BT-Drucksache 14/3712

1. zu dem A der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/2767- Umwelt und Gesundheit 2.zu der U durch die BReg -14/2300- Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen - Umwelt und Gesundheit Risiken richtig einschätzen 3. zu dem EA der Abgeordneten Dr. Klaus-W. Lippold (Offenbach), weit Abg und der Fraktion der CDU/CSU -14/2771(neu)- 4. zu dem Ber des A f.BFT gem § 56a der GO -14/2848- Technikfolgenabschätzung; hier: "Umwelt und Gesundheit"

Vom 29. Juni 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3712

14. Wahlperiode

29. 06. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht

des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/2767 –

Umwelt und Gesundheit

2. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/2300 –

Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
Umwelt und Gesundheit – Risiken richtig einschätzen

3. zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Klaus-W. Lippold
(Offenbach), Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Rolf Bauer, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/2771 (neu) –

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/2300 –

Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
Umwelt und Gesundheit – Risiken richtig einschätzen

4. zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung
– Drucksache 14/2848 –

Technikfolgenabschätzung; hier: „Umwelt und Gesundheit“
Drucksache

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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

A. Problem

Mit dem Antrag auf Drucksache 14/2767 wird die Vorlage des Aktionspro-
gramms „Umwelt und Gesundheit“ durch die Bundesregierung begrüßt und als
Basis für eine intensive fachliche, gesellschaftliche und politische Auseinan-
dersetzung mit diesem wichtigen Querschnittsbereich bezeichnet. Bei diesem
Prozess seien auch die Erkenntnisse und Empfehlungen aus dem Sondergutach-
ten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) auf Drucksache
14/2300 und des Gutachtens des Büros für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag (TAB) auf Drucksache 14/2848 einzubeziehen. Die Bun-
desregierung wird mit diesem Antrag aufgefordert, zwölf detailliert beschrie-
bene Maßnahmenbündel zu ergreifen, die sich insbesondere am Vorsorgeprin-
zip orientieren.

Der Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771 (neu) enthält in seinem
Teil I u. a. den Hinweis, dass die umweltpolitischen Maßnahmen der vergange-
nen Jahrzehnte zu einem hohen Schutzniveau für die menschliche Gesundheit
geführt hätten. In seinem Teil II wird die Bundesregierung aufgefordert, in fünf
detailliert beschriebenen Bereichen (Entwicklung eines Risikokatalogs, Schutz
vor Lärm, Schutz vor Allergien, Bestimmung und Risikoabschätzung bei che-
mischen Stoffen, Schutz vor bodennahem Ozon) im Einzelnen bezeichnete
Maßnahmen zu ergreifen.

B. Lösung

Annahme des Antrags auf Drucksache 14/2767 und Ablehnung des Entschlie-
ßungsantrags auf Drucksache 14/2771 (neu).

Mehrheitsentscheidung

Annahme eines Entschließungsantrags zu Drucksache 14/2848, mit dem die
Bundesregierung u. a. aufgefordert wird, die interdisziplinäre Forschung zur
Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen der Bewertungsfaktoren ver-
stärkt zu fördern und spezielle Forschungsprogramme im Bereich der Gesund-
heitsförderungsforschung zu initiieren.

Einstimmiger Ausschussbeschluss bei Stimmenthaltung der Fraktion der
CDU/CSU

C. Alternativen

Annahme des Entschließungsantrags auf Drucksache 14/2771 (neu).

