BT-Drucksache 14/3671

Reduzierung von Ozonvorläufersubstanzen zur Bekämpfung des sogenannten Sommersmogs

Vom 27. Juni 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

27. 06. 2000

Antrag

der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Cajus Caesar, Marie-Luise Dött,
Georg Girisch, Kurt-Dieter Grill, Helmut Lamp, Dr. Paul Laufs, Vera Lengsfeld,
Bernward Müller (Jena), Franz Obermeier, Christa Reichard (Dresden),
Dr. Christian Ruck, Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Werner Wittlich und der
Fraktion der CDU/CSU

Reduzierung von Ozonvorläufersubstanzen zur Bekämpfung des so genannten
Sommersmogs

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das so genannte Ozongesetz (§§ 40a ff. BImSchG) war befristet bis zum
31. Dezember 1999. Die von der Regierungskoalition in ihrer Koalitionsver-
einbarung vom 20. Oktober 1998 beschlossene Novellierung der Sommer-
smogverordnung steht immer noch aus.

2. In den letzten Jahren ist in Deutschland ein abnehmender Trend bei den Ozon-
spitzenkonzentrationen erkennbar. Der Ausstoß der Vorläufersubstanzen
Stickoxide (No

x

) und flüchtige Kohlenwasser (VOC) ging von 1990 bis 1998
deutlich zurück. Bei No

x

um ca. 35 % und bei VOC um ca. 47 %. Bedeutende
Emittenten der Vorläufersubstanzen sind der Verkehr (No

x

, NM-VOC) und
die Verwendung von Lösemitteln der Industrie, Gewerbe und im Verbraucher-
bereich. Aus diesem Grund muss vor allem dafür Sorge getragen werden, in
diesen Bereichen zu einer erheblichen Minderung der Schadstoffe zu gelan-
gen.

3. Ein wesentliches Potenzial zur Emissionsminderung liegt im Verkehrsbereich.
Darüber hinaus werden Ozonvorläufersubstanzen in relevanten Mengen beim
Betrieb von industriellen und gewerblichen Anlagen, bei motorbetriebenen
Geräten und Maschinen sowie bei der Anwendung von Lösungsmitteln und
lösungsmittelhaltigen Produkten im industriellen, gewerblichen und privaten
Bereich emittiert. Durch ein langfristiges, planvolles Vorgehen mit gezielten
Maßnahmen können die Emissionen nachhaltig reduziert werden. Auch müs-
sen die Instrumente wie Selbstverpflichtungen und ordnungsrechtliche Vor-
gaben sorgfältig auf ihren Nutzen hin zur Minderung von Ozonvorläufer-
substanzen überprüft werden.

4. Die von den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern im Bundesrat
eingebrachten Anträge zeigen ganz wesentliche Schritte dazu auf, wie das
Ziel einer dauerhaften Verbesserung der Luftqualität erreicht werden kann.
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5. Vor diesem Hintergrund ist der Deutsche Bundestag der Auffassung, dass zur
Reduzierung erhöhter Konzentrationen von bodennahem Ozon eine dauer-
hafte Senkung der Emissionen der Ozonvorläufersubstanzen, der Stickoxide
(NO

x

) und der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) erforderlich ist.
Zur Erreichung dieses Ziels müssen ganzjährig und großflächig Maßnahmen
ergriffen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Zügige Umsetzung der „Richtlinie 1999/13/EG des Rates über die Begren-
zung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, die bei be-
stimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Verwendung orga-
nischer Lösungsmittel entstehen – VOC-Richtlinie“ in nationales Recht.

Die VOC-Richtlinie wurde im März 1999 verabschiedet und ist bis 1. April
2001 in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung sollte jedoch zu einem
früheren Zeitpunkt erfolgen, um die Wirkungen der Emissionsminderungen
so früh wie möglich zu erreichen, zumal die einzusetzenden Techniken er-
probt und verfügbar sind. Im Rahmen der Umsetzung sollten die Vorstellun-
gen des Umweltbundesamtes, die z. T. eine Herabsetzung der Schwellenwerte
für die Anwendung der VOC-Richtlinie vorsehen, berücksichtigt werden.
Außerdem sind die vorgesehenen Sanierungszeiten für Altanlagen von bis zu
7 Jahren auf 4 Jahre zu verkürzen.

Als gleichwertige Alternative zu den technischen Maßnahmen zur Erhaltung
von Grenzwerten sieht die Richtlinie als eigenverantwortliche Maßnahme
der betroffenen Branchen die Erstellung eines Reduzierungsplans für den
Lösungsmitteleinsatz vor. Hierzu müssen die Lösungsmittelgehalte der ein-
gesetzten Produkte bekannt sein. Erforderlich ist daher eine Kennzeichnung
ihres VOC-Gehaltes bezogen auf den Festkörpergehalt. Diese Angaben feh-
len bisher, obwohl den Produktherstellern diese Daten vorliegen.

