BT-Drucksache 14/3202

Berichte über Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Deutschland

Vom 6. April 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3202

14. Wahlperiode

06. 04. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Berichte über Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Deutschland

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ vom 4. März
2000 wurde der türkische Geheimdienst (MIT) von der Bundesregierung ange-
halten, sieben seiner in Deutschland aktiven Mitarbeiter abzuziehen. Nach Be-
richten des deutschen Verfassungsschutzes sollen die als Diplomaten getarnten
Geheimdienstler im Verdacht stehen, vermeintliche Mitglieder oder Personen
aus dem Umfeld der kurdischen Arbeiterpartei PKK durch Spitzel und Provo-
kateure zu Straftaten aufgestachelt zu haben. Auch hätten diese Mitarbeiter des
MIT in der Bundesrepublik Deutschland Informanten für Spitzeltätigkeiten an-
geworben.

Der türkische Geheimdienst soll zudem gezielt deutsche Verfassungsschutzbe-
hörden mit falschen Meldungen über eine zunehmende Radikalisierung der
PKK-Anhänger in Deutschland bearbeitet haben. Deutsche Staatsschützer gin-
gen davon aus, dass die türkische Seite sehr daran interessiert sei, dass die PKK
in der Bundesrepublik Deutschland weiter als Staatsfeind betrachtet wird.

Bereits 1990 sollen 15 türkische Diplomaten aufgefordert worden sein, die
Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, als der Verfassungsschutz beim Ab-
hören ihrer Telefongespräche mitbekommen hatte, wie sie unter Drohungen
türkische Oppositionelle zur Zusammenarbeit zu zwingen versuchten (Quelle:
DER SPIEGEL, Nr. 10/2000 vom 4. März 2000).

Kurdische Vereine und Organisationen hatten in der Vergangenheit mehrfach
darauf hingewiesen, dass der türkische Gehimdienst mit Anschlägen gegen tür-
kische Einrichtungen in Verbindung stehe, um den Verdacht auf die PKK zu
lenken.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Angehörige des türki-
schen Geheimdienstes in der Bundesrepublik Deutschland Personen aus
dem Umfeld der PKK zu Straftaten aufgestachelt und Kurden und türkische
Staatsbürger für Spitzeltätigkeiten angeworben haben?

2. Kann die Bundesregierung den o. g. Bericht des „SPIEGEL“ bestätigen,
dass der türkische Geheimdienst von der Bundesregierung angehalten
wurde, sieben seiner Mitarbeiter abzuziehen?

Wenn ja, sind die betreffenden sieben Mitarbeiter abgezogen worden?
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3. Wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls die Aktivitäten der als
Attachés in den türkischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutsch-
land getarnten Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes?

4. Für welche konkreten Handlungen und Straftaten zu welchem Zeitpunkt
werden die Mitarbeiter des MIT verantwortlich gemacht (bitte die Aktio-
nen und Straftaten im Einzelnen mit Zeit- und Ortsangabe auflisten)?

5. Wurde nach Kenntnis der Bundesrgierung wegen der von den betreffenden
MIT-Mitarbeitern begangenen bzw. provozierten Straftaten bereits gegen
Kurden ermittelt bzw. sind kurdische Personen dafür verurteilt worden?

Wenn ja, wurden die zuständigen Staatsanwaltschaften über die nun be-
kannten Hintergründe unterrichtet?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Rolle der türkischen Vertretungen in
der Bundesrepublik Deutschland, in denen der türkische Geheimdienst ge-
tarnt tätig sein soll?

7. Beabsichtigt die Bundesregierung, Schritte gegen die betreffenden türki-
schen Vertretungen aufgrund der Verletzung des Wiener Übereinkommens
über konsularische Beziehungen einzuleiten?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

8. Welche Schritte wird die Bundesregierung einleiten, um künftige Aktivitä-
ten des türkischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik Deutschland zu
unterbinden?

9. Wie viele Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes sind den Behörden
bekannt, die seit dem Verbot der PKK 1993 in der Bundesrepublik
Deutschland tätig waren bzw. sind (bitte nach Jahren auflisten)?

10. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Kurden und
oppositionelle türkische Staatsbürger in letzter Zeit zur Mitarbeit mit dem
türkischen Geheimdienst gezwungen wurden?

11. Wie viele Anschläge gegen welche türkische Einrichtungen wurden seit
dem Verbot der PKK im Jahre 1993 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ver-
übt (bitte nach Jahr und Ort auflisten)?

– In wie vielen Fällen sind Personen mit einem PKK-Hintergrund festge-
nommen und verurteilt worden?

– Wie viele Fälle wurden welchen anderen Personen bzw. Gruppen zuge-
ordnet?

– Wie viele Fälle werden dem türkischen Geheimdienst zugeordnet bzw.
durch diesen provoziert?

12. Welche Rolle spielten Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes nach Er-
kenntnissen der Bundesregierung speziell bei den kurdischen Protestaktio-
nen nach der Entführung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan in die
Türkei?

13. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach dem Abflauen der Proteste
gegen die Entführung des PKK-Vorsitzenden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung gegen vermeintliche Mitglieder oder Personen aus dem Umfeld
der PKK wegen politischer oder anderer Straftaten noch eingeleitet?

In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu einer
Verurteilung, in der von einer Steuerung oder Veranlassung dieser Taten
durch die PKK ausgegangen wird?
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14. Besteht nach Auffassung der Bundesregierung vor dem Hintergrund der
aktuellen Entwicklung und der jetzt bekannt gewordenen Aktivitäten des
türkischen Geheimdienstes Anlass zu einer neuen Einschätzung der kurdi-
schen Arbeiterpartei PKK ?

Berlin, den 28. März 2000

Ulla Jelpke,
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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