BT-Drucksache 14/335

9-Punkte-Konzept zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen

Vom 28. Januar 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/335 vom 28.01.1999

Antrag der Fraktion der F.D.P. 9-Punkte-Konzept zur Schaffung von
zusätzlichen Ausbildungsplätzen =

28.01.1999 - 335

14/335

Antrag
der Abgeordneten Jürgen W. Möllemann, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Klaus Haupt, Birgit Homburger, Dr. Klaus Kinkel, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Günter Rexrodt, Dr.
Irmgard Schwaetzer, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter
Thomae, Jürgen Türk, Dr. Guido Westerwelle, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der F.D.P.
9-Punkte-Konzept zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen

Der Bundestag wolle beschließen:
A. Sofortprogramm der Bundesregierung wird Zielsetzung nicht gerecht
Die Bundesregierung hat ein sog. "Sofortprogramm zum Abbau der
Jugendarbeitslosigkeit/Programm zur Ausbildung, Qualifizierung und
Beschäftigung von Jugendlichen" vorgelegt.
Das Programm der Bundesregierung wird seinem eigenen Ziel, tatsächlich
100 000 Jugendliche in Arbeit zu bringen, nicht gerecht. Es erweist
sich bei näherer Betrachtung als Augenwischerei, da mehr als 400 000
Jugendliche ohne Ausbildung und Beschäftigung bleiben werden.
Selbst der kleine Teil der Ausbildungsplatzsuchenden, den das Programm
erfaßt, wird nicht in Arbeit und Ausbildung gebracht, sondern
hauptsächlich auf die lange Versorgungsbank geschoben.
Bei einer genauen Analyse des "Sofortprogramms" wird schnell deutlich,
daß es selbst dem eigenen Anspruch, einen zentralen Koalitionsauftrag
umzusetzen und Jugendliche so schnell wir möglich in Ausbildung und
Beschäftigung zu bringen, nicht genügt. Schon von seinen Eckdaten her
wird es dem selbstgesteckten Ziel nicht gerecht.
- Für 5 000 Jugendliche wird das Nachholen des Hauptschulabschlusses
gefördert, unbestritten sinnvoll für die Betroffenen, aber keineswegs
gleichzusetzen mit Ausbildung und Arbeit, was von dem Programm
ausdrücklich versprochen wird. Im übrigen macht das Eingreifen des
Bundes das schulpolitische Versagen der rot-grünen Landesregierungen
deutlich.
- Weitere 5 000 Jugendliche sollen, z. B. durch Streetworker,
stabilisiert und motiviert und an die Arbeitswelt herangeführt werden.
Auch das ist sinnvoll, bedeutet aber ebenfalls nicht Ausbildung und
Beschäftigung.
- Etwa weiteren 1 000 Jugendlichen soll bei Entschuldung und
Wohnungsproblemen geholfen werden. Das bringt sicher Beschäftigung für
die öffentlichen Institutionen, die diese Aufgaben wahrnehmen, nicht
aber für die von diesem Programmansatz betroffenen Jugendlichen.
Unmittelbar auf Beschäftigung zielen lediglich die Lohnkostenzuschüsse
zur Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen, die es allerdings in
ähnlicher Form schon seit langer Zeit gibt. Die zahlenmäßig stärkste
Programmgruppe dagegen soll lediglich eine Zusatzqualifikation
erhalten, die den Berufseinstieg erleichtert. Auch diesen immerhin 25
000 Geförderten wird also sicher Gutes getan, sie werden aber gerade
nicht in Ausbildung und Beschäftigung gebracht.
B. 9-Punkte-Konzept der F.D.P. schafft zusätzlich Ausbildungsplätze
Eine strukturelle Entlastung auf dem Ausbildungsmarkt ist dauerhaft nur
durch mehr Wachstum und Beschäftigung möglich. Dazu ist eine drastische
Senkung der Steuern und Abgaben, insbesondere für kleine und mittlere
Betriebe, die einen Großteil der Ausbildungsplätze stellen, nötig. Die
neue Bundesregierung hat aber im Gegenteil die Rahmenbedingungen für
die Wirtschaft verschlechtert.
Zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen für Jugendliche
müssen auch die Tarifpartner ihrer Verantwortung gerecht werden.
Die Ausbildungsmisere ist in vielerlei Hinsicht auch ein Ergebnis der
Schulpolitik. Unternehmen klagen darüber, keine qualifizierten
Auszubildenden zu finden, da viele Schulabgänger nicht einmal über die
Grundfertigkeiten wie Rechnen, Schreiben und Lesen verfügen. Zudem sei
ein frappierender Mangel an Pflichtbewußtsein und
Verantwortungsbereitschaft erkennbar. Es muß Abhilfe geschaffen werden,
indem die Schulen, insbesondere die Haupt- und Realschulen, finanziell
und personell besser ausgestattet werden. Mehr Lehrer und bessere
Unterrichtsbedingungen sowie eine geregelte soziale Betreuung sind
dringend notwendig. Die Länder müssen hier ihre Verantwortung
übernehmen und den jungen Bürgerinnen und Bürgern eine sichere
Grundlage mit auf ihren weiteren Berufsbildungsweg geben.
Die konsequente Wirtschaftspolitik zum Abbau der Arbeitslosigkeit muß
für Jugendliche durch flankierende, gezielte Maßnahmen zur Schaffung
neuer Ausbildungsplätze ergänzt werden:
1. Die F.D.P. fordert regionale Ausbilderkonferenzen als wichtige
