BT-Drucksache 14/3221

Zur künftigen Rolle öffentlich-rechtlicher Banken im Bankenwettbewerb

Vom 12. April 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

12. 04. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Rainer Brüderle, Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion
der F.D.P.

Zur künftigen Rolle öffentlich-rechtlicher Banken im Bankenwettbewerb

Der Streit um Beihilfen und Privilegien mit Beihilfecharakter für öffentlich-
rechtliche Unternehmen ist eskaliert. Insbesondere die Landesbanken und
Sparkassen sind in das beihilfe- und wettbewerbsrechtliche Visier der EU-
Kommission geraten.

Die Bundesregierung ist mit dem Versuch, zwischen Bundesländern und Kom-
mission zu vermitteln, hierbei vorerst gescheitert. Einerseits haben Bund,
Nordrhein-Westfalen und WestLB gegen die Entscheidung der Kommission,
dass die WestLB Beihilfen in Höhe von 1,6 Mrd. DM zuzüglich Zinsen an das
Bundesland Nordrhein-Westfalen zurückzahlen muss, geklagt. Andererseits
wird die EU-Kommission die Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes
gegen den EU-Vertrag im Zusammenhang mit den Beihilfen für die WestLB
ihrerseits verklagen.

Einige Ministerpräsidenten sind massiv in Brüssel aufgetreten und drohen nun
offen, die Zustimmung zur EU-Osterweiterung im Bundesrat zu verweigern, da
sie durch das Vorgehen der Kommission nicht nur die Landesbanken, sondern
auch das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen oder die öffentlichen Verkehrs-
betriebe bedroht sehen. Die Bundesregierung hält Landesbanken für einen un-
entbehrlichen Bestandteil der deutschen Kreditwirtschaft und hebt besonders
die Zusammenarbeit zwischen Landesbanken und Sparkassen hervor. Die öf-
fentlich-rechtlichen Banken selbst geben zu, dass das Geschäft mit dem öffent-
lichen Auftrag einem permanenten Wandel unterliegt.

Die strengen Wettbewerbs- und Beihilferegeln sind im EU-Vertrag vor allem
auf Initiative Deutschlands verankert worden. Inzwischen erscheint Deutsch-
land aber nicht mehr als der Motor, sondern als Blockierer eines europäischen
Wettbewerbsgedankens.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie setzt sich die Arbeitsgruppe um den Staatssekretär im Bundesministe-
rium der Finanzen, Caio Kai Koch-Weser, die den Begriff der öffentlichen
Daseinsvorsorge in einer Marktwirtschaft präziser definieren soll, zusam-
men und wie lautet ihr genauer Auftrag?
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2. Welche Rolle spielt die ehemalige EU-Kommissarin, Monika Wulff-
Matthies, in diesem Zusammenhang?

3. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der Daseinsvorsorge in
einer sozialen Marktwirtschaft?

4. Welche öffentlichen Aufgaben lassen sich im Detail für den Sektor der öf-
fentlich-rechtlichen Banken aus der Definition des Daseinsvorsorgebegriffs
durch die Bundesregierung ableiten?

5. Wann wird die Arbeitsgruppe ihre Vorschläge zur Daseinsvorsorge und zur
künftigen Rolle öffentlich-rechtlicher Unternehmen der EU-Kommission
präsentieren?

6. Verfügt die Bundesregierung über Daten, die das Ausmaß der Erfüllung
eines öffentlichen Auftrags durch Sparkassen und Landesbanken (z. B.
Kreditversorgung in der Fläche, Mittelstandsfinanzierung, Unterstützung
von Kommunen und Ländern bei der Wirtschaftsförderung) im Vergleich
mit dem privaten Bankensektor belegen können?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die weitverbreitete Praxis von Quersub-
ventionierungen bei öffentlichen Unternehmen aus ordnungspolitischer
Sicht und unter Effizienzgesichtspunkten?

8. Welche Beobachtungen der Bundesregierung gaben Bundeskanzler Ger-
hard Schröder Anlass zu der Aussage (FAZ vom 6. April 2000), dass ge-
rade die Mischung von privatwirtschaftlicher und öffentlich-rechtlicher
Versorgung wichtig sei, damit auch kleine Kunden und mittelgrosse Unter-
nehmen optimal mit Finanzdienstleistungen versorgt würden?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die öffentlichen Banken als
„nationales Korrektiv“ zu den monopolbildenden Privatbanken mehr denn
je nötig seien, wie dies vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten
Wolfgang Clement geäußert worden sein soll (Financial Times Deutsch-
land vom 28. März 2000)?

10. Welche Landesbanken werden nach Meinung der Bundesregierung in ver-
gleichbarer Weise wie die WestLB demnächst von der EU-Kommission auf
unzulässige öffentliche Beihilfen untersucht und ggf. zum Anlass für wei-
tere Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland genommen?

11. Befürwortet die Bundesregierung eine differenzierte Vorgehensweise bei
der Problematik zwischen Landesbanken und Sparkassen?

12. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Pressemeldungen zu, dass die
ostdeutschen Sparkassen auf Gewährträgerhaftung und Anstaltslast bereit
sind zu verzichten (Handelsblatt vom 22. Februar 2000)?

13. Hält die Bundesregierung eine Kompromisslinie für wünschenswert und
realistisch, die ein hartes Eingreifen der EU-Kommission bei den binnen-
marktrelevanten Wettbewerbsverzerrungen auf Landesbankebene mit ei-
nem Akzeptieren des Kreditversorgungsauftrages der Sparkassen in der
Fläche verbindet?

14. Könnte der US-amerikanische „Community Reinvestment Act“ als Vorbild
für eine Auflösung des Konflikts zwischen öffentlich-rechtlichen und pri-
vaten Banken in Deutschland dienen?

15. Befürwortet die Bundesregierung eine umfassende Schutzklausel für öf-
fentlich-rechtliche Dienstleistungen im EU-Vertrag, wie sie von einigen
Ministerpräsidenten gefordert wird?
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16. Bevorzugt die Bundesregierung ein Entgelt für die Gewährträgerhaftung
oder eine umfassende Institutssicherung als Lösungsvariante des Beihilfe-
dilemmas bei öffentlich-rechtlichen Banken?

17. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zum Vorschlag der EU-Kom-
mission ein, die EU-Transparenzlinie so zu verschärfen, dass alle Unter-
nehmen mit mehr als 40 Mio. Euro Umsatz ggf. ihre Buchführung nach
Tätigkeiten im öffentlichen Interesse und Tätigkeiten in freier Konkurrenz
trennen müssen?

18. Welche Chancen sieht die Bundesregierung, dass dieser Vorschlag der EU-
Kommission in die Realität umgesetzt wird?

19. Wie reagiert die Bundesregierung auf die Verknüpfung des Streits um Bei-
hilfen für die WestLB mit der Zustimmung zur Osterweiterung durch
einige Ministerpräsidenten aus europapolitischer Sicht?

20. Haben auch andere europäische Länder schon Bereiche benannt, für die die
europäischen Beihilfe- und Wettbewerbsvorschriften prinzipiell aus Grün-
den des öffentlichen Interesses nicht gelten sollen, und wenn ja, welche?

Berlin, den 12. April 2000

Rainer Brüderle
Rainer Funke
Dr. Werner Hoyer
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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