2. Neufestlegung des Standes der Technik für NO

x

-emittierende Großanlagen
bei der Umsetzung der EU-Richtlinie für Großfeuerungsanlagen im Rahmen
der Novellierung der 13. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz
und bei der Konkretisierung und Umsetzung der IVU-Richtlinie (96/61/EG).

Der Stand der Technik ist bei der Umsetzung der künftigen EU-Richtlinie
für Großfeuerungsanlagen in nationales Recht, die eine Novellierung der
13. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz bedingt, neu festzu-
schreiben. Für die übrigen Großemittenten (Glas- und Zementindustrie, Raf-
finerien) müssen die Anforderungen bei der Konkretisierung der IVU-Richt-
linie (96/61/EG) und der diese Vorschrift konkretisierende BREFs sowie
deren Umsetzung in nationales Recht berücksichtigt werden.

3. Einbringen anspruchsvoller, dem Stand der Technik entsprechender Grenz-
werte für „mobile Geräte und Maschinen“ (z. B. Bagger, Kräne) sowie für
land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen bei den Beratungen der ein-
schlägigen Richtlinien auf europäischer Ebene.

Die Richtlinie 97/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über
Maßnahmen zur Bekämpfung von gasförmigen Schadstoffen und luftver-
unreinigenden Partikeln aus Verbrennungsmotoren für mobile Maschinen
und Geräte (Richtlinie „Mobile Maschinen und Geräte“) wurde am
16. Dezember 1997 verabschiedet. Die Kommission wird darin verpflichtet,
dem Rat bis Ende 1999 Vorschläge für die Fortschreibung der Emissions-
werte vorzulegen, die dieser dann bis Ende 2000 beschließen kann.

Die Reduzierung der Emissionen kann durch motortechnische Maßnahmen
oder durch den Einsatz von Abgasreinigungsanlagen erfolgen. Ziel solle sein,
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dass neue mobile Maschinen und Geräte sobald als möglich den heutigen
technischen Möglichkeiten zur Emissionsbegrenzung entsprechen. Ohne be-
lastende Eingriffsregelungen soll im Rahmen der Ersatzbeschaffung von mo-
bilen Maschinen und Geräten sowie motorbetriebenen Kleingeräten mittel-
fristig eine Begrenzung der Schadstoffemissionen herbeigeführt werden.

4. Zügige Umsetzung nachfolgender Einzelmaßnahmen:

– Anreize zur Förderung der vorzeitigen Stilllegung hochemittierender
Pkw.

Altfahrzeuge tragen zu über 50 % zu den Pkw-Emissionen bei. Daher ist
die bereits im Kraftfahrzeugsteuergesetz eingeführte emissionabhängige
Steuerspreizung noch stärker zu differenzieren, um weitere Anreize zur
vorzeitigen Stilllegung hochemittierender Altfahrzeuge und zur frühest-
möglichen Anschaffung von EURO4-Fahrzeugen zu schaffen.

Gleichzeitig wird die Bundesregierung aufgefordert, in der EU darauf
hinzuwirken, dass vergleichbare emissionsabhängige Anreize auch in an-
deren Ländern der Gemeinschaft eingeführt werden.

– Verstärkte Differenzierung der emissionsabhängigen Steuerspreizung für
schwere Nutzfahrzeuge.

Mit der am 16. Februar 2000 veröffentlichten Richtlinie 1999/96/EG
vom 13. Dezember 1999 („LKW-Richtlinie“) stehen die EU-einheit-
lichen Grenzwertstufen EURO III (2000/2001) und EURO IV 1. Stufe
(2005/2006) und 2. Stufe (2008) sowie die Grenzwerte für besonders
schadstoffarme Lkw (EEV) als Basis für steuerliche Anreizsysteme zur
Verfügung. Vor diesem Hintergrund ist bei schweren Nutzfahrzeugen die
bereits eingeführte emissionsabhängige Steuerspreizung zur erweitern
und stärkere Anreize für eine frühzeitige Berücksichtigung künftiger Ab-
gasstufen im Zusammenhang mit Neukauffristen zu schaffen.

– Prüfung der Effizienzsteigerung der Abgasuntersuchung durch Anpassen
der Prüfwerte.

Bei der regelmäßigen Abgasuntersuchung wird überprüft, ob die emis-
sionsmindernden Bauteile (im Wesentlichen: Katalysator,





-Sonde und
Regelung) noch wirken. Die für diese Abgasuntersuchung herstellerseitig
festgelegten Prüfwerte entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik.
Dies wird auch von der Automobilindustrie bestätigt. Sie sind daher an-
zupassen. Diverse Arbeitsgruppen beschäftigen sich bereits auf nationa-
ler und EU-Ebene mit der Frage einer Effizienzsteigerung der Abgas-
untersuchung. Diese Bestrebungen sind von der Bundesregierung zu
unterstützen und zu beschleunigen.

