BT-Drucksache 14/3394

Gesetzliche Mitspracherechte bei Unternehmensübernahmen

Vom 17. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3394
14. Wahlperiode 17. 05. 2000

Antrag
der Abgeordneten Ursula Lötzer, Rolf Kutzmutz, Eva-Maria Bulling-Schröter,
Kersten Naumann, Gerhard Jüttemann, Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS

Gesetzliche Mitspracherechte bei Unternehmensübernahmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Nicht erst die spektakulären Fusionen der letzten Zeit wie Mannesmann/
Vodafone und die gescheiterte Fusion Deutsche/Dresdner Bank verdeut-
lichen die Notwendigkeit einer parlamentarischen Auseinandersetzung mit
Fusionen und Übernahmen. Fusionen und/oder Unternehmensübernahmen
nehmen seit den 80er Jahren kontinuierlich zu, wobei sich dies ab Mitte der
90er Jahre enorm beschleunigt hat. Weltweit stieg ihr Wert (national/inter-
national) von 500 Mrd. US-$ (1994) auf 3,4 Billionen US-$ (1999). Dabei
nahmen die diesbezüglichen grenzüberschreitenden Aktivitäten im ersten
Halbjahr 1999 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 68 % zu. Eine immer
stärkere Rolle spielen hier vor allem innereuropäische Zusammenschlüsse in
den Branchen: Telekommunikation, Pharmazeutik, Luft- und Raumfahrt,
Energie, Rüstung sowie Finanzdienstleistungen.

Die neue Fusionswelle ist vor allem ein Produkt der Wachstumskrisen auf
den Binnenmärkten. Trotz gestiegener Gewinne ist es nicht rentabel, in neue
Produktionskapazitäten zu investieren. Stattdessen ist Wachstum nur noch
über eine Stärkung der eigenen Position auf dem Weltmarkt und die massive
Kostenreduktion zu erzielen. Das setzt zum einen den Kauf bestehender Un-
ternehmen und damit einen massiven Verdrängungswettbewerb auf dem
Weltmarkt in Gang. Zum anderen wird mit Übernahmen und Fusionen die
eigene Ausgangsbasis für die Abwehr gegen Übernahmen durch andere Un-
ternehmen verstärkt. Die geplante Fusion Deutsche/Dresdner Bank machte
dies deutlich. Ihr Scheitern beendet den Prozess nicht, sondern eröffnet den
Wettlauf um eine Übernahme nur neu. Dabei ist bereits heute festzustellen,
dass 2/3 der Fusionen/Übernahmen nicht die erhofften Umsatz- und Wachs-
tumserwartungen erfüllen, sondern real scheitern und damit noch zusätzliche
hohe gesellschaftliche Folgekosten nach sich ziehen.

Neben der Krise auf den Binnenmärkten gelten die hohen Forschungs- und
Entwicklungskosten, die Zunahme der Dienstleistungsaufwendungen und
insbesondere die für die Weltmarktstellung notwendigen Kosten für IuK-
Technologie als zweite wesentliche Ursache für die Fusionswelle.

Insgesamt vollzieht sich mit der jüngsten Fusionswelle ein Prozess zu ten-
denzieller Monopolisierung bzw. des Aufbaus oligopolistischer Konkurrenz.

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Mittelständische Unternehmen geraten vor allem als Zulieferer unter Druck,
da ihnen mit den multinational agierenden Konzernen eine größere Verhand-
lungsstärke gegenübersteht, die noch dazu die Konkurrenz der Zulieferer in-
ternational organisiert. Die Zunahme der Konzentration steht somit direkt
mit den Konkursen auf Seiten der Klein- und Mittelbetriebe in Verbindung.
Dabei entsteht mit der Konzentration ein Machtzuwachs auch gegenüber
Staaten und Regierungen. Gleichzeitig entziehen sich „Global Player“ darü-
ber hinaus der gewerkschaftlichen Einflussnahme, wie die Citibank es ge-
rade deutlich macht.

