BT-Drucksache 14/3323

Haltung der Bundesregierung zu territorialen Ansprüchen auf "Ostpreußen" innerhalb des Bundes der Vertriebenen

Vom 2. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3323
14. Wahlperiode 02. 05. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Haltung der Bundesregierung zu territorialen Ansprüchen auf „Ostpreußen“
innerhalb des Bundes der Vertriebenen

Die Zeitschrift „Deutscher Ostdienst“, herausgegeben durch den Bundesver-
band der Vertriebenen (BdV), berichtet in ihrer Ausgabe Nr. 16 vom 20. April
2000 über die Tätigkeit des Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen
(LO).

Darin stuft sie die Entscheidung der „Ostpreußischen Landesvertretung“, des
„obersten Beschlussorgans“ der LO, in der sich diese im März 1997 weigerte,
das Eintreten für die „nationale und staatliche Einheit Deutschlands unter
Einschluss Ostpreußens“ aus der Satzung der Landsmannschaft zu streichen,
als eines der „wesentliche(n) Verdienste“ des amtierenden Vorsitzenden der LO
ein (a.a.O., S. 2).

Der „Deutsche Ostdienst“ unterstützt damit die Verfechtung von außenpoli-
tischen Zielen, die im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen, zu zahlreichen
internationalen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland (u. a. dem Zwei-
plus-Vier-Vertrag) und im Widerspruch zum Grundgesetz stehen.

In der Präambel des Grundgesetzes heißt es, dass „die Deutschen“ (es folgt die
Aufzählung der Bundesländer) „die Einheit und Freiheit Deutschlands voll-
endet“ haben. Die Satzung der „Ostpreußischen Landsmannschaft“ dagegen
behauptet, diese Einheit sei nicht erreicht, zu ihrer Verwirklichung gehöre die
Annexion der Gebiete des früheren „Ostpreußen“ an das Territorium der Bun-
desrepublik Deutschland. Die Satzung der LO verpflichtet damit Mitglieder
und Funktionäre der LO zu einer Politik, die den Frieden gefährdet, jede Politik
der guten Nachbarschaft mit den Staaten Osteuropas untergräbt und gegen die
Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstößt.

Die Beibehaltung der Satzung habe zum Verlust der Gemeinnützigkeit und zu
der Einstellung aller staatlichen Zuschüsse für die LO geführt, so der Bericht
im „Deutschen Ostdienst“.

Zwei Ausgaben vorher hatte der „Deutsche Ostdienst“ gemeldet, dass Bundes-
kanzler Gerhard Schröder am 3. September 2000 in Berlin zum 50. „Tag der
Heimat“ die Festrede halten wird.

Durch die zeitliche Nähe der beiden Veröffentlichungen sowie durch die staat-
liche Förderung des BdV kann in der Öffentlichkeit, vor allem in Polen und
Russland, der Eindruck entstehen, als billige die Bundesregierung die Infrage-
stellung der bestehenden Grenzen in Europa und territoriale Forderungen gegen
Nachbarländer, wie sie die Ostpreußische Landsmannschaft in ihrer Satzung
erhebt.

Drucksache 14/3323 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über die oben genannten territorialen Forderungen der Ostpreußischen
Landsmannschaft vor

– im Hinblick auf das Völkerrechtsgebot der Achtung bestehender Gren-
zen,

– im Hinblick auf das Gebot einer Politik des Friedens und der guten Nach-
barschaft mit den Staaten Osteuropas,

– im Hinblick auf die Feststellung der Präambel des Grundgesetzes, wo-
nach die Einheit und Freiheit Deutschlands „vollendet“ ist?

2. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Forderungen im
Hinblick auf eine eventuelle rechtsextremistische Durchsetzung der LO?

Sind der Bundesregierung ggf. weitere verfassungsschutzrelevante Erkennt-
nisse in diesem Zusammenhang bekannt?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundsregierung über eine rechtsextreme Aus-
richtung des „Ostpreußenblattes“, des Organs der LO?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung, auch den „Deutschen Ostdienst“ wegen
Propagierung und Unterstützung solcher territorialer Forderungen künftig
als „verfassungsfeindlich“ einzustufen?

Wenn nein, warum nicht?

5. Liegen der Bundesregierung verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse darü-
ber vor, ob weitere Mitgliedsverbände des „Bund der Vertriebenen“ in ihren
Satzungen territoriale Ziele, die auf eine Revision der bestehenden deut-
schen Ostgrenze hinauslaufen, vertreten (bitte die Verbände und die entspre-
chenden Satzungsziele einzeln auflisten)?

6. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung im Hinblick auf die institu-
tionelle Förderung des BdV ergreifen, um der Verfechtung und Propagie-
rung solcher Ziele durch Publikationen und Mitgliedsverbände des BdV in
ihren Kontakten und Gesprächen mit dem „Bund der Vertriebenen“ und sei-
nen Mitgliedsorganisationen künftig entgegenzutreten?

Berlin, den 26. April 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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