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

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Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 14/2767 anzunehmen,

b) in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 14/2300 den Entschließungs-
antrag auf Drucksache 14/2771 (neu) abzulehnen,

c) in Kenntnis des Berichts auf Drucksache 14/2848 folgende Entschließung
anzunehmen:

„Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Notwendigkeit der Aufarbeitung der
im Bericht vermerkten Forschungsdefizite. Der Deutsche Bundestag begrüßt,
dass die Bundesregierung in wesentlichen Feldern wie beispielsweise der
Forschung zu Kombinationswirkungen bereits aktiv geworden ist. Er fordert
die Bundesregierung auf, interdisziplinäre Forschungen zur Verbesserung der
wissenschaftlichen Grundlagen der Bewertungsfaktoren verstärkt zu fördern
und spezielle Forschungsprogramme im Bereich der Gesundheitsförderungs-
forschung zu initiieren.“

Berlin, den 10. Mai 2000

Der Ausschuss für Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit

Christoph Matschie

Vorsitzender

Jutta Müller (Völklingen)

Berichterstatterin

Vera Lengsfeld

Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske

Berichterstatter

Birgit Homburger

Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter

Berichterstatterin
Drucksache

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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jutta Müller (Völklingen), Vera Lengsfeld,
Dr. Reinhard Loske, Birgit Homburger und Eva-Maria Bulling-Schröter

I.

Der Antrag auf Drucksache 14/2767, die Unterrichtung auf
Drucksache 14/2300 und der Entschließungsantrag auf
Drucksache 14/2771 (neu) wurden in der 90. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 24. Februar 2000 zur federfüh-
renden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit überwiesen. Die Überweisung
des Berichtes auf Drucksache 14/2848 erfolgte in der 99.
Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. April 2000.

Die jeweils mitberatenden Ausschüsse ergeben sich auch
aus nachfolgender Übersicht:

Die mitberatenden Ausschüsse haben wie folgt votiert:

Zu Drucksache 14/2300 wurde von den mitberatenden Aus-
schüssen einheitlich Kenntnisnahme empfohlen.

II.

In seinem Feststellungsteil begrüßt der Antrag auf Drucksa-
che 14/2767 u. a., dass sich die Politik der Bundesregierung
für Umwelt und Gesundheit am Leitgedanken einer nach-
haltigen Entwicklung orientiere, die die Wirtschafts- und
Lebensweisen mit den natürlichen Lebensgrundlagen dauer-
haft in Einklang bringe. Die erstmalige Vorlage eines Akti-
onsprogramms „Umwelt und Gesundheit“ stelle die Basis
für eine intensive fachliche, gesellschaftliche und politische
Auseinandersetzung mit diesem Querschnittsbereich dar. In
diesen Prozess seien auch die Erkenntnisse und Empfehlun-
gen aus dem Sondergutachten des Rates von Sachverständi-
gen für Umweltfragen 1999 „Umwelt und Gesundheit“ und
des Gutachtens „Umwelt und Gesundheit“ des Büros für
Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag ein-
zubeziehen. Drei Punkte seien zentral für eine ganzheitliche
Herangehensweise in diesem komplexen Querschnittsbe-
reich:

1. die systematische Erfassung umweltbedingter, gesund-
heitsschädigender Faktoren,

2. die Bewertung auf der Grundlage der neuen Erkennt-
nisse,

Drucksache

14/
2767

14/
2300

14/
2771
(neu)