Als dritter wesentlicher Faktor für das Wachstum von Fusionen/Übernah-
men gilt der zunehmende Rückgriff auf die Finanzmärkte. Erstmals hat in
den letzten 10 Jahren eine drastische Verschiebung der Finanzierung von
Übernahmen durch Aktientausch stattgefunden. 1989 machte er nur 7 % des
Transaktionsvolumens aus. 1999 war der Anteil von Bargeld bereits auf
21 % gesunken, 70 % entfielen auf reinen Aktientausch und 9 % auf eine
Mischform. Diese Verschiebung rückt die Börse ins Zentrum des Fusionsge-
schehens. Die entscheidenden Akteure sind Investmentbanken, Investment-
fonds und Spekulanten an den Wertpapiermärkten. Hier entstand ein
Machtzentrum, mit dem ohne jede demokratische Legitimation soziale und
ökonomische Strukturpolitik im Interesse des „Shareholder Value“ betrieben
wird. Das bedeutet auch Ausschluss jeder Rücksichtnahme auf Beschäftigte,
soziale Probleme und ökologische Gefahren. Errungenschaften sozialer
Demokratie, wie die Mitbestimmung, werden dabei entwertet.

Folgen und Begleitumstände von Fusionen sind Entlassungen, dauerhafte
Arbeitsplatzvernichtung und Arbeitsverdichtung durch massive Rationali-
sierungen und der Abbau sozialer und tariflicher Leistungen und Schutz-
rechte. Verstärkt wird dieser Prozess noch durch Ausgliederungen und Ver-
käufe, da die Durchsetzung des „Shareholder Values“ im Rahmen von
Fusionen/Übernahmen eine Konzentration auf das Kerngeschäft verlangt.
Folglich gibt es eine Entflechtung von Unternehmen und/oder das Aufbre-
chen korporatistischer Strukturen zwischen Finanzinstitutionen und Unter-
nehmen, die sich von Beteiligungen trennen nur insofern, als dass die Diver-
sifizierung durch die Konzentration auf Kerngeschäfte abgelöst wird.
Wirtschaftliche und damit politische Macht organisiert sich also neu und
verschwindet nicht durch den Wettbewerb in der Globalisierung oder durch
„neue Unternehmen“.

2. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Bundestag, dass die Bundes-
regierung die Notwendigkeit eines nationalen Übernahmegesetzes aner-
kennt, welches den seit dem 1. Oktober 1995 gültigen freiwilligen Übernah-
mekodex der Börsensachverständigenkommission ersetzen soll. Auch der
im Rahmen der dafür eingesetzten Expertenkommission geäußerte positive
Bezug auf die Mitbestimmung und ihrer besonderen Bedeutung bei Unter-
nehmensübernahmen hält der Deutsche Bundestag für einen Ansatzpunkt,
um die sozialen Wirkungen von Fusionen/Übernahmen für die abhängig Be-
schäftigten zu reduzieren.

Paradox ist jedoch eine Situation, in der die Bundesregierung z. B. über die
in der geplanten Steuerreform (Steuersenkungsgesetz-StSenkG) angestrebte
Körperschaftsteuerbefreiung für Veräußerungsgewinne die Fusionsdynamik
befördert, die spekulative Vermögensanlage durch die geplante Steuersen-
kung für Gewinne aus kurzfristigen Wertpapiergeschäften (§ 23 Abs. 1
Nr. 1b EstG) unterstützt und die Börsenkapitalisierung von Unternehmen
begrüßt, aber hinsichtlich der sozialen Gestaltung auf den Markt und den
Wettbewerb vertraut. Dies entbehrt gerade hinsichtlich positiver Beschäfti-
gungseffekte jeder empirischen Grundlage, wie die Bundesregierung selbst

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in der Antwort zur Großen Anfrage der PDS „Internationales Kartellrecht,
Unternehmensfusionen und -konzentration“ (Drucksache 14/1824) ausge-
führt hat. Allein der Hinweis auf längerfristige Beschäftigungseffekte, Ver-
besserung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsstärke sagt hingegen
nichts über die strukturellen ökonomischen Probleme sowie die unmittelba-
ren sozialen Folgen aus, die der Gesellschaft durch Fusionen/Übernahmen
entstehen.

