BT-Drucksache 14/3254

Bürgerbeteiligung und Umsetzung der Aarhus-Kovention

Vom 25. April 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3254

14. Wahlperiode

25. 04. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter und der Fraktion der PDS

Bürgerbeteiligung und Umsetzung der Aarhus-Konvention

Seit 1990 hat die Bundesregierung einige Gesetze, beispielsweise das Ver-
kehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, das Investitionserleichterungs- und
Wohnbaulandgesetz, das Planungsvereinfachungsgesetz u. a., verabschiedet,
die die Öffentlichkeitsbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland
beschnitten haben.

Am 25. Juni 1998 wurde demgegenüber im dänischen Aarhus anlässlich der
4. Paneuropäischen Umweltministerkonferenz von 35 Staaten und der Euro-
päischen Union eine international bedeutsame Konvention unterzeichnet, die
einen gegenteiligen Trend zur oben skizzierten deutschen Entwicklung dar-
stellt: das „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlich-
keitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in
Umweltangelegenheiten“.

Diese Aarhus-Konvention will die Bürgerbeteiligung im Umweltschutz stär-
ken. Ihre Bedeutung ist u. a. in folgenden Punkten zu sehen:



Die völkerrechtliche Anerkennung von Information, Beteiligung und Klage-
möglichkeiten als Rechte einer jeden Person zum Schutz der Umwelt, auch
für zukünftige Generationen.



Die völkerrechtliche Anerkennung, dass der Umwelt- und Naturschutz häu-
fig nur durch das Wahrnehmen von Rechten Dritter, vom Staat unabhängiger
Gruppen, Initiativen und Organisationen zustande kommt.



Die Etablierung von Mindeststandards für den Zugang zu Umweltinformatio-
nen, für Öffentlichkeitsbeteiligung und für den Zugang zu Gerichtsverfahren.



Weit gefasste Definitionen „Öffentliche Institutionen“, „Umweltinformatio-
nen“, wodurch ein großer Aktionsradius der Konvention entsteht.



Der Einschluss der EU-Institutionen in den Rahmen der Konvention und die
Absichtserklärung, die Inhalte der Konvention auch im Rahmen internatio-
naler Organisationen voranzutreiben.



Die Stärkung der Demokratisierungsbestrebungen, insbesondere in Mittel-
und Osteuropa.



Die Offenheit der Konvention für den Beitritt weiterer Staaten der Erde.

Die Konvention tritt dann in Kraft, wenn mindestens 16 Staaten die Konvention
ratifiziert haben. Bislang haben u. a. die Republik Moldawien, die Ukraine,
Georgien die Konvention ratifiziert, allerdings stehen insbesondere in den Staa-
ten Osteuropas einige Staaten unmittelbar vor einer Ratifizierung.
Drucksache

14/

3254

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schritte hat die Bundesregierung seit der Unterzeichnung der Aar-
hus-Konvention im Dezember 1998 unternommen, um die Konvention in
Deutschland zu ratifizieren?

2. Welchen konkreten Zeitplan zur Ratifizierung verfolgt die Bundesregie-
rung?

3. Bemüht sich die Bundesregierung, zu den ersten 16 Staaten zu gehören, die
die Konvention innerstaatlich ratifizieren, damit die Konvention Gültigkeit
erlangt und Deutschland einen Teil seines Imageschadens durch die ver-
wässernde Verhandlungspolitik der Regierung Kohl wiedergutmacht?

4. Welche konkreten Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung bei der Rati-
fizierung der Aarhus-Konvention bezüglich der Abstimmung mit Gesetz-
gebungsakten der Europäischen Gemeinschaft?

5. Welche Aktivitäten unternimmt die Bundesregierung, um den durch die
verzögernde und das Verhandlungsergebnis verwässernde Verhandlungs-
politik unter der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel im
Ausland entstandenen Imageschaden insbesondere bei den Mittel- und Ost-
europäischen Staaten auszugleichen?

6. Welche Akzente bemüht sich die Bundesregierung, beim Nachfolgeprozess
nach der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention zu setzen (Nachfolgetref-
fen, NGO-Unterstützung, internationale Verbreitung)?

7. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Verlängerung des
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes im Dezember 1999 bis
Ende 2004 im Einklang mit der Aarhus-Konvention steht, die die Öffent-
lichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren des Bundesfernstraßen-
baus, des Autobahnbaus sowie des Wasserstraßenbaus vorschreibt?

8. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „ausreichendes Interesse“,
der für den Zugang zu Gerichten gemäß Aarhus-Konvention als Voraus-
setzung, um ein Klageverfahren vor Gericht anzustrengen, genügt und sieht
die Bundesregierung Bedarf, die Verwaltungsgerichtsordnung entspre-
chend anzupassen?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Begriff „ausreichendes
Interesse“ der Aarhus-Konvention noch über den im Zuge der 6. Änderung
zur Verwaltungsgerichtsordnung 1996 abgeschafften Begriff des „Nach-
teils“ (ehemals § 47 Abs. 2 VwGO) hinausgeht?

10. Wann novelliert die Bundesregierung das Umweltinformationsgesetz?

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Euro-
päischen Gerichtshofs vom 9. September 1999 (C-217/97) hinsichtlich der
Erweiterung des Zugangsanspruchs, der restriktiveren Fassung der Aus-
nahmetatbestände und der Gebührengestaltung durch die Umweltinforma-
tionsgebührenverordnung – UIG-GebV – (BGBl. I S. 3732)?

Berlin, den 19. April 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.