14/
2848

Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie

– – – mb

Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten

mb mb mb mb

Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend

mb mb – mb

Ausschuss für Gesundheit mb mb mb mb

Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technik-
folgenabschätzung

mb mb mb mb

Ausschuss für Tourismus – mb mb mb

Drucksache

14/2767 14/2771 (neu) 14/2848

Ausschuss für
Wirtschaft und
Technologie

– – Kenntnis-
nahme

Ausschuss für
Ernährung,
Landwirt-
schaft und
Forsten

mehrheitliche
Annahme
SPD +
CDU/CSU –
BÜ 90/GR. +
F.D.P. –
PDS o

mehrheitliche
Ablehnung
SPD –
CDU/CSU +
BÜ 90/GR. –
F.D.P. +
PDS –

Kenntnis-
nahme

Ausschuss für
Familie,
Senioren,
Frauen und
Jugend

mehrheitliche
Annahme
SPD +
CDU/CSU –
BÜ 90/GR. +
F.D.P. +
PDS +

– Kenntnis-
nahme

Ausschuss für
Gesundheit

mehrheitliche
Annahme
SPD +
CDU/CSU o
BÜ 90/GR. +
F.D.P. –
PDS o

mehrheitliche
Ablehnung
SPD –
CDU/CSU +
BÜ 90/GR. –
F.D.P. +
PDS –

Kenntnis-
nahme

Ausschuss für
Bildung, For-
schung und
Technikfol-
genabschät-
zung

mehrheitliche
Annahme
SPD +
CDU/CSU –
BÜ 90/GR. +
F.D.P. –
PDS +

mehrheitliche
Ablehnung
SPD –
CDU/CSU +
BÜ 90/GR. –
F.D.P. +
PDS –

Kenntnis-
nahme
Annahme der
Entschließung
(s. Buchst. c
der Beschluss-
empfehlung)
SPD +
CDU/CSU +
BÜ 90/GR. +
F.D.P. +
PDS +

Ausschuss für
Tourismus

– mehrheitliche
Ablehnung
SPD –
CDU/CSU +
BÜ 90/GR.

abw.
F.D.P. +
PDS –

Kenntnis-
nahme

Drucksache

14/2767 14/2771 (neu) 14/2848
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 –

Drucksache

14/

3712

3. die Ableitung entsprechender zielorientierter Maßnah-
men. Das Vorsorgeprinzip werde dabei als Grundprinzip
von Umwelt- und Gesundheitspolitik herausgestellt. Da-
mit werde zugleich eine entscheidende Voraussetzung
dafür geschaffen, dass Gesundheit für alle möglich sei.

In seinem Forderungsteil enthält der Antrag auf Drucksache
14/2767 zwölf detailliert beschriebene Maßnahmenbündel.
Dazu zählt u. a. die Benennung einiger prioritärer Punkte
aus dem Aufgabenspektrum des Programms „Umwelt und
Gesundheit“, die kurzfristig und intensiv angenommen
werden sollten (Lärmbekämpfung, Sicherung einer gesund-
heitsverträglichen Lebensmittelproduktion sowie Lebens-
mittel- und Futtermittelsicherheit inklusive einer eindeuti-
gen und umfassenden Kennzeichnung, Verbesserung der
Innenraumluftqualität, Reduzierung des Sommersmogs und
der Schadstoffbelastung der Außenluft durch Fein- und
Ultrafeinpartikel sowie Austausch noch vorhandener Blei-
leitungen in der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung).

Mit dem in der Unterrichtung durch die Bundesregierung
auf Drucksache 14/2300 wiedergegebenen Sondergutachten
leistet der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen
(SRU) einen allgemeinen Beitrag zur Abschätzung und Be-
wertung umweltbedingter Gesundheitsrisiken. Im Ergebnis
werden Ansätze zu einem integrierten Risikokonzept auf-
gezeigt, das den besonderen Gegebenheiten komplexer
umweltbeeinflusster Gesundheitsstörungen Rechnung trägt.
Besondere Beachtung bei der Abschätzung umweltbeein-
flusster Gesundheitsbeeinträchtigungen sollten nach Auf-
fassung des SRU besonders empfindliche, so genannte
vulnerable Gruppen finden. Der SRU greift darüber hinaus
in dem Sondergutachten bestimmte Problemfelder der
Thematik „Umwelt und Gesundheit“ auf, für die er erheb-
lichen Beratungsbedarf sieht (Gesundheitsbeeinträchtigun-
gen durch Allergien, durch ultraviolette Strahlung und
durch Lärm, Gesundheitsrisiken durch hormonähnlich wir-
kende Stoffe, Krankheitsbild der multiplen Chemika-
lien-Überempfindlichkeit).