Bausteine zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze. Die Schaffung neuer
Ausbildungsplätze erfordert eine gesteigerte Flexibilität sowohl der
Betriebe als auch der Berufsschulen. In regionalen Ausbilderkonferenzen
können Ausbildungsbetriebe, Berufsschulen und überbetriebliche
Ausbildungsstätten sich abstimmen und so die beste Auslastung erzielen.
Voraussetzung für wirkliche Funktionalität ist aber die Abschaffung
starrer Vorschriften insbesondere in den Berufsschulen, so daß die
Betriebe mit den Schulen und den überbetrieblichen Ausbildungsstätten
flexibel über die Lehre der Auszubildenden entscheiden können (zwei
Tage Unterricht oder nur ein Berufsschultag, Blockunterricht etc.). Es
ist auch notwendig, die Berufsschulen finanziell und personell besser
auszurüsten. Die Einführung der gestuften Ausbildung trägt zu einer
Flexibilisierung bei und fördert die Jugendlichen besser nach ihren
individuellen Fähigkeiten und Begabungen.
2. Die F.D.P. fordert, neue Berufsbilder zügiger zu schaffen.
Insgesamt müssen sich Berufsbilder flexibler als bisher an
Veränderungen anpassen können. Die Ausbildungssituation krankt u. a.
daran, daß neue Berufsbilder immer noch zu langsam entstehen. In den
Bereichen, die auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft Bedeutung erlangen,
insbesondere Kommunikation, Multimedia und Dienstleistungen, liegen
derzeit Ausbildungsplätze und auch Berufsbilder unter dem
wirtschaftlichen Bedarf. Der Situation könnte u. a. durch modulare
Ausbildungsgänge entgegengewirkt werden, da diese sich schneller
anpassen lassen und somit flexibler auf Veränderungen am Arbeitsmarkt
und der technischen Entwicklung reagieren können.
3. Der Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern, die in den neuen
Bundesländern bereits Erfolge erzielt haben, muß flächendeckend
erfolgen.
4. Aktionen der Landesregierungen und der Bundesregierung, wie auch
der Kreise und Kommunen, die direkt auf Betriebe zukommen und dort für
weitere Ausbildungsplätze werben, müssen weitergeführt werden. Die
Verantwortlichen sollen persönlich dafür einstehen, daß neue
Ausbildungsplätze entstehen.
5. Die F.D.P. hält es für förderungswürdig, wenn sich zwei Betriebe
die Verantwortung für die Ausbildung eines Jugendlichen teilen. Dann
können auch kleine Unternehmen ausbilden. In einigen Fällen könnte auch
zugunsten einer Zusatzqualifikation, die ausbildungsbegleitend erworben
wird, die Ausbildungsteilzeit eingeführt werden. Diese Maßnahme soll
aus Geldern finanziert werden, die derzeit in
Berufsvorbereitungsmaßnahmen und in die Unterstützung junger
Arbeitsloser gesteckt werden.
6. Ausbildungsbörsen, die in Kooperation mit Radiosendern oder dem
Fernsehen sowie den Zeitungen angeboten werden, müssen in Zukunft an
bereits erzielte Erfolge anknüpfen und müssen fortgesetzt werden.
Insbesondere erweist sich die Unterstützung durch prominente Politiker
oder andere bekannte Persönlichkeiten als förderlich.
7. Die Beratung der Jugendlichen bei der Wahl ihres
Ausbildungsplatzes muß dringend verbessert werden. Zwar sind die großen
Anstrengungen der Arbeitsämter nicht zu verkennen, doch fehlt es oft an
Kooperation mit den Schulen. Insbesondere Jugendliche mit sozialen
Problemen werden so oft nicht angesprochen. Maßnahmen, die Jugendlichen
mit Streetworkern zu betreuen, zeigen sicherlich eine richtige Richtung
auf. Doch müssen auch andere Wege gefunden werden, die Jugendlichen
anzusprechen, bevor sie auf der Straße landen und dort betreut werden
müssen. Auch ist in den Arbeitsämtern zu überprüfen, ob die Chancen der
jungen Frauen gesichert sind. Noch vor wenigen Jahren ergaben die
computergesteuerten Tests der Arbeitsämter bei ansonsten gleichen
Eingaben unterschiedliche Ergebnisse (individuelle Berufsvorschläge)
bei Jungen und Mädchen.
8. Die F.D.P. fordert ein Mobilitätsprogramm zur Verbesserung der
Ausbildungssituation. Während in einigen Regionen der Mangel an
Ausbildungsplätzen groß ist, klagen Unternehmen in anderen Regionen
über einen Mangel an (qualifizierten) Auszubildenden. Ein
Mobilitätsprogramm mit Unterbringungsmöglichkeiten (evtl. wie bei
Austauschprogrammen mit Familienanbindung oder mit
Auszubildendenwohnheimen) und ein bundesweiter Informationspool über
freie Ausbildungsplätze sind hier die gebotenen Maßnahmen.
9. Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden aufgefordert,
persönlich dafür einzutreten, daß Wirtschaft, Handwerk und Verwaltung
in ihrem Wahlkreis bzw. ihrer Region zusätzliche Ausbildungsplätze
schaffen.
Bonn, den 26. Januar 1999
Jürgen W. Möllemann
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Birgit Homburger
Dr. Klaus Kinkel
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

28.01.1999 nnnn

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