ist Nur Misuari von der Moro National Liberation Front (MNLF). Die
Kritiker des Abkommens haben sich danach in der Moro Islamic Liberation
Front (MILF) organisiert. Das Verhandlungsergebnis, das bis heute von der phi-
lippinischen Regierung nicht ratifiziert wurde, beinhaltete soziale und infra-
strukturelle Unterstützung für den von Armut geprägten Teil der Philippinen.
Die versprochenen Leistungen der Regierung – Wohnungen, Schulen und Ge-
sundheitsversorgung – wurden bisher jedoch nur ansatzweise umgesetzt.

Die philippinische Regierung in Manila verfolgt seit Anfang März ihren so ge-
nannten O-Plan Mindanao II/Black Rain. Erklärtes Ziel ist es, die wichtige Wi-
derstandsbewegung im Süden des Archipels, die Moro Islamischen Befreiungs-
front (MILF) unter der Führung von Hashim Sakanat, militärisch zu
zerschlagen. Im Mai d. J. haben Marine- und andere Eliteeinheiten der philippi-
nischen Armee einen Belagerungsring um das Hauptquartier der Widerstands-
organisation, der MILF in den Provinzen Lano und Maguindanao gezogen. Phi-
lippinische Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen beziffern die Zahl der
bereits evakuierten Zivilisten mit 300 000 bis 500 000. Gleichzeitig wurden
über 1 000 rekrutierte Paramilitärs, Mitglieder der so genannten CAFGU (Citi-
zens Armed Forces Geographical Units), zur Unterstützung der Armee in die-
ses Gebiet abkommandiert. Damit sind schätzungsweise achtzig Prozent der
Kampfverbände im Süden des Archipels konzentriert.

In einer am 2. Mai 2000 unter dem Titel „A Statement of Concern“ veröffent-
lichten Erklärung des BangsaMoro Consortiums heißt es: „Wir fordern eine so-
fortige Einstellung der andauernden Feindseligkeiten, weil die Probleme in
Mindanao niemals gewaltsam zu lösen sind, wie das in der Geschichte mehr-
fach bewiesen wurde. Wir fordern die Einbeziehung einer dritten Partei in den
Prozess einer friedlichen Konfliktlösung. Diese dritte Partei sollte neben loka-
len und internationalen Vertretern auch aus Emissären der Organisation der Is-
lamischen Konferenz (OIC), des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen
sowie Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft und religiöser Organisationen zu-
sammengesetzt sein.“ Das BangsaMoro Consortium ist ein Zusammenschluss
verschiedener muslimischer Nichtregierungs- und so genannter Volksorganisa-

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tionen sowie Kooperativen auf den südlichen, westlichen und zentralen Lan-
desteilen Mindanaos.

Auf der südphilippinischen Insel Jolo werden seit Ostern d. J. 21 aus Malaysia
verschleppte Touristen als Geiseln festgehalten, darunter auch drei Deutsche.
Verantwortliche des Geiseldramas sollen Mitglieder der Abu Sayyaf Gruppe
(ASG) sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über:

– Einsätze der philippinischen Armee in Mindanao,

– die soziale Lage der Menschen in Mindanao,

– eine Verletzung der Menschenrechte in den letzten fünf Jahren in
Mindanao?

2. Welche entwicklungspolitischen Projekte werden von der Bundesregierung
dort gefördert bzw. selbst durchgeführt?

3. Hat die Bundesregierung in den letzen 10 Jahren Genehmigungen für den
Export von Rüstungsgütern nach den Philippinen erteilt?

Wenn ja, um welche Rüstungsexporte handelte es sich?

4. Hat die Bundesregierung in den letzten 10 Jahren Lizenzen für die Produk-
tion von Rüstungsgütern vergeben?

Wenn ja, um welche Art der Lizenzvergabe handelte es sich und welchen
Wert hatte diese?

5. Wurden der philippinischen Regierung in den letzten 10 Jahren Ausstat-
tungshilfen oder andere militärische oder polizeiliche Unterstützung (z. B.
Rüstungssonderhilfen) der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Bundes-
länder gewährt?

Wenn ja, um welche Art der Hilfe handelte es sich und welchen Wert hatte
sie?

6. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Pax Christi International,
wonach im Süden der Philippinen ein Bürgerkrieg droht und eine Befrie-
dung der Region nur durch einen christlich-muslimischen Dialog möglich
sei (KNA 19.6.00) und ist sie bereit, interreligiöse Initiativen wie von Alab
Katipunan, einer Menschenrechtsorganisation (epd 9/10/00), zu fördern?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Pax Christi International,
dass „es Verbindungen zwischen Abu Sayyaf und anderen internationalen
Terroristen zu geben“ scheine und dass die Gruppe vor allem an Geld inter-
essiert sei?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über christliche Milizen, die be-
reit sind, gegen Muslime zu kämpfen?

9. Welche Personen führen die Verhandlungen mit der Gruppe der Entführer
und in wieweit haben die Regierungen von Malaysia, Frankreich, Südafrika,
Finnland, Libanon sowie die Bundesregierung Einfluss auf diese Verhand-
lungen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3741

10. Mit welchem Auftrag ist der außenpolitische Repräsentant der EU, Javier
Solana, zu Gesprächen mit der philippinischen Regierung gefahren und
wie wird das Ergebnis eingeschätzt?

11. Ist die Bundesregierung bereit, das geforderte Lösegeld für die Familie W.
zu zahlen bzw. welche Strategie verfolgt die Bundesregierung?

12. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass „Abu Sayyaf eine Krea-
tion der philippinischen Streitkräfte“ sei und Präsident Estrada auch um
von gravierenden innenpolitischen Fehlern abzulenken, das Interesse sei-
ner Nation auf den Süden konzentriert, wo er den Streitkräften weitgehend
freie Hand bei der Lösung des Problems der aufständischen muslimischen
Minderheit gewährt hat (FR., 3.6.00)?

13. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung aufgrund der militärischen
Angriffe getroffen bzw. geplant und welche Maßnahmen sind auf europäi-
scher Ebene getroffen worden bzw. geplant?

Berlin, den 29. Juni 2000

Dr. Winfried Wolf
Wolfgang Gehrcke
Carsten Hübner
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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