Der Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771 (neu)
enthält in seinem Teil l zunächst die Feststellung, dass die
umweltpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahrzehnte
zu einem hohen Schutzniveau für die menschliche Gesund-
heit geführt hätten. Trotz des erreichten hohen Schutz-
niveaus könnten aber Umweltfaktoren für sich allein oder
zusammen mit anderen Faktoren zur Entstehung oder Ver-
stärkung von Erkrankungen beitragen. Vielfach sei aller-
dings der Kenntnisstand der Wissenschaft über diese Zu-
sammenhänge noch lückenhaft.

In Teil II des Entschließungsantrags wird daher die Bundes-
regierung aufgefordert, in fünf Bereichen (Entwicklung
eines Risikokatalogs, Überprüfung und Weiterentwicklung
von Grenzwerten, Schutz vor Lärm, Schutz vor Allergien,
Bestimmung und Risikoabschätzung bei chemischen Stof-
fen, Schutz vor bodennahem Ozon) im Einzelnen bezeich-
nete Maßnahmen zu ergreifen.

Der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag (TAB) auf Drucksache 14/2848 ent-
hält eine umfassende und substanzielle Übersicht über die
Bewertungskontroversen im Bereich Umwelt und Gesund-
heit sowie über die Gestaltungsmöglichkeiten beim vorsor-

genden Gesundheitsschutz und bei der Stärkung gesund-
heitsförderlicher Lebensbedingungen. Der Bericht, zu dem
bereits im Jahr 1997 eine Vorstudie vorgelegt wurde, geht
auf einen Antrag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit in der vergangenen Wahlperiode zu-
rück.

III.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat sich mit dem Gutachten des SRU auf Drucksache
14/2300 in Anwesenheit einiger seiner Mitglieder bereits in
seiner Sitzung am 1. Dezember 1999 befasst und es als
wertvolle Informationsgrundlage gewürdigt. Den Gesamt-
komplex aller vier dem Ausschuss zu diesem Thema über-
wiesenen Vorlagen hat er in seiner Sitzung am 10. Mai 2000
beraten.

Von Seiten der Fraktion der SPD wurde festgestellt, schon
vor dem jetzt vorliegenden Sondergutachten zum Thema
„Umwelt und Gesundheit“ habe sich der SRU mehrfach –
darunter auch im Umweltgutachten 1987 – mit der Thema-
tik „Umwelt und Gesundheit“ befasst. Man begrüße des-
halb, dass die neue Bundesregierung erstmals die Anstöße
aus der Wissenschaft aufgegriffen und im vergangenen Jahr
ein Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ vorgelegt
habe. Dass darüber hinaus auch schon real Schritte zur Ver-
besserung der Situation ergriffen worden seien, zeige sich
beispielsweise beim Thema Lärm. So sei nach langen Jah-
ren der Diskussion im Deutschen Bundestag endlich ein Be-
trag von 100 Mio. DM für Lärmschutzmaßnahmen an beste-
henden Schienenwegen in den Haushalt eingestellt worden.

Mit dem Antrag auf Drucksache 14/2767 wolle man die
Bundesregierung in ihren Anstrengungen unterstützen, um-
weltbezogene Qualitätsziele, wie sie auch im Aktionspro-
gramm „Umwelt und Gesundheit“ formuliert seien, durch
geeignete Maßnahmen umzusetzen. Man beziehe sich dabei
auf prioritäre Punkte (Lärmbekämpfung, Sicherung gesund-
heitsverträglicher Lebensmittelproduktion, Verbesserung
der Luftqualität in Innenräumen, Reduzierung der Schad-
stoffbelastung in der Außenluft) und spreche sich dafür aus,
bereits im Vorfeld die relevanten und interessierten gesell-
schaftlichen Gruppen an der Diskussion zu beteiligen. Eine
breite Diskussion in der Bevölkerung sei u. a. deshalb von
Vorteil, da jedermann wisse, dass man auch mit eigenem
Verhalten seinen Gesundheitszustand beeinflussen könne.
Man unterstütze mit dem Antrag auch, dass in der Umwelt-
medizin Qualitätssicherungsmaßnahmen durchgeführt wür-
den. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Qualifikation der
Behandler wie im Hinblick auf die Wirksamkeit und Wirt-
schaftlichkeit der verwendeten Verfahren in Diagnose und
Behandlung.