Angesichts dieser Situation und der Tatsache, dass der EU-Richtlinienent-
wurf zur gemeinschaftlichen Regelung von Firmenübernahmen [Vorschlag
für eine 13. Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über
Übernahmeangebote] erstens immer noch nicht verabschiedet wurde und
zweitens kaum einen wirksamen Schutz der Beschäftigten bzw. der Gewäh-
rung ihrer Rechte darstellt, sind weitergehende nationale Anforderungen in
ein Übernahmegesetz zu fassen und die europäische Übernahmerichtlinie in
diesem Sinne weiter zu entwickeln.

Das vorzulegende Übernahmegesetz wird einen nationalen Rahmen darstel-
len, der sowohl den potentiellen Bietern als auch dem von der Fusion/Über-
nahme betroffenen Unternehmen bestimmte Verhaltensregeln an die Hand
gibt. Dabei bezieht sich das Übernahmegesetz primär auf Fusionen/Über-
nahmen von und zwischen börsennotierten Unternehmen. Hinsichtlich der
geplanten Regelungen sollten dabei vor allem die Rechte der Beschäftigten,
die Sicherung der Arbeitsplätze und des sozialen Besitzstandes im Vorder-
grund stehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) im Übernahmegesetz festzulegen:

– die Interessen der Beschäftigten im Fusions-/Übernahmeprozess zu
stärken und dafür den Gewerkschaften ein gesetzliches Recht auf den
Abschluss eines Fusionstarifvertrages zu gewährleisten. Im Fusionstarif-
vertrag sollten die Fragen von Beschäftigungssicherung, Qualifizierung,
Erhalt sozialer und tariflicher Standards und die Regelungen zur Sicher-
stellung betrieblicher und gewerkschaftlicher Mitbestimmungsrechte und
-gremien geregelt werden.

– Betriebsräten und Gewerkschaften ein Vetorecht gegenüber Fusionen und
Übernahmen einzuräumen, damit Fusionen und Übernahmen nur mit
Zustimmung der Beschäftigten möglich sind.

– ein Gremium zur Überwachung und zur Erhöhung der Transparenz von
Firmenübernahmen einzurichten. Diese „Übernahmekommission“ ist pa-
ritätisch zu besetzen, um die Interessen der Beschäftigten den Interessen
der Aktionäre gleichzustellen. Die Übernahmekommission kann sowohl
vom Bieter als auch von der Zielgesellschaft angerufen werden, die not-
wendigen Unterlagen verlangen und den rechtlich einwandfreien Ablauf
überwachen.

– die Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft, wie sie im Ge-
spräch beim Bundeskanzleramt diskutiert wurde, abzulehnen, um dem
Vorstand weiterhin die Möglichkeit zu geben, Abwehrmaßnahmen ge-
genüber den Übernahmeabsichten des Kaufinteressenten zu ergreifen,
wie es in den USA möglich ist. Eine Ungleichbehandlung zwischen ame-
rikanischen und europäischen/deutschen Firmen ist nicht akzeptabel.

– dem Management der Zielgesellschaft, den Betriebsräten und zustän-
digen Gewerkschaften aller betroffenen Unternehmen, ob bei einer
freundlichen oder feindlichen Übernahme, umfassende Auskunft über die

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zukünftige Firmenpolitik, geplante Umstrukturierungen, Veränderungen
in den Beschäftigungsverhältnissen und der sozialen Besitzstände zu
geben.

