BT-Drucksache 14/331

Sofortiger unbefristeter Abschiebestop für Flüchtlinge in die Türkei

Vom 27. Januar 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/331 vom 27.01.1999

Antrag der Fraktion der PDS Sofortiger unbefristeter Abschiebestop für
Flüchtlinge in die Türkei =

27.01.1999 - 331

14/331

Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
Sofortiger unbefristeter Abschiebestop für Flüchtlinge in die Türkei

Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert,
einen sofortigen, unbefristeten und bedingungslosen Stop der
Abschiebungen in die Türkei zu erlassen.
Bonn, den 27. Januar 1999
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Während die europäischen Regierungen einvernehmlich die Einhaltung der
Menschenrechte in der Türkei und eine politische Lösung der
Kurdistanfrage fordern, haben sich in den letzten Monaten der Krieg und
die Menschenrechtssituation dort weiter verschärft. Während die
kurdische Seite seit Anfang September einen einseitigen
Waffenstillstand verkündet hat, nehmen die Aggressionen des türkischen
Militärs unvermindert zu. Die kurdischen Provinzen der Türkei,
insbesondere die Provinz Dersim, wurden in den letzten Monaten von
türkischen Jagdflugzeugen systematisch bombardiert - jeden Tag mehren
sich die Meldungen über Tote und Verletzte. Alleine in Dersim sind
heute mehr Soldaten stationiert, als der Provinz an Einwohnern noch
verblieben sind. Seit Mitte August werden in Istanbul und anderen
Großstädten des Landes die Angehörigen der in Polizeihaft
"Verschwundenen" - die "Samstagsmütter" - allwöchentlich mit
Polizeigewalt daran gehindert, öffentlich Aufklärung über das Schicksal
ihrer Angehörigen zu fordern. Wie auch zahlreiche Angehörige des
Menschenrechtsvereins IHD werden sie dabei regelmäßig verhaftet und
geschlagen. Seitdem Abdullah Öcalan vor zwei Monaten in Rom eintraf,
hat die türkische Regierung im Einklang mit den staatstragenden Medien
die Jagd auf die Befürworter eines Friedensprozesses eröffnet.
Systematisch werden Mitglieder des IHD öffentlich als verlängerter Arm
der PKK denunziert, und damit wird ein Klima geschaffen, in dem bereits
im Mai nach einer ähnlichen Kampagne der IHD-Vorsitzende A. B. Opfer
eines Mordanschlages wurde, den er nur knapp und schwerverletzt
überlebte. Der noch immer nicht völlig Genesene soll in Kürze eine
zweijährige Haftstrafe antreten - für zwei Reden, in denen er zu einer
politischen Lösung des Konfliktes aufrief.
Während der Monate November und Dezember 1998 brachen die
Verhaftungswellen sämtliche Rekorde seit dem Militärputsch von 1980.
Nach Angaben des Menschenrechtsvereins war Ende November die Zahl der
festgenommenen Kriegsgegner bereits auf 3 064 Personen angewachsen -
die Mehrzahl von ihnen Mitglieder der prokurdischen Demokratischen
Partei des Volkes, HADEP. Fast alle HADEP-Büros wurden, ebenso wie die
Redaktion der prokurdischen Tageszeitung Ülkede Gündem, zerstört oder
geschlossen. Zwei der Inhaftierten, H. C. und M. Y., wurden im Zuge
ihrer Verhaftung von der Polizei totgeschlagen.
Haftbefehl erlassen wurde auch gegen den Vorsitzenden der Partei, M.
B., der bereits einen großen Teil des letzten Jahres hinter Gittern
verbracht hat. Gegen ihn sind Verfahren anhängig, die ihn bis zu 22
Jahren hinter Gitter bringen können. Die erneute Inhaftierung von B.
geht auf einen Aufruf unter dem Titel "Unser Ziel muß Frieden sein!"
zurück, mit dem er Mitte November öffentlich erklärte: "Das kurdische
Problem ist ein Problem aller, die in der Türkei leben. Es ist das
Problem von uns allen. Eine friedliche und demokratische Lösung dieses
Problems ist eine Notwendigkeit. Wir müssen Anstrengungen unternehmen,
jegliches weitere Leiden zu verhindern, und jene Bedingungen schaffen,
die nötig sind, daß 62 Millionen Menschen gleichberechtigt und frei
zusammenleben können."
Außenpolitisch hat die neue Bundesregierung die Einhaltung der
Menschenrechte in der Türkei längst zu einem vorrangigen Ziel erklärt.
Der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, wies die Deutschen
Botschaften an, sich für Menschenrechtler und Dissidenten zu öffnen. In
der Flüchtlingspolitik hat sich dieser neue Kurs bisher nicht
niedergeschlagen. Seit geraumer Zeit fordern Menschenrechts- und
Flüchtlingsorganisationen einen Stop der Abschiebung von Flüchtlingen
in die Türkei. Nicht nur im seit einem Jahr andauernden
Wanderkirchenasyl müssen von Folter Bedrohte weiterhin täglich ihre
Abschiebung befürchten. Es ist an der Zeit, diesen Abschiebestop ohne
weiteren Zeitverzug anzuordnen und zu vollziehen.

27.01.1999 nnnn

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