Was den Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771
(neu) anbelange, so sei man sich im Ziel zwar einig, der An-
trag greife aber insgesamt gesehen zu kurz, da er nur auf
sehr technische Maßnahmen abstelle. Insbesondere werde
der gesellschaftliche Diskurs zu wenig mit einbezogen.
Man werde den Antrag deshalb ablehnen.

Der Bericht des TAB zum Thema „Umwelt und Gesund-
heit“ sei als Ergänzung zum Gutachten des SRU sehr hilf-
Drucksache

14/

3712

– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

reich. Ihm könne u. a. entnommen werden, dass in bestimm-
ten Bereichen die Forschung zu den Wirkungszusammen-
hängen zwischen Umweltbelastungen, Arbeitswelt und
Gesundheitsfolgen zu intensivieren sei. Dies betreffe bei-
spielsweise das MCS-(Multiple Chemical Sensibility)Syn-
drom. In einem Entschließungsantrag (s. Buchstabe c der
Beschlussempfehlung) habe man die diesbezüglichen Emp-
fehlungen aufgegriffen.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde ausgeführt,
der Antrag auf Drucksache 14/2767 halte sich zwar eng an
die Erkenntnisse des Sondergutachtens des SRU und habe
auch in großem Umfang die Intention des Schwerpunkte-
programms der seinerzeitigen Umweltministerin Dr. Angela
Merkel übernommen. Andererseits würden Zielkonflikte
aber nicht problematisiert. Beispielsweise trügen Energie-
einsparmaßnahmen im Wohnungsbereich häufig zu ver-
mehrter Belastung gerade empfindlicher Menschen durch
allergene Stoffe bei. Auch bei Lärmschutzmaßnahmen stelle
sich dieses Problem, so dass wichtiger als Lärmschutzmaß-
nahmen die Verminderung der Lärmerzeugung an der
Quelle sei. Weiter kritisiere man, dass das Problem der Ori-
entierung von Grenzwerten am Durchschnitt der Bevölke-
rung und nicht an den besonders empfindlichen Gruppen
zwar beschrieben, aber nicht mit Maßnahmen angegangen
werde. Von daher lehne man den Antrag ab.

In dem eigenen Entschließungsantrag auf Drucksache
14/2771 (neu) habe man deutlich gemacht, wie viel Vor-
arbeit von der alten Bundesregierung geleistet worden sei.
Zudem werde konkret dargestellt, welche Maßnahmen zu
ergreifen seien. Verzichtet habe man allerdings auf das
kommunikative Beiwerk, das im Antrag der Koalitionsfrak-
tionen enthalten sei. Nach eigener Erfahrung werde nämlich
vielfach zu viel und zu wenig konkret über die Probleme
geredet, aber zu wenig gehandelt.