– die Transparenz des Übernahmeversuches dadurch zu gewährleisten,
dass vom potentiellen Käufer ab einem bestimmten Schwellenwert (20
bis 25 %) ein offizielles Kaufangebot als Barangebot an alle Aktionäre
der Zielgesellschaft zu richten ist.

b) darüber hinaus:

– die EU-Übernahmerichtlinie hinsichtlich der vorgeschlagenen gesetz-
lichen Mitspracherechte nachzuverhandeln.

– Vorschläge für eine internationale Fusionskontrolle auszuarbeiten und in
die Diskussion einzubringen.

– Schritte zur Regulierung internationaler/nationaler Finanzmärkte zu for-
mulieren und auf europäischer Ebene sowie zwischen den G8-Staaten
umzusetzen.

– auf europäischer Ebene der Marktbeherrschung und der Marktmacht
multinationaler Konzerne wirkungsvoll entgegenzutreten. Dafür sind
wirkungsvolle Vorschläge zu erarbeiten, wie auch das EU-Parlament im
Rahmen der Revision der Artikel 85/86 des EG-Vertrags von der EU-
Kommission fordert.

– den bisherigen Stand der Wettbewerbskontrolle, national und europäisch,
zu erhöhen, um vertikale und horizontale Kartelle zu verhindern und hin-
sichtlich „Hard-Core-Kartellen“ eine europäische Fusionskontrolle zu
schaffen, die über den Rahmen der geltenden Kartellrechtsnormen hin-
ausgeht, um diese zu verhindern.

– dafür zu sorgen, dass Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an
einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmassen bei der
veräußerten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmassen
im gesamten Umfang der Körperschaftssteuer unterliegen und das Halb-
einkünfteverfahren keine Anwendung für Gewinne aus Spekulationsge-
schäften (insbesondere mit Wertpapieren) findet.

Berlin, den 17. Mai 2000

Ursula Lötzer
Rolf Kutzmutz
Eva-Maria Bulling-Schröter
Kersten Naumann
Gerhard Jüttemann
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1) Abgrenzung

Als Fusion gilt im engeren Sinne der Zusammenschluss von mindestens zwei
Rechtsträgern (Unternehmen) zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit
ohne formelle Abwicklung des übernommenen Unternehmens. Kennzeichnend
dafür ist die Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der über-

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tragenden auf die übernehmende Gesellschaft. In einem weiteren Sinne schließt
der Begriff der Fusion alle Fälle der Unternehmenskonzentration ein. Diese
sind alle über die Verschmelzung hinausgehende Tatbestände der Konzern-
bildung sowie sonstige Formen des Zusammenschlusses, die zur Verstärkung
der Wirtschaftskraft eines Unternehmens in materieller, personeller oder orga-
nisatorischer Hinsicht führen.

Die Übernahme (take-over) ist der Erwerb eines Unternehmens und Über-
nahme der Unternehmensleitung mit dem Ziel, das erworbene Unternehmen
selbst- oder unselbständig weiterzuführen. Unterschieden wird dabei in die
freundliche Übernahme (friendly take-over), bei der durch Verhandlungen und
Zustimmung beider Parteien das Unternehmen übernommen wird und feind-
liche Übernahme (unfriendly/hostile take-over). In diesem Fall findet gegen
den Willen der Zielgesellschaft eine Übernahme statt, was in der Praxis nur bei
börsennotierten Unternehmen gelingt. Ein Unterschied zwischen den Begriffen
Fusion und Übernahme ist grundsätzlich nicht vorhanden, da eine Fusion weit
gefasst werden kann. In ökonomischer und rechtlicher Hinsicht werden die
Begriffe gleichbedeutend verwendet. Denn sowohl die Übernahme eines Unter-
nehmens als auch die Fusion zweier Unternehmen zählen zu den Vorgängen der
Konzentration oder Umstrukturierung von Unternehmen und erfolgen mit ähn-
licher Zielsetzung.

