BT-Drucksache 14/3472

zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU -14/2233- Regierungskonferenz 2000 und Osterweiterung - Herausforderung für die Europäische Union an der Schwelle zum neuen Millenium

Vom 30. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3472
14. Wahlperiode 30. 05. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(22. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/2233 –

Regierungskonferenz 2000 und Osterweiterung – Herausforderungen für die
Europäische Union an der Schwelle zum neuen Millennium

A. Problem

Am 10. und 11. Dezember 1999 ist der Europäische Rat in Helsinki zusammen-
getreten. Er hat u. a. beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit Rumänien, der
Slowakei, Lettland, Litauen, Bulgarien und Malta aufzunehmen. Der Euro-
päische Rat hat darüber hinaus beschlossen, die Regierungskonferenz über die
Institutionelle Reform der EU bis Dezember 2000 abzuschließen, so dass die
Union nach der Ratifizierung der Ergebnisse dieser Konferenz in der Lage ist,
ab Ende 2002 neue Mitgliedstaaten aufzunehmen. Die Regierungskonferenz
wurde am 14. Februar 2000 eröffnet, die Beitrittsverhandlungen mit den sechs
weiteren Beitrittskandidatenländern wurden am 15. Februar 2000 aufgenom-
men. In dem Antrag wird gefordert, auf eine zügige Umsetzung der Erweite-
rung unter vollständiger Erfüllung der politischen und der wirtschaftlichen Kri-
terien hinzuwirken. In diesem Zusammenhang wird u. a. eine Nachbesserung
der Ergebnisse des Berliner EU-Gipfels zur Agenda 2000 gefordert, da die Ost-
erweiterung in der finanziellen Vorausschau unterfinanziert sei. Mit Blick auf
die Regierungskonferenz wird eine Beschränkung auf die Themen Größe der
EU-Kommission, Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen und Stimmen-
wägung im Ministerrat als nicht sachgerecht eingestuft und ein erweitertes
Mandat der Regierungskonferenz empfohlen. Der Antrag äußert sich schließ-
lich auch zur Türkeipolitik der Europäischen Union und zur Weiterentwicklung
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags.

Mehrheit im Ausschuss

Drucksache 14/3472 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3472

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2233 abzulehnen.

Berlin, den 28. März 2000

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Dr. Friedbert Pflüger Winfried Mante Markus Meckel
Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter

Michael Roth (Heringen) Peter Hintze
Berichterstatter Berichterstatter

Michael Stübgen Peter Altmaier
Berichterstatter Berichterstatter

Christian Sterzing Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatter Berichterstatterin

Dr. Helmut Haussmann Manfred Müller (Berlin)
Berichterstatter Berichterstatter

Drucksache 14/3472 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Winfried Mante, Markus Meckel, Michael Roth (Heringen),
Peter Hintze, Michael Stübgen, Peter Altmaier, Christian Sterzing, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Helmut Haussmann und Manfred Müller (Berlin)

1. Beratungsverfahren

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU Regierungskonfe-
renz 2000 und Osterweiterung – Herausforderungen für die
Europäische Union an der Schwelle zum neuen Millennium
ist in der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages am 3. De-
zember 1999 an den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union federführend und an den Auswärtigen
Ausschuss, Innenausschuss, Rechtsausschuss, Finanzaus-
schuss, Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten, Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, Verteidi-
gungsausschuss und den Ausschuss für Angelegenheiten
der neuen Länder zur Mitberatung überwiesen worden.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 40. Sitzung am
23. Februar 2000, der Innenausschuss in seiner 24. Sitzung
am 19. Januar 2000, der Finanzausschuss in seiner 50. Sit-
zung am 16. Februar 2000, der Haushaltsausschuss in sei-
ner 41. Sitzung am 26. Januar 2000, der Ausschuss für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner
33. Sitzung am 16. Februar 2000, der Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung in seiner 36. Sitzung am 19. Januar
2000, der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Län-
der in seiner 30. Sitzung am 19. Januar 2000 und der
Rechtsausschuss in seiner 48. Sitzung am 5. April 2000 die
Ablehnung des Antrages empfohlen. Der Verteidigungs-
ausschuss hat in seiner 41. Sitzung am 16. Februar 2000
auf die Beratung verzichtet.