Den Bericht des TAB halte man für wertvoll, da er Bewer-
tungskontroversen nachvollziehbarer mache und Hinweise
zu einem besseren Umgang damit gebe. Gleichzeitig wür-
den die Ansätze für einen vorsorgenden Gesundheitsschutz
aufgezeigt, der auch die Stärkung gesundheitsförderlicher
Lebensbedingungen umfasse. Der Bericht trenne deutlich
zwischen wissenschaftlicher, politischer und gesellschaftli-
cher Ebene. Dies halte man für sehr wichtig. Der Bericht
konstatiere weiter, dass psychische oder physische Folge-
wirkungen insbesondere bei Kombination von verschiede-
nen Noxen nicht immer eindeutig feststellbar sei. Deshalb
plädiere der Bericht für eine nationale Diskussion. Diese
Forderung unterstütze man nachdrücklich.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde darauf hingewiesen, in der Öffentlichkeit gebe es im
Zusammenhang mit dem Themenfeld „Umwelt und Ge-
sundheit“ eine intensive und sensible Diskussion. Problem-
bereiche wie Lärm, gesunde Nahrungsmittel, saubere Luft
(draußen und drinnen) beträfen alle Bürger und erführen
deshalb hohe Aufmerksamkeit. Der Bericht des SRU widme
sich u. a. der Problematik, wie viel man als Politiker wissen
müsse, um handeln zu können. Vielfach gebe es die Vorstel-
lung, man müsse alles genau wissen, um handeln zu kön-
nen. Die Geschichte des Umweltschutzes belege, dass in
vielen Fällen zunächst einmal gehandelt worden sei (z. B.
bei den FCKW), später dann aber die Probleme sichtbar ge-

worden seien. Der Bericht mache daher die besondere Not-
wendigkeit, vorsorgend zu handeln, deutlich. Richtig sei,
die jeweilige wissenschaftliche Erkenntnis so weit wie
möglich voranzutreiben. Es gebe aber immer auch offene
Punkte. Insofern bleibe der Politik die Aufgabe der Risiko-
abschätzung. Eine weitere Botschaft, die der Bericht an die
Politik richte, sei, bei der Abschätzung umweltbeeinflusster
Gesundheitsbeeinträchtigungen die besonders gefährdeten
Gruppen stärker zu berücksichtigen und sich bei den ent-
sprechenden Regelungen nicht nur am Durchschnitt der Be-
völkerung zu orientieren. Der Bericht lege weiter nahe, in
der Ursachenbekämpfung für die gesundheitlichen Beein-
trächtigungen weiter fortzuschreiten. In besonderer Weise
betreffe dies den Bereich Lärm. Gerade im Zusammenhang
mit den allergenen Stoffen gehe es um Aufklärung, Infor-
mation, aber auch um Kennzeichnung. Schließlich mahne
der Bericht angesichts von Unsicherheiten bei der Bewer-
tung von Hormonwirkungen oder von MCS verstärkte For-
schung an. Dem sei bereits im Umweltforschungsplan
Rechnung getragen worden.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache
14/2767 stehe in engem Zusammenhang mit dem Aktions-
programm der Bundesregierung „Umwelt und Gesundheit“.
Vom Konzept her sei es sehr stark auf Dialog ausgerichtet.
Ziel sei, umweltbezogene Gesundheitsrisiken möglichst
früh zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken.

Der Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771 (neu)
decke sich in vielen Bereichen mit dem eigenen Antrag. Er
weise in die richtige Richtung, beschränke sich aber weitge-
hend auf technische Fragen. Zusätzlich gebe es ein Glaub-
würdigkeitsproblem. Der Antrag orientiere sich in weiten
Teilen an der Umweltvorsorge und plädiere für die Reduzie-
rung von Schadstoffen wie der Biozide etc. Im konkreten
Fall beispielsweise des Bundesnaturschutzgesetzes weigere
sich die Fraktion der CDU/CSU aber, ökologische Kriterien
für eine ordnungsgemäße Landwirtschaft zuzulassen. Von
daher könne man diesem Antrag nicht zustimmen.