– Die Überführung der gewichtsabhängigen Besteuerung für leichte Nutz-
fahrzeuge unter 3,5 t in eine emissionsabhängige Kfz-Steuer.

Pkw und Nutzfahrzeuge über 3,5 t werden emissionsorientiert besteuert.
Dagegen werden Nutzfahrzeuge unter 3,5 t rein gewichtsabhängig be-
steuert. Es ist zu prüfen, in welcher Form auch leichte Nutzfahrzeuge bis
3,5 t in das emissionsorientierte Kfz-Steuersystem eingebunden werden.

– Einbringen schärferer Grenzwerte und eines neuen europäischen Fahr-
zyklus für die Typprüfung von Motorrädern im Rahmen der Fortschrei-
bung der Motorrad-Richtlinie der EU.

Motorräder weisen trotz ihrer geringen Fahrleistung sehr hohe Emissio-
nen auf und erbringen ihre Höchstfahrleistung in den ozonrelevanten
Sommermonaten. Daher sind die Bemühungen der Bundesregierung zu
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intensivieren, im Rahmen der Fortschreibung der Motorradrichtlinie der
EU zügig schärfere Abgasgrenzwerte einzuführen. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass sich die emissionsseitigen Anforderungen an Motorrädern
– unter Zugrundlegung eines motorradspezifischen Fahrzyklus – an
denen für Pkw orientieren.

– Einführung einer emissionsabhängigen Kfz-Steuer und einer Abgasunter-
suchung für motorisierte Zweiräder.

Im nationalen Steuerrecht sind Anreize für schadstoffarme Zweiräder mit
amtlichem Kennzeichen zu schaffen. Auch ist für diese Zweiräder eine
Abgasuntersuchung einzuführen.

– Die nationalen steuerlichen Maßnahmen müssen insgesamt aufkommens-
neutral ausgestaltet werden.

5. Initiative innerhalb der EU zur Minderung der Emissionen von Kleinmoto-
ren (z. B. Einsatz in Motorsägen, Rasenmähern u. ä.).

Kleinere Maschinen und Geräte wie Rasenmäher, Motorsensen und Motor-
sägen mit Verbrennungsmotoren verursachen im Vergleich zu Pkw mit gere-
geltem Katalysator ein Vielfaches der Emissionen an Kohlenwasserstoffen.
Bisher gibt es jedoch keine Emissionsbegrenzungen für Kleinmotoren. Der
vielfache Gebrauch und Einsatz dieser Geräte und die hohen Emissionen er-
fordern daher Maßnahmen auf diesem Gebiet.

Die Reduzierung der Emissionen kann durch motortechnische Maßnahmen
oder durch den Einsatz von Abgasreinigungsanlagen erfolgen. Ziel sollte
sein, dass neue mobile Maschinen und Geräte sobald als möglich den heuti-
gen technischen Möglichkeiten zur Emissionsbegrenzung entsprechen. Ohne
belastende Eingriffsregelungen soll im Rahmen der Ersatzbeschaffung von
mobilen Maschinen und Geräten sowie motorbetriebenen Kleingeräten mit-
telfristig eine Begrenzung der Schadstoffemissionen herbeigeführt werden.

6. Initiative innerhalb der EU zur Begrenzung des VOC-Gehalts von Produk-
ten, die im industriellen und gewerblichen Bereich eingesetzt werden, sowie
bei Konsumgütern.

Zur Reduzierung der VOC-Emissionen aus dem industriellen, gewerblichen
und privaten Bereich muss auch der Lösungsmittelgehalt der zur Verfügung
stehenden Produkte und Konsumgüter gesenkt werden. Dies geschieht z. B.
durch Substitution der organischen Lösungsmittel, z. B. in Lacken, in ande-
ren Beschichtungsstoffen sowie Reinigungs- und Pflegemitteln. Daher müs-
sen lösungsmittelarme Produkte in einem breiten Anwendungsbereich ange-
boten werden. Die dauerhafte Reduzierung des Lösungsmittelanteils gelingt
lediglich durch Produktvorschriften. Eine Beschränkung des VOC-Gehalts
in Produkten ist daher erforderlich.

Dr. Peter Paziorek Vera Lengsfeld
Cajus Caesar Bernward Müller (Jena)
Marie-Luise Dött Franz Obermeier
Georg Girisch Christa Reichard (Dresden)
Kurt-Dieter Grill Dr. Christian Ruck
Helmut Lamp Hans Peter Schmitz (Baesweiler)
Dr. Paul Laufs Werner Wittlich
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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