Charakteristisch für die meisten Fusionen ist, dass es nicht zur Fusion „unter
Gleichen“ kommt. Der Mehrheitseigner bzw. die Unternehmensführung einer
Gesellschaft bestimmt, was mit dem anderen Unternehmen geschieht. Geht
man davon aus, dass die Konzentration auf das Kerngeschäft und der Verdrän-
gungswettbewerb eine treibende Kraft von Fusionen/Übernahmen ist, so ist die
„Zerschlagung“ des übernommenen Unternehmens bzw. das ungleiche Verhält-
nis zwischen Ziel- und Bietergesellschaft betriebswirtschaftlich logisch. Gesell-
schafts- und sozialpolitisch ist dies hingegen kontraproduktiv und hebelt in der
Regel bestehende gewerkschaftliche Rechte aus. In diesem Sinne beziehen sich
die Antragsforderungen sowohl auf Fusionen und Übernahmen als auch auf
„freundliche“ und „feindliche“ Übernahmen.

2) Freiwilliger Übernahmekodex und EU-Richtlinie

Die Übernahme erfolgt in der Regel zunächst durch das Unterbreiten eines
öffentlich kundgemachten Übernahmeangebots (take-over-bid, tender-offer) an
die Anteilseigner bzw. Aktionäre ihre Wertpapiere zu veräußern (Kaufangebot)
oder gegen Wertpapiere der anbietenden Gesellschaft zu tauschen (Tauschange-
bot). Nach welchen Kriterien die Übernahme erfolgt, liegt dabei nicht zuletzt an
den geltenden nationalen gesetzlichen und/oder freiwilligen Bestimmungen zu
Fusionen/Übernahmen.

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen führenden
Finanzmärkten (USA, Japan, Frankreich) keine gesetzliche Regelung für
Unternehmensübernahmen. Es existiert einzig seit 1995 ein freiwilliger Über-
nahmekodex der Börsensachverständigenkommission, um Spekulationen und
Missbräuche zu verhindern. Bisher haben sich 799 Unternehmen (darunter 68
Unternehmen aus dem Ausland) angeschlossen. Das generelle Problem der
freiwilligen Selbstregulierung hat in der Vergangenheit die Metallgesellschaft
AG vor Augen geführt, dessen Vorstand die zuvor ausgesprochene Anerken-
nung des Übernahmekodex zurückzog und dessen Vorstandssprecher erklärte,
dass das Unternehmen bei zukünftigen Akquisitionen von Fall zu Fall entschei-
den werde, ob es den Kodex anerkenne oder nicht. Die Börsensachverstän-
digenkommission, die über die Einhaltung wachen soll, kann weder diesbezüg-
liche Sanktionen verhängen, noch kann sie ein Fehlverhalten ahnden.

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Im Zentrum des seit Jahren auf europäischer Ebene diskutierten EU-Richt-
linienentwurfs zur gemeinschaftlichen Regelung von Firmenübernahmen [Vor-
schlag für eine 13. Richtlinie des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts
über Übernahmeangebote] stehen die Interessen von Wertpapierinhabern, vor
allem von Minderheitenaktionären. Im Falle eines Übernahmeangebots für ein
börsennotiertes Unternehmen sollen sie geschützt werden. Die hier geplanten
Mindestvorschriften zur Informationspflicht sollen für eine größere Trans-
parenz im Zuge von Übernahmen sorgen. Die geplante Regelung enthält keine
Verpflichtung, den Aktionären statt Aktienoptionen Bargeld anzubieten, oder
dass ab einem bestimmten Schwellenwert eine Angebotspflicht besteht. Eine
Barzahlung müsse einzig angeboten werden, wenn die angebotenen Wert-
papiere nicht liquide sind. Fragen zur Mitbestimmung der Beschäftigten, der
Beschäftigungssicherung oder der eindeutigen Informationspflicht über das
zukünftige Geschäftsgebaren werden nicht behandelt. Herrschende Meinung in
der EU ist jedoch, dass die Mitgliedstaaten national strengere Anforderungen,
als auf der EU-Ebene vorgesehen sind, aufstellen können.