Von Seiten der Fraktion der F.D.P. wurde begrüßt, dass das
Problemfeld Umwelt und Gesundheit in den vergangenen
Jahren u. a. über die vorliegenden Gutachten stärker ins
Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt worden sei. Es gebe
hier Bereiche, die in der Vergangenheit nicht in ausreichen-
dem Umfang bearbeitet worden seien und jetzt Beachtung
finden müssten. Von daher begrüße man auch das entspre-
chende Programm der Bundesregierung. Das Sondergutach-
ten des SRU liefere u. a. auch noch einmal einen Beitrag
zum Thema „Endokrine Stoffe“. Anfängliche Befürchtun-
gen, diese Stoffe schädigten gravierend den menschlichen
Organismus, schienen sich so nicht zu bestätigen. Dies
müsse auch in der politischen Diskussion berücksichtigt
werden. Andererseits sei die wissenschaftliche Forschung in
diesem Bereich zu verstärken, da vieles noch nicht hin-
reichend aufgeklärt sei. Deshalb unterstütze man auch den
vorgelegten Entschließungsantrag zum Gutachten des TAB.
Auch den Antrag der Fraktion der CDU/CSU könne man im
Grundsatz mittragen, während man den Antrag der Koali-
tionsfraktionen auf Drucksache 14/2767 ablehne.

Von Seiten der Fraktion der PDS wurde zum Sondergutach-
ten des SRU kritisch angemerkt, dass dort von nicht näher
genannten Verursachern von Umweltkrankheiten ausgegan-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 –

Drucksache

14/

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gen werde. Diese seien aber bekannt: riesiger Energiever-
brauch, Anspruch auf unbeschränkte Mobilität und heutige
Form der Lebensmittelproduktion. Fragwürdig blieben da-
her in dem Gutachten die Adressaten, da zu den wirklichen
Gründen der genannten Ursachen nichts ausgesagt werde.
Das Gutachten des SRU beziehe in seine Analyse auch psy-
chisch verursachte Gesundheitsstörungen und -beeinträchti-
gungen, die insbesondere auch aus der Arbeitswelt erwüch-
sen, wenig mit ein. Man teile die Auffassung, dass die
Forschung in diesen Bereichen verstärkt werden müsse.
Dies müsse allerdings auch in den Haushaltsberatungen sei-
nen Niederschlag finden.

Den Antrag auf Drucksache 14/2767 unterstütze man in
weiten Teilen, da dort insbesondere das Vorsorgeprinzip,
das in den hoch komplexen Fragen dieses Themenbereichs
eine besondere Rolle spiele, hervorgehoben werde. Proble-
matisch sehe man, dass der Antrag Lob verteile, wo es noch
nicht angebracht sei. So werde dort zwar das Problem Som-
mersmog angesprochen, zu einer Regelung werde es aber
dieses Jahr offensichtlich nicht mehr kommen.

Der Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771 (neu)
falle gegenüber dem Antrag auf Drucksache 14/2767 deut-
lich zurück. Insbesondere im Zusammenhang mit hormo-
nellen Stoffen werde dort nur von besserer Analyse und
Forschung gesprochen, nicht aber von notwendigen Maß-
nahmen. Im Hinblick auf den Lärm sei nur von der Verrin-

gerung der spezifischen Lärmemissionen die Rede, nicht
aber von Verkehrsvermeidung. Beim Thema bodennaher
Ozon werde eine Verringerung der Vorläufersubstanzen von
60 % bis zum Jahre 2010 gefordert, die größte Emissions-
quelle, der Verkehr, unter diesem Punkt aber nicht einmal
erwähnt. Von daher lehne man diesen Entschließungsantrag
ab.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., dem
Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Druck-
sache 14/2767 anzunehmen.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., dem Deut-
schen Bundestag zu empfehlen, in Kenntnis der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung auf Drucksache 14/2300 den
Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2771 (neu) abzu-
lehnen.

Der Ausschuss beschloss einstimmig bei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU, dem Deutschen Bundestag zu
empfehlen, in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf
Drucksache 14/2848 die in der Beschlussempfehlung unter
Buchstabe c wiedergegebene Entschließung anzunehmen.

Berlin, den 29. Juni 2000

Jutta Müller (Völklingen)

Berichterstatterin

Vera Lengsfeld

Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske

Berichterstatter

Birgit Homburger

Berichterstatterin

Eva-Maria Bulling-Schröter

Berichterstatterin

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