2. Gegenstand des Antrages

Der Antrag befasst sich mit der Erweiterungspolitik und der
Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union, deren Tür-
keipolitik sowie der Weiterentwicklung der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Diese Themen stan-
den auch im Mittelpunkt des Europäischen Rates, der am
10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki zusammengetreten
ist und den Startschuss für die Aufnahme der Erweiterungs-
verhandlungen mit sechs weiteren Ländern und die Eröff-
nung der Regierungskonferenz gegeben hat. Die Regie-
rungskonferenz wurde am 14. Februar 2000 eröffnet, die
Beitrittsverhandlungen mit Rumänien, der Slowakei, Lett-
land, Litauen, Bulgarien und Malta wurden am 15. Februar
2000 aufgenommen. Der Antrag fordert eine politisch und
ökonomisch sorgfältig vorbereitete Erweiterung, um vor al-
lem den in der Bevölkerung noch vorhandenen Ängsten vor
möglichen Risiken und negativen Folgen einer überhasteten
Erweiterung zu begegnen. Er besteht auf der strikten Erfül-
lung der politischen und der wirtschaftlichen Kriterien für
den Erweiterungsprozess und macht klar, dass die Kandida-
tenländer sich durch eigene Anstrengungen für den Beitritt
qualifizieren müssen und damit das Tempo und den Zeit-
punkt des Beitritts im Wesentlichen selbst bestimmen. Hin-
sichtlich der Herstellung der Erweiterungsfähigkeit der
Europäischen Union wird im Antrag eine Ausweitung der

für die Regierungskonferenz vorgesehenen drei Themen
(Größe der EU-Kommission, Ausweitung von Mehrheits-
entscheidungen und Stimmenwägung im Ministerrat) für
angebracht erachtet. Der Antrag spricht sich für eine Be-
grenzung der Anzahl der Kommissare, einen weiteren Über-
gang zu Mehrheitsabstimmungen im Ministerrat sowie für
eine Erleichterung der Möglichkeiten zur verstärkten Zu-
sammenarbeit von Mitgliedstaaten im Rahmen der EU aus.
Im Interesse von mehr Bürgernähe sei darüber hinaus eine
Präzisierung des Subsidiaritätsprinzips durch eine klare Ab-
grenzung der Kompetenzen zwischen der europäischen und
der nationalen Ebene vorzunehmen. Im Interesse von mehr
Klarheit müsse dafür geworben werden, in einem Verfas-
sungsvertrag, der die bisherigen Verträge ablöst, die Ziele
der Union, die Grundsätze und allgemeinen Leitlinien ein-
schließlich des Subsidiaritätsprinzips und einer präzisen
Kompetenzabgrenzung sowie die Charta der Grundrechte
und den institutionellen Rahmen zu verankern. Bezüglich
der Türkeipolitik der Europäischen Union wird in dem An-
trag davor gewarnt, Signale zu setzen, welche lediglich un-
erfüllbare Illusionen wecken und zu neuen Enttäuschungen
führen müssten. Der Antrag spricht sich für die Weiterent-
wicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
politik einschließlich der entsprechenden militärischen Ka-
pazitäten aus.

3. Beratungsverfahren – federführender Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat sich in mehreren Sitzungen Ende des Jah-
res 1999 mit allen Beitrittsbewerberländern befasst und
dazu am 27. Oktober 1999 ein Fachgespräch mit internatio-
nalen und europäischen Finanzinstitutionen und am 1. De-
zember 1999 ein Fachgespräch mit den Botschaftern der
mittel- und osteuropäischen Länder sowie Zyperns und
Maltas geführt. Seit Jahresbeginn befasst er sich regelmäßig
in jeder Sitzung mit der Regierungskonferenz sowie der Er-
weiterung der Europäischen Union.

Von Seiten der Fraktion der SPD wurde die Aufnahme der
Beitrittsverhandlungen mit Lettland, Litauen, der Slowakei,
Bulgarien und Rumänien begrüßt. Mit der Verhandlungs-
aufnahme mit diesen Ländern sei ein klares politisches
Signal verbunden, dass Reformbemühungen von der Euro-
päischen Union auch honoriert würden. Den Beitrittsbewer-
berländern würde mit dem Zieldatum 2003, von dem an die
Europäische Union nach der Ratifizierung der Ergebnisse
der Regierungskonferenz für die Aufnahme neuer Mitglie-
der bereit sei, eine wichtige Botschaft mitgeteilt. Dazu sei
jedoch erforderlich, dass die Europäische Union selbst ihre
Aufnahmefähigkeit herstelle. Nur bei einer Konzentration
auf die wesentlichen Fragen der Stimmengewichtung, der
Größe und Struktur der Kommission, der Ausweitung der
Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit sei gewährleis-
tet, dass die Regierungskonferenz rechtzeitig bis zum Ende

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/3472

des Jahres 2000 abgeschlossen werden könne. Bezüglich
der Türkei gehe es nicht an, einerseits immer die strategi-
sche Bedeutung der Türkei für Europa hervorzuheben, an-
dererseits aber nicht bereit zu sein, dem Land eine klare eu-
ropäische Perspektive zu eröffnen, die über die Zollunion
hinausgehen muss. Unabdingbar sei jedoch auch in diesem
Fall, dass die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllt
sein müssten. Bezüglich der Weiterentwicklung der Euro-
päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gelte es nun,
die Grundlagen für ein wirksames europäisches Krisenma-
nagement zu schaffen.

Seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde vor allen Dingen
auf die Bedeutung der EU-Erweiterung für die Beitrittskan-
didaten sowie für die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union, vor allem für Deutschland hingewiesen. Wer ein
großes und starkes Europa wolle, müsse zuvor einige grund-
legende Fragen klären, z.B. die Frage nach der Subsidiarität.
Für die Menschen sei von großer Bedeutung, was die Mit-
gliedstaaten und was die Regionen entscheiden und was in
kommunaler Selbstverwaltung verbliebe. Von daher reiche
die Konzentration der Regierungskonferenz auf die drei bei
der Verhandlung des Amsterdamer Vertrags übrig geblie-
benen Punkte nicht aus. Erforderlich sei beispielsweise eine
klare Festschreibung der Kompetenzen und vor allem die
Gewährleistung von Flexibilität. Bezüglich der Stärkung
der Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsidentität
sei es ein Widerspruch, wenn auf deutscher Seite der natio-
nale Verteidigungshaushalt gekürzt würde.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte
die Erweiterung des Kreises der Beitrittskandidatenländer
um die sechs neuen Länder. Dabei gelte es jedoch, auch in
Zukunft im Beitrittsprozess zu differenzieren, je nach den
Fortschritten, die die einzelnen Länder im Reformprozess
bei der Übernahme des Acquis machen. Das Leitmotiv da-
bei müsse lauten: Differenzieren, aber nicht diskriminieren.
Zwischen Erweiterung und Vertiefung bestehe kein Gegen-
satz. Die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat
etwa sei auch ein wichtiger Beitrag zur Handlungsfähigkeit

der EU, aber auch zur Demokratisierung, weil mit der
Mehrheitsentscheidung auch das Mitentscheidungsrecht des
Europäischen Parlaments verbunden sei. Man könne sich
durchaus eine Erweiterung der Tagesordnung der Regie-
rungskonferenz vorstellen, aber nur unter der Bedingung,
dass der Abschluss der Regierungskonferenz Ende des Jah-
res 2000 unter französischer Präsidentschaft nicht gefährdet
werde.

Die Fraktion der F.D.P. wies darauf hin, dass es zur Oster-
weiterung der EU keine Alternative gäbe. Vorrangige Poli-
tik zwischen Deutschland und Frankreich müsse es sein,
Polen zu helfen, den Weg schneller zurückzulegen. Wichtig
sei beim gesamten Erweiterungsprozess die Unterstützung
der Bevölkerung. Auch die Fraktion der F.D.P. wies auf die
Bedeutung einer klareren Kompetenzaufteilung zwischen
den einzelnen Ebenen hin sowie auf die Tatsache, dass dem
Prinzip der Subsidiarität dabei entscheidende Bedeutung zu-
komme. Vorrangig sei die Osterweiterung der Europäischen
Union und nicht die endgültige Entscheidung darüber, wel-
chen Status die Türkei letztlich in einem lang andauernden
Prozess erhalten werde.

Die Fraktion der PDS wies vor allem darauf hin, dass die
europäische Vision darin bestehen müsse, einen Beitrag zur
Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zu leisten. Europa
könne bei den Menschen nur dann mehrheitsfähig werden,
wenn die gemeinsamen ökologischen und sozialen Stan-
dards, die Sicherheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern und die Rechte der freien Gewerkschaften in den
Mittelpunkt des Beitrittsprozesses der Kandidaten gestellt
würden. Mit der beabsichtigten Integration der Westeuropä-
ischen Union in die Europäische Union werde ein Prozess
der Militarisierung in Gang gesetzt, der in die Irre gehe,
weil Europa auf eine ausschließlich zivilgesellschaftliche
und menschliche Orientierung ausgerichtet werden müsse.

Der Antrag wird in der 42. Sitzung am 22. März 2000
mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.

Berlin, den 28. März 2000

Winfried Mante Markus Meckel Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Peter Hintze Michael Stübgen Peter Altmaier
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Christian Sterzing Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Helmut Haussmann
Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatter

Manfred Müller (Berlin)
Berichterstatter

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