3) Übernahmeregelungen im Ausland am Beispiel

Die Argumentation, dass strenge gesetzliche Regelungen zu Fusionen/Über-
nahmen im internationalen Wettbewerb nicht möglich seien und den Standort
Deutschland gefährden würden, ist nicht stichhaltig. Denn in verschiedenen
Ländern existieren unterschiedlich stark rechtlich regulierende nationale Über-
nahmegesetze. So gibt es bereits sanktionsfähige „Übernahmekommissionen“
(USA, Japan, Neuseeland, Portugal), es besteht eine Angebotspflicht der Bie-
tergesellschaft bei unterschiedlichen Schwellenwerten (Belgien, Frankreich,
Finnland) und es existieren weitreichende Informationspflichten. Einzig in der
Frage der Mitbestimmung, der Beschäftigungssicherung und der Gewährleis-
tung der sozialen Besitzstände herrscht in fast allen Ländern, insbesondere auf-
grund überall zunehmender Fusionen/Übernahmen, ein großer Nachholbedarf.

In den USA gibt es beispielsweise Regelungen im Bundesrecht und im Recht
der Einzelstaaten. Im Wesentlichen fällt in die bundesstaatliche Zuständigkeit
die Regelung der grenzüberschreitenden handels- und gesellschaftsrechtlichen
Betätigung. Die einzelstaatliche Zuständigkeit bezieht sich auf die Regelung
des eigentlichen Gesellschaftsrechts. Demzufolge gibt es auf der bundesrecht-
lichen Ebene mit dem Williams Act von 1968 ein Rahmengesetz, das für die
zuständige Aufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission/SEC) als
Grundlage für den Erlass von Regeln dient.

Das eigentliche Verfahren bei Fusionen/Übernahmen beginnt mit der Veröffent-
lichung des Angebots. Eine Veröffentlichung des Angebots hat stattzufinden,
wenn ein Interessent mindestens 5 % des Kapitals einer Gesellschaft erwerben
will. Hierbei sind sämtliche Schlüsselangaben anzugeben. Des Weiteren hat der
Bieter schon im Vorfeld die Zielgesellschaft, die SEC, Mitbieter und die Börse,
an der die Aktien der Zielgesellschaft notiert sind, über dieses Angebot zu
informieren. Anzugeben hat der Bieter dabei: Anzahl und Gattung der Wert-
papiere; Name des Emittenten; Angaben zur Person des Bieters; Art der Finan-
zierung; Zweck der Transaktion; Anzahl der Wertpapiere der Zielgesellschaft,
die der Bieter bereits hält; Vertragliche Beziehungen mit anderen Anteils-
eignern; Vermögensverhältnisse des Bieters; alle früheren und gegenwärtigen
Kontakte mit dem Emittenten und dessen Gesellschaft. Nach 10 Tagen hat die
Verwaltung der Zielgesellschaft eine begründete Stellungnahme an die Aktio-
näre abzugeben, die wiederum an den Bieter, die SEC und an die Börse, an der
die Aktien der Zielgesellschaft notiert sind, zu senden ist.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/3394

Die Regelungen der Einzelstaaten stimmen weitgehend mit den bundesstaat-
lichen Regelungen überein. Tendenziell wird jedoch versucht, das Übernahme-
verfahren zu erschweren, um die lokale Wirtschaft vor möglichen negativen
Folgen einer Fusion/Übernahme (Massenentlassung und Betriebsstilllegung)
zu schützen. Dies geschieht z. B. durch Beschränkungen des Anteilserwerbs
oder Begrenzung der Kontrollmehrheit. Darüber hinaus sind in einigen Bundes-
staaten Pflichtangebotsregelungen vorgesehen.

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